155

# S T #

Aus den Verhandlungen des Schweiz, Bundesrates, (Vom 27. April 1898.)

Der Bundesrat ist auf den R e k u r s der G e m e i n d e G a n dria (Tessin) b e t r e f f e n d E i n t r a g u n g in das S t i m m r e g i s t e r des G. A. S p i n e l l i , gestützt auf folgende Erwägungen, wegen Inkompetenz nicht eingetreten : Die Parteien haben die Frage nicht aufgeworfen, ob der Bundesrat zur Behandlung der vorliegenden Besehwerde kompetent sei ; der Bundesrat hat jedoch seine Kompetenz stets von Amteswegen zu prüfen. Die streitige Frage ist, ob das Schreiben des Gemeinderates von Castagnola an denjenigen von Gandria vom 15. August 1896, des Inhalts, daß Spinelli infolge seines Wegzuges vor mehr als drei Monaten aus dem Stimmregister gestrichen worden sei, als die gesetzlich vorgeschriebene Vorlegung eines Stirnmfähigkeitszeugnisses bei der Gemeindebehörde von Gandria betrachtet werden kann. Nach dem tessinischen Gesetze vom 5. Dezember 1892 über die Aufstellung der Stimmregister (Art. 2) sind als stimmberechtigt in das Stimmregister einer Gemeinde einzutragen diejenigen Schweizerbürger, ·welche das 20. Altersjahr erreicht haben und seit drei Monaten ihren Wohnsitz in der betreffenden Gemeinde haben und nicht gemäß den Bestimmungen des Gesetzes vom 15. Juli 1880 vom .Stimmrecht ausgeschlossen sind. Die dreimonatliche Frist läuft fUr die Tessiner vom Tage an, wo sie der Gemeindebehörde das im Gesetze vom 15. Juli 1880 vorgesehene Stimmfähigkeitszeugnis {certificato di capacità elettorale) vorgelegt haben.

Dieses Gesetz vom 15. Juli 1880 schreibt vor, daß ein Bürger bei Änderung seines Wohnsitzes der Behörde des neuen Wohnsitzes eine Bescheinigung seiner Stimmfähigkeit vorzuweisen habe, die von der Behörde der Gemeinde, in welcher er bisher seine politischen Rechte ausübte, ordnungsgemäß ausgestellt ist. Entgegen der Ansicht der Rekurrenten haben der Staatsrat und der Große Rat des Kantons Tessin diese Bestimmungen dahin interpretiert, daß das Stimmfähigkeitszeugnis nicht vom Bürger persönlich vorgelegt zu werden braucht, sondern auch von Amteswegen von der ausstellenden Gemeinde den Behörden der Wohnsitzgemeinde mitgeteilt werden kann ; und ein der gesetzlichen Vorschrift genügendes Stimmfähigkeitszeugnis ist schon in der amtlichen Erklärung zu erblicken, daß ein Bürger in seiner bisherigen Wohnsitzgemeinde

156 stimmberechtigt war und lediglich wegen Domizilwechsels vom Stimmregister gestrichen worden ist, ohne daß diesem Bürger der besondere Nachweis obliegt, daß kein Ausschließungsgrund seines Stimmrechtes bestehe. Diese von den Tessiner Behörden aufgestellten Sätze beruhen ausschließlich auf der Auslegung kantonaler Wahlgesetze. Sie sind daher nach Vorschrift von Art. 189, Absatz 4 r des Organisationsgesetzes vom 22. März 1893 der Nachprüfung des Bundesrates nicht unterstellt; denn daß sie eine willkürlicheGesetzesinterpretation wären, läßt sich nicht behaupten. Mag sodann der fernere Einwand der Rekurrenten, daß die Gemeindebehörde nicht verpflichtet sei, einen Bürger in das Stimmregister einzutragen auf Grund eines Aktes, dem die zu dieser Eintragung erforderlichen Daten fehlen, nicht von vorneherein als unstichhaltig erscheinen, so ist der Bundesrat nicht kompetent, die Begründetheit dieses Einwandes zu prüfen; denn es handelt sich dabei um eine Gesetzesinterpretation. Auf Grund der vom Großen Rat dea Kantons Tessin richtiger- oder unrichtigerweise angenommenen Auslegung hat sich die Gemeindebehörde die erforderlichen Angaben auf anderem Wege zu verschaffen.

Der Bundesrat hat den Rekurs des Joseph W e i b e l in Luzern betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes, abgesehen davon, daß er materiell nicht begründet ist, aus folgenden formellen Gründen abgewiesen: Rekurrent wurde vom Regierungsrat des Kantons Luzern mit seinem Gesuch um Wirtschaftsbewilligung bereits am 28. Mai und 18. Juni 1897 abgewiesen; da gegen diese Entscheide der Rekurs an den Bundesrat nicht ergriffen wurde, sind sie rechtskräftig geworden; der Regierungsrat von Luzern konnte sich daher in seinem angefochtenen Beschlüsse vom 22. Oktober 1897 darauf beschränken, zu untersuchen, ob sich inzwischen die Verhältnisse zu gunsten des Gesuchstellers geändert haben. Seit den erwähnten frühern Schlußnahmen des Regierungsrates des Kantons Luzern sind nun keine neuen Thatsachen eingetreten, die geeignet wären, die Wiedererwägung des Gesuches zu begründen. Die Bestätigung der frühern Entscheide ist daher gerechtfertigt.

(Vom 3. Mai 1898.)

Der Bundesrat hat nach Einsicht eines Schreibens der Schweiz.

Centralbahn vom 27. April 1898 betreffend die Entscheidungen des Eisenbahndepartements zum Entwurfe des diesjährigen Sommerfahrplans und eines bezüglichen Berichtes des Eisenbahndepartements beschlossen:

157 1. Nachdem das Direktorium der Schweiz. Centralbahn das Vorhandensein von erheblichen Schwierigkeiten nachgewiesen hat, wird auf die Führung eines Lokalzuges Muttenz-ßasel, sowie auf die Führung eines neuen Nachmittagsssuges Olten-Luzern oder die Beschleunigung des Zuges 411 mit Unterdrückung des Güterdienstes in demselben verzichtet; 2. die Verfügung des Departements, wonach der Nachtzug 59/26 später gelegt werden soll, wird bestätigt, weil die spätere Zugslage mehr Interessen befriedigt und zudem durch Art. 33 des Eisenbahngesetzes geboten ist.

"Wahlen.

(Vom 3. Mai 1898.)

Departement des Innern.

Mitglied der Fachprüfungskommission für Arzte in Zürich : Herr Prof. Dr. Eugen Bleuler, Direktor der Heilanstalt Burghölzli.

Post- und Eisenbahndepartement.

P os t V e r w a l t u n g .

Postcommis in Morges: Herr Karl Baud, von Gimel und Genf, Postaspirant.

Finanz- und Zolldepartement.

Departementssekretär: Herr Heinrich Imboden, von Unterseen, bisheriger Adjunkt.

Gehülfe der Staatsbuchhaltung: ,, Max Lips-Werder in Bern.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Aus den Verhandlungen des schweiz. Bundesrates.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1898

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

20

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.05.1898

Date Data Seite

155-157

Page Pagina Ref. No

10 018 313

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.