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Schweizerisches Bundesblatt.

50. Jahrgang. IV.

Nr. 31.

20. Juli 1898.

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Bundesratsbeschluss betreffend

den Rekurs des Damian Lang in Baden, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes.

(Vom 14. Juli 1898.)

Der schweizerische Bundesrat,

hat über den Rekurs des Damian L a n g in Baden betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A. .

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Mit Vertrag vom 9. März 1898 vermietete die Direktion der schweizerischen Nordostbahn dem Damian Lang in Baden auf drei Jahre zum Zwecke der Betreibung einer Bahnhofrestauration einen bisher als Magazin benutzten Raum im Bahnhofgebäude in Baden.

Damian Lang stellte hierauf beim Regierungsrate des Kantons Aargau das Gesuch, es möchte ihm das Patent zum Betriebe einer Speise Wirtschaft bewilligt werden.

Bundesblatt. 50. Jahrg. Bd. IV.

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In verschiedenen Eingaben wandten sich nun die Kasinogesellschaft Baden und eine Anzahl Ärzte und Wirte an den Regierungsrat, um ihn dazu zu bewegen, das Patent nicht zu erteilen; sie machten auf die besonders beim Bahnhofe zahlreichen, jedem Bedürfnisse genügenden Wirtschaften, auf den Mangel an Schlafräumen im Bahnhofgebäude für die Wirtschaftsangestellten, auf die mangelhaften Abortseinrichtungen aufmerksam und betonten endlich, eine Wirtschaft dürfe in dem in Aussicht genommenen Lokale nicht bewilligt werden, da die Herstellung dieses Lokales zu einem zweiten Wartsaale III. Klasse dringend notwendig sei ; statt dieser Erweiterung werde nun noch die Benutzung des bisherigen Wartsaales durch die Eröffnung der Wirtschaft beeinträchtigt.

Der Regierungsrat wies mit Schlußnahme vom 11. April 1898 das Gesuch ab. In der Begründung seines Entscheides giebt er die in den eben erwähnten Eingaben geltend gemachten Gründe wieder und fügt seinerseits bei: Gegen die Einrichtung der Wirtschaftslokalitäten, die Ventilation und die Abortsverhältnisse ist nicht viel einzuwenden.

Dagegen hat es sich schon längst herausgestellt, daß der einzige in Benutzung stehende Wartsaal III. Klasse beim Eintreffen der Badegäste durchaus ungenügend ist, und die Regierung, der die Handhabung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit obliegt, kann nicht gestatten, daß, solange diesem Übelstande nicht abgeholfen ist, in einem für den öffentlichen Verkehr bestimmten Lokale aus finanziellen Gründen eine Wirtschaft errichtet werde. Der Patentbewerber kann sich übrigens nicht darüber beklagen, daß er durch die Abweisung des Gesuches in seiner persönlichen Handels- und Gewerbefreiheit verletzt werde, denn schon zweimal hat er ein Wirtschaftspatent erhalten, beide Mal aber die bewilligte Wirtschaft, um Gewinn daraus zu ziehen, wieder verkauft.

n.

Gegen diesen Entscheid hat Damian Lang, vertreten durch Fürsprech G. L. Stierli in Aarau, mit Eingabe vom 30. April 1898 den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrat ergriffen; er führt aus: Die Frage, ob ein Bedürfnis für die Eröffnung eines Bahnhofrestaurants besteht, ist nach aargauischem Rechte unerheblich; beim lebhaften Personenverkehr am Bahnhof Baden wäre sie übrigens sicher zu bejahen. Die Einwendungen, welche in den

47 der Regierung zugestellten Einsprachen gegen Einrichtung der Wirtschaftsräumlichkeit enthalten sind, sind unbegründet und aus interessierten Motiven hervorgegangen. Als Aborte dienen der Wirtschaft die beiden im Aufnahmsgebäude vorhandenen ; genügen sie dem reisenden Publikum, so genügen sie auch den Wirtschaftsgästen ; sie sind übrigens besser eingerichtet als diejenigen manch anderer, gleich großer Station. Es soll für das Dienstpersonal der Wirtschaft eine moralische Gefahr darin liegen, daß dasselbe nicht im Bahnhofgebäude selbst logiert wird; nun wohnt der Rekurrent ganz in der Nähe des Bannhofes, und die öffentliche Moral in Baden ist nicht derart, daß die eine Kellnerin die bis nach Ankunft, beziehungsweise Abfahrt des letzten Zuges aufzuwarten hat, bei der Zurücklegung dieser kurzen Strecke irgend welcher Gefahr ausgesetzt wäre. Ähnliche Verhältnisse bestehen in Brugg und Zürich.

Der Regierungsrat anerkennt übrigens selbst in seinem Entscheide, daß das zur Wirtschaft bestimmte Lokal den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Seine Abweisung begründet er damit, daß das Wirtschaftslokal als zweiter Wartsaal III. Klasse notwendig sei und zu einem anderen Zwecke nicht verwendet werden dürfe. Warum wird aber dieses Bedürfnis erst jetzt, wo eine Bahnhofrestauration eingerichtet werden soll, empfunden, während das Lokal bisher immer unbenutzt war. Der Bahnhof Baden besitzt für jede Wagenklasse einen besonderen Wartsaal, eine Bequemlichkeit, die die Bahnhöfe von Turgi, Brugg, Aarau und selbst Zürich nicht bieten. Im Wartsaal III. Klasse ist Platz für 50 Personen ; es halten sich aber im Sommer darin durchschnittlich nicht mehr als 10--20 Reisende auf; durch die Eröffnung der Restauration wird der Wartsaal eher noch entlastet werden. Sollten übrigens die Wartsäle in dieser oder anderer Beziehung wirklich ungenügend sein, so wäre beim Bundesrate Abhülfe zu verlangen.

Die Befürchtung, daß das reisende Publikum durch die Wirtschaftsgäste belästigt werden könnte, ist gänzlich unbegründet, um so mehr, als am Bahnhof die Polizei stets zur Hand ist, um etwaige Ruhestörungen zu verhindern. Die Verweigerung des Wirtschaftspatentes wäre eine offenbare Rechtsungleichheit.

Endlich wird dem Rekurrenten in persönlicher Beziehung vorgeworfen, er treibe mit den Wirtschaftspatenten Spekulation. Rekurrent hat
allerdings die beiden früher von ihm betriebenen Wirtschaften verkauft, weil sich ihm dazu günstige Gelegenheit "bot und aus persönlichen Motiven; daraus kann aber gesetzesgemäß ein Grund zur Verweigerung eines neuen Patentes auf eine andere Lokalität nicht hergeleitet werden.

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DI.

Die Regierung des Kantons Aargau erwidert hierauf mit Eingabe vom 6. Juni 1898 im wesentlichen was folgt : Wenn der angefochtene Entscheid bemerkt, es sei gegen das Wirtschaftslokal des Rekurrenten nicht viel einzuwenden, so hebt er doch gleichzeitig Mängel hervor, ^welche die Bewilligung der Wirtschaft nicht besonders ratsam erscheinen lassen11. Ein solcher Mangel ist es, daß die Wirtschaft nur vom Perron aus einen unabhängigen Zugang hat und die von der Stadt kommenden Personen den kürzeren Weg durch den Wartsaal III. Klasse, der ja am meisten benutzt wird, nehmen werden. Unter dieser Einrichtung hätten vor allem die zahlreich ankommenden und abreisenden Kranken zu leiden, und die Rücksicht auf diese war es hauptsächlich, welche den Regierungsrat veranlaßte, das Wirtschaftsgesuch abzuweisen. Es fehlte zudem dem Rekurrenten an einer Küche, an Aborten, die ausschließlich zur Wirtschaft gehören, und, wie sich aus dem Mietsvertrage mit der Nordostbahn zu ergeben scheint, auch an einem Keller; vor allem fehlt es ihm an Unterkunftsräumlichkeiten für sein Personal. Bei einer neu zu gründenden Wirtschaft muß dies alles verlangt werden, wenn auch die Verhältnisse in anderen Bahnhöfen in dieser Beziehung noch zu wünschen übrig ließen. Was die Spekulationsabsicht des Rekurrenten betrifft, so hat der Bundesrat in dem durchaus ähnlichen Falle Oskar Walti in Staffelbach mit Schlußnahme vom 24. Dezember 1892 erkannt, daß, wenn ein Wirtschaftsbesitzer das Haus, auf welches er ein Wirtschaftspatent erhalten, zu entsprechend höherem Preise veräußere, er nicht Anspruch darauf erheben kann, sich die ökonomischen Vorteile des Wirtsehaftsrechtes durch die Bewilligung eines zweiten Patentes noch einmal zukommen zu lassen.

Damian Lang verlangt nun schon das dritte Patent, nachdem er mit den beiden früheren Spekulation getrieben ; das Gleiche würde er auch in diesem Falle wieder thun. Wenn auch die Bedürfnisfrage im Kanton Aargau nicht gestellt werden darf, so ist doch zu konstatieren, daß ein Bedürfnis für die Errichtung der projektierten Wirtschaft nicht besteht; rechts und links vom Bahnhof liegen bereits zwei Wirtschaften, die ebenso schnell erreichbar sind, als es die Bahnhofrestauration wäre.

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B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Da im Kanton Aargäu nach dem gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung die Erteilung eines Wirtschaftspatentes vom Vorhandensein eines Bedürfnisses nicht abhängig gemacht werden kann, ist auf die Frage nicht einzutreten, ob die in der Nähe des Bahnhofes Baden bereits bestehenden Wirtschaften eine Bahnhofrestauration überflüssig machen. Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat denn auch in seinem abweisenden Entscheide auf diesen Umstand nicht abgestellt.

Die Verweigerung des Wirtschaftspatentes wird auch nicht damit begründet, daß die Wirtschaftslokale ungenügend seien ; das Gegenteil wird vielmehr anerkannt. Wenn trotzdem die Beschaffenheit der Lokale in einigen Beziehungen bemängelt wird, so ist diesen Aussetzungen entscheidende Bedeutung nicht beizumessen.

Entscheidend war dagegen für die Regierung von Aargau die Erwägung, daß die Eröffnung der Wirtschaft dem Interesse des reisenden Publikums zuwider wäre.

Der Bundesrat braucht hier nicht zu untersuchen, ob diese Befürchtung thatsächlich begründet sei. Für die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs und das Wohl des reisenden Publikums hat nicht die kantonale Regierung, sondern gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, 23. Dezember 1872, die Bundesbehörde zu sorgen. Steht aber der kantonalen Regierung eine Entscheidungsbefugnis darüber nicht zu, wie die Räumlichkeiten eines Bahnhofes von der Eisenbahngesellschaft zu verwenden sind, so kann sie auch nicht die Bewilligung zum Betrieb einer Bahnhofrestauration aus dem Grunde verweigen, weil das in Aussieht genommene Lokal zu einem anderen Zwecke des Bahnverkehrs verwendet werden müsse, wie andrerseits die kantonale Regierung, wenn sie unter solchen Umständen ein Patent erteilt, keine Gewähr dafür übernimmt, daß die Führung der Wirtschaft dem Bahnbetriebe nicht hinderlich sei und daß sie nicht deshalb von der kompetenten Bundesbehörde verboten werde.

Der Regierungsrat spricht endlich dem Rekurrenten die persönliche Qualifikation zur Wirtschaftsführung darum ab, weil er mit den Wirtschaftspatenten Spekulation treibe. Rekurrent hat allerdings schon zweimal eine ihm bewilligte Wirtschaft veräußert ; daß er aber die Patente nur zu Spekulationszwecken nachgesucht hatte, ergiebt sich aus den Akten nicht, und auch dafür, daß Rekurrent das gegenwärtig nachgesuchte Patent nicht selbst benützen werde, sind keine Anhaltspunkte vorhanden.

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Es erscheint übrigens zweifelhaft, ob die Spekulationsabsicht des Patentbewerbers im Kanton Aargau einen genügenden Abweisungsgrund bilden darf. Das aargauische Wirtschaftsgesetz macht die Erteilung des Patentes nicht vom Vorhandensein eines Bedürfnisses, sondern nur davon abhängig, daß gewisse gewerbepolizeiliche Vorschriften über die Person des Wirtes, die Beschaffenheit der Lokale u. s. w. eingehalten werden. Sind diese Vorschriften erfüllt, so ist die Bewilligung zu erteilen ; es kann dem Gesuchsteller mit Rücksieht auf die geltende Handels- und Gewerbefreiheit kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er das Wirtschaftspatent nur nachsuche, um nach Einrichtung des Wirtschaftsbetriebes die Wirtschaft zu veräußern. Das Gesetz, das die Bedürfnisfrage bei Bewilligung von Wirtschaftspatenten nicht zu stellen gestattet, überläßt es eben der Wirkung der freien Konkurrenz, die Zahl der Wirtschaften zu vermehren oder zu vermindern.

Im übrigen ist zu bemerken, daß das Wirtschaftspatent als solches in der Regel vom Inhaber nicht veräußert werden kann, weil es auf dessen Person ausgestellt ist und rechtlich dahinfällt, wenn ein anderer an Stelle des bisherigen Inhabers treten soll.

Da aber die kantonale Behörde die Übertragung des Patentes gewährt oder verweigert, ist ihr die Möglichkeit gegeben, vom Nachfolger die Erfüllung aller gesetzlichen Bedingungen, gleich wie bei der Erteilung eines neuen Patentes, zu verlangen. Das Gesetz kann daher durch denjenigen, der das Patent mit Spekulationsabsichten erwirbt, nicht umgangen werden.

Demnach wird erkannt: Der Rekurs ist begründet. Die Regierung des Kantons Aargau wird eingeladen, dem Rekurrenten das nachgesuchte Patent zu erteilen.

B e r n , den 14. Juli

1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bundesratsbeschluss betreffend den Rekurs des Damian Lang in Baden, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes. (Vom 14. Juli 1898.)

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