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Bundesratsbeschluss über

den Rekurs des H. Bucher in Mehlsecken (Luzern), betreffend Nichtbeachtung einer bundesgerichtlichen Sistierungsverfügung durch das Bezirksgericht Zofingen.

(Vom 8. März 1898.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat hat

über den Rekurs des H. B u e h e r in Mehlsecken (Luzern), betreffend Nichtbeachtung einer bundesgerichtlichen Sistierungsverfügung durch das Bezirksgericht Zofingen, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: I.

Fürsprech Beek in Sursee erhob im Dezember 1897, namens des H. Bucher in Mehlsecken, Luzern, in einer Streitsache gegen Th. Häfliger-Künzli in Zofingen beim Bundesgericht Beschwerde gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau wegen Verletzung der Art. 59 und 60 der Bundesverfassung. Mit dieser Beschwerde verband der Rekurrent das Gesuch, es sei dem Rekurse aufschiebende Wirkung in dem Sinne zu erteilen, daß die Verhandlungen vor dem Bezirksgericht Zofingen und der Fristenlauf bis zum Urteile des Bundesgerichtes sistiert bleiben sollten.

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Diesem Gesuche entsprechend, verfügte das Präsidium der Abteilung II des Bundesgerichtes den 30. Dezember 1897 die Sistierung der bezüglichen Prozeß Verhandlungen bis zum Entscheide des Bundesgerichtes.

II.

Mit Telegramm vom 24/25. Januar 1898 beschwerte sich Fürsprech Beck gestützt auf Art. 45, Absatz 2, des Organisationsgesetzes beim Bundesrate darüber, daß das Bezirksgericht Zofingen auf den 25. gleichen Monats trotz der Sistierungsverfügung des Bundesgerichtes Tagfahrt in der Streitsache Bucher contra HäfligerKünzli angesetzt habe, und verlangte, daß dies verhindert werde.

Die Beschwerde wurde telegraphisch dem Bundesgerichtspräsidenten der II. Abteilung mitgeteilt, worauf dieser das Bezirksgericht Zofingen ebenfalls telepraphisch um Nachachtung seiner Verfügung ersuchte.

Mit Eingabe vom 29. Januar bestätigte Fürsprech Beck seine telegraphisch anhängig gemachte Beschwerde ; zugleich berichtete er, daß die Verhandlung trotz seines Protestes den 25. Januar vor Bezirksgericht Zofingen stattgefunden habe ; er verlangte deshalb, daß die sämtlichen Verhandlungen von diesem Tage aus dem Aktenhefte ausgemerzt und das rechtswidrige und parteiische Vorgehen des Bezirksgerichtes Zofingen unter Anweisung eines anderen unparteiischen Bezirksgerichtes für die fernere Verhandlung des Prozesses -- unbeschadet des Rekursentscheides betreff end Kompetenzfrage -- gebührend geahndet werde.

m.

Zur Vernehmlassung über diese Besehwerde eingeladen, sendet die Regierung des Kantons Aargau den 18. Februar 1898 die Berichte des aargauischen Obergerichtes und des Bezirksgerichtes Zofingen ein. Diese letztere Behörde bemerkt, die am 25. Januar abgehaltene Gerichtsverhandlung habe eine Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtnis betroffen ; diese sei aber eine außerordentliche, durch zwingende Umstände gebotene Gerichtshandlung, deren Vornahme selbst durch die Sistierung des eigentlichen Prozesses nicht ausgeschlossen werde ; im vorliegenden Falle habe sie übrigens mit dem sistierten Prozesse iu keinem Zusammenhang gestanden.

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IV.

Der Präsident der Abteilung II des Bundesgerichtes, der eingeladen wurde, sich über diese Auffassung des Bezirksgerichtes Zofingen zu äußern, vertritt in seiner Antwort vom 23. Februar die Ansicht, daß die Anordnung einer Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtnis nicht als eine Nichtbeachtung seiner Sistierungsverfügung vom 30. Dezember 1897 betrachtet werden könne. Diese Maßregel sei eine wesentlich konservatorische, welche die beim Bundesgericht anhängig gemachte Gerichtsstandsfrage keineswegs präjudizieren könne ; im gleichen Sinne habe auch der Bundesrat den 14. August 1874 in Sachen Mühlethaler (Bundesbl. 1875, n, S. 589) entschieden, daß ein Begehren um Anordnung eines Beweises zum ewigen Gedächtnis nicht zu den in Art. 59 der Bundesverfassungvorgesehenen Fällen gehöre.

V.

Im Hinblick auf die Erläuterung, die der Präsident der Abteilung II des Bundesgerichtes über seine Sistierungsverfügung vom 30. Dezember 1897 giebt, kann nicht gesagt werden, es werde eine bundesgerichtliche Entscheidung von einer kantonalen Behörde mangelhaft vollzogen oder mißachtet ; der Bundesrat ist daher nicht in der Lage, gemäß Art. 45, Absatz 2, des Organisationsgesetzes im vorliegenden Falle einzuschreiten.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 8. März 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: ßuffy.

Der I. Vizekanzler : Schatzmann.

-~se-

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Bundesratsbeschluss über den Rekurs des H. Bucher in Mehlsecken (Luzern), betreffend Nichtbeachtung einer bundesgerichtlichen Sistierungsverfügung durch das Bezirksgericht Zofingen. (Vom 8. März 1898.)

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