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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Aufnahme eines Art. 58bis in die Bundesverfassung (Aufhebung der Militärjustiz).

(Vom 11. Dezember 1918.)

I.

Die Geschäftsleitung der sozialdemokratischen Partei der Schweiz reichte am 8. August 1916 der Bundeskanzlei ein Volksbegehren in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes ein, worin die Aufnahme eines neuen Art. 58bl» in die Bundesverfassung verlangt wird. Dieser Artikel soll nach dem Begehren folgenden Wortlaut haben: ,,Die Militärjustiz ist aufgehoben. Vergehen gegen das Militärstrafgesetz werden von den bürgerlichen Gerichtsbehörden desjenigen Kantons, in welchem sie begangen worden sind, untersucht und beurteilt.

Das Verfahren richtet sich nach den kantonalen Prozessordnungen.

Gegen die Endurteile der kantonalen Gerichte ist die Kassationsbeschwerde beim Bundesgericht zulässig.

Der Arrest als militärische Disziplin- oder Ordnungsstrafe darf zehn Tage nicht überschreiten. Die Strafen dürfen nicht durch Schmälerung der Kost oder durch Verhängung von Dunkelarrest verschärft werden.

Das Beschwerderecht gegen Disziplinarstrafen ist gewährleistet; es dürfen wegen Ausübung dieses Rechtes keinerlei Strafen verhängt werden."

Die Prüfung der Unterschriftenbogen des Begehrens durch das eidgenössische statistische Bureau ergab eine Zahl von llß,996 gültigen Unterschriften. Die Initiative wurde, gemäss Art. 5 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung, am 27. Oktober 1916 an die Bundesversammlung geleitet (BB1. 1916, IV, S. 76--78) und diese hat sie durch Beschluss vom 28./29. März 1917 als zustande gekommen erklärt.

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Bundesrat und Bundesversammlung haben nun zu dem Volksbegehren Stellung zu nehmen.

Dabei sind für die Betrachtung der Initiative ihre zwei Teile, die, wenigstens juristisch, in keinem engern Zusammenhang mit·einander stehen, auseinanderzuhalten : Die Absätze l--3 des vorgeschlagenen Verfassungsartikels fordern die Abschaffung der Militärgerichte und damit zugleich des Militärstrafprozesses. An ihre Stelle soll die bürgerliche Strafjustiz treten. Dieses Begehren muss zunächst erörtert werden.

Die Absätze 4 und 5 der Initiative greifen dagegen mit dem Begehren nach einer Revision lediglich Einzelfragen aus dem derzeit geltenden Militärdisziplinarrecht heraus. Gefordert werden einerseits eine Hinabsetzung des Höchstmasses der Arreststrafe und Auschluss von Strafschärfungen durch Schmälerung der Kost oder Verhängung von Dunkelarrest, anderseits eine bessere Gewährleistung des Beschwerderechts gegenüber Disziplinarstrafen. Davon soll hernach besonders gesprochen werden.

II.

Die Initiative fordert in erster Linie die gänzliche A u f h e b u n g der M i l i t ä r j u s t i z , d. h. der Militärgerichte und ihrer Rechtssprechungsbefugnis. Dieser Forderung gegenüber erhebt sich zunächst die Frage nach den Motiven, die sie veranlassten und weiter dazu führten, dass eine sehr grosse Zahl von Stimmberechtigten dem Begehren der sozialdemokratischen Partei Folgschaft leisteten. Folgendes ist festzustellen : In der Zeit vor dem Weltkrieg und der Mobilisation des schweizerischen Heeres fristete die Militärjustiz während langer Jahre ein bescheidenes Dasein. In ihre Wirksamkeit hatten wenige Einblick, und nur selten, wenn ein besonderes Aufsehen erregender Fall zur Verhandlung stand, beschäftigten sich weitere Volkskreise mit ihr. Das ist seit dem August 1914 mit einem Schlage anders geworden. Die Militärjustiz sah sich plötzlich einem grossen Tätigkeitsgebiet gegenüber, dessen Bearbeitung zahlreiche bisher ungenügend erkannte organisatorische und juristische Schwierigkeiten aufwies. Vor allem dehnte sich mit der Verkündung des Kriegsstrafrechts, die durch die bundesrätliche Verordnung vom 6. August 1914 (Eidg. Gesetzsammlung XXX, S. 370 ff.) erfolgte, der Bereich der militärischen Gerichtsbarkeit weit aus in die Kreise der bürgerlichen Bevölkerung hinein.

Es ist selbstverständlich, dass die Wirksamkeit der
Militärjustiz von dem Momente ab, da sie dergestalt zu einer Potenz des öffentlichen Lebens geworden war, erhöhter Kritik ausgesetzt seia musste. Mit einem gewissen Schrecken erkannte das Volk namentlich

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die, verglichen mit der bürgerlichen Justiz, grössore Schärfe der militärgerichtlichen Strafurteile. Dabei wendete sich, was psychologisch verständlich ist, die Kritik in erster Linie gegen die urteilenden Gerichte. Man war und ist heute noch in weiten Kreisen darüber im unklaren, dass das geltende Militärstrafgesetzbuch von 1851 den Richter vielfach zu Urteilen zwingt, die unsern heutigen Anschauungen nicht mehr genügen. Gegen das veraltete Militärstrafgesetzbueh und nicht gegen den militärischen Richter und Prozess hätte also richtigerweise die Kritik iu erster Linie gehen sollen. In Erkenntnis der Sachlage hat denn auch sehr bald die behördliche Tätigkeit eingesetzt, um durch Notverordnungen Milderungen im Strafgesetz herbeizuführen : Die bundesrätlicbo VO vom 12. Oktober 1915 (Gesetzsammlung XXXI, S. 351 f.) milderte bei einer Mehrzahl von Vergehen die Strafandrohungen. Der Bundesratsbeschluss vom 29. Februar 1916 (Gesetzsammlung XXXII, S. 65 ff.) sieht für bestimmte Fälle leichterer Vergehen den militärischen Vollzug der Gefängnisstrafe vor. Durch die Verordnung vom 12. Mai 1916 (Gesetzsammlung XXXII, S. 183 f.)

wurde endlich die bedingte Begnadigung eingeführt. -- Alle diese Verbesserungen des geltenden Rechts haben unbestrittenermasseu eine segensreiche Wirkung gezeigt und wohl auch bei vielen mit der Zeit die Herbheit der Kritik über die militärische Rechtspflege etwas gemildert. Aber eine solche Novelleügesetzgebung bedeutet doch immer nur unzulängliches Flickwerk. Die gänzliche Neugestaltung des Militärstrafrechls drängte sich gebieterisch auf.

Und der Bundesrat hat daher im Mai 1916 die Ausarbeitung eines neuen Militärstrafgesetzbuches angeordnet. Über diese gesetzgeberische Arbeit, die sofort eiasetzte, braucht hier nur kurz berichtet zu werden. Es muss aber auf sie hingewiesen werden, weil ein innerer Zusammenhang zwischen .ihr und dem Schicksal der Militärjustizinitiative besteht. Hat das Land erst ein neues Militärstrafgesetzbuch, das die Mängel des geltenden Rechts beseitigt, so bekommt naturgemäss auch die militärische Rechtspflege ein anderes Gesicht, und der Kritik, die seit 1914 zum Teil berechtigterweise einsetzte, werden die Grundlagen entzogen. Ja, ein modern gestaltetes Militärstrafgesetzbueb, das in verständiger Weise den besonderen Anforderungen der militärischen
Lebensgemeinschaft Rechnung trägt, sollte weite Kreise sogar davon überzeugen, dass die unentbehrliche Ergänzung des materiellen Militärrechls in einer militärischen Rechtspflege liegen muss. Davon wird weiter unten noch zu reden sein. -- Inzwischen sind die Vorarbeiten am Militärstrafgesetzbuch zu Ende gediehen. Der von Justizmajor Prof. H a f t e r c i a Zürich verfasste, mit einer Begründung versehene Vorentwurf, der 1916--1918 in drei Lieferungen erschien (Bern, Stämpfli & Cie.), ist von einer Expertenkommission

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unter dem Vorsitze des Chefs unseres Justiz- und Polizeideparteraentes in zwei Lesungen durchberaten worden. Wir haben Ihnen unsern Entwurf mit der Botschaft am 26. November 1918 vorgelegt (BB1. 1918 V 337).

Es war notwendig, im direkten Zusammenhang mit der Kritik, die sich gegen die militärische Rechtspflege richtet, auf diese Verhältnisse hier schon aufmerksam zu machen. Doch würde man mit der Annahme, dass in der Unzulänglichkeit des geltenden Mililärslrafgesetzbuches und in der auf sie zurückführenden Härte der Rechtsprechung die alleinigen Wurzeln der Abneigung gegen die Militärgerichte liegen, fehlgehen. Weitere Motive kommen dazu, Verhältnisse, deren völlige Änderung teilweise freilich unmöglich ist, weil sie mit den militärischen Einrichtungen unzertrennlich verknüpft sind : Die besonderen, soweit jedermann geläufigen Verhältnisse der militärischen Gemeinschaft bringen es mit sich, dass bestimmte Handlungen, die im bürgerlichen Leben gar nicht begangen werden können und daher nur unter der Voraussetzung einer militärischen Gemeinschaft denkbar sind, strafrechtliche Wirkungen auslösen können und bestraft werden müssen. Das sind die sogenannten rein militärischen Delikte: der Ungehorsam, die Meuterei, die Wachtvergehen, die Dienstverletzungen, die Dienstverweigerung, das Ausreissen usw. Während der langen Zeit der Mobilisation unseres Heeres sind nun zahlreiche Männer mit diesen Vorschriften in Konflikt gekommen und gerichtlich bestraft worden, die bisher unbescholten und ehrenhaftdastanden und in ihrem bürgerlichen Leben voraussichtlich nie mit dem Strafrichter in Berührung gekommen wären. Dass diese Bestraften, die "aus militärischeu Gründen au ihrer Freiheit bestraft werden mussten und an ihrer Vorstrafe vielleicht Zeit ihres Lebens leiden, der militärischen Gerichtsbarkeit nicht gewogen sind, ist menschlich verständlich. Auch sie und ihr Kreis wenden sich gegen die. Militärgerichte. Und sie erhalten Zuzug von den Z i v i l p e r s o n e n , die seit August 1914 vor die militärischen Gerichte gestellt worden sind. Diese letztere Tatsache, die Unterstellung von Zivilisten unter die militärische Gerichtsbarkeit, ist zu einem ganz besonders 'wichtigen Argument der Kritik geworden. In einem spätem Zusammenhang wird von der Grenzziehung zwischen militärischer und bürgerlicher Strafjustiz noch
eingehender zu sprechen sein. Hier schon ist festzustellen, dass durch die Verordnungen von 1914 der Kreis der den Militärgerichten unterstellten Zivilpersonen in einer Weise weit gezogen wurde, die sich bald als unhaltbar erwies. Aber man muss sofort hinzufügen, dass diese Unterstellung in einer Zeit unmittelbar drohender Kriegsgefahr erfolgte und dass, als die Verhältnisse unseres Landes sich abgeklärt hatten, der Bundesrat

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durch die Verordnung vom 9. Juli 1915 (Gesetzsammlung XXX1V S. 258 f.) und dann noch umfassender durch die Verordnungen vom 12. und vom 22. Februar 1916 (Gesetzsammlung XXXII, S. 44 ff., S. 60 ff.) eine bedeutende Einschränkung der Militärgerichtsbarkeit zugunsten der bürgerlichen Gerichte vornahm.

Der erstere Erlass unterstellt die Beamten, Angestellten und Arbeiter der öffentlichen Verkehrsanstalten und der Militärverwaltung, der eidgenössischen Militärwerkstätten etc. nur noch für dienstliche Vergehen dem militärischen Recht. Die beiden weitern Verordnungen vom Februar 1916 entzogen dann vor allem der militärischen Rechtsprechung die Verletzung der Bestimmungen über Getreide- und Brotversorgung, über Ausfuhrverbote und andere kriegswirtschaftliche Massnahmen, ferner das Vergehen des Nachrichtendienstes zugunsten fremder Mächte und überwiesen diese Delikte dem bürgerlichen Richter zur Beurteilung. Es wäre in der Tat in hohem Grade unzweckraässig, ja bei der bestehenden Organisation auch faktisch unmöglich gewesen, die Behandlung aller dieser Prozesse, deren Zahl im Laufe der Zeiten flutartig anschwoll, den militärischen Gerichten zu belassen.

Bei der Untersuchung der Beweggründe für den starken Erfolg der Militärjustizinitiative muss man endlich noch auf die allgemein beobachtete Tatsache hinweisen, dass der Missmut über die Not der Zeit sich besonders leicht in antimilitaristischen Kundgebungen äussert und dass jedes gegen militärische Einrichtungen geplante Unternehmen heute auf eine grosse Zahl von Mitläufern rechnen kann. Über die nationalen und internationalen Konsequenzen einer solchen Agitation sind sich diese Mitläufer regelmässig nicht klar. Um so .grösser ist die staatliche Pflicht, mit Kraft und Wurde für eine richtige Auffassung der Verhältnisse einzutreten. Diejenigen, denen auch die Militärjustizinitiative nur ein antimilitaristisches Kampfmittel ist, sind natürlich kaum zu einer anderen Ansicht zu bekehren. Aber denen, die hören wollen, muss gezeigt werden, dass die Abschaffung der militärischen Gerichtsbarkeit in hohem Masse unbefriedigende, ja fast unhaltbare Verhältnisse herbeiführen würde.

III.

Die besondere militärische Gerichtsbarkeit besteht seit Jahrhunderten. Man muss in der Geschichte recht weit zurückgehen, bis man eine Ordnung findet, die unter Verzicht auf die Militärjustiz den Soldaten dem bürgerlichen Richter überweist. Daten finden sich z. B. im alten eidgenössischen Kriegsrecht aus dem 15. --17. Jahrhundert. Aber unter ganz eigenartigen Verhältnissen: Die Soldaten, die im Ausland Krieg führten, wurden vielfach -- jedoch durchaus nicht allgemein -- für ihre Verfehlungen nicht

665von einer Militärjustiz im Feld, sondern von ihrer bürgerlichen Obrigkeit zu Hause bestraft. Man schickte sie heim oder wartete, bis sie nach Hause kamen. H i l t y in seinem ,,Bericht über die Grundzüge eines Militärgesetzbuches" (2. Aufl., Bern 1878) hat aus den Eidgenössischen Abschieden derartige Notizen zusammengestellt (8. 12 ff.). Die Erklärung liegt wohl darin, dass man namentlich die Schweizer S ö l d n e r nicht der Gerichtsbarkeit des fremden Kriegsherrn, sondern ihrer heimatlichen Justiz unterstellen wollte. Aber die Entwicklung führte mit der Zeit über diesen Grundsatz des heimatlichen bürgerlichen Gerichtsstandes hinaus, derart, dass die heimatliche Justiz ihre Rechtsprechungsbefugnis allmählich an die bei der Söldnertruppe sich befindlichen, ebenfalls schweizerischen Offiziere delegierte. Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts bildete sich für diese Söldnerheere der Schweiz im Ausland immer deutlicher eine schweizerische Militärstrafgesetzgebung und -gerichtbarkeit im modernen Sinne heraus : Aus dem Jahre 1704 stammt ein ,,Schweizerisches Kriegsrecht, wie selbiges von den löblichen Kantonen in alle Fürstendienste den Herren Offizieren mitgegeben und allezeit praktiziert wird". 1734 erschien io Paris, bearbeitet von Vogel, Grand juge des Gardes Suisses du Roi, eine militärrechtlich ergänzte Ausgabe der Carolina nà l'usage des Conseils de Guerre des Troupes Suisses". Seit 1817 endlich galt für die Schweizer in fremden Diensten der wegen seiner Härte berüchtigte Code Gady, so genannt nach seinem Verfasser Nikolaus Gady von Freiburg, maréchal de camp in Frankreich (vgl. .zu diesen Daten den Hiltyschen Bericht S. 14f., 42f., auch Jos. K o h l e r , Militärstrafrecht der Schweizer Soldtruppen im Archiv für Militärrecht III, S. 174 ff.).

Neben der Entwicklung eines Militärstrafrechts für die Schweizer Truppen in fremden Diensten steht die Entwicklung des innerschweizerischen Militärrechts, der Rechtsordnung für die eigenen Truppen. Auch hier kam gelegentlich die Überweisung militärischer Verbrechen zur Aburteilung an die bürgerlichen Obrigkeiten vor (Notizen bei Hilty S. 13 f.). Allein mit aller Klarheit ist z. B. schon im Eidgenössischen Defensionale Von 1668 der Grundsatz der m i l i t ä r i s c h e n Gerichtsbarkeit gegenüber dem Soldaten durchgeführt, und die spätere Gesetzgebung
zeigt nirgends die Tendenz, die besondere Justiz der Militärpersonen zu beseitigen.

Sie blieb in der Helvetik aufrecht -- Militärstrafprozess vom 27. Juli 1799 --, sie bestand in den Militärstrafgesetzen von 1818, 1837 und 1851 und bei der Neugestaltung des Militärstrafprozesses von 1889 hat, soviel wir sehen, auch niemand daran gedacht, die militärische Rechtspflege gänzlich aus der Welt zu schaffen. Wie weit ihr Umfang reichen und ob nicht auch der Soldat für bestimmte Delikte ihr entzogen und den bürgerlichen Gerichten über-

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wiesen werden soll, das sind Fragen für sich, die erst in einen späteren Zusammenhang gehören.

Es steht also fest, dass die militärische Rechtspflege eine jahrhundertealte Einrichtung ist. Nur um das zu zeigen, sind hier einige geschichtliche Daten, die durch Hinweise auf die Rechtsgestaltung anderer Länder leicht vermehrt werden könnten, angeführt worden. Freilich ist klar, dass diese Tatsache eines ehrwürdigen Alters keinen genügenden Grund bilden kann, diese Sondergerichtsbarkeit beizubehalten, wenn sie unsern heutigen Anschauungen unzvveckmässig, unnötig oder gar gefährlich erscheint.

Man hat die geistlichen und anderen Sondergerichtsbarkeiten beseitigt, weil sie in das moderne staatliche Leben nicht mehr hineinpassten, vielfach auch ungerechtfertigte Privilegien schufen.

Aber die Annahme, dass der moderne Staat Sondergerichte überhaupt nicht mehr verträgt, dass im Interesse der Rechtsgleichheit sämtliche Prozesse von einem einheitlichen Richtertypus entschieden werden müssen, wäre gänzlich verfehlt. Man hat diejenigen Sondergerichtsbarkeiten abgeschafft, die bestimmte Personenkreise dem ordentlichen Richter entzogen, um sie zu b e v o r r e c h t e n und b e s s e r z u s t e l l e n . Aber anderseits hat der moderne Staat, unter voller Würdigung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit, andere Sondergerichtsbarkeiten neu geschaffen, weil die Differenzierung der Lebensverhältnisse es forderte. Man hat Handelsgerichte, Gewerbegerichte, Fachgerichte aufgestellt, weil das starke Bedürfnis besteht, bestimmte Lebensverhältnisse durch Sachverständige beurteilen zu lassen. Es wird zu prüfen sein, ob nicht die gleiche Überlegung in hohem Masse auch für die militärische Rechtspflege zutrifft.

IV.

Zunächst soll, weil das die Grundlage aller kritischen Betrachtungen bildet, der h e u t e g e l t e n d e M i l i t ä r s t r a f p r o z e s s kurz gekennzeichnet werden. Er ist in der Militärstrafgerichtsordnung vom 28. Juni 1889 niedergelegt. Das Gesetz enthält im ersten Teil die Strafgerichts Verfassung, im zweiten die Regelung des Strafverfahrens. Durch eine Novelle -- Bundesgesetz vom 23. Dezember 1911 betreffend Abänderung der Militärstrafgerichtsordnung -- sind die Art. 11--15 und 29--35, die von der Or.ganisation der Gerichtsbarkeit handeln, revidiert worden. Diese Organisation ist eine überaus
einfache: Für jede Armeedivision besteht ein D i v i s i o n s g e r i c h t . Es ist dem Divisionsstab angegliedert, lebt gleichsam mit der Division. Ihm steht die Rechtsprechung über die Truppen der betreffenden Division zu, wozu gelegentlich noch die Gerichtsbarkeit über andere im Rayon der Division befindliche Truppen kommt. Massgebend für den Gerichts-

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stand des einzelnen, der ein Vergehen verübt, ist also die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Divisionsbereich und nicht etwa der Ort, wo der Täter seine Handlung begangen hat. Es gilt nicht der im bürgerlichen Strafrecht übliche Gerichtsstand der begangenen Tat, sondern das sogenannte Personalprinzip. -- Soweit nötig, treten seit der Mobilisation auch die im genannten Bundesgesetz vorgesehenen Ersatzgerichte, die sogenannten Territorialgerichte, in Tätigkeit, und zwar in der Regel in denjenigen Divisions-(Territorial-)kreisen, deren Divisionen an der Grenze stehen. Ihrer Gerichtsbarkeit unterstehen: die Zivilbevölkerung, soweit militärische Rechtsprechung für sie überhaupt noch in Frage kommt, Internierte, Hospitalisierte u. dgl. und diejenigen Truppen, die keinem Divisionsgerichte zugeteilt sind. Für die Territorialgerichte gilt in der Regel das Territorialprinzip, d. h. entscheidend für deren Zuständigkeit ist der Ort der Verübung des Vergehens. In ihrer inneren Organisation sind jedoch die Divisions- und die Territorialgerichte durchaus gleichartig. Für die doppelsprachigen Divisionen wird bei der Wahl der Richter darauf Rücksicht genommen, dass sie der beiden in Frage kommenden Landessprachen (bei der 2. Division französisch und deutsch, bei der 5. Division deutsch und italienisch) mächtig sind, so dass die Garantie besteht, dass in der Regel jeder Angeschuldigte von Richtern beurteilt wird, die seine Sprache verstehen. Es ist dies hier besonders zu betonen, weil bei Annahme der Volksinitiative neben anderen Garantien, wie noch gezeigt werden soll, auch diese Gewähr hinfällig würde.

Soweit Justizoffiziere in Frage stehen (Grossrichter, Auditor, Untersuchungsrichter, Gerichtssehreiber), sind diese zweisprachigen Gerichte durchgängig doppelt besetzt.

Die Zuständigkeit der Militärgerichte wird im übrigen gemäss Bundesratsbeschluss vom 5. August 1914 während der gegenwärtigen Kriegsmobilisation durch das Schweizerische Militärdepartement festgesetzt. Dasselbe hat aber Abweichungen von den eben angeführten Grundsätzen nur dann verfügt, wenn durch starres Festhalten an denselben allzu grosse Inkonvenienzen, insbesondere solche sprachlicher Natur, entstanden wären.

Über den Divisions- und Territorialgerichten steht als Rechtsmittelgericht das Militärkassationsgericht (Strafgerichtsordnung Art. 17
-- 19).

Hier muss vor allem noch auf die durchaus demokratische Zusammensetzung der Gerichte hingewiesen werden. Ausser dem Grossrichter, dem Vorsitzenden des Gerichts, der Jiistizoffizier ist, amten als Richter je drei Offiziere und drei Unteroffiziere und Soldaten aus den Truppen des betreffenden Divisionskreises. Sie behalten ihre sonstige militärische Stellung bei. Diese Organisation Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. V.

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gilt auch dann, wenn Offiziere als Angeklagte vor dem Richter erscheinen. Man kann also keineswegs sagen, dass die bestehende Zusammensetzung der Gerichte eine.Klassenjustiz in der Armee irgendwie befördert. Kein anderes Land ist bei der Durchführung demokratischer Gedanken in diesem Punkt so weit gegangen wie das schweizerische Recht.

Mit diesen Grundgedanken der Gerichtsorganisation steht weiter in einem inneren Zusammenhang, dass jeder Einfluss der militärischen Kommandostellen auf die Bestellung und die Tätigkeit des gesamten Personals der Militärgerichte ausgeschlossen ist.

Sobald der militärische Vorgesetzte, in dessen Befehlskreis ein Vergehen verübt wurde, die Voruntersuchung verfügt und die Akten dem militärischen Untersuchungsrichter übergeben hat, ist ihm jede weitere Einwirkung auf den Prozessgang versagt (Slrafgerichtsordnung Art. 108 ff., insbesondere Art. 112, Abs. 2). Wir haben nicht den militärischen ,,Gerichtsherrn a der deutschen Militärstrafprozessordnung, und die ausländische Literatur hat gelegentlich festgestellt, dass im schweizerischen Militärstrafprozess der Militärbefehlshaber am weitesten zurücktritt ( H a u c k in der Deutschen Juristenzeitung IX, S. 1013).

An der Erwähnung dieser wichtigsten Merkmale der Gerichtsverfassung mag es hier genug sein. Auch der Prozessgang kann nicht in seinen Einzelheiten erörtert, sondern nur in einigen Grundgedanken skizziert werden. Dabei darf man die Tatsache vorab erwähnen, dass aus den Kreisen derjenigen, die sich seit der Mobilisation intensiv mit der Militärjustiz zu befassen hatten, überaus wenig Klagen über Unzulänglichkeiten des Prozessgesetzes vorliegen. An einzelnen Einrichtungen wird Kritik geübt, und einige Vorschriften, auf die teilweise im einzelnen hier noch hingewiesen werden soll, sind auch der Änderung bedürftig. Aber wenn man von Einzelheiten absieht, so ist (ias Urteil der Kenner über die Militärstrafgerichtsordnung von 1889 einhellig darin, dass sie eine der besten unter den schweizerischen Strafprozessordnungen ist.

Das Verfahren ist in hohem Masse vom G r u n d s a t z der M ü n d l i c h k ei t beherrscht. Anders als es nach zahlreichen schweizerischen Prozessordnungen der Fall ist, urteilt der Richter nicht auf Grundlage geschriebener Akten, ohne sich um die Persönlichkeit des Angeklagten näher zu kümmern. In
der Hauptverhandlung wird vielmehr der Tatbestand, der beurteilt werden soll, durch die Befragung des Angeklagten, die Vorlegung von schriftlichen Beweisstücken und anderen Wahrzeichen des Vergehens, durch die Vernehmung von Zeugen und -nötigenfalls von Sachverständigen gleichsam aufgebaut, etwa so, wie es im Schwurgerichtsverfahren geschieht (Strafgerichtsordnung Art. 144 ff.). Diese

669 Prozessgestaltung führt dann notwendig zur Anerkennung des weiteren G r u n d s a t z e s der U n m i t t e l b a r k e i t , wonach sich der Richter bei der Feststellung des Sachverhaltes ia möglichst unmittelbare Beziehung zu den zu erschliessenden Tatsachen zu setzen hat -- durch persönliche Prüfung der Beweismittel, durch Vornahme eines Augenscheins usw. Fast selbstverständlich für eine Prozessordnung aus neuerer Zeit ist dann die Anerkennung des G r u n d s a t z e s der f r e i e n B e w e i s w ü r d i g u n g ' , der in Art. 158, Abs. l, der Strafgerichtsordnung mit den Worten: ,,Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung" ausdrücklich proklamiert wird. Jede Bindung des Richters an sogenannte Beweisregeln, wie sie gelegentlich noch in kantonalen Rechten zum Vorschein kommen, ist also ausgeschlossen.

Auch die Ö f f e n t l i c h k e i t der V e r h a n d l u n g e n ist grundsätzlich gewährleistet (Art. 65). Als ein weiterer Vorzug der Militärstrafgerichtsordnung ist dann die Vorschrift zu betrachten, dass am Schlüsse des Verfahrens nicht nur der vom Gericht gefundene Urteilsspruch mündlich verkündet wird, sondern dass sofort auch in der Sitzung die ,,Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Entscheidungsgründe" erfolgt (Art. 164, Abs. 2). Der Angeklagte erfährt am Verfahrensschlusse nicht nur seinen Urteilsspruch, sondern auch die Motive, die das Gericht leiteten. Natürlich erübrigt sich dadurch nicht die nachherige schriftliche Ausfertigung des mit den Entscheidungsgründen versehenen Urteils (Art. 161).

Der Prozess wickelt sich so, weil er von Hemmnissen, die sich in veralteten Prozessordnungen in grosser Zahl finden, befreit ist, ungemeiu rasch ab, ein Vorteil gegenüber gewissen kantonalen Rechten, der nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Die Militärjustiz arbeitet schnell. Wenn ausnahmsweise auch einmal ein militai gerichtlicher Prozess sich lange hinzieht, so muss das aus besonderen Umständen des Einzelfalles erklärt werden und fällt nicht dem Gesetze selbst zur Last.

Die vorstehenden Hinweise sollten genügen, um die Tauglichkeit der Militärstrafgerichtsordnung von 1889 darzutun. Eine kurze Erörterung einiger Grundgedanken war dazu nötig. Aber dazu muss jetzt die Prüfung der weiteren Frage
,,kommen, ob das Gesetz etwa in anderen Richtungen derartige Mängel hat, dass durch sie das Volksbegehren seine Rechtfertigung zu finden vermöchte. Eine Frage tritt hier namentlich in den Vordergrund -- die Frage nach der R e i c h w e i t e der m i l i t ä r i s c h e n Ger i c h t s b a r k e i t , ganz besonders hinsichtlich der Zivilpersonen.

Heute liegen die Verhältnisse folgendermassen : In Art. l der Militärstrafgerichtsordnung werden die Personen aufgezählt, die der Militärjustiz unterstellt sind, und zwar hat es

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die Meinung, dass die Personen, für die das materielle Militärstrafrecht -- in der Hauptsache dargestellt durch das Militärstrafgesetzbuch -- gilt, auch durch die Militärgerichte beurteilt werden.

la näherer Umschreibung bestimmt der Art. l, dass in erster Linie die Militärpersonen dem militärischen Recht unterstehen. Dazu kommen dann bestimmte Kreise von Zivilisten, wobei zwischen normaler Friedenszeit und Zeiten der Mobilisation der Armee zum aktiven Dienst zu unterscheiden ist. Unter allen Umständen unterstehen nach Art. l dem militärischen Recht Zivilisten, die bei Militärperaonen oder bei einer Truppe dauernd angestellt sind, z. B. Bereiter, Offiziersbediente usw. (Ziff. 6), ferner Zivilisten, die sich der Spionage oder des Falschwerbens schuldig machen (Ziff. 11), ausserdem Beamte und Angestellte der Militärverwaltung mit Bezug auf Handlungen, welche die Landesverteidigung gefährden (Ziff. 3) und Personen, die zu besonderen Verrichtungen bei der Armee angestellt sind, z. B. für den Post-, Eisenbahn- und Telegraphendienst, zum Eisenbahnbau, zum Spitaldienst, für die Kasernenverwaltung etc. -- diese aber nur wegen Handlungen, die sich auf diese Verrichtungen beziehen (Ziff. 7). In Zeiten eines aktiven Dienstes und besonders in Kriegszeiten erweitert sich der Kreis der dem militärischen Recht unterstehenden Zivilisten. Es kommen hinzu Zivilpersonen, die Militärpersonen im aktiven Dienst zur Verletzung wichtiger militärischer Obliegenheiten verleiten oder zu verleiten suchen (Ziff. 10), ferner Kriegsgefangene und Internierte (Ziff. 9) und endlich ,,in Kriegszeiten Personen, welche der Armee folgen oder welche sich strafbarer Handlungen an Personen, die zur Armee gehören oder an Sachen, die der Armee dienen, schuldig machen" (Ziff. 8). Ergänzend ist zu bemerken, dass durch die bundesrätliche Verordnung vom 6. August 1914 für die Dauer der gegenwärtigen Mobilisation die für Kriegsbeilen aufgestellten Normen Anwendung finden, so dass also heute namentlich auch die erwähnte Ziffer b, Art. l, der Strafgerichtsordnung zur Geltung kommt. Ergänzend ist ferner darauf hinzuweisen, dass alle diese dem militärischen Recht unterstehenden Personen -- Soldaten und Zivilisten --, wenn sie Delikte verüben, die das Militärstrafgesetzbuch nicht vorsieht, vor die bürgerliche Gerichtsbarkeit gehören (Art. 6 des
Gesetzes). Für die Einzelheiten dieser Ordnung vergleiche man A. Stooss, Kommentar der Militärstrafgerichtsordnung, dann namentlich E u g s t e r , die persönliche und sachliche Zuständigkeit der schweizerischen Militärgerichte (Rastatt 1913), auch H a f t er, Vorentwurf zu einem Militärstrafgesetzbuch mit Motiven (Bern 1916), S. 3 ff.

Gegen diese Gestaltung der Dinge hat man namentlich zweierlei eingewendet: Einmal, dass der Kreis der dem militärischen Recht unterstellten Zivilpersonen zu weit gezogen ist und ferner,

671 dass es nicht befriedigt, für die Zeit, in der wir seit August 1914 leben, schlechthin die kriegsrechtlichen Bestimmungen -- mit dem weitgezogenen Kreis der Zivilpersonen -- anwenden zu müssen.

Die Neuordnung dieser Verhältnisse schlägt nun unser Entwurf zu einem neuen Militärstrafgesetzbuch vor. In den Bestimmungen über die persönliche und sachliche Geltung des Gesetzes stellt er die Forderung obenan, n i c h t o h n e Not Z i v i l p e r sonen dem m i l i t ä r i s c h e n Recht zu u n t e r s t e l l e n . Dabei hält er drei Situationen auseinander: Zeiten ausserhalb des aktiven Dienstes, aktiven Dienst im Frieden und endlich Kriegszeiten (Zeiten unmittelbarer' Kriegsgefahr oder ausgebrochenen Krieges). Auf dieser Grundlage sieht der Entwurf vor, dass im erstgenannten Zeitraum Oberhaupt keine Zivilisten mehr unter dem militärischen Straf'recht -- weder dem materiellen noch dem Prozessrecht -- stehen sollen (Art. 2).

Erst in Z e i t e n e i n e s a k t i v e n D i e n s t e s soll nach dem Entwurf die Geltung des militärischen Rechtes etwas erweitert werden. Die Ausdehnung soll aber nur so weit erfolgen, als die Landesinteressen in Zeiten eines erhöhten Gefahrzustandes auch einen verstärkten Schutz der militärischen Interessen erheischen.

So unterstellt der Art. 3 des Entwurfes für Zeiten eines aktiven Dienstes die in der Schweiz untergebrachten Internierten, ferner die bei der Truppe oder bei einzelnen zum Heere gehörigen Personen angestellten Zivilisten dem militärischen Recht. Ihm sind in solcher Zeit ferner die Zivilisten unterworfen, die bestimmte, direkt gegen die militärischen Interessen, das Heer und seine Angehörigen gerichtete Vergehen verüben (Art. 3, Ziff. 4). Die Ziffer 3 dieses Artikels sieht endlich für die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Militärverwaltung, der Eisenbahnen und anderer öffentlicher Verkehrsanstalten die Geltung des militärischen Rechts vor, jedoch nur, ,,wenn und soweit der Bundesrat" -- durch eine besonders zu erlassende Verordnung -- ,,ihre Unterstellung unter das Militärstrafrecht beschliesst".

Den letzten Kreis -- für K r i e g s z e i t e n -- zieht Art. 4.

In einer Zeit, da das Land im Kriege sich befindet, oder von unmittelbarer Kriegsgefahr bedroht ist, ergibt sich die Notwendigkeit, auf gewissen Gebieten die bürgerliche Gewalt zugunsten der
militärischen Macht zurücktreten zu lassen. Das führt dazu, eine Anzahl weiterer, von Zivilpersonen verübter Vergehen (Art. 4, Ziff. 2, des Entwurfes) unter das militärische Recht zu stellen. Dass die dem kriegführenden Heere folgenden, aber nicht zu ihm gehörigen Personen -- fremde Militärattaches, beim Heere zugelassene Zeitungsberichterstatter, Marketender usw. --, ferner die Kriegsgefangenen und die ihre Stellung missbrauchenden feindlichen Par-

672 lamentare unter das Militärstrafrecht gehören, bedarf kaum weiterer Begründung.

Vergleicht man diese vom Entwurf des neuen Militärstrafgesetzes vorgeschlagene Neuordnung mit dem heute geltenden Recht, so wird die starke Einengung der persönlichen Geltung des Militärstrafrechts -- und damit zugleich der militärischen Gerichtsbarkeit -- deutlich erkennbar. Eine praktisch besonders bedeutsame Einschränkung ergibt sich namentlich gegenüber Art. l, Ziffer 8, der Militärstrafgerichtsordnung, wonach in Kriegs- und Mobilisationszeiten jeder unter dem militärischen Recht steht, der an Personen, die zur Armee gehören, oder an Sachen, die der Armee dienen, eine strafbare Handlung verübt.

Ist erst die geplante Neugestaltung Gesetz geworden, so muss also die Beurteilung von Zivilpersonen durch den militärischen Richter seltener werden. Damit verliert wiederum einer der Gründe, die das Initiativbegehren veranlasst haben, seine Wirkung.

Es muss noch einmal gesagt werden : Wenn nach dem Volksempfinden die Unterstellung von Zivilpersonen unter das Militärstrafrecht und gleichzeitig unter die militärische Gerichtsbarkeit zu weit geht -- so sind das Gründe, die zur Änderung des Gesetzes in gewissen Punkten führen müssen. Aber deswegen die ganze Militärjustiz über Bord zu werfen, wäre Frevel und Unverstand.

V.

Das Bessere ist der Feind des Guten. Alle Rechtfertigung der geltenden Militärstrafgerichtsordnung und der Militärjustiz ist vergebliche Mühe, wenn die Initiative dem Land einen tüchtigen Ersatz bietet.

Die einzelnen Vorschläge des formulierten Volksbegehrens sind daher näher zu prüfen.

Das Begehren geht von dem Weiterbestehen eines besonderen materiellen Militärstrafrechls aus, wobei als feststehend angenommen werden darf, dass die Initianten mit der Schaffung eines neuen Militärstrafgesetzbuches einverstanden sind. Dagegen sollen künftig die ,,Vergehen gegen das Mititärstrafgesetz von den bürgerlichen Gerichtsbehörden desjenigen Kantons, in welchem sie begangen worden sind, untersucht und beurteilt werden"1.

Dieser Vorschlag schliesst also in sich, dass auf einem Gebiet, auf dem seit vielen Jahrzehnten Rechtseinheit besteht, wiederum die Zersplitterung der kantonalen Rechtsordnungen zur Geltung gelangt. An Stelle der einfachen, klaren Organisation der Gerichtsbarkeit, durch die das Militärrecht sich auszeichnet, soll die unerfreuliche Vielheit der kantonalen Gerichtsbarkeiten

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treten. Vom föderalistischen Standpunkt aus, der übrigens den Führern der Initiativbewegung wohl recht ferne liegt, wäre zu prüfen, ob aus der Überweisung der militärrechtliehen Fälle an die kantonalen Richter irgendwelcher Gewinn entsteht. Allein diese Frage kann niemand bejahen. Denn dass hier die Wahrung irgendwelcher berechtigter kantonaler Besonderheiten in Frage kommt, wird man nicht behaupten wollen. Die Absicht der Initianten ist es auch gar nicht, etwa einen Kampf gegen den Gedanken der Rechtseinheit zu führen. Sie wollen die Militärjustiz beseitigen und da, wenigstens in den unteren Instanzen, keine andere eidgenössische Gerichtsbarkeit zur Verfügung steht, werden sie notgedrungen dazu geführt, die bürgerlichen Gerichtsbarkeiten der Kantone in Anspruch zu nehmen.

Ist man einmal auf diesem Punkt angelangt, so ergibt sich dann allerdings für die Ausgestaltung im einzelnen die Lösung, die im Volksbegehren vorgeschlagen wird : Zuständigkeit der strafprozessualen Behörden des Kantoos, in dem das Vergehen verübt wurde (sogenanntes Territorialprinzip) und Durchführung des Prozesses nach derjeweiligen kantonalen Prozessordnung. Genauer gesagt : Man käme zu dem Verfahren, das in den nach eidgenössischen Gesetzen zu entscheidenden Strafsachen, welche den kantonalen Gerichten zur Beurteilung zugewiesen werden, gemäss Art. 146 ff. des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege anzuwenden ist. Im Texte des Volksbegehrens ist dann noch ausdrücklich hervorgehoben, dass gegen solche auf Grund eidgenössischen Rechtes gefällten militärrechtlichen Endurteile der kantonalen Gerichte die Kassationsbeschwerde beim Bundesgericht zulässig sein soll. Auch das entspricht der bereits im Organisationsgesetz Art. 145, Ziff. i, lit. d und Art. 160 ff. getroffenen Ordnung.

Man kann nun darauf hinweisen, dass heute -- in immer wachsender Zahl -- derartige Prozesse aus eidgenössischem Strafrecht dem kantonalen Richter überwiesen werden. Es sind nicht nur die Verkehrsgefährdungen aus Art. 67 f. des Bundesstrafgesetzes von 1853, die Verfehlungen gegen das eidgenössische Lebensmittelpolizeigesetz (Art. 49 dieses Gesetzes) usw., die der kantonale Richter des Tatortes zu beurteilen hat, sondern seit der bundesrätlichen Mobilisationsgesetzgebung auch die zahlreichen Anklagen wegen Verletzung der Bestimmungen
über die Sicherung der Brotversorgung des Landes, über Ausfuhrverbote, wegen Lebensmittelwuchers und andere Fälle des sogenannten Sozialwuchers; siehe namentlich die Verordnung vom 12. Februar 1916 betreffend die Übertragung von (bisherigen) Kompetenzen der Militärgerichte an die bürgerlichen (kantonalen) Gerichte (Eidg.

Gesetzsammlung XXXII, S. 44 ff.).

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Kanu, so wird man angesichts dieser Situation fragen, dasjenige, was der Militärjustiz verblieben ist, die Beurteilung der eigentlichen Militärrechtsfälle, ihr nicht auch noch weggenommen werden, so dass dann die militärische Gerichtsbarkeit überhaupt unnötig wird?

Diese Frage muss mit Entschiedenheit verneint werden.

Zunächst darf man nicht vergessen, dass es sich bei der Überweisung von Strafsachen des eidgenössischen bürgerlichen Strafrechts an die kantonalen Gerichte um einen Notbehelf handelt, weil man nicht alle diese Prozesse dem Bundesgericht zuweisen kann und untere eidgenössische Gerichtsinstanzen fehlen. Im Militärrecht dagegen besteht dieser Mangel nicht. Wir haben in den Divisions- und Territorialgerichten untere eidgenössische Instanzen.

Vor allem aber verbietet die besondere Eigenart der militärrechtlichen Fälle, sie den kantonalen bürgerlichen Gerichten zur Entscheidung vorzulegen.

In einem früheren Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass ein grösserer Truppenverband, hier die Division, gleichsam eine in sich geschlossene Lebensgemeinschaft zahlreicher Menschen darstellt und dass, wenn innerhalb dieses Verbandes ein Vergehen begangen wird, für den Gerichtsstand des Täters die Zugehörigkeit zur Division und nicht der Ort der begangenen Tat massgebend ist. Damit wird erreicht, dass der Täter vor einen Richter gestellt wird, der ihn, seine Eigenart und seine Sprache kennt.

Die Division hat, namentlich in Zeiten der Mobilisation und erst recht im Kriege, keinen festen Standort, sie gelangt von einem Kantonsgebiet in ein anderes und bei der Entlassung zerstreuen sich ihre einzelnen Angehörigen in die verschiedensten Landesteile.

Wenn nun z. B. Leute, die zu bernischen Truppen der 3. Division gehören, während eines im Kanton Tessin geleisteten Dienstes ein Verbrechen begehen, so werden sie nach der geltenden Ordnung vor das Gericht, ihrer Division gestellt. Würde dagegen die Initiative angenommen, so müsste der Prozess von den tessinischen Gerichten behandelt werden. In ganz einfachen Fällen kann das vielleicht ohne grosse Schwierigkeiten geschehen. Sobald es sich aber um grössere Fälle handelt, in denen mit einem umständlichen Zeugenapparat ein schwieriges Beweis verfahren durchgeführt werden muss, ist eine derartige Erledigung fast undenkbar. Man würde namentlich auch bald
die Wahrnehmung machen müssen, dass die Behandlung durch den kantonalen Richter des Tatorte» der schlimmsten Prozessverschleppung die Türe öffnen würde.

Und dann der Fall, der ja auch einmal Wirklichkeit werden kann, dass im Kriege eine schweizerische Division sich im fremden

675 Land befindet. Die Gerichte des Tatortes kommen hier nicht in Frage -- weder hinsichtlich des zur Division gehörenden Schweizersoldaten, noch hinsichtlich des feindlichen Ausländers, der gegen unsere Heeresmacht verbrecherisch vorgeht. Soll man dann etwa den Schweizersoldaten, der vielleicht ein schweres Verbrechen begangen hat, den heimatlichen Gerichten zufuhren, wie es bei den alten Söldnerheeren geschah, oder soll man zuwarten, bis die Division wieder glücklich in die Heimat zurückgekehrt ist, oder soll man den Mann straflos lassen? Gerade im Hinblick auf derartige Sachlagen gilt im Militärrecht seit Jahrhunderten der Grundsatz, dass die Truppe ihr Strafrecht und ihre Strafgerichtsbarkeit mit sich fuhrt. -- Der Verfasser eines die Militärjustizinitiative empfehlenden Aufsatzes im Zürcher Volksrecht vom 20. März 1916 hat auf den Fall, dass Verbrechen im Ausland begangen werden, auch hingewiesen, aber was nach Annahme der Initiative in solchen Fällen zu geschehen hätte, weiss auch er nicht zu sagen. Er meint, der im Kriegsfall mit allen Machtvollkommenheiten ausgerüstete Bundesrat werde dann den Weg zu finden haben. Heisst das wohl, dass in solchen Fällen doch wieder die besondere militärische Gerichtsbarkeit aus der Versenkung hervorgeholt werden muss?

Die Abschaffung der Militärjustiz müsste aber noch andere Unzulänglichkeiten im Gefolge haben. Schon in einem früheren Zusammenhang wurde erwähnt, dass die Rechtsordnung je länger je mehr dann zur Bestellung von Sondergerichten gelangt, wenn das Bedürfnis besteht, bestimmte Lebensverhältnisse durch besonders geeignete Sachverständige beurteilen zu lassen. Diese Voraussetzungen treffen bei der grossen Mehrzahl der heute vor die militärischen Gerichte gelangenden Rechtsfälle zu. Ihre richtige Erfassung und Würdigung setzt eine Vertrautheit mit den militärischen Begriffen und- Reglementen, mit der militärischen Befehlsgebung und dem Dienstbetrieb voraus, die bei einer grossen Zahl der bürgerlichen Richter niemals vorhanden war oder nicht mehr vorhanden ist. Der bürgerliche Richter, der Ungehorsam, Dienstverletzungen, Meuterei, Aufruhr und andere rein militärische Delikte zu beurteilen hat, würde immer wieder vor Tatsachen gestellt, die er nicht zutreffend zu würdigen versteht. Das hätte zur Folge, dass ein gewissenhaftes Gericht in solchen
zahlreich auftretenden Zweifelsfragen mit den militärischen Verhältnissen vertraute Sachverständige, also Militärpersonen, zuziehen müsste.

Ja, es ist vorauszusehen, dass sich, mit der Zeit eine eigentliche Gutachterwirtschaft in dem schlimmen Sinne ausbilden würde,- dass der Richter, der sich pflichtgemäss ein eigenes, selbständiges Urteil bilden mUsste, blindlings der Auffassung des militärisch erfahrenen Experten folgt. Wenn man damit die heutige Besetzung der

676 Militärgerichte vergleicht, so kann man nicht zweifeln, welche Ordnung vernünftiger, zweckmässiger, ja auch vielfach für den Angeklagten vorteilhafter ist. Vor dem militärischen Richter weiss er, dass seine Angaben richtig verstanden werden, während ihm mancher bürgerliche Richter diese Gewähr nicht bieten kann.

Und damit hängt zusammen, dass die Hoffnung auf eine m i l d e r e Rechtsprechung, der die Befürworter der Initiative sich wohl hingeben, nicht immer in Erfüllung ginge. Mangelhaftes Verstehen, Missverständnisse haben noch nirgends der Rechtsprechung Vorteil gebracht. -- Auch auf diesem Punkte würde sich endlich wieder eine Komplizierung und Verzögerung der Rechtspflege ergeben, weil die Einholung von Expertengutachten und die Abhörung von Sachverständigen in der Hauptverhandlung das Verfahren notwendig verlangsamen.

Weitere Bedenken kommen hinzu : In einem Aufsatz über die Militärjustizreform (Schweiz. Militärzeitung 1917, Nr. 33) hat Justizmajor H u b e r darauf aufmerksam gemacht, dass bei zahlreichen militärrechtlichen Delikten die Scheidung zwischen Vergehen und blossem Disziplinfehler nicht durch eine scharfe Linie gezogen ist. Wenn nun, was auch das Initiativbegehren nicht ändern will, das Disziplinarstrafrecht nach wie vor der militärischen Gewalt verbleibt, so werden die Truppenkommandanten, um den Soldaten nicht der hier wenig Vertrauen einflössenden bürgerlichen Gerichtsbarkeit ausliefern zu müssen, leicht zu .einer Verheimlichung des Deliktes gegenüber den bürgerliehen Behörden und zu einer unerwünschten Überspannung ihrer disziplinaren Strafgewalten verführt. Der Täter wird so der gerichtlichen ßehaadlung entzogen, um dafür ein um so strengeres Disziplinarverfahren über sich ergehen lassen zu müssen, das zudem nicht so starke prozessuale Garantien enthält, wie der gerichtliche Rechtsgang. -- Nach dem geltenden Recht liegt es in der Hand des Vorgesetzten, ob er z. B. eine Dienstverletzung, einen Ungehorsamsfall, eine nicht von vornherein als schwer zu betrachtende Drohung usw. disziplinarisch erledigen oder durch Erteilung des Voruntersuchungsbefehls in das gerichtliche Verfahren überleiten will (Art. 109 -- 112 der Militärstrafgerichtsordnung). Würde dagegen die Handhabung des Militärstrafrechts der bürgerlichen Gerichtsbarkeit übertragen, so hätten, nach dem in allen
kantonalen Strafprozessen geltenden Offlzialprinzip, Polizei und Staatsanwalt am Orte der Deliktsverübung von Amtes wegen gegen den Täter vorzugehen. Wenn auch anzunehmen ist, dass in der Praxis vielfach eine Verständigung zwischen der militärischen und der bürgerlichen Stelle gesucht uud gefunden würde, so wären doch zahlreiche überaus beklagenswerte Reibungen zwischen den beiden Gewalten nicht zu vermeiden. Der Verkehr zwischen der

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Militärgerichtsbarkeit und der die Voruntersuchung verfugenden Kommandostelle wickelt sich heute glatt ab. Die Beziehungen, zwischen der von Amtes wegen auf eigene Faust vorgehenden bürgerlichen Staatsanwaltschaft und dem militärischen Kommandanten wären dagegen von vornherein getrübt oder wenigstens gefährdet. Auch hierin zeigt sich wieder, dass die militärische Lehensgemeinschaft ihrem ganzen Wesen nach eine besondere Gerichtsbarkeit für sich haben muss. Ein erspriessliches Zusammenarbeiten der bürgerlichen und der militärischen Gewalten wäre gerade auf diesem Gebiet in vielen Fällen nicht zu erreichen.

Auch das ist endlich noch anzuführen, dass, wenigstens bei einer grösseren und länger dauernden Truppenmobilisation, bei der Abschaffung der Militärjustiz sich für die bürgerliche Gerichtsbarkeit eine starke Mehrbelastung ergeben muss. Die Folgen wären wiederum Prozessverschleppung und mangelhafte Rechtsprechung.

VI.

Der zweite Teil, die Absätze 4 und 5 des Volksbegehrens, fordern eine teilweise Neugestaltung des militärischen Disziplinarrechts. Während man die Forderung auf Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit als unannehmbar und undurchführbar bezeichnen muss, kommt man bei diesem zweiten Postulat auf einen Weg, den der .Bundesrat selbst schon beschritten hat.

Das militärische Disziplinarrecht ist -- und zwar noch in anderen Richtungen, als das Volksbegehren es vorsieht -- einer Erneuerung bedürftig. Das ist in den unterrichteten Kreisen lange schon erkannt, und es ist hier daran zu erinnern, dass der Bundesrat bereits am 9. Oktober 1894 der Bundesversammlung den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Disziplinarstrafordnung vorlegte, dass die Bundesversammlung den Entwurf annahm, dass aber das Gesetz vom Volk in der Abstimmung vom 4. Oktober 1896 abgelehnt wurde.

Heute besteht die Absicht, nicht wie 1894/1896 ein besonderes Disziplinarstrafgesetz zu schaffen, sondern gleich wie im geltenden Recht das Disziplinarstrafrecht, als einen zweiten Teil dem neuen Militärstrafgesetzbuch einzufügen.

Wir verweisen dafür auf die Art. 179 ff. des Entwurfes -- die Disziplinarstrafordnung -- und die Erläuterungen dazu in der Botschaft (BEI. V 455). Wir können hier nicht das ganze Gebiet der Disziplinarrechtspflege zur Erörterung bringen. Es handelt sich nur darum, einerseits die von der Initiative
aufgestellten Forderungen gegenüber dem heute geltenden Recht zu prüfen und ihnen anderseits die vom Entwurf eines neuen Militärstrafgesetzbuches vorgeschlagenen Lösungen gegenüberzustellen.

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1. In die erste Linie hat die Initiative die Forderung gestellt: ,,Der Arrest als militärische Disziplin- oder Ordnungsstrafe darf zehn Tage nicht überschreiten. Die Strafen dürfen nicht durch Schmälerung der Kost oder durch. Verhängung von Dunkelarrest verschärft werden."

Im geltenden Recht (MStGB Art. 167 ff.) befriedigt die Ausgestaltung der Arreststrafe, dieses wichtigsten disziplinaren Strafmittels, in der Tat nicht. Über den Quartier- oder Zimmerarrest,, die sog. K o n s i g n i e r u n g (Art. 168, Ziff. 3), die keine eigentliche Arreststrafe darstellt, erübrigt sich eine ausführliche Erörterung, Das Kennzeichen dieser Strafe erschöpft sich darin, dass sie dem Bestraften die Freizeit, die dem Soldaten gewährt wird, für einen, gewissen Zeitraum entzieht. Das geltende Gesetz sieht ein Maximum von dreisaig Tagen vor. Der Entwurf hat diese Strafart, überhaupt fallen lassen.

Viel wichtiger und in ihrer Ausgestaltung stark umstritten sind dagegen die e i g e n t l i c h e n A r r e s t s t r a f e n, die regelmässig eine empfindliche Freiheitsbeschränkung darstellen. Daa geltende Recht (Art. 168--170) differenziert umständlich. Es kennt für Unteroffiziere und Soldaten den gemeinen Arrest (Verhaft in einem ,,Polizeizimmer") bis auf zwanzig Tage und den strengen Arrest (Verhaft im ,,Gefängnis") mit dem gleichen Maximum und mit der Möglichkeit, jeden zweiten Tage eine Kostschmälerung -- nur Wasser und Brot -- eintreten zu lassen. Für Offiziere sieht Art. 170 vor: einfachen Arrest bis auf dreissig Tage; geschärften Arrest mit Ausschluss vom Dienst und Abnahme des Säbels, in einer Höchstdauer von zwanzig Tagen ; endlich -- mit demselben Maximum -- don strengen Arrest im verschlossenen Zimmer oder Quartier mit einer Schildwache vor dem Arresti-aura. -- Diese Regeln vereinfacht der Entwurf zunächst so, dass er für alle Grade einheitlich nur mehr die zwei Arten des einfachen und des scharfen Arrestes kennt. Für die Unterscheidung ergibt sich: Der e i n f a c h e A r r e s t (Art. 183) ist in einem besondern, als Arrestlokal zu bezeichnenden Raum zu vollziehen. Der Inhalt dieser Strafart wird namentlich dadurch charakterisiert, dass der Bestrafte während der Nacht und in der Freizeit von der Truppe abgesondert wird. Dagegen hat er wie jeder andere seinen Dienst zu leisten. Weitere Nebenwirkungen sollen
sich aus der Verhängung des einfachen Arrestes überhaupt nicht ergeben. -- Von dieser milderen Strafart versucht der Vorentwurf die schwerere Strafe des s c h a r f e n A r r e s t e s deutlich abzuheben (Art. 184). Bei ihm ist Einzelhaft obligatorisch und sein auffallendstes Merkmal besteht darin, dass er den Bestraften während der Strafdauer vom Dienste ausschliesst, ihn völlig aus seiner Truppe herausnimmt.

679 Aus den für dea Vollzug von Arreststrafen jeder Art aufgestellten gemeinsamen Bestimmungen ist dazu besonders der in Art. 185, Abs. l, ausgesprochene Grundsatz hervorzuheben, wonach «s für unzulässig erklärt wird, zur Erschwerung den Vollzug einer Strafe auf dis Zeit nach dem Dienste zu verschieben. Damit wollen wir einer vielenorts beliebten Praxis ein Ende bereiten. Aber nicht nur die regelmässig als Straf Verschärfung wirkende ArrestStrafe ,,nach dem Dienst* soll künftig nicht mehr verhängt werden dürfen. Art. 191 des Entwurfes stellt überdies noch den allgemeinen Grundsatz zuf: ,,Andere Disziplinarstrafen, als dieser Abschnitt sie vorsieht, und Strafverschärfungen siud unzulässig."

Damit ist selbstverständlich die nach Art. 168, Ziff. 5, des geltenden Rechts mögliche Massnahme der ,,magern Kost"1 ausgeschlossen.

Aber auch der ,,Dunkelarrest*4 darf nach dem Recht des Entwurfes nicht mehr vorkommen. Auch er wäre eine nach Art. 191 unzulässige Strafverschärfung. Überdies wird in Art. 186 des Entwurfes die Norm aufgestellt: ,,Alle Arrestlokale sollen trocken «ein, genügend Luft und Licht haben und überhaupt gesundheitspolizeilichen Anforderungen entsprechen."

So bleibt -- immer vom Standpunkt des Entwurfs aus gesehen -- nur noch die Forderung der Initiative übrig, d a s s k e i n e A r r e s t s t r a f e z e h n T a g e ü b e r s c h r e i t e n d a r f . Das ist die am meisten umstrittene Frage. Je nach der Auffassung, die man vom Wesen und der Funktion des militärischen Disziplinarrechts und der Arreststrafe im besonderen hat, gelangt man zu verschiedener Lösung. Die verschiedenen Ansichten sollen hier nebeneinander gestellt werden.

Das geltende Gesetz geht, wie schon ausgeführt wurde, teilweise bis auf zwanzig, teilweise bis auf dreissig Tage (Art. 168, Ziff. 3--5, und Art. 170). Die im Jahre 1896 dem Volke vorgelegte Disziplinarstrafordnung sah als Höchstmass vor : beim ·Quartier- oder Zimmerarrest zehn Tage (Art. 6, Abs. 2), beim «infachen Arrest zwanzig (Art. 7) und beim strengen Arrest dreissig Tage (Art. 8, Abs. 3). Für eine Erhöhung der Arrestmaxima gegenüber dem geltenden Recht ist dann neuerdings Justizmajor H u b e r in dem schon genannten Aufsatz ,,Die Militärjustizreform' x «ingetreten. Er schreibt (S. 19 f.): ,,Schon das jetzige Militärstrafgesetz und in viel höherem Masse
der Entwurf lassen für den gleichen Tatbestand, je nach den Umständen des einzelnen Falles, Gefängnis- und Disziplinarstrafe wahlweise zu. Wenn nun aber die höchste Disziplinarstrafe 20 Tage Arrest beträgt, oder wenn ·sie gar nach der Meinung der Initianten noch herabgesetzt werden soll, so werden eben sehr viele Fälle disziplinarisch nicht abgetan werden können, weil die Strafe zu gering und damit die verletzte militärische Autorität nicht genügend wiederhergestellt wäre. --

680

Wenn die vorstehend entwickelten Anschauungen richtig sind, so ergibt sich daraus in erster Linie die Folgerung, dass der Rahmen der Disziplinarstrafen ganz erheblich erweitert, d. h. erhöht werden muss, damit eiu grosser Teil der jetzigen Gefängnisstrafen durch Disziplinarstrafen ersetzt werden kann."' In diesem Vorschlag wird also das Hauptgewicht auf eine Erweiterung der Disziplinarstrafgewalt auf Kosten der gerichtlichen Erledigung von Straffällen gelegt.

Bedenken gegen eine derartige Verschiebung der Bereiche zwischen kriminellem und disziplinarem Strafrecht ergeben sich jedoch nach zwei Seiten : Einmal ist es fraglich, ob wirklich Delikte, die so schwer sind, dass sie eine mehrwöchige Freiheitsentziehung als Strafe nach sich ziehen sollen, in einem Disziplinarverfahren ihre Erledigung finden sollen. Ferner wird auch dann, wenn es gelingt, den Vollzug der Arreststrafen besser zu gestalten, als es heute der Fall ist, diese Strafart vielfach nicht so eingerichtet werden können, dass sie sich für eine länger dauernde Freiheilsentziehung eignet. Das wäre nur dann möglich, wenn ständige Militärarrestanstalten gegründet werden könnten. Aussicht auf die Verwirklichung eines solchen Postulates besteht aber nicht. -- Einer Ausdehnung des Disziplinarstrafrechtes in dem Sinne, dass durch eine Erhöhung des Strafmasses bei der Arreststrafe vermehrte Strafmöglichkeiten sich ergeben, könnten wir daher nicht zustimmen. Auch soll nicht ausser acht gelassen werden, dass allen Zeichen nach die Volksanschauung vielmehr nach der Richtung geht, dass die Höchstmasse der Arreststrafen hioabzusetzen, nicht dass sie zu erhöhen seien. Ob dabei in Übereinstimmung mit der Initiative allgemein bis auf zehn Tage hinuntergegangen werden kann, ist nun noch zu prüfen.

Der Entwurf des neuen Militärstrafgesetzbuches übernimmt das Postulat der Initiative für den e i n f a c h e n Arrest. Derin Art. 183, Abs. 2, des Entwurfs für diese Strafart aufgestellte Strafrahmen beträgt ein bis zehn Tage. Dagegen haben wir beim s c h a r f e n Arrest (_Art. 184, Abs. 2) einen Rahmen von drei bis zwanzig Tagen vorgesehen. Es erscheint unumgänglich, auch beim Strafmass eine deutliche Differenzierung zwischen den beiden Arrestarten zu schaffen. Durch die im Entwurf vorgeschlagene Lösung soll namentlich auch in der Ansetzung des Strafrahmens
deutlich zum Ausdruck kommen, dass die Strafe des scharfen Arrestes nur ausnahmsweise, bei den allerschwersten Disziplinarfehlern zur Anwendung zu gelangen hat. Die Ansetzung eines Minimums von drei Tagen ist ein weiterer Hinweis nach dieser Richtung.

2. Noch günstiger liegen die Verhältnisse hinsichtlich der letzten vom Initiativbegehren aufgestellten Forderung: ,,Das Beschwerderecht gegen Disziplinarstrafen ist gewährleistet; es dürfen wegen Ausübung dieses Rechtes keinerlei Strafen verhängt werden."

681 Um zu diesem Postulat richtig Stellung nehmer zu können, muss einerseits auf die heute geltenden Bestimmungen, anderseits wiederum auf unsern Entwurf zu einem neuen Disziplinarrecht hingewiesen werden: Die heutige Ordnung ist ungenügend und unklar zugleich.

Art. 196/7 des Militärstrafgesetzbuches und Ziff. 47 ff. des Dienstreglementes handeln von den Beschwerden. Der Hauptfehler dieser Bestimmungen besteht darin, dass sie die einzelnen militärrechtlichen Beschwerdearten nicht deutlich genug auseinanderhalten und nicht jede für sich regeln. Aus Ziff. 48 des Dienstreglementes sind nämlich drei Beschwerdearten herauszulesen : B e s c h w e r d e n ,, a l l g e m e i n e r N a t u r ' 1 , d. h. wohl Beschwerden, die sich nicht direkt gegen Befehle und Verfügungen eines bestimmten Vorgesetzten richten, Reklamationen allgemeiner Art, z. B. über die Verpflegung, über die Handhabung des Sanitätsdienstes, über Schikanen, die .einem Soldaten durch Kameraden zuteil werden usf. ; B e s c h w e r d e n ü b e r einen V o r g e s e t z t e n gegen S t r a f V e r f ü g u n g e n (strafrechtliche Beschwerde), ergänzt durch die Vorschriften in Art. 196/7 des Strafgesetzbuches; endlich Beschwerden über einen Vorgesetzten wegen a n d e r e r V o r k o m m n i s s e , z. B. wegen unwürdiger Behandlung.

Obschon sich für alle drei Arten bestimmte gemeinsame Regeln bilden lassen, »o ist doch eine besondere Ausgestaltung der einzelnen Beschwerdeart notwendig. In besonders hohem Masse gilt das für die sog. strafrechtliche Beschwerde, auf die übrigens im Initiativbegehren allein ausdrücklich hingewiesen wird. Sie muss bei der Neugestaltung des Militärstrafgesetzbuches als Rechtsm i t t e l g e g e n D i s z i p l i n a r s t r a f e n t s c h e i d e eine gesonderte und teilweise vom anderen Beschwerderecht abweichende Ausbildung empfangen. Die Folge wird dann sein, dass dem Dienstreglement nur noch die Bestimmungen über die anderen zwei Beschwerdearten verbleiben. Es wäre dabei zu untersuchen, wieweit auch sie der Änderung und Ergänzung bedürfen. Im übrigen ist noch festzustellen, dass der General am 20. Januar 1916 als Ergänzung zu den Bestimmungen des Dienstreglementes über die Beschwerden Regeln über die ,,Handhabung des Beschwerderechts11 erlassen hat. Sie haben teilweise in den die Disziplinarbesehwerde ordnenden
Art. 207 ff. des Entwurfes Berücksichtigung gefunden.

So sind für die Erfüllung des in der Initiative enthalteneu Postulates die Vorbereitungen bereits getroffen, und es ist nur noch darzustellen, wie der Entwurf die Gewährleistung des disziplinarrechtlichen Beschwerderechts zu erreichen unternimmt. Aus den Art. 207--212 des Entwurfes ist darüber folgendes herauszuheben :

682

Den Ausgangspunkt bildet der in Art. 207, Abs. l, aufgestellte Satz, dass gegen Entscheide, durch welche eine Disziplinarstrafe verhängt wird, vom Bestraften Beschwerde geführt werden kann. Art. 208 bezeichnet in genauer Umschreibung die Beschwerdeinstanzen. Es entspricht dem dienstlichen Betrieb und gewährleistet zugleich grössere Rechtssicherheit, wenn Art. 209, Abs. l, vorschreibt, die Beschwerde sei schriftlich einzureichen.

Bei dieser Gestaltung der Beschwerdeeinleitung sollten genügend Garantien dafür geschaffen sein, dass jede Beschwerde vor den zuständigen Richter gelangt.

Für die Erledigung der Beschwerde bestimmen dann die Art. 211/2 wörtlich: ,,Der zur Entscheidung der Beschwerde zuständige Vorgesetzte gibt dem Untergebenen, dessen Strafverfügung angefochten ist, Gelegenheit, sich zu äussern. Er kann auch den Beschwerdeführer einvernehmen.

Ist das eidgenössische Militärdepartement Beschwerdeinatanz, so lässt es sich von der Stelle, deren Strafverfügung angefochten ist, schriftlich Bericht erstatten" (Art. 211) ; und Art. 212: ,,Der Beschwerdeentscheid ist den Beteiligten schriftlich unter Angabe der Gründe mitzuteilen.tt Absichtlich sind in dieser Zusammenstellung. nur diejenigen Punkte berührt, die, entsprechend den Forderungen der Initiative, dahin zielen, das Recht zur Beschwerde zu gewährleisten. Für die Ausgestaltung des Beschwerderechts im ganzen verweisen wir auf den vollständigen Text der Art. 207--212 des Entwurfes und auf unsere Botschaft vom 26. November 1918 (BBI. V Seite 337).

Doch ist hier noch besonders au erwähnen, dass wir in den Abschnitt des Entwurfes über die Vergehen : Missbrauch der Dienstgewalt, folgenden Deliktstatbestand (Art. 69) aufgenommen haben: ,,1. Wer eine von einem Untergebenen eingereichte Beschwerde oder Strafanzeige, in der Absicht, sie zu unterdrücken, zurückbehält oder beseitigt, wer über eine Beschwerde wissentlich einen unwahren Bericht erstattet, wird mit Gefängnis bestraft.

2. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung."1 Darin liegt sicherlich eine weitere energische Gewährleistung, und es kann, wenn alle diese Bestimmungen Gesetz geworden sind, gewiss nicht mehr über eine Verkümmerung des Beschwerderechtes geklagt werden. Zugleich findet aber durch eine sorgfältige und einlässliche Ordnung dieser Verhältnisse auch noch die weitere Forderung der Initiative, dass wegen Ausübung des Beschwerderechtes keinerlei Strafen verhängt werden dürfen, ihre

685 Erfüllung. Wenn das Gesetz einerseits dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör garantiert und Unterdrückung und unwahre Begutachtung einer Beschwerde als Vergehen bestraft, so schliesst es damit anderseits gleichzeitig aus, dass den Beschwerdeführer, der nur seine Rechte ausübt, eine Strafe trifft. Die Beschwerde soll, nach den Vorschriften des Entwurfs, ein eigentliches R e c h t s m i t t e l sein, das jedem Bestraften zusteht, auch wenn die Strafe, die er empfing, gerecht erscheint. -- Eine andere Frage ist allerdings, ob denjenigen, der wider besseres Wissen eine unwahre, auf unehrenhafte Beweggründe zurückzuführende Beschwerde einlegt, Strafe treffen soll. Das muss aus Gründen der militärischen Ordnung bejaht werden, und die Forderung der Initiative kann nicht so-weit gehen, auch hier eine Bestrafung ausschliessen zu wollen. Andere Gesetze, z. B. das deutsche Militärstrafgesetzbuch im § 152, stellen dafür einen besonderen Vergehenstatbestand ,,Missbrauch des Beschwerderechts" auf. Gesetzgeberisch notwendig ist das aber nicht. Wer eine lügnerische, von unehrenhaften Motiven ausgehende Beschwerde einbringt, missachtet allgemeine Dienstvorschriften und wird auf Grund der Vorschrift über Nichtbefolgung von Dienstvorschriften (Entwurf Art. 72) je nachdem gerichtlich oder disziplinarisch bestraft. Es sollte klar sein, dass dadurch an dem Grundsatz : wegen Ausübung des Beschwerderechts dürfen beine Strafen verhängt werden, nicht gerüttelt wird.

Heute steht noch in Art. 197 des geltenden Militärstraf^esetz-' bûches der Satz: ,,Ist die erhobene Beschwerde unbegründet, so kann die Strafe, gegen welche reklamiert worden, verschärft werden.a Gegen diesen Gedanken muss die Initiative gerichtet sein. Er darf in einem neuen Gesetz nicht mehr erscheinen.

VII.

Zum Schluss sollen die Ergebnisse der vorstehenden Untersuchungen zusammengefasst werden. Daran anschliessend ist unsere Stellungnahme gegenüber dem Volksbegehren darzulegen: 1. Eine sachliche Würdigung des geltenden Militärstrafprozesses zeigt seine Tauglichkeit. Die unvoreingenommene Betrachtung der eigenartigen Verhältnisse des militärischen Gemeinschaftslebens zeigt aber auch die Notwendigkeit einer besonderen Militärjustiz. Was im Initiativbegehren als Ersatz für sie vorgeschlagen wird, die Beurteilung der militärrechtlichen Fälle durch die bürgerlichen kantonalen Gerichte nach den kantonalen Prozessordnungen, würde zu unerquicklichen, ja fast unhaltbaren Verhältnissen führen.

Eine starke Verzögerung der Rechtspflege wäre unausbleiblich.

Schwierig zu lösende Konflikte zwischen den Behörden der bürgerlichen Justiz und den militärischen Stellen müssten entstehen.

Die Militärgerichte und die militärische Gerichtsbarkeit müssen daher erhalten bleiben. Dagegen haben die vorangehenden UnterBundesblatt. 70. Jahrg. Bd. Y.

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suchungen zu dem Ergebnis geführt, dass eine Teilrevision der Militärstrafgerichtsordnung in Aussicht zu nehmen ist.

Der Entwurf eines neuen Militärstrafgesetzbuches führt sie,, soweit es notwendig ist, durch : Art. l der geltenden Strafgerichtsordnung umschreibt die Personenkreise, die ,,der Militäratrafgerichtsbarkeit und dem Militärstrafgesetze des Bundes* unterworfen sind^ Es wurde ausgeführt, dass die ,,persönliche und sachliche Geltung"des Militärstrafrechtes heute anders umgrenzt werden muss, dass namentlich die Unterstellung von Zivilpersonen unter das militärische Recht einzuschränken ist. Unser Entwurf (Art. 2 fi°.) geht diesen Weg. Die in diesen Artikeln aufgestellten Regeln befassen sich allerdings nur mit der Unterstellung unter das m a t e r i e l l e Strafrecht. Die Meinung ist aber, dass ihr parallel die Unterwerfung unter die militärische Gerichtsbarkeit gehen soll: Soweit eine Person materiell unter dem Militärstrafrecht steht, soll sieauch vor den militärischen Richter gestellt werden. Das ist im Schlusstitel des Entwurfes (Art. 216 ff.) zum Ausdruck gebracht.

2. Soweit das Volksbegehren Forderungen für das militärischeDisziplinarrecht aufstellt, ist es in seinen Grundgedanken anzuerkennen. Das II. Buch unseres Entwurfes zu einem neuen Militärstrafgesetzbuch sieht Schärfungen der Arreststrafe durch Kostschmälerung und Dunkelarrest nicht mehr vor. Das Beschwerderecht gegen Disziplinarstrafen wird, energisch gewährleistet. Bei der Strafe des einfachen Arrestes beträgt das Strafmaximum in Übereinstimmung mit der Forderung der Initiative zehn Tage.

Dagegen setzt der Entwurf allerdings bei der Strafe des scharfe» Arrestes das Höchstmass auf zwanzig Tage an.

Für das weitere Schicksal des Volksbegehrens weisen wir auf Art. 121, Abs. 6, der Bundesverfassung und auf das Buadesgesetz vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren (Eidg. Gesetzsammlung XII, S. 885 ff.) hin. Das Begehren ist ,,in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes" gestellt. Würde ihm die Zustimmung der Bundesversammlung und hernach des Volke» und der Stände zuteil, so erhielten die Vorschläge der Initianten unmittelbar Geltungskraft. Für den Fall der Nichtzustimmungdagegen hat die Bundesversammlung zu wählen, ob sie für die Volksabstimmung einfach die Verwerfung beantragen, oder ob sie dem Volke einen
ausgearbeiteten Gegenentwurf vorlegen will.

Ein solcher Gegenentwurf ist jedoch nur dann aufzustellen, wenn man zu der Überzeugung kommen musste, dass überhaupt in einem besondern Verfassungssatz über die Fragen der Militärjustiz Bestimmungen zu treffen sind.

Die vorstehenden Erwägungen fuhren aber nicht zu einem solchen Resultat. Wir haben nachzuweisen versucht, dass der Forderung: Aufhebung der Militärjustiz richtigerweise keine Folge

685 gegeben werden kann. Wenn aber grundsätzlich die bisherige Ordnung beizubehalten ist, so braucht das naturlich nicht in einem neuen Verfassungsartikel niedergelegt zu werden. Hingegen könnte man erwägen, ob nicht in die Verfassung Vorschriften aufzunehmen sind, wodurch der Wirkungsbereich der Militärjustiz mehr als es im geltenden Recht der Fall ist, eingeengt wird. Dabei tritt naturgemäss die Frage nach der Unterstellung von Zivilpersonen unter das Militärrecht und unter die militärische Gerichtsbarkeit in den Vordergrund. Wir haben aber dargetan, dass der Entwurf des neuen Militärstrafgesetzbuches nach dieser Richtung gegenüber dem* heute geltenden Recht bereits diejenigen Einschränkungen vorsieht, die unter Berücksichtigung .der Landesinteressen möglich sind. Angesichts der durch die Art. 2 ff. und 21 6 ff. de» Entwurfs bereits in Aussicht stehenden Änderungen des heutigen Rechtszustandes erscheint es zum mindesten nicht notwendig, darüber noch in einem besondern Verfassungsgrundsatz Bestimmungen aufzustellen.

Die gleichen Überlegungen sind aber auch für die Beantwortung der weitern Frage massgebend, ob ein Verfassungsartikel über die Gestaltung des militärischen Disziplinarrechts -- Arreststrafen, Ausbildung des Beschwerderechts (Absätze 4 und 5 des Initiativvorschlages) -- sieh aussprechen soll. Von einem Punkte abgesehen, hat hier der Entwurf nes neuen Militärstrafgesetzbuches die von den Initianten formulierten Forderungen anerkannt. Was die Initiative nach dieser Richtung will: Wegfall von Strafverschärfungen, Gewährleistung des Beschwerderechtes und Ausschluss der Verhängung von Strafe wegen Ausübung dieses Rechts wird in Erfüllung gehen, sobald das neue Militärstrafgesetzbuch zur Geltung gelangt sein wird. Auch dazu bedarf es also keines neuen Verfassungsartikels mehr.

Aus diesen Gründen stellen wir Ihnen den Antrag, Sie möchten in Anwendung des Art. 10 des bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung beschliessen dus Initiativ begehren sei abzulehnen und mit dem Antrag auf Verwerfung ohne einen Gegenentwurf der Bundesversammlung der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

B e r n , den 11. Dezember 1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Calonder.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Aufnahme eines Art. 58bis in die Bundesverfassung (Aufhebung der Militärjustiz). (Vom 11. Dezember 1918.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1918

Année Anno Band

5

Volume Volume Heft

52

Cahier Numero Geschäftsnummer

987

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.12.1918

Date Data Seite

660-685

Page Pagina Ref. No

10 026 949

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