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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs des Michael Elba in Derendingen gegen den Bundesratsbeschluss vom 3. Dezember 1897*) betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes.

(Vom 25. März 1898.)

Tit.

Der dem gegenwärtigen Rekursfalle zu Grunde liegende Thatbestand ist kurz folgender : Michael Riba, in Derendingen, betrieb im Hause der Frau Aerni-Glutz eine Wirtschaft, für die er ein bis zum 1. Juli 1899 gültiges Patent besaß. Da die Hauseigentümerin auf den 1. Oktober 1897 den Mietvertrag kündigte, suchte Riba beim Regierungsrat des Kantons Solothurn die Bewilligung nach, das ihm verliehene Patent in einem anderen Hause auszuüben. Die Eigentümerin der bisherigen Wirtschaftslokalitäten kam ebenfalls um Übertragung des Wirtschaftspatentes auf ihre Person beziehungsweise ihre dermalige Mieterin, Frau Jäggi-Wehrli, ein. Der Regierungsrat erklärte in seinem Entscheide vom 7. September 1897, beiden Petenten könne wegen Mangels eines Bedürfnisses ein Patent nicht erteilt werden und wies das Gesuch des Michael Riba ab.

In unserem angefochtenen Entscheide bezeichneten wir die Verneinung eines Bedürfnisses für die Errichtung einer neuen Wirtschaft in Derendingen, in Übereinstimmung mit einem früheren Rekursentscheide vom 23. November 1897 in Sachen Ellenberger, )

Siehe Seite 39 hiernach.

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als zutreffend. Es besteht in der That, wie im erwähnten Falle festgestellt wurde, in Derendingen l Wirtschaft auf cirka 160 Einwohner. Die Regierung des Kantons Solothurn war somit berechtigt, um die Zahl der bestehenden Wirtschaften nicht zu vermehren, nur einem der Gesuchsteller das Patent zu erteilen.

Auf Grund der §§ l, 9 und 10 des Solothurner Wirtschaftsgesetzes vom 28. November 1895 nahmen wir an, daß keiner der Petenten ein Recht auf Übertragung des Patentes habe, daß vielmehr das Gesuch um Übertragung des Patentes rechtlich dem Gesuche um Erteilung eines neuen gleichkomme; die Entscheidung des Solothurner Regierungsrates könne daher vom abgewiesenen Teile nicht angefochten werden wegen Verletzung eines wohlerworbenen Rechtes, sondern nur mit der Behauptung, daß in der Bevorzugung des Mitbewerbers ein Akt der Willkür liege.

Aus den Erklärungen der Solothurner Regierung ergiebt sich nun, daß es der Praxis dieses Kantons entspricht, wenn in solchen Fällen dem Eigentümer der bisher als Wirtschaft benutzten Räumlichkeiten vor dem Inhaber des darin ausgeübten Patentes der Vorzug eingeräumt wird. Die Erteilung des Patentes an die Frau Aerni-Glutz beziehungsweise an ihre Mieterin unter Abweisung des Rekurrenten ist daher vom bundesrechtlichen Standpunkt nicht zu beanstanden. Diese Entscheidung steht keineswegs im Widerspruch mit der früheren, vom Rekurrenten angeführten, in welcher der Grundsatz ausgesprochen ist, daß auch da, wo die Bedürfnisfrage gestellt werden kann, jeder Bürger verlangen darf, daß er unter gleichen Verhältnissen gleich behandelt werde wie die anderen ; denn es bestand hier ein nach solothurnischem Recht erheblicher Unterschied der Verhältnisse. Nicht die Abwägung der Privatinteressen der beiden Bewerber haben den Bundesrat bestimmt, wie der Rekurrent meint, zu ungunsten des letzteren zu entscheiden, sondern der Umstand, daß nach solothurnischer Praxis, wenn von zwei Gesuchstellern der eine die Übertragung des Patentes auf eine andere Person unter Beibehaltung der alten Räumlichkeiten, der andere die Übertragung auf eine andere Lokalität ohne Wechsel der Person, im übrigen unter gleichen Bedingungen, verlangt, dem Ersteren der Vorzug zu geben ist, sofern nicht beide berücksichtigt werden können.

Es kann für die Bundesbehörden dahingestellt bleiben, ob diese Interpretation
des Solothurner Wirtschaftsgesetzes der Absicht des Gesetzgebers entspricht; die Thatsache, daß diese Auslegung rechtens ist, genügt, um zu zeigen, daß die Entscheidung der Solothurner Regierung keine willkürliche war.

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Es ist unerheblich, daß Rekurrent sein Übertragungsgesuch beim Gemeindorat von Derendingen einige Tage vor der Eigentümerin des Hauses eingereicht hat; auch sind rechtlich die Begutachtungen der Gesuche durch die Gemeinde- und Bezirksbehörden für die Bundesbehörden ohne Belang; es handelt sich für den Bundesrat allein um die Entscheidung des Regierungsrates, dem nach Gesetz das Recht, Patente zu erteilen, ausschließlich zusteht.

Der Rekurrent behauptet endlich, wenn die Übertragung des Patentes einer Neuerteilung gleichzustellen sei, so hätte auch das Gesuch der Frau Aerni-Glutz, gleichwie das frühere des Ellenberger, wegen Mangels eines Bedürfnisses abgewiesen werden müssen. Dabei wird übersehen, daß, wenn auch die Gesuchsteller im einen so wenig wie im anderen Falle ein Recht auf Erteilung respektive Übertragung des Patentes geltend machen konnten, doch die thatsächlichen Verhältnisse, welche die Regierung bei ihrer Entscheidung in Erwägung zu ziehen hatte, verschieden waren, indem durch die Bewilligung eines neuen Patentes die Zahl der Wirtschaften vermehrt worden wäre, durch die Übertragung eines bestehenden Patentes dagegen nicht.

Aus diesen Gründen beantragen wir Abweisung des Rekurses.

B e r n , den 25. März 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs des Michael Riba in Derendingen gegen den Bundesratsbeschluss vom 3. Dezember 1897*) betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes. (Vom 25. März 1898.)

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