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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession der Locarneser Eisenbahnen.

(Vom 5. Dezember 1898.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 30. September 1898 stellte Herr alt Ständerat B a l l i , Gemeindepräsident in Locarno, das Gesuch um K o n z e s s i o n für drei verschiedene Eisenbahnlinien, die er unter dem Namen ,, L o c a r n e s e r E i s e n b a h n e n " zusammenfaßte. Es handelt sich darum, von der gegenwärtig bestehenden Station Locamo der Gotthardbahn aus, welche vorzugsweise Muralto bedient, durch einen Tunnel das westliche Ende der Stadt zu erreichen, wo die neue Station Locamo zu errichten wäre, von welcher aus sich drei Linien nach verschiedenen Richtungen wenden würden, nämlich durch das Maggiathal nach B i g n a s c o , durch das Centovalli bis zur Landesgrenze an der Mündung der R e b e l l a s c a in die Melezza und längs des Langensees bis zur Grenze bei Val m ara. Der .Konzessionsbewerber nimmt von vornherein an, daß von den beiden letzten Linien nur die eine zu stände kommen werde, worauf die Konzession für die andere natürlich dahinfallen würde.

Die Linie L o c a r n o - B i g n a s c o solle von der zukünftigen Station Locamo aus sich nach Norden wenden, um an Solduno und Pontebrolla vorbei immer auf dem linken Ufer der Maggia zu bleiben. Sie berühre die wichtigsten Ortschaften des Thaies: Avegno, Gordevio, Maggia, Coglio, Giumaglio, Someo und Riveo.

Hierauf setze sie bei Visletto über den Fluß und erreiche die Endstation Bignasco auf der Cote 441 mit einer mittleren Steigung von 8,4 °/oo auf einer Länge von 26,3 km.

419 Die C e n t o v a l l i l i n i e zweige kurz vor Pontebrolla von der ersten Linie nach links ab, überschreite den Fluß und erreiche, sich immer oberhalb der Fahrstraße haltend, den Isorno, überbrücke denselben ebenfalls, unterfahre mittelst eines Tunnels die Ortschaft Intragna und entwickle sich dann auf dem rechten Melezzaufer, bis sie, kurz vor Camedo, diesen Fluß wieder überschreite, um die italienische Grenze hei der Mündung der Rebellasca zu erreichen, auf Cote 540. Die ganze Linie messe 16,i km. und weise eine mittlere Steigung von 19,9 °/oo auf.

Die S e e l i n i e nehme ihren Anfang circa 500 Meter außerhalb der neuen. Station Locamo, setze oberhalb der Straßenbrücke über die Maggia, gewinne mittelst eines Tunnels durch den Hügel der Madonna della Fontana das Seeufer und ziehe sich nun längs diesem, immer einige Meter oberhalb der Grenze der Überschwemmung vom Jahre 1868 sich haltend, und in der Nähe von Brissago einige Tunnels aufweisend, zur Landesgrenze bei der Valmara, auf Cote 208. Die Länge der Linie betrage 10,775 km., die durchschnittliche Steigung l °/oo.

Zur Begründung des Konzessionsgesuches wird angeführt, in Locamo, das schon von Alters her das schweizerische Nizza genannt werde, habe namentlich seit der Eröffnung der Gotthardbahn die Fremdenindustrie einen bedeutenden Aufschwung genommen.

Locamo sei auch das natürliche Centrum einer ganzen Gegend, welche im Norden das bei den Künstlern so beliebte Verzascathal, im Westen das Maggiathal und das Centovalli umfasse und eine Bevölkerung von mehr als 21,000 Seelen aufweise. Im besondern bediene die Maggiathallinie im ganzen 22 Ortschaften mit 6119 Einwohnern. Das Thal sei reich an Wasserfällen und sonstigen alpinen Naturschönheiten, weshalb es alljährlich von einer großen Touristenmenge besucht werde. Aber auch der eigene Verkehr sei ganz beträchtlich, namentlich an Holz und an Steinen, von welch letzteren täglich mindestens 500 Metercentner per Achse fortgeschafft werden.

Die Linie Locarno-Rebellasca (Grenze) würde die direkte Verbindung zwischen der Gotthardbahn und dem Simplon herstellen, da sie auf italienischer Seite nach Domodossola, beziehungsweise nach Cremo d'Ossola fortgesetzt würde. Sie durchziehe das Centovalli mit einer Bevölkerung von 2084 Seelen. Das Vigezzothal, welches italienischerseits anschließe, zähle
zu den schönsten Thälern der italienischen Voralpen ; es sei reich an fetten Weiden und großartigen Wäldern, welche das beste Bauholz liefern würden, aber mangels eines Verkehrsmittels nicht ausgebeutet werden.

420 Die Linie Locamo-Valmara sei wegen ihrer Fortsetzung über Gravellona nach Turin und Ventimiglia die bedeutendste der drei projektierten Linien. Sie bilde seit vielen Jahren den Gegenstand der Sehnsucht aller derjenigen, welche sich für Eisenbahnverbindungen interessieren. Nur die bekannten finanziellen Schwierigkeiten, welche nach dem Bau der Gotthardbahn über Italien hereinbrachen, verhinderten, daß auch diese Linie Locarno-Turin gebaut wurde. Im März 1897 habe eine zahlreiche Delegiertenversammlung, die in Turin abgehalten wurde und welcher der Konzessionsbewerber, sowie Herr Staatsrat Simen beiwohnten, ein Komitee eingesetzt, das aus Vertretern beider Nationen bestehe und welches die Ausführung der beiden Verbindungslinien Santhia-Borgomanero und Gravellona-Locarno behufs Erstellung einer großen internationalen Linie Locarno-Turin-Ventimiglia vorbereiten solle. Von dieser Linie sei nämlich auf der Strecke Turin-Ventimiglia durch den Col di Tenda ein Teil erstellt, ein Teil im Bau. Dagegen sei zwischen Locamo und Turin außer Locarno-Gravellona auch noch Borgomanero-Santhia zu bauen. Für das letztere Stück habe das italienische Parlament eine Subvention von höchstens 5000 Fr. für 50 Jahre beschlossen, während · für die Strecke Gravellona-Valmara eine solche von 3000 Fr. gesichert erscheine.

Daß die neue Linie von großer Bedeutung sein werde, ergebe sich auf den ersten Blick, den man auf die Karte werfe. Der gewaltige Menschenstrom, den die Gotthardbahn nach ßellinzona hinunterführe, werde sich hier in zwei große Arme teilen, von welchen der neue jedenfalls nicht der unbedeutendere sein werde.

An Intra, Pallanza, den borromäischen Inseln vorbei werde er nach der weinreichen Gegend von Gattinara und über Santhia nach Turin führen, dem Mittelpunkt des alten Piemonts, und weiter an die Riviera.

Die Maximalsteigung soll bei der Verbindungsbahn zwischen der jetzigen Gottbardbahnstation und der neuen Station Locamo 8,1 °/oo, auf der Vallemaggialinie 22 %o, auf der Centovallilinie 28,2 %o und auf der Seelinie 5,i °/oo betragen. Der Minimalradius wird zu 300 Metern angenommen. Sämtliche Linien sollen normalspurig gebaut werden; indessen wünscht sich der Konzessionsbewerber das Recht vorzubehalten, die eine oder die andere schmalspurig zu bauen, wenn die normalspurige Anlage sich zu teuer erweisen
sollte. Desgleichen ist für alle drei Linien Betrieb mit Dampflokomotiven vorgesehen, jedoch die Möglichkeit vorbehalten, elektrischen Betrieb einzuführen. Die Höhenquolen sind für die Stationen Muralto (Locarno Gotthardbahn) 208,*, Locamo (neu) 219, Bignasco 441, Borgnone 536 und Brissago 203 Meter über Meer.

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Für die Maggiathalbahn werden die Erstellungskosten auf 7 Millionen Franken berechnet, welche aufgebracht werden sollen durch Bundes-, Kantons- und Gemeindesubventionen Fr. 2,100,000 Obligationen ,, 1,630,000 Aktien ,, 3,270,000 Total

Fr. 7,000,000

Die Einnahmen werden veranschlagt auf. . Fr.

nämlich: 30,000 Personen mit durchschnittlich Fr. 2. 50 = Fr. 61,500 (richtig Fr. 75,000 !)

und 65,700 Tonnen Güter à Fr. 6 = ,, 394,200 Zusammen Fr. 455,700 Die Ausgaben ergeben, zu 8000 Fr. pro Kilometer

,,

455,700

210,000

so daß ein Einnahmenüberschuß von Fr. 245,700 verbleiben würde, welcher ausreiche, um die Aktien mit 5 °/o und die Obligationen mit 4 % zu verzinsen. Diese Ziffern würden eine Reduktion erfahren, wenn die. Bahn schmalspurig gebaut würde, was der Fall sein werde, wenn die Subventionen nicht die erwartete Höhe erreichen sollten.

Für die beiden internationalen Linien, von welchen die Seelinie unter allen Umständen norrrialspurig gebaut werden müsse, während die Centovallilinie auch schmalspurig ausgeführt und, wie die Maggiathalbahn, elektrisch betrieben werden könne, werden folgende Berechnungen aufgestellt : 1. L o c a r n o - R e b e l l a s c a .

Subsidien Fr. 2,700,000 Aktien : . . ,, 1,800,000 Obligationen ,, 900,000 Total

Fr. 5,400,000

Einnahmen fFr. 16,000 pro km.) . Fr.

Ausgaben (Fr. 8000 pro km.) . . ,,

257,600 128,800

Einnahmen-Überschuß Fr.

128,800

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2. Locar nò-Val mar a.

Subsidien Fr. 2,650,000 Aktien ,, 1,767,000 Obligationen ,, 883,000 Total

Fr. 5,300,000

Einnahmen (Fr. 20,000 pro km.) . Fr.

Ausgaben (Fr. 8000 pro km.) . . ,,

215,500 85,700

Einnahmen-Überschuß Fr.

129,800

Der Staatsrat des Kantons Tessin erklärte in seiner Vernehmlassung vom 10. November, er unterstütze .das Konzessionsgesuch, jedoch mit dem Vorbehalt, daß später, wenn einst die Bestrebungen, den Simplon mit der Gotthardbahn zu verbinden, zum Ziele führen sollten, die betreffende Linie der Locarneser Bahnen -- sei es die Centovalli-, sei es die Seelinie -- weil nur von lokaler Bedeutung, sich der internationalen Linie Simplon-Gotthard unterzuordnen haben werde. Wir nehmen von diesem Vorbehalt einstweilen Vormerk, ohne demselben vorderhand große Bedeutung zuerkennen zu können.

Da die Verwirklichung der Verbindungsbahn zwischen Simplon und Gotthard noch ungewiß und der Vorbehalt auch sonst ziemlich unbestimmt ist, mußten wir die Aufnahme desselben in den Konzessionsentwurf ablehnen. Wir sind übrigens überzeugt, daß finden Fall des Zustandekommens jener Verbindung die Verhältnisse von selbst zu einer Vereinigung, beziehungsweise Verständigung mit dem Konzessionär der Locarneser Bahnen führen werden.

Der nachfolgende Beschlußentwurf wurde in den konferenziellen Verhandlungen, welche am 30. November abhin stattfanden, festgestellt und veranlaßt uns zu folgenden Bemerkungen : Art. 6a. Da die Aussichten auf Verwirklichung für die drei Linien ungleich sein können, muß dem Konzessionär die Möglichkeit geboten werden, das eine oder das andere Projekt fallen zu lassen, ohne auf die ändern verzichten zu müssen.

Art. 8. Wie schon oben ausgeführt wurde, kann es sich als geboten erweisen, die eine oder die andere Linie schmalspurig zu erstellen. Damit in einem solchen Falle nicht erst die Konzession geändert werden muß, beantragen wir, dem Bundesrate die Kompetenz einzuräumen, die schmalspurige Anlage zu gestatten.

Er wird 'dies selbstverständlich nur auf Grund sorgfältiger Prüfung und nicht thun, ohne die Kantonsregierung angehört zu haben.

423 Art. 14. Wenn auf einer Linie das Schmalspursystem eingeführt werden sollte, so bedingt dies voraussichtlich auch eine Reduktion der Personenwagenklassen auf zwei. Es sollte daher der Bundesrat ermächtigt werden, in diesem Falle die Gesellschaft von der Einführung einer 1. Klasse überhaupt zu dispensieren.

Art. 15, 17, 18. Hier sind die Taxansätze der normalen Konzession aufgenommen worden. Da aber voraussichtlich die eine oder die andere Linie bedeutende Steigungen aufweisen wird, muß durch Aufnahme des Art. 18 a der Gesellschaft die Möglichkeit gegeben werden, mit Einwilligung des Bundesrales die Taxen entsprechend zu erhöhen.

Art. 26. Die Rückkaufsbestimmungen sind die gleichen, wie sie seit einem Jahre in allen Konzessionen figurieren. Dabei betrachten wir es als selbstverständlich, daß die 30 Jahre von der Eröffnung der e r s t e n , dem Betriebe übergebenen Strecke an zu berechnen seien und daß dannzumal das g e s a m t e Netz ein Rückkaufsobjekt bilde, ohne Rücksicht darauf, ob allenfalls einzelne Teile später eröffnet wurden.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Beschlußentwurf zur Annahme empfehlen, benützen wir auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 5. Dezember

1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

424 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Konzession der Locarneser Eisenbahnen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Herrn Francesco Balli, alt Ständerat in Locamo, vom 30. September 1898; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 5. Dezember 1898, beschließt: Dem Herrn F r a n c e s c o B a l l i , alt Ständerat, in Locarno, wird zu Haaden einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und Betrieb je einer Eisenbahn von a. L o c a m o nach Bignasc o (Valle Maggia); 6. Locarno bis zur E i n m ü n d u n g der Rebellasca in die Melezza, bezw. bis zur Grenze (Centovalli) ; c. Locarno bis zur Va l m ara, bezw. bis zur Grenze (längs des Langensees») ; unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt : Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteil!.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Locamo.

425 Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 36 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrate die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 3 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist das ganze konzessionierte Netz zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 6 a. Die Nichteinhaltung dieser Fristen für die eine oder andere Linie hat den Hinfall der Konzession nur für diese, nicht auch für die anderen Linien zur Folge.

Art. 7. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird normalspurig und eingeleisig erstellt.

Der Bundesrat ist jedoch berechtigt, für die einzelnen Linien schmalspurige Anlage zu gestatten.

Art. 9r Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons, Tessin und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen und die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigen Falls entlassen werden.

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Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens viermal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum ändern und unter Anhalt bei allen Stationen erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach amerikanischem System mit drei Klassen aufstellen. In der Regel sind allen Personenzügen Wagen aller Klassen beizugeben; Ausnahmen kann nur der Bundesrat gewähren.

Für den Fall, daß der Bundesrat die schmalspurige Anlage gestatten sollte, kann er die Gesellschaft von der Pflicht zur Einführung einer ersten Klasse auf der betreffenden Linie dispensieren.

Die Gesellschaft hat stets ihr möglichstes zu thun, damit alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Auf Verlangen des Bundesrates sind auch mit Warenzügen Personen zu befördern.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : in der ersten Wagenklasse 10 Rappen, in der zweiten Wagenklasse 7 Rappen, in der dritten Wagenklasse 5 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Die Taxen für die mit Warenzügen beförderten Personen sollen um mindestens 20 °/o niedriger gestellt werden.

Für Kinder unter drei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in allen Wagenklassen zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Für Hin- und Rückfahrt sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für einfache und einmalige Fahrten.

Die Gesellschaft wird nach mit dem Bundesrate zu vereinbarenden Bestimmungen Abonnementsbillette zu ermäßigter Taxe ausgeben.

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Art. 16. Arme, welche als solche durch Zeugnis zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimieren, sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Eisenbahn zu spedieren. Der Bundesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. . Für den Transport von Vieh mit Warenzügen dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden : Per Stück und per Kilometer für: Pferde, Maultiere und über ein Jahr alte Fohlen 16 Rp.; Stiere, Ochsen, Kühe, Rinder, Esel und kleine Fohlen 8 Rp'.; Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 3 Rp.

Für die Ladung ganzer Transportwagen sind die Taxen um mindestens 20 °/o zu ermäßigen.

Art. 18. Im Tarif für den Transport von Waren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 2 Rappen, die niedrigste nicht über l Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stucksendungen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirtschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen, Salz, Steine, Düngungsmittel u. s. w., in Wagenladungen sollen möglichst niedrig taxiert werden.

Für den Transport von barem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklariertem Werte soll die Taxe so berechnet werden, daß für Fr. 1000 per Kilometer höchstens l Rappen zu bezahlen ist.

Wenn Vieh und Waren in Eilfracht transportiert werden sollen, so darf die Taxe für Vieh um 40 °/o und diejenige für Waren um 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Traglasten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besondern Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen besondere Taxen festzusetzen.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 40 Rappen festgesetzt werden.

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Art. 18 a. Für Strecken mit Steigungen über 12 °/oo kann der Bundesrat eine Erhöhung der Taxen im Sinne der Botschaft betreffend die Taxerhöhungen für Bisenbahnen mit größeren Steigungen, vom 11. September 1873, bewilligen.

Art. 19. Bei eintretenden Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Specialtarif einzuführen, dessen Bedingungen vom Bundesrate nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 20. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet. In betreff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Wertsendungen repräsentieren Bruchteile von Fr. 500 volle Fr. 500. Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest teilbare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegen de Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 21. Die in den Art. 15, 17 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen besehlagen bloß den Transport von Station zu Station.

Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom-Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Auf den Hauptstatiouen hat jedoch die Gesellschaft von sich aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, beziehungsweise des Adressaten, zu treffen. Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur unter Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrate zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Trans-

429 jporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 26. Für die Geltendmachung des Ruckkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Tessin gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach der Betriebseröffnung und von da an je auf l. Mai eines Jahres erfolgen.

Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Ruckkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist, die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1935 rechtskräftig wjrd, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1935 und 1. Mai 1950 erfolgt, den 221/2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1950 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, Bundesblatt. 50. Jahrg. Bd. V.

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den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Ruckkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Ruckkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichts.

Art. 27. Hat der Kanton Tessin den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 26 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 28. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession der Locarneser Eisenbahnen. (Vom 5. Dezember 1898.)

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07.12.1898

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