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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs des Regierungsrates des Kantons Aargau gegen den Bundesratsbeschluß vom 14. Juli 1898 in Sachen Damian Lang betreffend Wirtschaftspatent.

(Vom 21. Oktober 1898.)

Tit.

Unser Rekursentscheid vom 14. Juli 1898, gegen welchen die Regierung des Kantons Aargau an die Bundesversammlung rekurriert, hat eine Verfügung jener Behörde als verfassungswidrig erklärt, durch welche dem Damian Lang die Bewilligung zur Eröffnung einer Wirtschaft im Bahnhofgebäude Baden verweigert wurde. Die Regierung des Kantons Aargau bringt in ihrem jetzigen Rekurs keine wesentlich neuen Gründe vor ; wir können Sie daher zur Widerlegung derselben auf die angefochtene Schlußnahme selbst verweisen, und beschränken uns auf nachstehende ergänzende Bemerkungen.

Im Entscheide des aargauischen Regierungsrats vom 11. April 1898 wird bemerkt, daß ,,bezüglich der Wirtschaftslokalitäten gegen das vorliegende Wirtschaftslokal" nicht viel eingewendet werden kann. Nach dieser Erklärung müssen die auf die Beschaffenheit der Lokale bezüglichen Aussetzungen, die die Regierung in ihrem Entscheide übrigens nicht als ihre eigenen, sondern als Inhalt von Protesteingaben seitens Dritter anführt, als nebensächlich erscheinen.

Der Regierungsrat kann sie nicht heute als einen ausschlaggebenden Verweigerungsgrund hinstellen. Die hinsichtlich der Lokalitäten

573 angeführten Mängel könnten in der That nicht zur Abweisung des Gesuches führen. Bin Keller scheint gegenwärtig vorhanden zu sein. Die Küche fehlt allerdings; wenn aber der Wirt nur kalte Speisen verkaufen will, so kann ihm dies nicht verwehrt werden.

Oder soll es im Interesse der Kultur und Volkswirtschaftspflege verboten sein, den Reisenden kalte Speisen vorzusetzen, weil man nicht auch warme zur Verfügung hat? Wir können schlechterdings auch den Umstand nicht als erheblich betrachten, daß die Wirtschaft keinen eigenen Abort hat; an wie vielen Bahnhöfen ist es nicht ebenso? Sind aber die Aborts Verhältnisse ungenügende, so ist es Sache der administrativen Aufsichtsbehörde über die Eisenbahnen, in dieser Beziehung auf Abhülfe zu dringen. Und was endlich den Mangel an Schlafzimmern für das Dienstpersonal im Stationsgebäude selbst betrifft, so gehen auch hierin die Anforderungen der Regierung des Kantons Aargau über das billige Maß hinaus; eine sittliche Gefährdung der einen Kellnerin, die den Spät- und Frühdienst zu besorgen haben wird, darum anzunehmen, weil sie nachts eine kurze Strecke über die Straße zu gehen hat, scheint uns übertrieben. Diese der Beschaffenheit der Lokale entnommenen Abweisungsgründe sind übrigens vorliegenden Falls dadurch entkräftet, daß in ändern Bahnhöfen des gleichen Kantons Wirtschaften unter ähnlichen Verhältnissen bewilligt worden sind.

Einen besondern Abweisungsgrund findet der Regierungsrat des Kantons Aargau darin, daß die zahlreichen, in Baden ankommenden und abreisenden kranken Kurgäste durch den Betrieb der Wirtschaft belästigt werden. Richtig ist, daß der Bundesrat im Rekursfalle Zehnder (Entscheid vom 2. Juli 1897) dem Regierungsrate des Kantons Aargau das Recht zuerkannt hat, das Patent zu verweigern für eine in störender Nachbarschaft eines öffentlichen Spitals zu errichtende Wirtschaft. Mit einem Spital darf aber der Bahnhof von Baden doch nicht verglichen werden.

Ein angenehmer Aufenthalt für Kranke wird ein Bahnhof nie sein ; soll das Wohl der Kranken durch besondere Einrichtungen berücksichtigt werden, so darf es doch nicht auf Kosten der Bequemlichkeit des gesamten reisenden Publikums geschehen. Wenn übrigens, wie im vorliegenden Falle, neben dem Wartsaale III. Klasse in einem besonderen Räume eine Restauration betrieben wird, so wird der Lärm
und die Unruhe des Ortes dadurch nicht erheblich vermehrt.

Die Rekurrentin wiederholt endlich die Einwendung, Lang treibe mit den Wirtschaftspatenten Spekulation, und sie beruft sich zur Unterstützung dieses Abweisungsgrundes auf einen Rekurs-

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entscheid des Bundesrates, vom 24. Dezember 1892, in Sachen Oskar Walti.

Ein Widerspruch zwischen jenem Entscheide und dem jetzt angefochtenen liegt insofern nicht vor, als dort als thatsächlich feststehend angenommen wurde, der Rekurrent verlange das Wirtschaftspatent nur zu Spekulationszwecken, während wir im Falle Lang diese Überzeugung aus den Akten nicht gewinnen können.

Übrigens erachten wir die im Entscheide Walti niedergelegte grundsätzliche Ansicht, daß die Spekulationsabsicht an sich, auch in Kantonen, die die Zahl der Wirtschaften nicht nach dem vorhandenen Bedürfnisse bemessen, ein Grund zur Verweigerung des Wirtschaftspatentes sei, auf Grund wiederholter Prüfung nicht für richtig. Das Patent ist nicht eine vom Staate aus Wohlwollen verliehene Gunst, die der Bürger verscherzt, wenn er auf die Ausübung des Patentes verzichtet. Die Patenterteilung oder -Verweigerung erfolgt nur nach Rechtsgründen ; wo kein gesetzlicher xGrund zur Verweigerung vorliegt, muß das Patent erteilt werden ; das Gesetz darf nicht nach dem Ermessen der vollziehenden Behörde korrigiert werden. Daß aber die Spekulationsabsicht keinen gesetzlichen Abweisungsgrund bildet, glauben wir in unserem Entscheide nachgewiesen zu haben.

Wir beantragen daher Abweisung des Rekurses.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 21. Oktober 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

-ÏS-O-EÉ-

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs des Regierungsrates des Kantons Aargau gegen den Bundesratsbeschluß vom 14. Juli 1898 in Sachen Damian Lang betreffend Wirtschaftspatent. (Vom 21. Oktober 1898.)

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