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Bundesratsbeschluss über die

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Beschwerde der Firma Hanssen & Studt, in Hamburg, gegen die durch das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement verfügte Löschung der Marke Nr. 39835 (,,Tell-Marke").

(Vom 3. Juni 1918.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t hat über die Beschwerde der Firma Hanssen & Studt, in Hamburg, gegen die durch das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement verfügte Löschung der Marke Nr. 39835 (Teil-Marke), folgenden Beschluss gefasst: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Die Firma Hanssen & Studt, in Hamburg, hat das aus dem Bilde des Telldenkmals in Altdorf und den Worten ,,Tell-Marke" bestehende Zeichen, erstmals am 12. April 1897 als Handelsmarke für Kaffee in der Schweiz eintragen lassen (unter Nr. 9169).

Am 20. April 1917 ist diese Marke unter Nr. 39835 erneuert worden.

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li.

Veranlasst durch eine Eingabe des Vorortes des schweizerischen Handels- und Industrievereins vom 1. Juni 1917 hat das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement die Frage geprüft, ob nicht eine schärfere Handhabung der Markeneintragungapraxis hinsichtlich solcher Marken, welche die mit ihnen versehenen Erzeugnisse fälschlich als schweizerische erscheinen lassen, Platz greifen solle. Die Verhältnisse hatten dazu geführt, dass ausländische Firmen in steigendem Masse bestrebt waren, den besondern schweizerischen Verhältnissen entnommene Marken (z. B.

,,Teil-Marke", Marken ,,Helvetia", ,,Rütli-Sense«, ,,Teil-Gummi") in der Schweiz eintragen zu lassen. Eine Verschärfung der Markeneintragungspraxis erschien deshalb als geboten und auch vorgängig einer Revision des Markenschutzgesetzes nach folgenden zwei Richtungen hin möglich : 1. Marken, welche -- auch wenn sie nicht eine Hei'kunftsbezeichnung im Sinne der engen im Art. 18 Markenschutzgesetz (MSchG) aufgestellten Umschreibung enthalten -- doch zur T ä u schung über die schweizerische Herkunft von Waren g e e i g n e t sind, verstossen unter allen Umständen gegen die guten Sitten und sind aus diesem Grunde gemäss Art. 14, Ziffer 2, (MSchG) von der Eintragung auszuschliessen. Dabei ist darauf abzustellen, ob die Herstellung solcher Waren in der Schweiz an sich denkbar ist; in der Möglichkeit einer Täuschung liegt der Verstoss gegen die guten Sitten. Ebenso sind Marken, welche die Gefahr einer Täuschung über ausländische Herkunft von Waren begründen, von der Eintragung auszuschliessen.

2. Marken, d e r e n G e b r a u c h durch einen A u s l ä n d e r g e e i g n e t ist, d a s s c h w e i z e r i s c h e n a t i o n a l e E m p f i n den zu v e r l e t z e n , sind ärgerniserregend und verstossen folglich gegen die guten Sitten, soweit der Gebrauch der Marke durch Ausländer in Frage steht. Gemäss Art. 14, Ziffer 2, sind solche Marken von der Eintragung auszuschliessen.

Nach Massgabo des Schlusssatzes VOTI Art. 14, Ziffer 2, kann das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement von Amtes wegen die Löschung einer irrtümlicherweise eingetragenen, gegen die guten Sitten verstossenden Marke anordnen. Gestützt hierauf hat das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement am 25. August 1917 von Amtes wegen die Löschung der Marke Nr. 39835, sowie die Löschung von drei andern Marken angeordnet, am 4. Oktober 1917 wurde aus den gleichen Gründen die Löschung einer weitern Marke verfügt.

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Die Löschung der Handelsmarke Nr. 39835 (,,Teil-Marke'") wurde damit begründet, dass diese Marke gegen die guten Sitten verstosse, weil in ihrem Gebrauch durch einen Ausländer eine Verletzung des schweizerischen nationalen Empfindens liege.

III.

Mit Eingabe vom 28. November 1917 erheben die Patentanwälte E. Blum & Co. A. Gr., in Zürich, namens der Firma Haussen & Studt, in Hamburg, beim Bundesrat Beschwerde gegen die Löschung der Marke Nr. 39835. Sie stellen das Begehren, es sei die Löschungsverfügung zurückzunehmen, die genannte Marke also neuerdings in Kraft zu setzen. Zur Begründung wird im wesentlichen folgendes geltend gemacht : Die Firma Haussen & Studt sei seit 1905 in Ölten im Handelsregister eingetragen ; das durch die Marke geschützte Produkt (gerösteter Kaffee) werde in Ölten hergestellt und von dort aus vertrieben.

Es bestehe ein wesentlicher Unterschied, ob es sich, wie bei der Marke Nr. 39835, um die Verwendung für ein Produkt handle, das, wie jedermann bekannt sei, in rohem Zustand stets ausländischer Herkunft sein müsse (Kaffee), das jedoch von einer, im schweizerischen Handelsregister eingetragenen Firma verarbeitet und vertrieben werde, oder ob es sich um Produkte handle, die sehr wohl in der Schweiz hergestellt werden können (wie z. B.

bei der ebenfalls von Amtes wegen gelöschten Marke Nr. 39875 ,,Ruth-Sense"). Nur im letztern Falle komme eine Täuschung durch Unterschiebung eines ausländischen Produktes an Stelle eines schweizerischen und damit ein Verstos's gegen die guten Sitten in Frage.

Es sei nicht einzusehen, wieso das schweizerische Nationalgefühl dadurch verletzt werden könne, dass eine ausländische Firma das Bild des Teildenkmals und den Namen Teil als Marke in der Schweiz verwende. Es sei allgemein üblich, die Namen oder Bildnisse von Persönlichkeiten, die aus der Sage oder Geschichte bekannt sind (und zwar auch von solchen, die der Sage oder Geschichte eines andern Landes angehören), als Marken zu wählen. In einer solchen Wahl liege nur eine Ehrung der betreffenden Persönlichkeit ; keinesfalls könne dadurch das Nationalgefühl des Volkes, dessen Sage oder Geschichte die Persönlichkeit entnommen sei, verletzt werden. Dabei könne es keinen

379 Unterschied machen, ob die markenmässige Benützung des Namens oder Bildes dieser Persönlichkeit durch einen Inländer oder einen Ausländer erfolge.

Die Löschung der Marke Nr. 39835 stehe in Widerspruch mit Art. 2 der internationalen Übereinkunft zum Schütze des gewerblichen Eigentums. Gemäss diesem Art. 2 seien die Angehörigen der Verbandsländer in jedem Verbandslande den Angehörigen dieses Landes gleichgestellt ; sie dürfen also nicht schlechter behandelt werden. Verstosse daher die Verwendung des Namens ,,Teil"1 und des Denkmalbildes als Handelsmarke durch einen Schweizer nicht gegen die guten Sitten, so könne auch die markenmässige Verwendung dieses Namens und Bildes seitens eines Angehörigen des Verbandslandes Deutschland nicht als unzulässig hingestellt werden. Die Löschungsverfügung des Departements gehe insofern fehl, als nach ihr die Unzulässigkeit der Marke nicht in deren Charakter beruhe, sondern sich danach richte, ob die Marke von einem Ausländer oder von einem Schweizer verwendet werde, während die internationale Übereinkunft Gleichberechtigung aller Verbandsangehörigen verlange.

B.

In rechtlicher Hinsicht fällt in Betracht:

I.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung in Ölten besitzt, ist für die Entscheidung der Beschwerde schon deshalb nicht massgebend, weil die Marke Nr. 39835, wie schon die Marke Nr. 9169, für das ausländische Hauptgeschäft eingetragen worden ist. Dieses und nicht seine Zweigniederlassung in der Schweiz ist Inhaber der Marke. Zur Frage, wie es sich verhalten würde, wenn die Zweigniederlassung in der Schweiz Inhaberin der Marke wäre, braucht daher hier nicht Stellung genommen zu werden.

*

II.

Die Löschung der Marke Nr. 39835 wurde angeordnet, weil diese das schweizerische nationale Empfinden verletze und deshalb gegen die guten Sitten verstosse. In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass es in der Schweiz Anstoss erregen müsste, wenn der Name Teils, sowie das Bild eines Nationaldenkmals, wie es die Tellstatue in Altdorl darstellt, überhaupt von einer ausländischen Firma als Marke benützt und die zuständigen eid-

380 genössischeu Verwaltungsbehörden die Eintragung einer solchen Marke zulassen oder aufrechthalten würden. Die Marke Nr. 39835 ist demnach geeignet, das schweizerische nationale Empfinden zu verletzen, aus diesem Grunde erregt sie vom schweizerischen Standpunkt aus Ärgernis ; sie verstösst folglich im Sinne von Art. 14, Ziffer 2, MSchG gegen die guten Sitten.

III.

Der Art. 2 der am 2. Juni 1911 in Washington revidierten Verbandsübereinkunft zum Schütze des gewerblichen Eigentums (A. S. 29, 76 ff.) bestimmt, dass die Angehörigen eines jeden Verbandslandes in allen andern Verbandsländern bezüglich der Fabrik- und Handelsmarken alle Vorteile, welche die inländischen Gesetze den Einheimischen gewähren, geniessen sollen und dass sie Anspruch auf den gleichen Schutz wie letztere haben. Aus dieser Vorschrift folgt jedoch nicht, dass jede für einen Schweizer zugelassene Marke ohne weiteres auch für die Angehörigen der andern Verbandsländer zulässig sein müsste ; der Art. 2 will vielmehr nur besagen, dass die für den Schutz des Einheimischen geltenden R e c h t s reg e i n auf die Angehörigen der andern Verbandsländer Anwendung finden sollen. Wenn z. B. ein Zeichen einen Hinweis auf schweizerische Herkunft enthält, so ist es als Marke eines in der Schweiz niedergelassenen Produzenten zulässig ; dagegen ist es klar, dass ei u solches Zeichen als Marke eines im Ausland niedergelassenen Produzenten zur Täuschung über die geographische Herkunft der mit ihm versehenen Erzeugnisse führen und folglich gegen die guten Sitten verstossen würde, so dass es dem Ausländer nicht zur Eintragung in der Schweiz zugelassen werden könnte. Ganz analog verhält es sich mit dem Verstoss gegen die guten Sitten wegen Verletzung des schweizerischen nationalen Empfindens. Ein Zeichen, das, wie die Marke Nr. 39835, als Marke eines Einheimischen unbedenklich eingetragen werden könnte, kann als Marke eines Ausländers das schweizerische nationale Empfinden verletzen und daher dem Ausländer zur Eintragung nicht zugelassen werden, ohne dass deshalb von einer der Verbandsübereinkunft zuwiderlaufenden ungleichen Behandlung die Rede sein könnte.

Geraäss Art. 6, Ziffer 3, der Verbandsübereinkunft können Marken aus andern Verbandsländern zurückgewiesen oder als ungültig erklärt werden, wenn sie gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstossen. Ob eine Marke gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstösst, ist (unter Vorbehalt

381 des hier ausser Betracht fallenden Absatzes 4, des Schlussprotokolls zum Art. 6) in jedem Lande nach dessen Recht zu entscheiden und richtet sich im übrigen nach den Umständen des konkreten Falles. Da, der Gebrauch der Marke Nr. 39835 durch eine ausländische Firma das schweizerische nationale Empfinden verletzt, verstösst sie nach schweizerischer Auffassung gegen die guten Sitten ; die Löschung dieser Marke von Amtes wegen auf Grund von Art. 14, Ziffer 2, MSchG ist somit zu Recht erfolgt und steht zur Verbandsübereinkunft nicht in Widerspruch.

Demgemäss wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 3. Juni 1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Calonder.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde der Firma Hanssen & Studt, in Hamburg, gegen die durch das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement verfügte Löschung der Marke Nr. 39835 (,,Tell-Marke"). (Vom 3. Juni 1918.)

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12.06.1918

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