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Bundesratsbeschluss über

das Gesuch des reformierten Pfarrgemeinderates in Bulle (Kanton Freiburg), betreffend Handhabung der Vorschriften der Bundesverfassung über schickliche Beerdigung im Kanton Freiburg (Art. 53, Abs. 2, der Bundesverfassung).

(Vom 20. Juni 1898.)

Der schweizerische Bundes rat

hat auf das Gesuch des reformierten Pfarrgemeinderates in Bulle (Kanton Freiburg), betreffend Handhabung der Vorschriften der Bundesverfassung über schickliche Beerdigung im Kanton Freiburg (Art. 53, Absatz 2, der Bundesverfassung), auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Den 13. Dezember 1897 starb in La Tour-de-Trême (Kanton Freiburg) der der reformierten Konfession zugehörige Jean W erro, gebürtig von Montilier und Murten. Namens der Familie Werro und namens des reformierten Pfarrgemeinderates in Bulle verlangte Pfarrer Henri Denkinger in Bulle in Gemeinschaft mit dem Kirchenältesten, Binz, und dem Sohne des Verstorbenen, G. Werro, vom Gemeindevorstand von La Tour-de-Treme die Bewilligung des Grab-

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Bei der Beerdigung des Jean Werro hatte, weil der ordentliche Glöckner nicht zur Stelle war, der reformierte Küster als Glöckner zu funktionieren.

II.

Sonntag den 19. Dezember verlas von der Kanzel der Pfarrkirche von La Tour-de-Trême der katholische Pfarrer Dévaud eine ausführliche Erklärung über das Glockengeläute bei der Beerdigung des Jean Werro ; dasselbe wird dargestellt als eine Usurpation fremden Privateigentums und als eine Profanation von geweihten katholischen Kultussachen. Diese Erklärung wurde hierauf auch

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in den Tagesblättern besprochen; sie fand z. B. unverkürzte Aufnahme im ,,Le Fribourgeoisa vom 28. Dezember, Nr. 146.

Es folgten nun eine Reihe von Zustimmungserklärungen zu der oben mitgeteilten Protestation der Pfarreibehörde von La Tour-deTrome, die gleichfalls ini ,,Le Fribourgeoisa vom 12. und 16. Januar 1898, Nr. 5 und 6, abgedruckt wurden. Zunächst waren es die Geistlichen und Pfarreiräte des Dekanats des Bezirks der Gruyère, die unter Vorsitz des Dekans von Albeuve u. a. erklärten : das bei der Beerdigung des Jean Werro erfolgte Grabgeläute sei ein verwegener Eingriff in die Rechte der kirchlichen Behörde, eine Verletzung des Eigentums der Pfarreien, ein Akt der Bedrückung und der Feindseligkeit gegenüber der katholischen Bevölkerung des Bezirkes der Gruyère. Die Reformierten in Bulle sollen die Wiederholung eines solchen Aktes verhüten, der auf die unbegreifliche Ungeschicklichkeit des Pfarrers Denkinger zurückzuführen sei, und der als Störung des konfessionellen Friedens Anlaß zur Ergreifung von Repressalien werden könnte.

Eine heftige Protestation erließen sodann die übrigen katholischen Pfarreiräte des Kantons Freiburg ; der Zweck dieser Protestation sei, einen energischen Tadel auszusprechen dem verwegenen Veranlassen des begangenen Attentats auf die unverletzlichen Rechte der katholischen Pfarreien und der Wiederholung ähnlicher Rechtsverletzungen vorzubeugen, im Interesse des konfessionellen Friedens, der nur unter der Bedingung möglieh sei, daß jede Konfession das Eigentum der anderen anerkenne.

III.

Den 19. Januar 1898 reichte der reformierte Pfarrgemeinderat in Bulle beim Bundesrat eine Eingabe ein, in der er die bei und nach der Beerdigung des Jean Werro erfolgten Vorgänge mitteilte; er ersucht den Bundesrat, die reformierte Gemeinschaft in ihren verfassungsmäßigen Rechten zu schützen, namentlich wenn in Zukunft versucht werden sollte, bei Beerdigung von Reformierten im Kanton Freiburg in gewaltsamer Weise das Glockengeläute zu verhindern. Der Bundesrat wolle auch zur Aufklärung der öffentlichen Meinung gegenüber der im Kanton Freiburg vertretenen Ansicht ausdrücklich feststellen, daß der reformierte Pfarrgemeinderat in Bulle das Recht auf das Grabgeläute bei Beerdigung seiner Angehörigen habe und zwar in der Weise, daß der ordentliche Gemeindeglöckner gegen die übliche Taxentrichtung die Glocken zu läuten habe.

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Der Pfarrgemeindcrat in Bulle macht, abgesehen vom .Beerdigungsfall Werro, noch auf folgende Fälle aufmerksam, zum Beweis der schwierigen Lage, in der sich Henri Denkinger, Pfarrer der evangelischen Gemeinschaft in Bulle, befindet, wenn es sich darum handelt, bei Todesfällen in einer der zerstreut in den Bezirken der Glane, der Veveyse und der Gruyère wohnenden reformierten Familien, die seiner Pastoration unterstellt sind, eine schickliche Beerdigung zu verlangen.

1. Bei der am 29. Oktober 1896 erfolgten Beerdigung des zu Billens verstorbenen Samuel Bill unterblieb das Grabgeläute ; den Sarg ließ man in geradezu höchst unschicklicher Weise in das Grab fallen, so daß der Pfarrer Denkinger durch das Wasser, das sich infolge anhaltenden Regens im Grabe angesammelt hatte und bei der ungehörigen Versenkung des Sarges herausspritzte, beschmutzt wurde.

2. Bei der Beerdigung des am 23. April 1897 verstorbenen Jacques Porchet in Villaz-St. Pierre unterblieb das Grabgeläute, der katholische Ortsgeistliche verbot seinen Pfarrangehörigen, an der Beerdigung teilzunehmen und belästigte nach vollzogener Beerdigung, nach Weggang des protestantischen Pfarrers, die auf dem Friedhof zurückgebliebenen Angehörigen des Verstorbenen.

Übrigens war es nur der Dazwischenkunft des Pfarrers Denkinger zu danken, daß für Porchet ein ordentliches .Reihengrab geöffnet wurde, denn erst das auf sein Begehren gegrabene dritte Grab war ein solches.

3. Die achtzigjährige Nancy Piolet starb den 3. November 1897, morgens 4 Uhr, in La Tour-de-Treme ; die Beerdigung durch den reformierten Pfarrer mußte unterbleiben, weil die Verstorbene wenige Stunden vor ihrem Tode den Wunsch einer Beerdigung nach katholischem Ritus vor Zeugen ausgedrückt hatte.

IV.

Auf Einladung des Bundesrates nahm die Regierung des Kantons Freiburg eine Untersuchung über die in der Eingabe des reformierten Pfarrgemcinderates vom 19. Januar 1898 namhaft gernachten Vorgänge vor; sie berichtete hierauf den 18./24. März was folgt: 1. Die Angelegenheit Bill war Gegenstand des Bundesratsbeschlusses vom 24. August 1897 (Bundesbl. 1897, IV, 98), sie bedarf demnach keiner weiteren Erörterung ; indessen werden die seinerzeit im Rekurs nicht vorgebrachten neuen Behauptungen

865 ausdrücklich bestritten. Der Sarg wurde nicht in unschicklicher Weise in das Grab versenkt und der Pfarrer Denkinger konnte nicht in der von ihm behaupteten Weise beschmutzt werden, da in dem Grabe gar kein Wasser war. Die katholischen Bewohner von Billens haben wiederholt in der benachbarten Waadt reformierten und katholischen Beerdigungen ohne Grabgeläute beigewohnt; sie fragen sich deshalb erstaunt, warum bei ihnen in Billens pin anderer Brauch gelten soll.

2. Anläßlich der Beerdigung des Jacques Porchet mußte allerdings dreimal das Grab gegraben werden, bis der Pfarrer Denkinger befriedigt war ; woher er aber ein Recht zu der Öffnung eines dritten Grabes nahm, ist nicht erfindlich, da bereits das zweite Grab ein ordnungsgemäßes Reihengrab war, ja selbst das erste nicht gesetzwidrig außer der Reihe lag. Der katholische Geistliche bestreitet, die Teilnahme an der Beerdigung verboten zu haben, sein Erscheinen auf dem Friedhofe war aber veranlaßt worden durch das Verhalten des Pfarrers Denkinger.

3. Daß auf die Nancy Piolet irgend eine Pression ausgeübt worden sei, um sie zu bestimmen, eine Beerdigung nach katholischem Ritus zu verlangen, stellt der katholische Pfarrer Dévaud in La Tour-de-Treme entschieden in Abrede ; derselbe erklärt ferner, wenn Pfarrer Denkinger sich der katholischen Beerdigung widersetzt hätte, so würde er dieselbe nicht vorgenommen haben; er hätte sich alsdann damit begnügt, die Verwandten der Verstorbenen einzuladen, um an einer Totenmesse für dieselbe teilzunehmen.

4. Im Falle Werro dachten die Angehörigen des Verstorbenen nicht daran, die Benützung der Glocken der katholischen Pfarrei in La Tour-de-Treme zu beanspruchen, überhaupt wäre die Benützung der Glocken der in unmittelbarer Nähe von La Tour-deTrome gelegenen, neuen protestantischen Kirche von Bulle, ohne Verletzung des religiösen Gefühls der Katholiken, angezeigt gewesen ; indes wollte eben Pfarrer Denkinger die katholischen Glocken läuten hören.

Durch die Entscheidung des Bundesrates vom 24. August 1897 in Sachen Bill ist festgesetzt worden, daß ohne das Grabgeläute die Beerdigung keine schickliche sei im Sinne der Vorschrift der Bundesverfassung. Diese Entscheidung hat allerdings nicht den Wert eines Gesetzes, weil aber durch dieselbe das Eigentumsrecht der katholischen Pfarreien an den Kirchenglocken berührt wird, so beabsichtigen diese, ihr Eigentum durch das ßundesgericht festBundesblatt. 50. Jahrg. Bd. EI.

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stellen zu lassen ; gegen den Eigentumsvorbehalt und den hierauf bezüglichen Protest des Gemeindevorstandes und des katholischen Pfarreirates von La Tour-de-Treme ist nichts einzuwenden, ebensowenig gegen die Kanzelausführung des Pfarrers Dévaud ani 19. Dezember, die nichts anderes als eine Darstellung der katholischen Lehre über den G-ebrauch der von der Kirche geweihten Glocken enthält. Für die Angehörigen anderer Konfessionen ist diese Darstellung nicht verletzend ; wäre sie dies, so hätte der Staatsrat nicht versäumt, dagegen einzuschreiten. Was die übrigen Protestationen betrifft, so muß zugegeben werden, daß es besser gewesen wäre, dieselben wären unterblieben ; jedenfalls konnte der Staatsrat angesichts der in Art. 55 der Bundesverfassung garantierten Preßfreiheit dieselben nicht verhindern.

Mag immerhin in reformierten Gemeinden auch bei Beerdigungen von Katholiken das Grabgeläute stattfinden, so ist dasselbe, als ein Civilgeläute, für die Katholiken völlig bedeutungslos ; denn die Katholiken halten fest an den liturgischen Gebräuchen ihres Kultus und gerade deshalb auch an dem Geläute mit den von der katholischen Kirche geweihten Glocken ; diese dürfen aber nicht c für Akatholiken o gebraucht werden.

Solange nicht gerichtlich über das Eigentum der Pfarreiglockeu im Kanton Freiburg und folgerichtig über das ausschließliche Verfügungsrecht über dieselben entschieden sein wird, kann der vom reformierten Pfarrgemeinderat in Bulle erhobene Anspruch auf das Grabgeläute bei Beerdigung der Reformierten gegen Entrichtung der gewöhnlichen Gebühr nicht anerkannt werden. Übrigens muß dieser Anspruch auch vom Standpunkte der bundesrechtlich garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit zurückgewiesen werden.

Das Geläute der geweihten Kirchenglocken ist für die Katholiken eine Mahnung zum Gebet und ein Bestandteil ihres Kultus; in diesen ihren Überzeugungen sollen sie durch die weltlichen Behörden nicht verletzt werden. In den Landgemeinden des Kantons Freiburg ist übrigens das Grabgeläute kein Gemeindedienst, sondern ein Freundesdienst; meistens sorgen die Verwandten des Verstorbenen dafür, daß dasselbe entgeltlich oder unentgeltlich durch Nachbarn, Freunde oder sonst jemand vorgenommen wird.

Endlich ist es im Interesse der Erhaltung des konfessionellen Friedens im Kanton Freiburg geboten, die Konfessionen in der Benützung ihrer Kirchen und ihrer Kultusgegenstände nicht zu stören und ihnen keine mit ihrem Eigentum unvereinbaren Lasten aufzuerlegen.

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V.

Zu diesem Bericht des Staatsrates des Kantons Freiburg bemerkt der reformierte Pfarrgemeinderat in Bulle den 19. April was folgt : Gegenüber der von der Regierung gegebenen Darstellung des Falles Bill wird diejenige der Eingabe vom 19. Januar aufrecht erhalten.

In Villaz-St. Pierre scheint die Beerdigung der Reihe nach nicht streng eingehalten zu werden ; jedenfalls bedurfte es der Dazwischenkunft des Pfarrers Denkinger, damit für Porchet ein der Ordnung entsprechendes Grab gegraben wurde.

Daß die Nancy Piolet zugestandenermaßen unmittelbar vor dem Tode ihrer bisherigen Konfession entrissen wurde, ist bezeichnend für die Art, wie in La Tour-de-Treme die Religionsfreiheit aufgefaßt wird.

Im übrigen hält der reformierte Pfarrgemeinderat sein Gesuch vom 19; Januar aufrecht; denn es sei festgestellt, daß in Freiburg das Grabgeläute Bestandteil einer schicklichen Beerdigung sei, und daß nur Selbstmördern und Reformierten dasselbe verweigert werde. Das Gesuch sei auch deshalb begründet, weil der Freiburger Staatsrat seine Unfähigkeit eingestehe, der Vorschrift des Bundesreehtes über schickliche Beerdigung in seinem Kanton Nachachtung zu verschaffen.

VI.

In einem Nachtragsbericht vom 2. Mai hebt der Staatsrat des Kantons Freiburg noch folgende Punkte hervor: 1. In den reformierten Gegenden des Kantons Freiburg verlangen die Katholiken niemals, daß bei der Beerdigung ihrer Konfessionsangehörigen mit den Glocken der reformierten Gemeinden geläutet werde. Wie in den Kantonen Waadt, Genf und Bern wird übrigens in den reformierten Landpfarreien des Kantons Freiburg, Meyriez, Motier und Kerzers auch bei Beerdigungen von Reformierten nicht geläutet. In Murten dient das täglich stattfindende Civilgeläute um Mittag auch für die um diese Zeit stattfindenden Leichenbegängnisse: finden mehrere Beerdigungen zu verschiedenen Stunden an ein und demselben Tage statt, so wird trotzdem nur einmal um Mittag geläutet.

2. Daß das Grabgeläute kein allgemeiner Pfarrgemeindedienst ist, ergiebt sich aus folgenden Erhebungen; in den Städten, im deutsehen Kantonsteil und in den größeren Landpfarreien versieht der ordentliche Glöckner diesen Dienst ; an dessen Stelle treten

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häufig die Verwandten des Verstorbenen ; in den übrigen Landpfarreien aber sind es die Nachbarn oder die entfernteren Verwandten des Verstorbenen, welche die Glocken ziehen bei Beerdigungen; dies gilt insbesondere für die Landpfarreien der Bezirke der Glane, der Veveyse und der unteren Broye, ebenso für einzelne des Bezirks der Sarine. Diese Personen erhalten dann eine Einladung zu dem Mahle, das sich an die Beerdigung anschließt.

VII.

Die Synodalkommission der reformierten Kirche des Kantons Freiburg hatte sich veranlaßt gesehen, in einer Zuschrift vom 2. Februar 1898 an den Staatsrat, diesen auf die höchst unbilligen Angriffe aufmerksam zu machen, die in den Zeitungen gegen Pfarrer Denkinger erschienen waren, weil er der Bundesratsentscheidung vom 24. August 1897 allenthalben Nachachtung zu verschaffen bestrebt war. Sie bittet den Staatsrat, durch seinen Einfluß jeden Ausbruch ungerechter Leidenschaften und Intoleranz zu verhindern und betont, daß sie als geistliche Behörde niemals dulden werde, daß in irgend einer reformierton Pfarrgemeinde der geringste Unterschied zwischen Reformierten und Katholiken bei Beerdigungen gemacht werde.

Und in einer Mitteilung an das eidgenössische Justizdepartement vom 16. Mai berichtet der Präsident der freiburgischen Synodalkommission, H. Liechti, über die im reformierten Teil des Kantons Freiburg herrschenden Gebräuche betreffend das Grabgeläute folgendes : Alle Beerdigungen finden ohne Unterschied, ob der Verstorbene reformiert oder katholisch war, mit Glockengeläute statt ; die Gräber werden, ohne Unterschied der Konfession, der Reihe nach angelegt.

Ein Gesuch um Bewilligung des Grabgeläutes ist nicht erforderlich, weil es ohne ein solches einem jeden Verstorbenen zu teil wird.

Auch in Murten wird für die Beerdigungen besonders geläutet; zwar wird daselbst täglich zur Mittagszeit geläutet, und diese Stunde ist auch die regelmäßige Beerdigungszeit; allein bei Beerdigungen dauert das Läuten viel länger als gewöhnlich, nämlich bis der Leichenzug auf dem Friedhofe angelangt ist. Finden an ein und demselben Tage zwei Beerdigungen statt, so wird um halb zwölf Uhr und um Mittag geläutet.

Die Kirehenglocken sind Eigentum der Pfarrgemeinden, aber es stößt sich niemand daran, daß die bürgerliche Behörde für Beerdigungen über die Glocken verfügt. Das Läuten besorgt in allen Fällen der hierfür bestellte Küster.

869 B.

In rechtlicher Beziehung wird in Erwägung gezogen:

I.

Der reformierte Pfarrgemeinderat in Bulle macht in seiner Eingabe vom 19. Januar 1898 die Beerdigungsangelegenheiten Bill, Porchet und Piolet nur zu dem Zwecke namhaft, um durch diese Beispiele den Nachweis zu erbringen, daß bei Beerdigungen von reformierten Personen in den katholischen Pfarreien des Kantons Freiburg die Vorschrift des Art. 53, Absatz 2, der Bundesverfassung betreffend schickliche Beerdigung mißachtet wird.

Die Angelegenheit Piolet kann allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt schicklicher oder unschicklicher Beerdigung betrachtet werden, vielmehr handelt es sich bei derselben um die Frage erlaubter oder unerlaubter Konversion, eine EYage, die an dieser Stelle nicht näher untersucht werden kann. In der Angelegenheit Porchet ist durch das Eintreten des Pfarrers Denkinger zum mindesten die Beerdigung außerhalb der Reihe verhütet worden. Der Fall Bill war bereits Gegenstand besonderer Untersuchung seitens des Bundesrates, und der Bundesrat hat mit Beschluß vom 24. August 1897 festgestellt, daß infolge Unterlassung des Grabgeläutes bei der Beerdigung des Samuel Bill in Billens, die Vorschrift des Art. 53, Absatz 2, der Bundesverfassung verletzt worden ist (Bundesbl.

1897, IV, 98 ff.). Der Bundesrat hatte deshalb die Regierung des Kantons Freiburg eingeladen, dafür besorgt zu sein, daß Art. 53, Absatz 2, der Bundesverfassung in ihrem Kanton Nachachtung finde.

II.

Dieser Einladung ist die Regierung des Kantons Freiburg nur in sehr lässiger Weise nachgekommen, wie dies sowohl die Beerdigungsangelegenheit Werro in La Tour-de-Treme, wie die fast gleichzeitig beim Bundesrat anhängig gemachte Angelegenheit Staudenmann in Sales beweisen. Zwar ertönte bei der Beerdigung des Jean Werro in La Tour-de-Trome den 15. Dezember 1897 das Grabgeläute, dasselbe unterblieb aber den 8. März 1898 bei der Beerdigung der Margaretha Staudenmann in Sales. In La Tour-de-Treme ließ jedoch die Regierung die Protesterklärungen des Gemeindevorstandes, des katholischen Pfarrers und des katholischen Pfarreirates gegen die verfassungsmäßige Benützung der Glocken bei der Beerdigung eines Reformierten ruhig geschehen; und gegen die nachfolgenden, höchst ungehörigen Proteste der

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übrigen katholischen Pfarreiräte des Kantons Freiburg hatte sie kein Wort des Tadels, anstatt unbekümmert um alle diese Proteste darauf zu dringen, daß auch in den katholischen Gemeinden ihres Kantons die reformierten Personen schicklich beerdigt werden.

m.

Die Regierung des Kantons Freiburg scheint die in den katholischen Gegenden ihres Kantons allgemein herrsehende Auffassung zu teilen, wonach das Grabgeläute bei den in katholischen Pfarreien stattfindenden Beerdigungen reformierter Einwohner nicht stattfinden könne, weil die Glocken im Eigentum und in der unbeschränkten Verfügungsgewalt der katholischen Pfarreien stehen, das Beerdigungswesen aber Sache der politischen Gemeindebehörde sei; wo aber keine Glocken vorhanden seien, über die die Gemeindebehörde die Verfügung habe, da könne nicht geläutet werden.

Diese Auffassung ist zwar schon in der mehrerwähnten Entscheidung über den Rekurs Bill vom Bundesrat den 24. August 1897 als unzutreffend zurückgewiesen worden ; der Bundesrat sieht sich auch durch die neuerdings vorgebrachten Einwendungen keineswegs veranlaßt, von einer seit Jahren befolgten, dem Sinn und Geist der Bundesverfassung vollständig entsprechenden Praxis abzugehen. Da der Bundesrat strenge darauf hält, daß diese Praxis überall in der Schweiz befolgt wird, so kann und darf er dem Kanton Freiburg keine Ausnahmestellung einräumen.

IV.

Ein absolutes Erfordernis für eine schickliche Beerdigung im Sinne der Vorschrift des Art. 53, Absatz 2, der Bundesverfassung ist das Grabgeläute allerdings nicht. Wo bei Beerdigungen überhaupt nicht geläutet wird, da kann niemand unter Berufung auf eine schickliche Beerdigung Anspruch auf das Grabgeläute erheben.

Deshalb hängt es von lokalen und kantonalen Sitten und Gebräuchen ab, ob das Grabgeläute stattfinden muß oder unterbleiben kann.

Für den Kanton Freiburg ergiebt sich aus den Erhebungen und Mitteilungen, die anläßlich der Beschwerde Bill und anläßlich des vorliegenden Gesuches des reformierten Pfarrgemeinderates in Bulle gemacht worden sind, daß das Grabgeläute im ganzen Kanton ortsüblich und gebräuchlich ist. Daraus folgt für die bürgerlichen Behörden die Pflicht, dafür zu sorgen, daß bei allen Beerdigungen das Grabgeläute stattfinden kann, und daß namentlich die Konfession eines Verstorbenen niemals ein Grund für Unterlassung des Glockengeläutes bei der Beerdigung sein darf.

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Ganz ungehörig ist es, das Glockengeläute bei einer Beerdigung von einem besondern Gesuche abhängig zu machen, sei es von einem Gesuche der Familienangehörigen des Verstorbenen, sei es von einem solchen des Vorstandes der religiösen Gemeinschaft, der der Verstorbene zu Lebzeiten angehört hat. Auch in der Entscheidung über die Beschwerde Bill hat der Bundesrat mit keinem Worte nur für diejenigen das Erfordernis des Grabgeläutes aufgestellt, die dasselbe verlangen. Vielmehr ist daran festzuhalten, daß, sobald eine Beerdigung im Kanton Freiburg stattfindet, die mit dem Beerdigungswesen betraute bürgerliche Behörde das Nötige von sich aus anzuordnen hat, damit das Grabgeläute in ordnungsmäßiger Weise vor sich gehe. Gerade weil die Freiburger Behörden bis anhin sich der Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Pflicht anläßlich der Beerdigung reformierter Personen in den katholischen Landpfarreien zu entziehen bestrebt waren, mußten sie von den Beteiligten an ihre Pflicht ausdrücklich erinnert werden, woraus nun mit Unrecht gefolgert wird, diese Pflicht bestünde ohne solche Mahnung überhaupt nicht. Nur wo ganz besondere Gründe für Vornahme eines sogenannten stillen Begräbnisses vorliegen, da kann und darf im Kanton Freiburg das Grabgeläute unterbleiben ; ein solcher besonderer Grund liegt aber nie und nimmer in dem Glaubensbekenntnis des Verstorbenen : vielmehr wird es stets Sache der Hinterbliebenen sein, über das Vorhandensein solcher Gründe zu entscheiden. Dieses sogenannte stille Begräbnis ist aber eine Ausnahme von der gewöhnlichen Beerdigungsweise ; und daraus ergiebt sich, daß der Wunsch, ein solches zu halten, von der Behörde nie präsumiert werden darf. In jedem Einzelfall muß daher eine ausdrückliche, durchaus freie Willenskundgebung der Hinterbliebenen vorliegen, wenn das Grabgeläute unterbleiben soll.

Es kann beinahe als selbstverständlich bezeichnet werden, daß die bürgerliche Behörde bei einer Beerdigung nicht nur die Glocken zur Verfügung zu stellen hat, sondern auch den Glöckner ; denn die Glocken müssen geläutet werden. Es wird zwar darauf hingewiesen, daß besonders bei Beerdigungen in den verschiedenen Orten des Kantons Freiburg der ordentliche Glöckner ersetzt werde durch Nachbarn oder Freunde oder Verwandte des Verstorbenen, die die Glocken läuten als Liebes- oder Freundschaftsdienst. Mag
immerhin dieser Dienst dem Verstorbenen in besagter Weise erwiesen werden, so lassen sich doch auch bei Beerdigungen von Katholiken Fälle denken, wo derselbe nicht stattfinden kann ; alsdann hat der ordentliche Glöckner seinen Dienst zu versehen.

Jedenfalls hat die bürgerliche Behörde bei den Beerdigungen dafür zu sorgen, daß wirklich geläutet wird ; dies ist ihre Pflicht. Durch

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wen dann im Einzelfall geläutet wird, ist eine untergeordnete Frage ; ebenso die Frage, ob für das Grabgeläute eine besondere Taxe erhoben wird.

Demnach ist unter allen Umständen daran festzuhalten, daß da, wo für Katholiken der ordentliche Glöckner das Grabgeläute läutet, dieser das Grabgeläute für Reformierte nicht verweigern darf.

V.

Haben nach dem Gesagten die bürgerlichen Behörden im Kanton Freiburg dafür zu sorgen, daß bei allen Beerdigungen das Grabgeläute stattfindet, und befinden ,sich in verschiedenen Ortschalten nur Glocken, die, sei es den katholischen Pfarreien, sei es den reformierten Pfarrgemeinden gehören, so sind eben die in der Gemeinde vorhandenen Glocken bei jeder Beerdigung, ohne Rücksicht auf die Konfession des Verstorbenen, in Anspruch zu nehmen. Es ist das Grabgeläute eine aus öffentlich-rechtlichen Gründen der Behörde obliegende Pflicht; und dieser gegenüber kann sich der Eigentümer der Glocken nicht auf sein Privateigentum und auf seine privatrechtliche Verfügungsfreiheit berufen. Es ist nicht ersichtlich, zu welchem Zwecke ein Civilprozeß über die Kirchenglocken der katholischen Pfarreien vor Bundesgericht angehoben und durchgeführt werden sollte, ehe dieselben bei Beerdigungen von reformierten Personen benützt werden dürfen. Diese Behauptung der Freiburger Regierung ist unhaltbar: denn das Eigentum an diesen Glocken und die privatrechtliche Verfügungsbefugnis über dieselben ist unbestritten und bleibt unangetastet; nur hierüber könnte aber das Bundesgericht eine Entscheidung treffen. Über die in Frage stehende, aus öffentlich-rechtlichen Gründen in Anspruch genommene Benützung der Kirchenglocken dagegen steht dem Bundesgericht gar keine Entscheidungsbefugnis zu (vgl. Art. 189, Ziffer 6, des Bundesgesetzes über die Bundesrechtspflege vom 22. März 1893).

VI.

Die Glaubens- und Gewissensfreiheit hat mit dem Grabgeläuto nichts zu thun. Dasselbe muß stattfinden als Bestandteil einer schicklichen Beerdigung im Sinne der Vorschrift des Art. 53, Abs. 2, der Bundesverfassung, und ist demnach ein bürgerlicher Akt, ein weltlicher Dienst und keineswegs eine religiöse Cérémonie. Diese seine Bedeutung verliert das Grabgeläute auch dadurch nicht, daß ihm die Angehörigen einer Konfession den Wert und Charakter einer Kultushandlung beimessen ; deshalb können bei Beerdigungen

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weder die Eigentümer der Kirchenglocken die Benützung derselben, noch der ordentliche Glöckner seinen Glöcknerdienst ablehnen mit Berufung auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit, insbesondere auf Art. 49, Absatz 2, der Bundesverfassung.

VII.

Wollen die bürgerlichen Behörden in den katholischen Ortschaften des Kantons Freiburg nicht in gleicher Weise wie diejenigen der reformierten Ortschaften des Kantons die Kirchenglockeri bei jeder Beerdigung, ohne Rücksicht auf die Konfession des Verstorbenen, läuten lassen, so steht ihnen vom Standpunkte des Bundesrechts nur folgender AuswegO offen : entweder unterbleibt O das Grabgeläute bei den Beerdigungen überhaupt, oder es werden besondere Beerdigungsglocken eingerichtet; in dem einen wie in dem anderen Fall ist die Hauptsache, daß von der Konfession des Verstorbenen das Grabgeläute in keiner Weise abhängig gemacht wird.

Auf Grund dieser Erwägungen ergiebt sich, daß das Gesuch des reformierten Pfarrgemeinderates von Bulle vom 19. Januar 1898 als begründet erscheint.

Demnach wird beschlossen: Die Regierung des Kantons Freiburg wird neuerdings eingeladen, dafür zu sorgen, daß Art. 53, Absatz 2, der Bundesverfassung in ihrem Kanton Nachachtung findet und im Sinne der Erwägungen das Glockengeläute bei Beerdigungen reformierter Personen in gleicher Weise wie bei Beerdigungen katholischer Personen stattfindet.

B e r n , den 20. Juni 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

ßuffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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22.06.1898

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