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Schweizerisches Bundesblatf.

50. Jahrgang. III.

Nr. 27.

22. Juni 1898.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer elektrischen Straßenbahn von Aarau nach Menziken (Wynenthalbahn).

(Vom

17. Juni 1898.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 21. Dezember 1896 stellten die Herren Dr. Du Riche Preller, Ingenieur in Zürich, und Brown, Boveri & Cie.

in Baden das Gesuch um Erteilung der Konzession für eine elektrische Straßenbahn von Aarau über Kulm und Reinach nach Menziken (Wynenthalbahn).

Zur Begründung des Gesuches wird im allgemeinen technischen Berichte ausgeführt, das Bedürfnis nach einer SchienenVerbindung der Ortschaften des Wynenthals und der Kantonshauptstadt sei so evident, daß die Gemeinnützigkeit einer Wynenthalbahn eigentlich gar keiner Motivierung bedürfe, namentlich wenn man bedenke, daß die zwölf direkt in Betracht kommenden Ortschaften, exklusive Aarau, über 16,000 Einwohner auf 22 Kilometer Länge, d. h. cirka 730 Einwohner per Kilometer zählen.

Eine rationelle Lösung des Problems einer Wynenthalbahn sei aber weder in einer Normalbahn, noch in einer Schmalspurbahn auf eigenem Bahnkörper, sondern in einer Straßenbahn mit elektrischem Betrieb zu suchen. Die Gründe hierfür seien mannigfache. Einmal habe eine Wynenthalbahn wesentlich den Charakter einer Lokal- und Regionalbahn. Sodann eigne sich die KantonsBundesblatt. 50. Jahrg. Bd. III.

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Straße von Aarau bis Menziken vortrefflich zur Anlage und zum Betrieb einer Straßenbahn, welche, mit Ausnahme von Buchs und Gontenswil, direkt durch sämtliche an der Straße gelegenen Ortschaften führe und ihre Haltepunkte in allen Fällen bei den bestehenden Postbureaux, resp. im Centrum der Ortschaften und in unmittelbarer Nähe der Gasthöfe haben werde. Auch seien die Anlagekosten erheblich geringer.

Die Studien für eine Straßenbahn seien schon vor drei Jahren gemacht, dann aber sistiert worden, weil man vorerst den Ausgang des Projektes einer Normalbahn abwarten wollte, welches von einem einflußreichen Initiativkomitee ausgegangen sei. Da aber die Verwirklichung dieses Projektes in der Zwischenzeit aus verschiedenen Gründen erheblichen Schwierigkeiten begegne und in Frage gestellt sei, erscheine es opportun, das nunmehr ausgearbeitete Projekt einer Straßenbahn den Behörden zu unterbreiten.

Der Ausgangspunkt der Linie sei beim Postgebäude und Bahnhof in Aarau angenommen, jedoch könne er unter Umständen noch etwa 400 Meter weiter in die Stadt verlegt werden. Vom Bahnhof weg folge die Linie der Bahnhofstraße bis an den Niveau; Übergang über die Nordostbahn, welcher durch eine Unterführung der Straße zu ersetzen wäre. Hierauf verfolge die Bahn die Kantonsstraße und erreiche ihre erste Halstolle bei km. l,3 für das l km.

entfernte Buchs und die zweite nahe beim Bahnhof Suhr. Bei km. 3,875 erreiche sie eine zweite Bahn-Niveaukreuzung, nämlich mit der Linie Suhr-Zofingen. In Anbetracht des geringen Verkehrs auf dieser Lin'ie biete die Anlage eines Niveau-Übergangs der Straßenbahn keine nennenswerte Gefahr. Von hier verfolge die Linie auf ihrer ganzen Länge die Kantonsstraße, mit Stationen in Gränichen, Teufenthal (zugleich für das 8,5 km. entfernte Dürrenäsch), Unter- und Ober-Kulm, Zetzwil (zugleich für Gontenswil), Senisbach, Eichen, Reinach (zugleich für Pfäffikon), Scethalbahnliol Reinach-Menziken, und endlich Menziken, bei der Kirche daselbst.

Davon, die Straßenbahn in Aarau, Suhr oder Reinach in einen der bereits bestehenden Bahnhöfe der Nordostbahn, bezw. Seethalbahn einzuführen, müsse abgesehen werden, weil nicht nur eine solche Einführung wegen der elektrischen Leitungen und Schienenverbindungen, namentlich in Weichen u. s. w., in ihrer Anlage äußerst kompliziert und schwierig wäre, sondern
auch die zu entrichtenden Mietbeträge für die Mitbenützung der Bahnhöfe die Betriebskosten der Straßenbahn ganz unverhältnismäßig belasten würden. Auch müßte einer der hauptsächlichsten Vorteile der Straßenbahn, die Passagiere auch an den beiden Endpunkten im

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Centrum der Ortschaft aufnehmen und absetzen zu können, geopfert werden. Indessen werden für den Güterdienst Verbindungsgeleise mit den Bahnhöfen Aarau und Reinach-Menziken erstellt werden.

Die totale Länge der Bahn betrage 22,100 Meter, der Minimalradius 30 Meter, die Maximalsteigung 40 %o. Die Spurweite sei zu einem Meter angenommen, als den KrümmungsVerhältnissen der Straße am besten entsprechend. Der Transport von Normalspurwagen sei damit nicht ausgeschlossen, da solche auf sogenannten Wiegen-Transporteurs (zweiachsigen Rollschemeln) befördert werden können.

Die Bahn soll elektrisch betrieben werden. In Ermangelung genügender Wasserkraft an Ort und Stelle und mit Rücksicht auf die für die Verkehrsverhältnisse der Wynenthalbahn zu teure Krafterzeugung durch Dowsongas, geschweige denn durch Dampf, sei von Erstellung einer eigenen Kraftstation abzusehen, und die für den Betrieb erforderliche Kraft werde daher von einer in Aussicht genommenen aargauischen Anlage zugeleitet werden.

Der Kostenvoranschlag berechnet für den Bau der Bahn folgende Ansätze : 1. Oberbau und Ausrüstung Fr. 535,000 2. Pflasterungen, Straßenkorrektionen, Beitrag zur Straßenunterführung in Aarau etc. . . ,, 116,000 3. Grunderwerb und Hochbauten ,, 75,000 4. Elektrische Leitungen ,, 242,000 5. Rollmaterial ,, 382,000 6. Vorarbeiten, Baupläne. Bauleitung und Verwaltung . . . . ' .

,, 40,000 7. Verzinsung des Baukapitals ,, 70,000 8. Unvorhergesehenes ,, 139,000 9. Zur Aufrundung ,, 1,000 Total Fr. 1,600,000 odor Fr. 72,400 per Kilometer Bahn länge.

Für Berechnung der Rendite werden folgende Schätzungen gemacht : Einnahmen: Personenverkehr, 241,000Passagiere, imMittel60 Rp.

Güterverkehr, 16,000 Tonnen, im Mittel Fr. 1. 50 Tiere, Gepäck, Post- u n d Paketverkehr . . . .

Fr. 144,600 ,, 24,000 8,400 fl

Übertrag Total

Fr. 177,000

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Übertrag Ausgaben: Betriebsausgaben für 193,000 Zugskilometer à 50 Rp.

Fr. 177,000 ,,

96,000

Überschuß Fr. 80,500 oder 5 °/o des Baukapitals.

Gemäß konstanter Praxis konnte hierseits auf das Konzessionsgesuch nicht eingetreten werden, solange die Frage der Straßenbenutzung nicht abschließlich erledigt war. Dies geschah durch einen Beschluß des Großen Rates des Kantons Aargau, vom 25. April 1898, betreffend die Bewilligung zur Benützung der Landstraße H für eine elektrische und schmalspurige Straßenbahn Aarau-Menziken (Wynenthalbahn}. Dieser Beschluß wurde dem Eisenbahndepartement vom Regierungsrat mittelst Schreiben vom 29. April 1898 zugestellt, in welchem gleichzeitig der Wunsch ausgedrückt wurde, es möchte nunmehr von Seiten der Bundesbehörden auf das Konzessionsgesuch eingetreten werden.

Unterm 9. Mai reichten die Konzessionsbewerber nochmals eine Eingabe ein, in welcher sie mitteilten, daß zu den im Konzessionsgesuch genannten Bewerbern die Herren Nationalrat Kurz in Aarau, Stadtammann Schmidt in Aarau und Gerichtspräsident Schibier in Kulm hinzugekommen seien. Ferner stellten sie eine Reihe von Begehren, welche, soweit dies anging, im Boschlußentwurfe berücksichtigt wurden. Dagegen konnte das Eisonbahndepartement auf folgende Anträge nicht eintreten : 1. die Niveaukreuzung der Straßenbahn mit der Linie SuhrZofingen prinzipiell zu bewilligen; 2. für den Fall des Rückkaufes zu bestimmen, daß mindestens die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen, abzüglich des Erneuerungs- und Reservefonds, zu ersetzen seien ; 3. von vornherein alle erleichternden Bestimmungen des zukünftigen Gesetzes für Nebenbahnen auf das Unternehmen der Wynenthalbahn anwendbar zu erklären.

Die vorgeschriebenen konferenziellen Verhandlungen fanden am 4. d. M. statt. Dieselben führten zur Annahme des nachstehenden Konzessionsentwurfes, der uns nur zu wenigen Bemerkungen Anlaß giebt.

Art. 2. Die Konzessionsdauer stimmt mit der Dauer, auf welche die Bewilligung zur Straßenbenutzung erteilt wurde, überein.

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A r t . 12. Auf den Wunsch der Konzessionsbewerber soll denselben, wie dies schon früher, z. B. bei den Straßenbahnen im Kanton Zug, gestattet wurde, die Lizenz gewährt werden, den Güterwagenladungs- und Viehverkehr erst ein Jahr nach der Betriebseröffnung einzuführen, damit inzwischen die elektrische Leitung und die diversen Apparate etc. vollständig erprobt werden können.

A r t . 15. Da das Wynenthal keinen Fremdenverkehr aufweist, wird sich das Bedürfnis nach mehreren Personenwagenklassen, wenigstens für den Anfang, nicht geltend machen. Der Bundesrat soll indessen kompetent sein, die Einführung einer weiteren Wagenklasse zu gestatten, sobald dieselbe als wünschbar erscheinen sollte.

A r t . 16. Der Ansatz von 10 Rappen pro Kilometer für den Personentransport ist bei elektrischen Straßenbahnen gebräuchlich.

Es ist indessen zu beachten, daß derselbe nur das Maximum darstellt, und daß speciell im vorliegenden Falle die Konkurrenz der Seethalbahn dafür sorgen wird, daß die Tariftaxen u n t e r dem Maximum bleiben werden.

A r t . 18. Die Taxen für den Viehverkehr erscheinen etwas hoch, können aber mit Rücksicht auf die für Schmalspurbahnen etwas schwierigeren Verhältnisse (geringere Breite der Wagen etc.)

bewilligt werden.

A r t . 19. Für den Warentransport hatten die Konzessionsbewerber Taxen bis auf 6, bezw. 4 Rappen per 100 kg. und per Kilometer gewünscht. Diese Ansätze ständen in keinem Verhältnis zu den in neuerer Zeit ähnlichen Unternehmungen bewilligten Taxen. Dagegen können 3 und 1,5 Rappen als angemessen bezeichnet werden.

Zum Schlüsse mag noch erwähnt werden, daß die Bundesversammlung unterm 22. Juni 1895 (E. A. S. XIII, 358) den Herren Nationalrat Kurz in Aarau und A. Zschokke in Gontenswyl, namens eines Initiativkomitees, die Konzession für eine normalspurige Eisenbahn von Suhr durch das Wynenthal nach Reinach, eventuell Menziken erteilte. Die Frist zur Einreichung der technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Gesellschaftsstatuten wurde durch Bundesratsbeschluß vom 5. März 1897 (E. A. S. XIV, 325) bis zum 22. Juni 1899 erstreckt. Die Konzession besteht also noch in Kraft, was aber nach konstanter Praxis kein Hindernis bildet, die von den Herren Du Riche Preller und Konsorten gewünschte Straßenbahn-Konzession zu erteilen. Es wurde auch weder von der kantonalen Regierung, noch

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von Seiten der Inhaber der Konzession von 1895 irgend welcher Einspruch laut; man darf im Gegenteil sogar annehmen, daß der Eintritt des Präsidenten des Initiativkomitees für eine Normalbahn in das Straßenbahn-Gründungskomitee das Fallenlassen des Normalbahnprojektes zu gunsten der Straßenbahn bedeute.

"Wir empfehlen Ihnen den nachstehenden Beschlußentwurf zur Annahme und benutzen auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer aus gezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 17. Juni 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Rlngier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreifend

Konzession einer elektrischen Straßenbahn von Aarau nach Menziken.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. zweier Eingaben der Herren Dr. Du Riche Preller und M i t hafte, vom 21. Dezember 1896 und 9. Mai 1898; 2. einer Botschaft des Bundesrates, vom 17. Juni 1898, beschließt: Den Herren Dr. Du R i c h e P r e l l e r , Ingenieur in Zürich, B r o w n , B o v e r i & Cie. in Baden, Nationalrat K u r z in Aarau, Stadtammann S c h m i d t in Aarau und Gerichtspräsident S chi b l e i in Kulm wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und Betrieb einer elektrischen Straßenbahn von A a r a u über K u l m und R e in ach nach M e n z i k e n unter deu in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 70 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

792 Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Aarau.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Anschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 18 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrate die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen \ lk Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe für Personen-, Gepäck- und Stuckgüterverkehr zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betriebe erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrate vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind.

Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Aargau und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben, und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

793 Art. 12. Spätestens ein Jahr nach der Betriebseröffnung ist der Güterwagenladungs- und Viehverkehr einzuführen.

Art. 13. Der Gesellschaft ist ira allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzusetzen.

Immerhin sind alle daherigen Projekte, welche sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, dem Eisenbahndepartement vorzulegen und dürfen-vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Das Maximum der Fahrgeschwindigkeit wird vom Bundesrate bestimmt.

Art. 14. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können dieselben nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrates eingeführt werden.

Art. 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen mit nur einer Klasse aufstellen, deren Typus vom Bundesrate genehmigt werden muß.

Im Falle des Bedürfnisses kann der Bundesrat die Einführung einer weitern Wagenklasse gestatten.

Die Gesellschaft hat stets ihr Möglichstes zu thun, damit alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben befördert werden können.

Art. 16. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag von 10 Rappen per Kilometer der Bahnlänge zu beziehen.

Im Falle der Einführung einer weiteren Wagenklasse setzt der Bundesrat die Taxen für dieselbe fest.

Für Kinder unter drei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in beiden Wagenklassen zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

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Für Hin- und Rückfahrt sind die Personentaxen mindestens 20 % niedriger anzusetzen als für einfache und einmalige Fahrten.

Die Gesellschaft wird Abonnementsbillette zu ermäßigten Taxen nach mit dem Bundesrate zu vereinbarenden Bestimmungen ausgeben.

Art. 17. Arme, welche als solche durch Zeugnis zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimieren, sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Eisenbahn zu spedieren. Der Bundesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 18. Für den Transport von Vieh mit Warenzügen dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden : Per Stück und per Kilometer für : Pferde, Maultiere und über ein Jahr alte Fohlen 20 Rp. ; Stiere, Ochsen, Kühe Rinder, Esel und kleine Fohlen 15 Rp. ; Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 7 Rp.

Für die Ladung ganzer Transportwagen sind die Taxen um mindestens 20 °/o zu ermäßigen.

Art. 19. Im Tarif für den Transport von Waren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 3 Rappen, die niedrigste nicht über t,5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirtschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen, Salz, Steine, Düngungsmittel u. s. w., in Wagenladungen sollen möglichst niedrig taxiert werden.

Für den Transport von barem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklariertem Werte soll die Taxe so berechnet werden, daß für 1000 Fr. per Kilometer höchstens l Rappen zu bezahlen ist.

Wenn Vieh und Waren in Eilfracht transportiert werden sollen, so darf die Taxe für Vieh um 40 °/o und diejenige für Waren um 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Traglasten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besondern Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von

795 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen besondere Taxen festzusetzen.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 40 Rappen festgesetzt werden.

Art. 20. Bei eintretenden Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigeren Specialtarif einzuführeo, dessen Bedingungen vom Bundesrate nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 21. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet. In betreff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Wertsendungen repräsentieren Bruchteile von Fr. 500 volle Fr. 500. Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest teilbare Zahl, so darf eine Abruodung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 22. Die in den Art. 16, 18 und 19 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station.

Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsladplatze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft von sich aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, beziehungsweise des Adressaten, zu treffen. Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur unter Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 23. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 24. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrate zur Genehmigung vorzulegen.

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Art. 25. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 26. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützimgskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 27. In Bezug auf die Benützung der öffentlichen Straßen für die Anlage und den Betrieb gelten die Bestimmungen des Beschlusses des Großen Rates des Kantons Aargau vom 25. April 1898, soweit diese Bestimmungen nicht mit der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung im Widerspruch stehen.

Art. 28. Für die Geltendmachung des Rückkaufsrechtes des Bundes gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Mai eines Jahres erfolgen.

Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag
von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1935 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des

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d.

e.

.

f.

durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen;-- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1935 und 1. Mai 1950 erfolgt, den 22Vsfachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1950 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug des Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller ändern etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der KonZession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 29. Haben der Kanton Aargau oder die Gemeinden den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 28 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton oder die Gemeinden haben unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 30. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer elektrischen Straßenbahn von Aarau nach Menziken (Wynenthalbahn). (Vom 17. Juni 1898.)

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22.06.1898

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