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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend eine Übereinkunft zwischen der Schweiz und Österreich zur Regelung des Verfahrens bei der Übergabe und Übernahme von Verbrechern an der Grenze.

(Vom 11. November 1898.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Wir beehren uns, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, daß am 4. dies eine Übereinkunft zwischen der S c h w e i z und Ö s t e r r e i c h zur Regelung des Verfahrens bei der Übergabe und Übernahme von Verbrechern an der schweizerisch-österreichischen Grenze von den beidseitigen Bevollmächtigten unterzeichnet worden ist.

Im Anschlüsse erhalten Sie eine Anzahl von Exemplaren dieser Übereinkunft *), wobei wir noch bemerken, daß dieselbe schon bei den Verhandlungen betreffend den neuen Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn vom 10. März 1896 in Aussicht genommen worden und nunmehr durch den Austausch gleichlautender Erklärungen zwischen uns und der k. und k.

Regierung zu stände gekommen ist. Die Grenzorte und -behörden, "welche in dem Abkommen für die Übernahme der an die Schweiz zu übergebenden Individuen aufgestellt wurden, sind nach dem Antrage der st. gallischen Regierung bestimmt worden.

Die Ausführung von Art. 5 der Übereinkunft, welcher eine an die Übernahmebehörde zu richtende Voranzeige von dem Eintreffen des zu übergebenden Verbrechers vorsieht, findet schweizerischerseits, wie bis anhin, in der Weise statt, daß unser Justiz*) Siehe Seite 156 hiernach.

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und Polizeidepartement unter Bezeichnung des Ortes, wo die Übergabe an die k. und k. Behörden stattfinden wird, der hiesigen österreichisch-ungarischen Gesandtschaft den Tag der Übergabe 3 bis 4 Tage vorher anzeigt, damit die österreichische Übernahmsbehörde rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt werden kann. Österreichischerseits wird in der Weise verfahren, daß die zuständige k. und k.

Centralbehörde in Wien nur den schweizerischen Übergabeort bestimmt und der schweizerischen Gesandtschaft in Wien mitteilt; die schweizerische Übernahmsbehörde dagegen wird vom Zeitpunkt der Zuführung durch diejenige k. und k. Behörde verständigt, in ·deren Verwahrung sich der zu übergebende Verbrecher befindet.

Wir benutzen diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 11. November 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ruffy.

Der I. Vizekanzler : Schatzmann.

^s-O-^.-

156 Beilage.

Übereinkunft zwischen

der Schweiz und Österreich betreffend die Regelung des Verfahrens bei der Übergabe und Übernahme von Verbrechern an der Grenze.

Abgeschlossen den 4. November 1898.

Behufs Regelung des Verfahrens bei der Übergabe und Übernahme von Verbrechern an der österreichisch-schweizerischen Grenze zum Zwecke einer Auslieferung, einer vorübergehenden Übergabe oder einer Durchlieferung haben sich die gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten über nach, stehendes geeinigt :

I.

Der Bundesrat der , schweizerischen Eidgenossenschaft bestimmt die folgenden Orte und Behörden zur Übernahme von Verbrechern, welche zur Auslieferung, zur vorübergehenden Übergabe oder zur Durchlieferung aus Österreich unmittelbar nach der Schweiz geleitet werden :

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Laufende Nummer.

Bezeichnung des schweizerischen Übernahmsortes.

Bezeichnung der Bezeichnung schweizerischen des österreichischen Übernahmsbeliiörde.

Grenzortes.

1

Rorschach.

Bezirksamt Rorschach.

Bregenz.

2

Buchs.

Bezirksamt Werdenberg in Buchs.

Feldkirch.

II.

Von den kaiserlich-königlich österreichischen Ministerien des Innern und der Justiz werden die folgenden Orte und Behörden zur Übernahme von Verbrechern bestimmt, welche zur Auslieferung, zur vorübergehenden Übergabe oder zur Durchlieferung aus der Schweiz unmittelbar nach Österreich geleitet werden :

Laufende Nummer.

Bezeichnung des österreichischen Übernahmsortes.

Bezeichnung Bezeichnung der österreichischen des schweizerischen Grenzortes.

Übernahmsbehörde.

1

Feldkirch.

k. k. Bezirkshauptmannschaft Feldkirch.

Buchs.

2

Bregenz.

k. k. Bezirkshauptmaunschaft Bregenz.

Rorschach.

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III.

Die Bestimmung eines der angegebenen Übernahmsorte im Einzelfalle bleibt, wenn der Verbrecher nach der Schweiz geleitet werden soll, den kaiserlich-königlich österreichischen Behörden, wenn er aber nach Österreich geleitet ·wird, den schweizerischen Behörden vorbehalten.

IV.

Die Übergabe des Verbrechers hat im Übernahmsorte an die Übernahnisbehörde, beziehungsweise an das von der letzteren bei Eisenbahntransporten zu seiner Übernahme angewiesene Sicherheitsorgan (Gendarm, Finanzwache, Polizei.beamter, Polizist), in der betreffenden Bahnstation zu geschehen.

V.

Die für den bestimmten Übernahmsort zuständige Übernahmsbehörde soll regelmäßig von dem bevorstehenden Eintreffen des Verbrechers derart benachrichtigt werden, daß zwischen dem Tage, an welchem diese Benachrichtigung bei der Übernahmsbehörde eintrifft, und dem Tag der Ankunft des Verbrechers am Übernahmsorte mindestens ein voller Tag liegt.

Dies ist insbesondere erforderlich, wenn es sich bei Eisenbahntransporten darum handelt, die Ablösung des Geleitorganes des einen Teiles durch das Geleitorgan des anderen Teiles im betreffenden Bahnhof sofort beim Eintreffen des Zuges derart zu sichern, daß der unmittelbare Anschluß nicht versäumt werde.

VI.

Wenn ein Verbrecher zum Zwecke der Auslieferung oder vorübergehenden Übergabe an die Grenze zu bringen ist, so genügt es, zur Sicherung seiner Übernahme durch

159 die betreffende Übernahmsbehörde, wenn aus den Begleitpapieren die Thatsache hervorgeht, daß eine Strafjustizbehörde des übernehmenden Staates die Auslieferung oder vorübergehende Übergabe verlangt hat, und die betreffende Strafjustizbehörde angegeben ist. .

VII.

Soll dagegen ein Verbrecher zum Zwecke der Durchlieferung an einen dritten Staat oder nach Ungarn oder Bosnien-Herzegowina an die Grenze gebracht werden, so ist seine Übernahme durch die Übernahmsbehörde davon abhängig, daß vorher von der Regierung des Staates, über dessen Gebiet der Transport stattfinden soll, die Durchlieferung gestattet und das zur Sicherung der Übernahme Entsprechende verfügt wurde.

Die Behörde, in deren Verwahrung der Verbrecher ist, darf erst dann darangehen, ihn an die Grenze zu bringen, wenn sie die Verständigung erhalten hat, daß die Durchlieferung gestattet ist.

VIII.

Werden mit dem Verbrecher corpora delicti, auszufolgende Akten oder andere Gegenstände übergeben, so hat die Übernahmsbehörde dieselben zu übernehmen und deren sichere Weiterbeförderung zu besorgen.

Geschehen in doppelter Ausfertigung zu Bern, am 4. November 1898.

(Sig.) Carl Graf Kuefstein.

(Sig.) Brenner.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend eine Übereinkunft zwischen der Schweiz und Österreich zur Regelung des Verfahrens bei der Übergabe und Übernahme von Verbrechern an der Grenze. (Vom 11. November 1898.)

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1898

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16.11.1898

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