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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Berittenmachung der Kavallerieoffiziere.

(Vom 18. März 1898.)

Tit.

Das Militärorganisationsgesetz von 1874 hat es den berittenen Offizieren der gesamten Armee gleichmäßig überbunden, ,,sich gegen besondere Entschädigung selbst beritten zu machen" (Art. 182).

Erfahrungsgemäß begegnet aber die Aufbringung der Reitpferde für die berittenen Offiziere aller Waffen schon alljährlich bei größeren Manövern Schwierigkeiten, und wenn auch im Mobilisierungsfall auf eine große Anzahl reittauglicher Pferde gegriffen werden könnte, die sieh im Privatbesitz befinden und daher zu Friedensmanövern nicht verfügbar sind, so ist dennoch die Frage keineswegs befriedigend gelöst, wie bei einem Aufgebote der gesamten Feldarmee die Berittenmachung der Offiziere einigermaßen glatt durchgeführt werden kann.

Am schwersten fallen alle daherigen Übelstände bei der Kavallerie ins Gewicht. Das Pferd ist die dieser Waffengattung eigentümliche Waffe, das Offizierspferd ein wichtiger Faktor im Wert der Truppe, die von allen Waffengattungen am schnellsten marschbereit sein muß, weil sie schon zum ersten Grenzschutz mitverwendet wird.

In jedem anderen Dienstverhältnis kann es deshalb eher angehen, daß einzelne Offiziere sich mit mittelmäßigen oder geringen

62 Pferden behelfen müssen, oder daß sich ihre Berittenmacbung ein paar Tage verzögert, als in demjenigen des Kavallerieoffiziers.

Nun hat das Gesetz von 1874 wohl eine feldtüchtige Berittenmachung der Unteroffiziere und Soldaten der Kavallerie sichergestellt (Art. 191--194 M.-O.), diejenige der Kavallerieoffiziere aber auf gleicher Linie mit der Pferdestellung an alle übrigen berittenen Offiziere behandelt.

Die Folge davon ist, daß es Kavallerieoffiziere giebt, die außer den kurzen jährlichen Dienstleistungen keine Gelegenheit zum Reiten haben und infolgedessen an ihrer in der ersten Ausbildung erworbenen Reitgewandtheit bald wieder einbüßen, daß es ferner für diese Offiziere, wenn sie aufgeboten werden, von allerlei Zufälligkeiten abhängt, ob sie ein Pferd zu mieten im stände sind, welches den Anforderungen, die an ein feldtüchtiges Kavallerieoffizierspferd gestellt werden müssen, entspricht, oder ob sie sich gezwungen sehen, mit einem minderwertigen Pferde zum Dienst einzurücken.

Im letzteren Falle kann das Pferd wohl zurückgewiesen werden, dann aber bleibt nichts anderes übrig, als daß die Eidgenossenschaft aus der Eegieanstalt oder dem Remontendepot ein besseres stellt. Solche sind jedoch nicht immer verfügbar und in erster Linie für andere Zwecke vorgesehen, woraus öfters folgt, daß wohl oder übel Offizierspferde im Dienst der Kavallerie angenommen werden müssen, deren militärischer Wert unter demjenigen des Durchschnittes der Truppenpferde steht, zum Schaden der Leistungsfähigkeit und Disciplin der Truppe.

Nur d e r Kavallerieoffizier, der selbst Pferdebesitzer ist, gewinnt das lebhafte Interesse am Leben und an den Bedürfnissen des Pferdes so, daß er instinktiv mit den Pferdekräften seiner Truppe aufs beste hauszuhalten weiß : Einerseits die höchstmöglichen Leistungen herausbringt, anderseits einen möglichst geringen Abgang an dem ihm anvertrauten Material einbüßt. -- Nur d e r Kavallerieoffizier, der wesentlich besser beritten ist als der Durchschnitt seiner Truppe, kann seiner Aufgabe genügen. Er muß vor der Truppe jeden Augenblick das Beispiel reiterlicher Gewandtheit und Kühnheit geben können, und wenn er auf Umwegen über schwieriges Gelände sich durch den Schleier feindlicher Kavallerie hindurchwagen und prit rechtzeitigen Meldungen zurückkommen soll, so muß er die höchsten Anforderungen an die Schnelligkeit und Ausdauer seines Pferdes stellen können.

63 Unter den jetzigen Verhältnissen ist es nicht möglich, die Offiziere der Kavallerie durchwegs zu verhalten, sich eigene, den Anforderungen ihrer Stellung entsprechende Pferde zu halten, wenn auch eine namhafte Anzahl dies in anerkennenswerter Weise mit bedeutenden Opfern thut, Opfern, die der Staat nicht v o r s c h r e i b e n könnte, ohne dadurch tüchtige Kräfte von der Waffe fernzuhalten.

Das wirksamste Mittel, diesem Übelstande abzuhelfen, sehen wir darin, dem Kavallerieoffizier ein gutes Dienstpferd zu den gleichen Bedingungen zu stellen, wie sie für die Unteroffiziere und Soldaten festgesetzt sind (Art. 141--194), und jeden nach Inkrafttreten dieses Bundesbeschlusses neu ernannten Kavallerieoffizier zu verpflichten, sich über die ganze Dauer seiner Einteilung im Auszug ein eigenes Dienstpferd zu halten, entsprechend den in Art. 195 bis 204 bisher für Unteroffiziere und Soldaten gültigen Bestimmungen *).

*) Die Artikel, welche auf die Berittenmachung der Offiziere ausgedehnt werden sollen, lauten: Art. 191. Die für die Dragoner und Guiden jährlich notwendigen Pferde werden vom Bunde angekauft und in besondern, unter der Leitung des Oberinstruktors der Kavallerie stehenden Remontenschulen zugeritten.

Es steht jedoch jedermann frei, ein eigenes Pferd in die Remontenschulen zu stellen, insofern dasselbe die nötigen Eigenschaften besitzt. Diese Pferde werden geschätzt und die Hälfte des Schätzungspreises den Eigentümern ausbezahlt: damit treten diese Pferde in allen Beziehungen in dasselbe Verhältnis, welches durch die nachstehenden Artikel für die vom Bunde abgegebenen Pferde (Art. 192) festgesetzt ist.

Art. 192. Am Schlüsse der Remontenschulen werden die von der Eidgenossenschaft gekauften Pferde, gegen Bezahlung der Hälfte des reglementarisch festgestellten Schätzuugspreises an die Mannschaft zugeteilt, welchezu deren Übernahme verpflichtet ist.

Art. 193. In der Regel bleiben die Pferde im Besitze des Mannes, dürfen aber von demselben weder veräußert, verpfändet, vermietet, noch sonst zum Gebrauche an Dritte abgegeben werden. Sie sind von dem Kavalleristen auf eigene Kosten außer dem Dienst gehörig zu ernähren und zu besorgen und dürfen von ihm zu jedem Gebrauche verwendet werden, welcher die militärische Diensttauglichkeit des Pferdes nicht beeinträchtigt.

Art. 194. Ist der Mann aus
irgend einem Grunde verhindert, einem Dienstaufgebot zu folgen, so hat er das Pferd gleichwohl auf Verlangen in den Dienst zu stellen.

Der Bund ist berechtigt, dasselbe auch dann vorübergehend an sich zu ziehen, wenn der Besitzer längere Zeit abwesend oder dienstunfähig ist, oder sich nachlässiger Behandlung des Pferdes (Art. 201) schuldig macht. In diesem Falle vergütet der Bund für die Zeit, während welcher er im Besitze des Pferdes bleibt, dem Manne nur die Hälfte des im Art. 195 genannten Betrages.

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Für die zur Zeit des Inkrafttretens dieses Bundesbeschlusses e i n g e t e i l t e n Kavallerieoffiziere des Auszuges würde es Sache der Freiwilligkeit bleiben, ebenfalls vom Bunde ein Dienstpferd zu diesen Bedingungen zu übernehmen, und es steht zu erwarten, daß hiervon vielfacher Gebrauch gemacht werden wird.

Art. 195. Die dem Kavalleristen zufallende Hälfte des Übernahmspreises, beziehungsweise des Schätzungswertes, wird durch alljährliche Rückzahlung eines Zehntheils derselben amortisiert.

Art. 196. Wenn der Mann mit demselben Pferde die ganze zehnjährige Dienstzeit (Art. 12) durchgemacht hat, so geht dasselbe in sein Eigentum über.

Art. 197. Ist der Mann beim Dienstaustritt im Besitze eines Pferdes, das nicht die ganze Dienstzeit durchgemacht hat, oder tritt er vor Beendigung der Dienstzeit aus, so hat der Bund das Recht, das Pferd gegen Bezahlung des noch nicht amortisierten Restbetrages an sich zu ziehen.

Art. 198. Geht ein Pferd im eidgenössischen Dienst zu Grunde, so hat der Bund den noch nicht getilgten Teil des Amortisationsbetrages zu bezahlen. Geht das Pferd außer dem Dienst ab, so bezahlt der Bund keinerlei Entschädigung.

Art. 199. Wird ein Pferd im Dienste militäruntauglich, so wird es gegen Bezahlung des noch nicht amortisierten Betrages vom Bunde übernommen.

Pferde, welche außer dem Dienst militäruntauglich werden, kann der Bund ebenfalls übernehmen; er hat aber in diesem Falle dem Manne als Entschädigung nur die Hälfte des von demselben bezahlten Übernahms- oder Schätzungspreises (Art. 191 und 192) zu vergüten, insoweit dies durch die bisherige Amortisation nicht schon geschehen ist. Hat der Mann auf dem Wege der Amortisation schon die Hälfte oder mehr bezogen, so findet keine weitere Entschädigung statt.

Art. 200. Abgegangene oder dienstuntauglich gewordene Pferde werden nach der Vorschrift der Art. 191 und 192 ersetzt.

Art. 201. Kavalleristen, welche sich böswilliger Beschädigungen, grober Vernachlässigung in Ernährung und Besorgung oder nachteiligen Gebrauches ihrer Pferde schuldig machen, können vom Bundesrate ihrer Ansprüche auf Amortisation und Entschädigung ganz oder teilweise verlustig erklärt werden und sind überdies dem Bunde für den erlittenen Schaden haftbar.

Art. 202. ..Der Bund ist berechtigt, auch mit dritten Personen Verträge betreffend die Übernahme von
Kavalleriepferden auf Grundlage der Bechte und Pflichten, welche in Art. 191 u. ff. festgestellt sind, abzuschließen.

Art. 203. Wenn sich über die Anwendung der Art. 193--202 Anstände erheben, so entscheidet darüber das Militärdepartement, in letzter Instanz der Bundesrat.

Art. 204. Die sämtlichen Kavalleriepferde werden außer dem Dienst in Bezug auf ihre Unterbringung, Besorgung, Ernährung und ihren Gebrauch von Offizieren der Waffe überwacht, welche dem Wafl'enchef der Kavallerie zu Händen des Militärdepartements ihren Bericht abzugeben haben.

Die Inspektion kann auch andern Personen übertragen werden.

65 Die Bestimmungen dieses Bundesbeschlusses sollen dagegen keine Anwendung finden auf die z w e i t e n o d e r d r i t t e n Pferde der Kavallerieoffiziere, welche selbst zu stellen ihnen immer noch gemäß den bisher geltenden Bestimmungen überbunden bleibt, indem unsere Vorlage sich beschränken will, nur den dringlichsten Anforderungen zu genügen.

Zur B e r e c h n u n g der K o s t e n f o l g e n legen wir die Annahme zu Grunde, daß die Offizierspferde durchschnittlich nur 5 Jahre als solche brauchbar sein werden, daß durchschnittlich nach dieser Dienstdauer das Pferd vom Remontendepot zurückzunehmen und dem Offizier ein neues zu liefern sein dürfte, daß jedoch die zurückgenommenen Offizierspferde noch als Mannschaftsersatzpferde brauchbar sein werden -- eine Rechnung, die den Abgang und damit die Kosten eher zu hoch als zu niedrig anschlägt.

Die Durchschnittszahl der jährlich neuernannten Offiziere beträgt 20, die Durchschnittszahl der eingeteilten, welche nach fünfjährigem Gebrauch eines Dienstpferdes neu beritten zu machen wären, würde nach obiger Annahme etwa 40 betragen, so daß jährlich vom Bunde 60 Offizierspferde gestellt werden müßten.

Jedes dieser Pferde wird, die Acclimatisations- und Dressurkosten Inbegriffen, die Eidgenossenschaft auf Fr. 2200 durchschnittlich zu stehen kommen.

Die Gesamtausgabe beträgt somit jährlich (Fr. 2200 X 60) Fr. 132,000 Dieser Ausgabe stehen gegenüber: Ersparnis an Pferdemiete und Abschatzungsgeldern an Offiziere . . Fr. 32,000 Wert von 40 zurückgezogenen Offizierspferden als Mannschaftsersatzpferde, das Stück zu Fr. 900 . . . . ,, 36,000 Summa Minderausgaben ,, 68,000 Es verbleiben an regelmäßigen jährliehen Mehrausgaben Fr. 64,000 ein Betrag, der bis zur Durchführung der neuen Ordnung in den ersten Jahren vielleicht noch um einige Tausend Franken, keinenfalls aber erheblich überschritten werden dürfte.

Durch die obligatorische und ständige Berittenmachung der Kavallerieoffiziere werden gleichzeitig für die Pferdestellung an die übrigen berittenen Offiziere etwa 100 gute Reitpferde mehr verBnndesblatt. 50. Jahrg. Bd. II.

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lügbar, was dieselbe schon spürbar erleichtern wird. Eine kriegstüchtige Kavallerie aufzustellen, gilt als die schwerste Aufgabe eines Milizheeres, und die unsrige ist zugleich an Zahl im Verhältnis zu den übrigen Waffen außerordentlich schwach. Es erscheint uns von großer Bedeutung, daß nichts verabsäumt werde, was zur Hebung dieser Waffe dienen kann. Wir empfehlen Ihnen daher unsere Vorlage und benutzen den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 18. März 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, D e r B u°n d e s p r ä s i d e n t : Ruffy.

Der I. Vizekanzler : Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Berittenmachung der Kavallerieoffiziere.

Die B u n d e s v e r s a m[m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 18. März 1898, beschließt: Art. 1. Die nach dem Inkrafttreten dieses Beschlusses ernannten Offiziere der Kavallerie sind, solange sie im Auszuge dienen, verpflichtet, ständig ein eigenes Dienstpferd zu halten.

Art. 2. Der Bund liefert den in Art. l genannten und auf Verlangen auch den bereits bei Inkrafttreten dieses Beschlusses ernannten Offizieren der Kavallerie, sofern dieselben im Auszuge eingeteilt sind, ein Dienstpferd unter den nämlichen Bedingungen, wie sie für die Dragoner und Gruiden durch die Art. 191--194 der Militärorganisation festgesetzt sind.

Ebenso finden die Bestimmungen der Art. 195 bis und mit 204 auf die Dienstpferde der Kavallerieoffiziere entsprechende Anwendung.

68 Art. 3. Die zweiten und eventuell dritten Pferde, zu deren Haltung die Kavallerieoffiziere im Dienste berechtigt und verpflichtet sind, haben dieselben nach Mitgabe von Art. 182 der Militärorganisation selbst zu beschaffen. Sie werden dafür vom Bunde in gleicher Weise entschädigt wie die übrigen Offiziere.

Art. 4. Insoweit Art. 182 der Militärorganisation mit diesem Bundesbesehlusse im Widerspruch steht, wird derselbe aufgehoben. Der Bundesrat erläßt die zur Ausführung dieses Beschlusses erforderlichen Verordnungen.

Art. 5. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und ßundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Bundesbeschlusses zu veranlassen und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Berittenmachung der Kavallerieoffiziere. (Vom 18. März 1898.)

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23.03.1898

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