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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend eine Gewerbezählung und eine Gewerbeenquete.

(Vom 14. April 1898.)

Tit.

Anläßlich der Beratung des Voranschlages der Eidgenossenschaft für das Jahr 1898 wurde in der letzten Dezembersession der Bundesversammlung von den Herren Nationalräten Steiger, Vogelsanger und Comtesse folgendes Postulat gestellt.

,,Der Bundesrat wird eingeladen, den eidg. Räten in der nächsten Session über die Anordnung einer im Jahre 1898 zu veranstaltenden Gewerbezählung und einer Enquête über die wirtschaftlichen Zustände der gewerblichen Berufsarten Bericht und Antrag einzubringen. " Begründet wurde das Postulat damit, daß die verlangte Enquête eine unerläßliche Vorarbeit bilde für eine künftige Gewerbegesetzgebung, welche von den Bundesbehörden früher oder später wieder an die Hand zu nehmen sein werde. Da die Erhebung nicht mit der Volkszählung verbunden werden könne, so sei sie am besten im Sommer 1898, jedenfalls nicht im Winter, vorzunehmen. Ferner wurde noch die Ansicht ausgesprochen, daß die Gewerbezählung nicht eine einmalige bleiben, sondern periodisch wiederholt werden sollte und daß zur Durchführung der Enquete auch die Gewerbevereine beizuziehen seien.

Von anderer Seite wurde gegenüber dem Postulat die Befürchtung ausgesprochen, daß die Anhandnahme einer schwierigen,



langatmigen und überaus kostspieligen allgemeinen Enquete, bevor man eine einzelne Branche oder die Verhältnisse eines kleinern Kreises untersucht und sich damit gewissermaßen in die Sache hineingearbeitet habe, eher zur Unklarheit als zur Klarheit führen durfte. Besser, als durch die staatlichen Behörden, möchte die Sache durch den Gewerbeverein durchgeführt werden. Daneben ·wurde noch darauf aufmerksam gemacht, daß die vorgeschlagenen Erhebungen im Falle der Annahme der Kranken- und Unfal Versicherung ohne bcsondern Aufwand und von selbst geboten werden.

Diesen dem Vorschlage günstigen und ungünstigen Äußerungen gegenüber ließ der Bundesrat erklären, daß er der dem Postulat zu Grunde liegenden Idee durchaus zustimme und das Postulat grundsätzlich annehme, jedoch, um jede Überstürzung zu vermeiden, ersuche, ihm zur Prüfung der Frage, in welcher Weise am besten vorzugehen sei, die nötige Zeit einzuräumen.

Auf Antrag des Vertreters des Bundesrates und nach Ablehnung eines Eventualantrages, bloß von der Gewerbezählung zu sprechen und die Enquête fallen zu lassen, wurde sodann das Postulat in der folgenden abgeänderten Fassung angenommen (18.

Dezember) : 7,0 e r B u n d e s rat w i r d e i n g e l a d e n , den e i d g e n ö s s i s c h e n R ä t e n in d e r n ä c h s t e n S e s s i o n B e . rieht und A n t r a g über die Art und Weise der A n o r d n u n g einer G e w e r b e z ä h l u n g und einer Enquete über die wirtschaftlichen Zustände der gewerblichen Berufsarten einzubringen."

Soweit dies heute möglich ist, kommen wir diesem Auftrage durch den vorliegenden Bericht nach.

Wir hielten es für angemessen, in dieser Angelegenheit auch die Ansicht der vornehmlich beteiligten Intercssenkreise einzuholen.

Seit dem Bekanntwerden des Postulates vom 18. Dezember 1897 hatten zwar schon der schweizerische Gewerbeverein und der schweizerische Kaufmännische Verein von sich aus einläßliche Meinungsäußerungen eingereicht. Unser Departement des Innern, dem die Sache in erster Linie überwiesen war, erachtete es aber als zweckmäßig, zu einem mündlichen Meinungsaustausche eine Kommission einzuberufen, zu der neben dem Wortführer der ursprünglichen Postulanten und neben Vertretern der schon genannten Interessenkreise, auch solche des schweizerischen Handels- und Industrievereins, des schweizerischen landwirtschaftlichen Vereins und des schweizerischen Arbeitersekretariats, sowie solche des

29 «idgenössischen Industriedepartements, des eidgenössischen Fabrikinspektorats und des eidgenössischen statistischen Bureaus eingeladen wurden. Sowohl jene Eingaben, wie das ausführliche Protokoll der erwähnten Kommission sind bei der Feststellung des vorliegenden Berichtes in Berücksichtigung gezogen worden und stehen Ihren Kommissionen zur Einsicht offen.

Bevor wir auf die Sache selbst eintreten, haben wir noch folgende allgemeine Bemerkung vorauszuschicken. Urn zu untersuchen und um endgültige, einläßliche Vorschläge dafür aufzustellen, wie eine Gewerbezählung und eine Gewerbeenquete in dem von den Fachkreisen gewünschten Umfange zweckmäßig durchzuführen seien, ist bedeutend mehr Zeit erforderlich, als uns seit Aufstellung des Postulates zu Gebote stand. Es ist uns somit nicht möglich, schon jetzt endgültige, eingehende Vorschläge zu unterbreiten. Wir können uns im vorliegenden Bericht nur in vorläufiger, allgemein orientierender Weise aussprechen und einige Gesichtspunkte aufstellen, an denen wir, falls dieselben bei Ihnen auf keinen Widerspruch stoßen, im weitem Verlaufe der Angelegenheit festzuhalten gedenken -- vorausgesetzt, dass uns die fernem Untersuchungen nicht in den Stand setzen, Ihnen seiner Zeit besseres vorzuschlagen.

Wir behandeln im folgenden die Gewerbezählung und die Gewerbeenquote getrennt voneinander und fragen zuerst: Warum soll eine Gewerbezählung stattfinden ? Die Postulanten haben als hauptsächlichsten Grund hierfür angeführt, daß die Ergebnisse der Gewerbezählung zur Aufklärung und Wegleitung der ohne Zweifel wieder auftretenden Bestrebungen für eine eidgenössische Gewerbegesetzgebung nötig seien. In der oben erwähnten Kommission ist ferner betont worden, daß einzig eine vorhergehende Gewerbezählung es ermögliche, bei der Fjrneuerung der auf das Jahr 1903 fälligen Handelsverträge auch das Kleingewerbe und Handwerk in einer seiner Bedeutung und seinem Umfang und damit seiner Berechtigung entsprechenden Weise zu vertreten und zu berücksichtigen. Wir halten diese beiden Gründe als ausreichend für die Forderung einer Gewerbezählung. Der erstgenannte Gesichtspunkt wird selbst dann nicht hinfällig, wenn neue Bestrebungen für eine eidgenössische Gewerbegesetzgebung infolge der letztmaligen Ablehnung noch etwas länger auf sich warten lassen sollten. Denn umsoweniger würde in der Zwischenzeit die Gewerbegesetzgebung in den Kantonen stille stehen dürfen, und möglichste Aufklärung der bestehenden Verhältnisse

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wird auch hierbei nur nützlich sein können. -- Was den zweitgenannten Zweck einer Gewerbezählung betrifft, so ist zuzugeben, daß bei den frühern Unterhandlungen über Handelsverträge für die Beurteilung, Abwägung und Geltendmachung der Interessen der Großindustrie und namentlich der Exportindustrien ein umfangreicheres Material vorlag, als dies in Bezug auf Kleingewerbe und Handwerk der Fall war. (Fabrikstatistik, Handelsstatistik, Statistik der Stickereiindustrie, der Seidenindustrie u. s. w.) Gewiß werden auch bei den nächsten Vertragsunterhandlungen, selbst wenn eine Gewerbezählung vorausgegangen sein wird, nicht alle Wünsche des Kleingewerbes und Handwerks erfüllt werden können. Aber es soll für diese Berufskreise auch nicht einmal der Schein bestehen, als ob sich die Behörden die Wahrnehmung ihrer Interessen weniger angelegen sein ließen, als bei den ändern Berufskreisen.

Es waren im wesentlichen diese hier in Kürze dargestellten Zwecke -- Gewerbegesetzgebung, sei es eidgenössische, sei es kantonale ; Handelsvertragsunterhandlungen -- um derenwillen der Bundesrat der Forderung einer Gewerbezählung sofort grundsätzlich zustimmte, und wir sind durch die seitherigen Untersuchungen in dieser Anschauung nur bestärkt worden.

Wann soll eine Gewerbezählung stattfinden? Über diese Frage gingen anfänglich die Ansichten der Interessenten und diejenigen unserer Verwaltungsorgane, welche die Zählung wahrscheinlich auszuführen haben werden, ziemlich weit auseinander. Doch hat sich im Verlaufe der bisherigen Verhandlungen hierin durch gegenseitige Rücksichtnahme auf die beiderseits vorgebrachten Gründe eine Annäherung vollzogen, die nahezu einer Übereinstimmung gleichkommt. -- Die Postulanten hatten ursprünglich gefordert, daß die Gewerbezählung sofort, d. h. noch im Jahre 1898 stattfinde, und in der vorberatenden Kommission äußerten sich im besondern die Vertreter des schweizerischen Gewerbevereins dahin, daß die Erhebung spätestens im Jahre 1899 durchgeführt werden sollte. Die Gründe, die für möglichste Beförderung geltend gemacht wurden, sind leicht einzusehen. Wenn man von der Gewerbezählung einen Nutzen erwartet, so hält man auch darauf, dieses Nutzens möglichst bald teilhaftig zu werden. Dem gegenüber erklärte indessen das statistische Bureau, es sei so gut wie unmöglich, die Zählung noch in diesem
Jahre durchzuführen, da die für eine gute Vorbereitung erforderliche Zeit nicht mehr zu Gebote stünde ; gegen die Zählung des Jahres 1899 spreche sodann der Umstand, daß nach den gegenwärtigen gesetzlichen Vorschriften im Jahre 1900 die Volkszählung und im Jahre

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1901 die Viehzählung durchzuführen seien. So wäre sehr zu befürchten, daß durch eine Gewerbezäh] ung im Jahre 1899 die gute Durchführung der alsbald folgenden Volkszählung empfindlich geschädigt würde, was unter allen Umständen vermieden werden müsse. Wenn man ausschließlich diese Verhältnisse berücksichtigen dürfte, so empfehle es sich, die Gewerbezählung auf das Jahr 1905, d. h. auf die Mitte zwischen zwei Volkszählungen zu verschieben. In Würdigung der von den Postulanten und Interessenten gegen solche Verschiebung und für möglichste Beförderung vorgebrachten Gründe werde ein solcher Vorschlag zwar nicht gemacht, dagegen auf folgenden Weg verwiesen, auf dem die thunlichste Ausgleichung und gleichmäßigste Berücksichtigung der verschiedenen Standpunkte zu erreichen sei. Die Vorbereitung der auf den 1. Dezember 1900 vorzunehmenden Volkszählung und die Vorbereitung der Gewerbezählung seien parallel und mit thunlichster gegenseitiger Berücksichtigung vorzunehmen, wofür gegenwärtig die Zeit ausreiche. Dagegen sei die Gewerbezählung erst nach der Volkszählung, jedoch möglichst bald darauf, etwa gegen Ende Dezember 1900 oder Anfang 190Ì, durchzuführen; die Ausarbeitung der beiden Erhebungen hätte wieder unter gegenseitiger Rücksichtnahme parallel zu geschehen, was bei entsprechender vorübergehender Erweiterung der Verwaltung, wie eine solche ohnedies für die Volkszählung stattfinden müsse, wohl möglich sei_ Da auf diese Weise die Kantons- und Gemeindebehörden, überhaupt die Zählorgane im Lande draußen, schon während ihren Arbeiten für die Volkszählung nur in geringerem Umfang auch für die Gewerbezählung in Anspruch genommen werden, so könne die erstere durch die zweite nicht namhaft geschädigt werden, zumal da alle Materialien der Volkszählung bereits um Mitte Dezember wieder aus den Gemeinden abgeliefert seien. Wenn es anfangs auch bedenklich scheinen möge, die Kantons- und die Gemeindebehörden sozusagen unmittelbar nach ihrer Inanspruchnahme für die Volkszählung mit den Erhebungen für die Gewerbezählung zu belasten, so sei dem gegenüber auch zu berücksichtigen, daß gerade dieser zeitliche Anschluß in anderer Beziehung so große Vorteile und Erleichterungen für die Gewerbezählung zur Folge habe, wie solche sonst in keiner Weise erzielt werden könnten.

Die Fragen für die Gewerbezählung werden hauptsächlich
nur an die A r b e i t g e b e r zu richten sein. Diese aber a l l e zu finden, ohne ihnen auch nur in e i n e m Hause oder in e i n e r Haushaltung überflüssig nachfragen zu müssen, das sei niemals so leicht, wie nach einer kurz vorangegangenen Volkszählung, deren

32 Angaben über den Beruf und die Berufsstellung aller Personen in sicherer und sozusagen müheloser Weise erkennen lassen, an wen man sich bei den Erhebungen für die Gewerbezählung zu wenden habe. In keinem ändern Zeitpunkte sei also die wünschbare Vollständigkeit der Gewerbezählung so gut und so leicht zu erreichen, wie gerade in diesem.

Schwierigkeiten, die sich andernfalls aus einer solch vermehrten Inanspruchnahme der Gemeindebehörden und ihrer Erhebungsorgane allerdings ergeben möchten, werde vollständig oder nahezu begegnet werden können, wenn die besondern Erhebungen für die Gewerbezählung v o m B u n d e in angemessener Weise entschädigt werden, wie dies mit gutem Erfolge auch schon bei ändern Erhebungen gemacht worden sei und noch gemacht werde.

(Unfallzählung, Brandzählung, Civilstandsstatistik.)

Was die Ansicht betreffe, daß überhaupt der Winter für eine Gewerbezählung nicht passe, weil in dieser Zeit verschiedene Gewerbe, wie das Baugewerbe und das Wirtschaftsgewerbe, nur in beschränktem Betriebe stehen, so sei darauf zu erwidern, daß der gleiche Einwand für andere Gewerbe (Uhrmacherei, Hausindustrien u. s. w.) auch gegen eine Zählung im Sommer gemacht werden könne. Aber eine GewerbezähLung brauche ja überhaupt nicht bloß den momentanen Betriebsumfang festzustellen; statt dessen könne der durchschnittliche oder der höchste und niedrigste Betriebsumfang des Jahres erhoben werden, wie dies auch bei den schweizerischen Fabrikzählungen geschehe 5 das gute Gelingen einer Gewerbezählung sei also nicht in der behaupteten Weise von der Jahreszeit der Erhebung abhängig.

Das in diesen Vorschlägen enthaltene Entgegenkommen ist von den Vertretern mehrerer Interessentengruppen ausdrücklich anerkannt worden, und auch wir halten dafür, daß die weitern Vorbereitungsarbeiten in diesem Sinne an die Hand zu nehmen seien. Die Durchführung der Gewerbezählung vor der Volkszählung erscheint uns aus den angeführten Gründen als durchaus unzulässig. Dann aber kann den Wünschen auf möglichste Beschleunigung der erstem in keiner Weise besser entsprochen werden, als durch das vorgeschlagene Zusammenrücken der beiden Erhebungen. Dabei wird es Aufgabe der weitern Vorstudien sein, festzustellen, auf welche Weise die allerdings schwere Aufgabe der Erhebungsorgane und Zählbehörden in thunlichster Weise erleichtert werden kann. Es ist möglich, daß unter diesen Umständen die Gewerbezählung in etwas beschränkterem Rahmen

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durchgeführt werden muß, als dies bei voller Selbständigkeit derselben geschehen dürfte.

Man wird sich auch fragen, ob die gewünschten Erhebungen für die Landwirtschaft, statt mit der Gewerbezählung, nicht besser mit der nächsten Viehzählung verbunden werden. Das ist im Kanton Zürich bisher schon zweimal mit bestem Erfolge und, soviel wir wissen, ohne besondere Schwierigkeiten geschehen.

Aber auch für diejenigen Gebiete, auf welche sich die Gewerbezählung unzweifelhaft erstrecken soll, wird in Bezug auf Zahl und Inhalt der zu stellenden Fragen weises Maßhalten doppelt geboten sein, angesichts des Umstandes, daß man es hier neben allen ändern Schwierigkeiten auch noch mit denen der e r s t e n derartigen Erhebung in der Schweiz zu thun hat. -- Was die Anregung betrifft, daß im besonderen für die Gewerbezählung die Erhebungsarbeiten durch den B u n d zu entschädigen seien, so halten wir es als verfrüht, uns hierüber heute schon in verbindlicher Weise auszusprechen.

Wir verkennen die Gründe nicht, die dafür angeführt werden.

Aber da diese Sache doch erst bei der Budgetberatung für 1900 bestimmt zu entscheiden sein wird und die alsdann weiter gediehenen Vorbereitungen auch eine bessere Beurteilung der Anregung und ihrer Folgen ermöglichen werden, so betrachten wir «s als zwecklos, uns heute schon mit dieser einzelnen Frage eingehender zu befassen.

Indem wir aus den angeführten Gründen überhaupt in keiner Beziehung heute schon abgeschlossene und bindende Vorschläge Ihnen unterbreiten können, sondern neben der grundsätzlichen Geneigtheit zur Durchführung einer Gewerbezählung nur die vorläufige Ansicht aussprechen, daß bei den weiteren Studien, durch welche bestimmte und endgültige Vorschläge erst vorzubereiten sind, vorab die von uns entwickelten Gesichtspunkte ins Auge zu fassen seien, glauben wir für dermalen, ein Eingehen auf andere Einzelheiten unterlassen zu können. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob und in welchen Zwischenräumen Gewerbezählungen in Zukunft regelmäßig zu wiederholen seien. Wohl ist in der vorberatenden Kommission auch diese Sache bereits in Erörterung gezogen worden. Unter Hinweis darauf, daß diesmal doch nur aus ·einer gewissen Zwangslage eine so nahe zeitliche Verbindung der Volks- und der Gewerbezählung in Aussicht genommen werde, wurde die Ansicht ausgesprochen,
daß die letztere, als bleibende,
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34 es viel leichter, auch die Gewerbezählung sachgemäß auszubauen, inhaltlich zu erweitern und so den verschiedenen Wünschen in vollem Maße gerecht zu werden. Wir denken, daß eine bleibende, gesetzliche Regelung dieser Frage füglich verschoben bleiben könne, bis die Erfahrungen unserer ersten Erhebung vorliegen.

Noch weniger als bei der Gewerbezählung, sind wir bezüglich der Gewerbeenquete im Falle, Ihnen schon bestimmte Vorschläge zu unterbreiten. Zählungen verschiedener Art sind in der Schweiz nichts neues; eine Enquête in dem hier angestrebten Umfange ist aber so gut wie neu. Es machen uns denn auch sowohl die schriftlichen Eingaben einzelner Interessengruppen, wie die Kommissionsverhandlungen den Eindruck, daß selbst in diesen Kreisen noch erhebliche Abklärung nötig sein wird, bis die Sache in genau formulierte Vorschläge gefaßt werden kann. Vorläufig wird man immerhin festhalten dürfen, daß die Gewerbezählung die Hauptsache, das Grundlegende, die Enquête das Ergänzende ist. Umfang und Inhalt der letztern lassen sich demnach nicht umschreiben, bevor dies auch für erstere der Fall ist. So scheint es uns der Hauptsache nach und abgesehen von den Probeerhebungen, auf die wir gleich zu sprechen kommen werden, ausgeschlossen, eine Enquête vor der Zählung durchzuführen.

Dagegen ist in der Kommission von sachkundigster und erfahrenster Seite die Ansicht ausgesprochen worden, daß schon die gute Vorbereitung der Gewerbezählung mehrfacher Probeerhebungen bedürfe, um durch diese zu erfahren, auf welche Fragen in der Gewerbezählung überhaupt befriedigende Antworten zu erwarten seien. Solche -- mündlich geführte --· Probeerhebungen mit dem geplanten Frageschema der Gewerbezählung werden am besten zu erkennen geben, wie dieses Schema endgültig festzustellen sei, um überall das nötige Verständnis zu finden und um nicht Fragen zu stellen, deren Beantwortung, sei es aus diesen oder jenen Vorurteilen, sei es aus der befürchteten Gefährdung von Interessen u. s. w. vielfach verweigert würden. Wir halten dafür, daß sich ein solches vorsichtiges, probeweises Vorgehen bei einer Erhebung, die in der Schweiz zum erstenmal auszuführen ist, in der That empfehle. Aber nicht bloß für die Gewerbezählung, sondern mindestens ebenso sehr auch für die Gewerbeenquete. Wir denken demnach, diese stichprobenweisen Versuche für beide Erhebungen machen zu lassen, nicht als Teil der eigentlichen Ausführung, sondern bloß als Teil ihrer Vorbereitung -- also im Laufe des Jahres 1899*

35 oder spätestens im Anfange des Jahres 1900. Indem wir gerade von diesen Versuchen am meisten Belehrung darüber erwarten, wie die beiden Erhebungen am besten einzurichten und durchzuführen seien, ist es uns auch bezüglich der Gewerbeenquete selbstverständlich nicht möglich, heute schon, d. h. jenen Versuchen vorgängig, eingehende und bestimmte Vorschläge zu machen.

Wir fassen unsere Vernehmlassung in die folgenden Sätze zusammen : Der Bundesrat wiederholt, daß er die vorgeschlagenen Erhebungen als wünschenswert betrachte ; aber er hält es nicht für zulässig, dieselben noch vor der nächsten Volkszählung durchzuführen, teils aus Mangel an der erforderlichen Zeit, teils weil hierdurch eben die Volkszählung wesentlich geschädigt werden müßte ; dagegen wird für die Gewerbezählung zwar nicht Gleichzeitigkeit, aber thunlichster, zeitlicher Anschluß an die Volkszählung vorgesehen. Der Bundesrat wird, falls die Bundesversammlung seine Anschauung teilt, die beiden Erhebungen vorbereiten und die ausgearbeiteten Entwürfe durch Versuchsproben auf ihre Durchführbai'keit und Zwekrnäßigkeit prüfen lassen. Eingehende und endgültige Vorschläge an die Bundesversammlung müssen bis dahin verschoben bleiben.

Wir benutzen, auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 14. April 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend eine Gewerbezählung und eine Gewerbeenquête. (Vom 14. April 1898.)

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20.04.1898

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