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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend einen Zusatz zum Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1887 über Förderung und Hebung der schweizerischen Kunst.

(Vom 30. Dezember 1897.)

Tit.

Nach zehnjährigen Erfahrungen sind wir im laufenden Jahre zur Revision der verschiedenen Réglemente geschritten, die seiner Zeit zur Ausführung des Bundesbeschlusses betreffend Förderung und Hebung der schweizerischen Kurist erlassen wurden.

Hierbei hat sich uns eine Lücke in den Mitteln fühlbar gemacht, welche dem Bunde zur Förderung der Kunst an die Hand gegeben sind. Dieselbe besteht darin, daß es uns nicht gestattet ist, einem tüchtigen Künstler eine Unterstützung zu gewähren, um es ihm zu ermöglichen, seine Studien an irgend einem Mittelpunkt größerer Kunstthätigkeit zu vollenden.

Über diesen Punkt, in welchem wir mit der eidgenössischen Kunstkommission vollständig übereinstimmen, erlauben wir uns, Ihnen folgendes vorzutragen : Der Bund stellt seit zehn Jahren seiner obersten Behörde jährlich den Betrag von Fr. 100,000 zur Verfügung, um die ausübenden Künstler zu erhöhter Thätigkeit und damit zu weiterer Ausbildung und Vervollkommnung anzuspornen.

Er veranstaltet zu diesem Zwecke jedes zweite Jahr nationale Ausstellungen, an denen die Künstler ihre Werke der Öffentlichkeit

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vorführen können, während er selbst in weitgehender Weise als Käufer auftritt ; er schreibt Wettbewerbe aus für Maler und Bildhauer und beauftragt die siegreichen Künstler, ihre prämiierten Arbeiten zum Schmucke öffentlicher Gebäude auszuführen und unterstützt die gleichartigen Bestrebungen an allen Orten, wo durch die Initiative von Privaten ein Kunstwerk von nationalem oder patriotischem Inhalt ins Leben gerufen werden soll. Alle diese Unternehmungen zur Hebung und Förderung der Kunst laufen darauf hinaus, den Meistern, die sich als tüchtig erwiesen haben, Gelegenheit zu geben, ihre Kunst auszuüben und materiell zu verwerten.

Ohne unsern Bundesbeitrag -- wie viele Bilder wären unverkauft geblieben, wie viel schöne Werke wären unterblieben, und wie bescheiden und kümmerlich würde die schweizerische Kunstthätigkeit und Kunstentfaltung sich darstellen in der Zeit des letzten Decenniums. Es ist keine Frage, daß jener Bundesbeschluß heute schon die segensreichsten und erfreulichsten Erfolge aufweist, die sich in der Zukunft mehr und mehr steigern werden.

Indessen kann es dem aufmerksamen Beobachter der Leistungen unserer schweizerischen Künstler seit dem Beginn der staatlichen Unterstützung doch nicht entgangen sein, daß trotz der zahlreichen Ankäufe und der reichlichen Subventionen das Niveau des künstlerischen Könnens -- das eigentliche Kunstvermögen -- sich nicht verändert, sich mindestens noch nicht merklich gehoben hat. An den Ausstellungen giebt es sehr wenige Bilder, die sich den ungeteilten Beifall der Kunstkenner erwerben und die strenger Kritik Stand halten können. Die Ankäufe haben meist nur relativen Wert, und oft genug kann eine Erwerbung nur mit dem Hinweis auf eine andere motiviert werden, und nicht alle Sammlungen, denen die Ankäufe zugewiesen werden, sind begeistert über den neuen Zuwachs.

Noch auffallendere Erscheinungen zeigen die Konkurrenzen : Unsere bedeutensten Künstler, die schon durch wirklich hervorragende Werke sich einen Namen gemacht haben, fallen ab, und neue, jüngere Kräfte treten in den Vordergrund, um bei der nächsten Gelegenheit wieder in den Schatten gestellt zu werden. Es läßt sich das nicht etwa mit dem raschen Wandel der Kunstanschauungen motivieren, denn die nicht reüssierenden Werke könnten auch den Anforderungen älterer Kunstideale nicht genügen.

Wenn wir
den innern Ursachen dieser Erscheinungen nachgehen, so müssen wir gestehen, daß sie zum Teil dem M a n g e l e i n e r a u s r e i c h e n d e n k ü n s t l e r i s c h e n S c h u l u n g zuzuschreiben sind.

11 Es ist begreiflich, daß jetzt, wo plötzlich eine Reihe von größern Aufgaben an die Künstler herantreten, diese noch nicht die genügenden Erfahrungen für deren Bewältigung besitzen, namentlich weil die Monumentalmalerei und -plastik gewisse Anforderungen stellen, welche die Künstler zu erfüllen lernen müssen. Es würde sich das wohl mit den Jahren von selbst machen. Aber wie viel Arbeit, wie viel Zeit, wie viel Geld geht dabei verloren, bis die Künstler durch eine Reihe verunglückter Konkurrenzen gefunden haben, worauf es bei diesen Aufgaben ankommt. Und damit, daß sich die jungen Maler und Bildhauer fortwährend an Konkurrenzen beteiligen, wo in erster Linie gute Einfalle und glücklich komponierte Skizzen, flüchtig und oberflächlich dargestellt, prämiiert werden, damit ist ihnen und der Kunst auch nicht gedient. Sie müssen dazwischen hinein wieder Gelegenheit finden, sich zu vertiefen, Einzelheiten in der Natur und an altern Meisterwerken zu studieren. Nicht alle unsere jungen Künstler sind nun in der Lage,, ihre Studien gründlich und lange genug betreiben zu können,, jahrelang vergeblich Ausstellungen zu beschicken oder an Konkurrenzen sich zu beteiligen und auf diesem Wege ,,mit heißen Bemühena zur Vollkommenheit zu gelangen. Manche müssen früher auf einen Erwerb sehen, ehe sie in alle Geheimnisse der Kunst einzudringen vermochten, und verfallen, bevor sie sieh frei gemacht, haben und den Stoff völlig zu beherrschen lernten, dem Manierismus, und der Routine.

Mit den hier in Vorschlag gebrachten Reisestipendien und mit der durch ihre Verleihung den Künstlern auferlegten Verpflichtung ernster Studien, schaffen wir nur eine Institution, die in allen Nachbarländern seit lange besteht und ihre reichen Früchte getragen hat.

Obschon in Paris, in München, Wien, Berlin u. s. w. opulent ausgestattete Kunstschulen existieren, obschon in den dortigen Museen, die größten Meisterwerke dem Studium zur Verfügung gestellt sind,, geben jene Staaten doch noch den talentvollsten ihrer Kunstschüler ausreichende Mittel an die Hand, um ihre Studien in auswärtigen Kunstcentren zu erweitern und zu vervollkommnen.

So verleiht die Akademie der bildenden Künste in München neben 16 kleinern Stipendien von M. 150--360 ein Reisestipendium von jährlich M. 2400 ; an der Wiener Akademie bestehen drei gestiftete Reisestipendien (zu fl. 1500, 1500 und 2000 ö.'W.) und drei staatliche Stipendien von je fl. 1500 (die demnächst auf fl. 1800erhöht werden sollen).

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In Berlin verleiht die k. Akademie der Künste zwei Preise von M. 3000 zu einjähriger Studienreise und M. 300 Reisekostenentschädigung und außerdem bestehen noch sechs gestiftete Reisestipendien (von Rohr à M. 4500, zwei Beer à M. 2250, Blechen à M. 1500, Schultze à M. 3000, Ginsb'erg à M. 2000).

In Kassel werden zwei Stipendien à M. 1500 und 2000 verliehen. Und endlich welch herrlichen Aufenthalt genießen für drei Jahre die Grands-prix von Paris !

Im Gegensatz zu allen andern Kulturstaaten bietet die Schweiz dem angehenden Künstler kaum nennenswerte Gelegenheiten zu ausgiebigen Kunststudien im Inlande. Sie besitzt nur bescheidene Kunstsammlungen, keine Kunstakademie, keine Meisterateliers. Eine Änderung in diesem Bestand -- vorläufig gar nicht erwünscht -- wird in absehbaren Zeiten nicht stattfinden.

Unsere Künstler müssen in die Fremde wandern -- unzweifelhaft zu ihren und des Landes Nutzen ·-- nach Paris, München, Wien, Berlin, Florenz, Rom etc., um dort sich weiter zu bilden, leider aber, um oft nach viel zu kurzem Aufenthalt wieder heimkehren zu müssen, da ihre Verhältnisse ihnen eine längere verdienstlose Studienzeit nicht erlauben.

Hier würde nun nach unserem Antrage der Bund eingreifen, um die besonders talentierten Künstler in die Lage zu versetzen, ihre Studien noch weiter fortzusetzen. Es handelt sich aber dabei nicht darum, junge, noch völlig unreife Schüler mit solchen Subventionen auszustatten -- es soll das wie bisher Sache der Städte und Stände ihren Angehörigen gegenüber bleiben -- sondern die Bewerber müssen der Bevölkerung schon durch tüchtige Leistungen bekannt sein, durch Arbeiten, in denen ernstes und gewissenhaftes Studium sich geltend macht, sie müssen die vollste Garantie bieten für nutzbringende Verwendung der Subvention. Die Befürchtung, daß unwürdige Streber mit dem Stipendium beglückt werden, erscheint dadurch völlig unbegründet und der beste Erfolg möglichst gesichert.

Zum Schlüsse wollen wir noch dem Einwand entgegentreten, als ob unsere schweizerischen Nationen überhaupt nicht in dem Maße künstlerisch veranlagt seien, wie die Angehörigen der andern Völker, und daß eine solche staatliche Studienförderung sich darum bei uns nicht lohne. Diese Ansicht entspricht den Thatsachen durchaus nicht. Die Kunsttechnik des Mittelalters, die in den Gebieten der Glasmalerei, der Tischlerei, des Schmiedehandwerks, des Buchdrucks u. s. f. so Glänzendes, ähnliche Arbeiten der

13 benachbarten Länder Überstrahlendes geleistet hat, und die Dichter und die hervorleuchtendsten bildenden Künstler der Gegenwart belehren uns, welche Fülle von Poesie und natürlichem Kunstgefühl in unserm Lande wohnt, und daß diese Anlagen eben nur richtig geleitet und erzogen werden müssen, um die schönsten Früchte zu bringen.

In den Ausstellungen im Ausland nehmen jetzt schon einzelne unserer Künstler eine ehrenvolle Stellung ein, und der Gesamteindruck unserer ersten korporativen Ausstellung in München war, dank der strengen Sichtung, ein durchaus vorteilhafter. Es läßt sich nicht verkennen, daß der Boden ein guter sei, in dem unser Kunstleben wurzelt, daß aber das Können vielfach hinter den guten Absichten zurückbleibt, die Fähigkeit, den Ideen Ausdruck zu geben, eine unzulängliche sei. Und so glauben wir eben, im Hinblick auf die unzweifelhaft im Schweizervolk vorhandenen guten Anlagen, der Überzeugung Ausdruck geben zu dürfen, daß die an sich ja bescheidene Pflege und Förderung der letzten künstlerischen Schulung, die wir hiermit beantragen, ihre für die schweizerische Kunst segensreichen Erfolge haben werden.

Über die Tragweite, welche der vorgeschlagene Beschluß für den Kunstfonds haben kann, darf man, wie wir glauben, unbesorgt sein. Da es sich nur um Unterstützung solcher Künstler handelt, die schon hervorragende Leistungen vorweisen können, und deren Zahl aus diesem Grunde immer eine sehr beschränkte sein wird, so wird notwendigerweise auch die als Unterstützung zu verwendende Summe stets eine bescheidene bleiben und soll nach unserer und der Kunstkommission Annahme in keinem Falle jährlich Fr. 10,000 überschreiten.

Zudem wies der eidgenössische Kunstfonds, wie er sich seit seinem Ursprünge entwickelt hat, ungeachtet der zahlreichen Ankäufe, stets einen bedeutenden Aktivbestand auf, so daß wir sagen dürfen, es werde eine jährliche feste Entnahme von Fr. 10,000 aus demselben unsere Thätigkeit in den andern Riehtungen der Kunstpflege nicht fühlbar beeinträchtigen.

Übrigens wird ein auf den Vorschlag der Kunstkommission von uns zu erlassendes Reglement die Höhe der Unterstützungen und die Bedingungen für deren Erlangung näher bestimmen.

Gestützt auf das Vorausgeschickte erlauben wir uns nun, Ihnen zu b e a n t r a g e n , Sie möchten dem hiernach angeschlossenen Beschlussesentwurf zustimmen und ihn zu Ihrem Erlaß erheben.

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Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 30. Dezember 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: · Deucher.

Der I. Vizekanzler : Sch atzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Abänderung des Bundesbeschlusses vom 22. Dezember 1887 über Förderung und Hebung der schweizerischen Kunst.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 30. Dezember 1897, beschließt: Art. 1. Der erste Artikel des Bundesbeschlusses vom 22. Dezember 1887 erhält einen dritten Absatz folgenden Inhalts : ,,Er kann auch tüchtigen Künstlern Unterstützungen zur Vollendung ihrer Studien an Kunststätten gewähren.a Art. 2. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten und den Zeitpunkt des Inkrafttretens desselben festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend einen Zusatz zum Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1887 über Förderung und Hebung der schweizerischen Kunst. (Vom 30. Dezember 1897.)

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05.01.1898

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