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II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche ("Wintersession 1918).

(Vom 1. November 1918.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über folgende Begnadigungsgesuche Berieht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen : 39. Raoul Masson, geb. 1888, Apothekergehülfe, Genf; 40. Jakob Finsterwald, geb. 1895, Mechaniker, Balsthal (Solothurn).

(Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes.)

Wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden : a. Raoul Masson am 30. Mai 1918 vom Tribunal de Police des Kantons Genf zu 5 Tagen Gefängnis, die Ersatzabgaben von Fr. 204 für die Jahre 1913 bis 1916 betreffend; b. Jakob Finsterwald am 29. Oktober 1917 vom Amtsgericht von Baisthal zu 5 Tagen Gefängnis, die Ersatzabgaben von Fr. 96.60 für 1916/1917 betreffend.

Zu ». Im Gesuch vom 18. Juni 1918 um Erlass der Gefängnisstrafe wird für Masson gesagt, die Verurteilung hätte vermieden werden können, wenn ihm die nachträglich von dritter Seite erfolgte Unterstützung früher zuteil geworden wäre. Am 7. Juni 1918 habe Masson Fr. 200 bezahlt, so dass nunmehr noch Fr. 106. 55 entrichtet werden rnüssten, damit er bis und mit 1917 im reinen sei. Masson habe die Überzeugung, seinen sämtlichen Verpflichtungen spätestens bis Ende Juli nachkommen zu können. Mit Rücksicht darauf möge man ihn begnadigen, da die eingetretene Verzögerung auf die Unmöglichkeit früherer Zahlung zurückgeführt werden müsse. Bis in den August 1916 habe er, um Apothekergehülfe zu werden, unentgeltlich gearbeitet, dann

monatlich Fr. 175 und vom August 1917 bis zum Dezember gleichen Jahres Fr. 250 verdient. Damals habe er mit grosser Mühe rückständige Privatschulden getilgt und un mugli eh. gleichzeitig den Militärpflichtorsatz entrichten können. Ferner wird auf das Dienstbuch l ein verwiesen, das den guten Willen Massons bestätigen soll, Militärdienst zu leisten, wobei er trotz seiner Beschwerden gegen ablehnende militärärztliche Verfügungen dienstuntauglich erklärt wurde.

In den Akten befindet sich überdies ein von der Genfer Polizei eingeholter Bericht.

Dem Gesuche gegenüber ist einmal hervorzuheben, das* Masson, der erst am 30. Mai 1918 verurteilt wurde, zur Regelung seiner rückständigen Ersatzabgaben für die Jahre 1913 bis 1916 ausserordentlich lange Gelegenheit geboten war. Die Tatsache, dass er unter dem offenbaren Eindrucke der stattgefundenen Verurteilung schon am 7. Juni 1918 Mittel und Wege fand, seinen Verpflichtungen für die Jahre 1913 bis 1916 beinahe gänzlich nachzukommen, vermag ihn nicht ohne weiteres zu entschuldigen.

Wir verweisen auf unsere Ausführungen in der Begnadigungssache Abel Froideveaux (zu vergleichen Antrag 14 dieser Session), die wir auch hier bestätigen. Kennzeichnend ist ferner, dass die im Gesuch versprochene Begleichung der noch ausstehenden Schuld von Fr. 106. 55 für das Jahr 1917 Ende September 1918 noch nicht erfolgt war. Das Urteil des Polizeigerichtes des Kantons Genf erklärt den Tatbestand der schuldhaften Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes durch die mündliche Hauptverhandlung als erbracht. Demgegenüber scheinen uns die Gesuchsanbringen und namentlich die Ergebnisse der im Begnadigungsverfahren erfolgten Erhebungen eine Begnadigung nicht nahelegen zu können, weshalb wir beantragen, das Gesuch abzuweisen.

Zu &. Jakob Finsterwald bringt an, es sei ihm wegen Krankheits- und Todesfällen unmöglich gewesen, rechtzeitig zu zahlen. Er selbst habe nach seiner Entlassung aus der Armee wegen Krankheit lange nichts verdienen können. Der Vollzug der Strafe bringe ihn um seine Anstellung und lege seine fünf unerzogenen Kinder der Gemeinde zur Last. Während seiner Ferien habe er die Strafe nicht absitzen können, weil infolge Militärdienstes zweier Schwäger für die Feldarbeiten bloss der siebzigjährige Vater zu Hause gewesen sei.

In der Hauptverhandlung wurde festgestellt, dass der Angeschuldigte entgegen seiner Bestreitung gesetzmässig gernahnt

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worden war. Seine Behauptungen erwiesen sich als Ausflüchte, und sein ganzes Verhalten vor Gericht machte einen sehr schlechten Eindruck. Berichte der solothurnischen Behörden ergeben, dass Finsterwald mit Teuerungszulagen Fr. 370 verdient. In der Papierfabrik Balsthal gilt er als fleissiger Angestellter. Dagegen kann ihm, was Ruf und Lebensführung anbetrifft, kein gutes Zeugnis ausgestellt werden, namentlich soll er es mit der Wahrheit nicht genau nehmen.

Sein Verhalten vor Gericht ist unseres Erachtens geeignet, dies zu bestätigen, und da die Gesuchsanbringen wenig überzeugend erscheinen, können wir eine Begnadigung nicht befürworten.

A n t r ä g e : Abweisung beider.

41. Jean Jacques Challet, geb. 1899, Handelsschüler, Genf; 42. Raymond Roy Swoboda, geb. 1878, Handelsmann, Bern; 43. Max Josef Witt, geb. 1877, Chauffeur, Zürich.

(Verbotener Nachrichtendienst.)

Vom schweizerischen Bundesgericht (Bundesstrafgericht) sind in Anwendung des Artikels 5 der bundesrätlichen Verordnung betreffend Strafbestimmuugen für den Kriegszustand vom 6. August 1914 (A. S. n. F. XXX, 370) verurteilt worden: a. Jean Jacques 'Challet am 1./4. Juli 1918 zu einem Monat Gefängnis, getilgt durch die erstandene Untersuchungshaft, und Fr. 100 Busse; b. Raymond Roy Swoboda am 13. April 1918 zu zehn Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 260 Tagen, Fr. 2500 Busse und zwei Jahren Landesverweisung ; c. Max Josef Witt am 20. Juli 1918 zu vier Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 57 Tagen, Fr. 300 Busse und 2 Jahren Landesverweisung.

Zu a. Challet gestand, auf Verlangen eines gewissen Guillard, an seinen Onkel in Berlin einen von Guillard verfassten Brief, worin dieser dem deutschen Nachrichtendienst empfohlen wurde, gerichtet, unterschrieben und adressiert, ferner von Genf aus Organen des Nachrichtendienstes einen vom nämlichen Guillard übergebenen Brief nach Deutschland tiberbracht zu haben.

Im Gesuch um Erlass von Gefängnis und Busse wird für Challet angebracht, das Geschehene sei einzig durch sein sofortiges Geständnis bekannt geworden, was seinen guten Glauben beweise. Ferner wird erneut betont, Guillard habe Challet zu seinem Tun durch lebensgefährliche Drohungen genötigt. Zur Erhärtung dieser Behauptung werden verschiedene im gerichtlichen Verfahren erfolgte Zeugenaussagen wiedergegeben. Weiter wird den Handlungen Challets eine wesentliche Bedeutung abgesprochen und hervorgehoben, sie hätten ihm in Deutschland mehr als drei Monate Untersuchungshaft zugezogen. Dies zeige ebenfalls, dass Challet das Opfer niederträchtiger Gesellen gewesen sei. Diese Verumständung, in Verbindung mit dem jugendlichen Alter, dem Fehlen jeder gewinnsüchtigen Absicht und dem guten Leumund, sei geeignet, eine Begnadigung nahezulegen.

Dem Gesuche liegen überdies mehrere Arbeitszeugnisse und persönliche Empfehlungen bei.

Vorab ist festzustellen, dass die Gefängnisstrafe durch die erstandene Untersuchungshaft als getilgt erklärt wurde, so dass lediglich die Busse von Fr. 100 zu erörtern bleibt. Von den Gesuchsanbringen selbst lässt sich sagen, dass sie nichts enthalten, was nicht bereits in der Hauptverhandlung geltend gemacht worden ist. Es darf betont werden, dass das Bundesstrafgericht seinen Spruch in Würdigung der in Betracht kommenden besondern Umstände fällte. Die Jugend und die mangelnde Erfahrung Challets erfuhren ausdrückliche Berücksichtigung. Übrigens führte Challet gerade für sein Alter ein ziemlich leichtes Leben, und unseres Erachtens war es ihm gerade darum zu tun, sich zu seinem Treiben Geld zu verschaffen. Die mit der wohlangebrachten Bestrafung beabsichtigte Beeinflussung des jungen Mannes würde unseres Erachtens durch eine Begnadigung abgeschwächt.

Zu b und c. Swoboda und Witt gegenüber, die beide um Erlass der Landesverweisung ersuchen, ist es von Wert, daran zu erinnern, dass sich derartigen Anträgen gegenüber eine bestimmte Übung sowohl des Bundesrates wie der Bundesversammlung herausgebildet hat. Wir verweisen auf unsere Ausführungen im Bundesblatt 1917, Band IV, 669 und 670, und insbesondere Bundesblatt 1918, Band III, 12 und 426. Auch vom Präsidenten der eidgenössischen Begnadigungskommission wurde in der Bundesversammlung zustimmend betont, es solle in diesen Spionagesachen,
in denen für unser neutrales Land viel auf dem Spiele stehe, nur in ganz ausserordentlichen Fällen begnadigt werden, wobei dies auch zu gelten habe, wenn Ausländer um

Erlass oder Aufschub der Landesverweisung ersuchen. Soweit ia solchen Fällen eine gewisse Rücksieht, wie etwa mangels unehrenhafter Gesinnung, geboten erscheine, habe dies nicht im Wege der Begnadigung zu geschehen, sondern in entsprechenden Verfügungen der eidgenössischen Strafvollzugsbehörde zum Ausdruck zu gelangen. Derart werde unter Umständen dem Verurteilton ebenfalls ermöglicht, im Lande zu bleiben, wobei dies nicht zuletzt von seinem inskiinftigen Verhalten abhänge.

Im einzelnen ergibt sich : Zu b. Raymond Roy Swoboda kam Ende Oktober 1915 von Paris, wo er längere Zeit als Kaufmann gelebt hatte, in die Schweiz Aus Frankreich war er ausgewiesen worden, nachdem eine Untersuchung wegen Brandstiftungsversuches auf dem Dampfer La Tourraine eingestellt worden war. In unserem Lande befasste er sich mit Handelsgeschäften verschiedener Art, zuerst Import- und Exportgeschäften mit Deutschland, dann mit internationalen Warenabschlüssen für die Zeit nach dem Kriege. Im Januar 1916 wurde er angegangen, für den deutschen Nachrichtendienst tätig zu werden. Er will dies abgelehnt haben, immerhin behielt er eine Deckadresse seines Auftraggebers. Im Frühjahr 1916 meldete er an diese Deckadresse, dass ein gewisser Walde, Schweizer, Drogist in Genf, mit dem er in Geschäftsbeziehungen getreten war, sich dem deutschen Nachrichtendienst zur Verfügung stelle.

Durch seine Vermittlung wurde Walde nach Deutschland gerufen und dort vorbereitet. In der Folge reiste Walde dreimal nach Frankreich. Die Beobachtungen der ersten und zweiten Reise berichtete er mündlich an Swoboda, der sie nach Deutschland weitergab. Anlässlich der dritten Erkundungsreise sandte Walde von Paris aus, in einem Bartpinsel versteckt, an die Adresse Swobodas nach Bern einen für Deutschland bestimmten Bericht.

Diese Sendung wurde von Swoboda nicht erhoben und ging nach Paris zurück, worauf Walde verhaftet und wegen Einverständnisses mit dem Feinde zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt wurde. Swoboda erhielt von Deutschland als Gegenleistungen für seine Dienste Erleichterungen für seinen Geschäftsverkehr.

Im Gesuch um Erlass der Landesverweisung wird für Swoboda ausgeführt, er sei amerikanischer Staatsbürger, anderseits aber des verbotenen Nachrichtendienstes zugunsten Deutschlands überführt. Seine Ausweisung nach den Ländern der Entente
würde dem Tode gleichkommen und nach Deutschland die Internierung bedeuten, da er Angehöriger eines nunmehr Deutschland feindlichen Staates sei. Swoboda könne weder als schlechter

& Mensch, noch Abenteurer, sondern lediglich als einer jener Unglücklichen gelten, die der Krieg entwurzelt habe. Vor > der unsinnigen Anschuldigung wegen Brandstiftungsversuches auf der Tourraine sei er in Paris in glänzender gesellschaftlicher Stellung gewesen. Im Verlaufe jener an und für sich ergebnislosen Untersuchung habe sich herausgestellt, dass Swoboda ursprünglich Deutseher gewesen und in 'der deutschen Armee gedient habe, was zur Beschlagnahmung seines Vermögens und nachhcrigen Ausweisung genügte. Inzwischen habe er sich in unermüdlicher Arbeit heraufgeschwungen. Den schweizerischen Behörden werde er keinen Anlass zu Klagen geben, wie ja auch die eine Verfehlung für ihn nicht schlimm liege. Zum Nachrichtendienst habe er sich lediglich hergegeben, um sich die Möglichkeit geschäftlicher Beziehungen mit Deutschland zu verschaffen, wobei er für die Versorgung der Schweiz mit Lebensrnitteln sehr viel getan habe. Aus all diesen Gründen wird ersucht, ,,seine Ausweisung nicht zu vollziehen und ihm an seinem bisherigen Wohnort den Aufenthalt zu gestatten11.

Die Begnadigungssache Swoboda ist unseres Erachtens in besonderem Masse geeignet, die Zweckmässigkeit der getroffenen Regelung gegenüber Anträgen auf gnaden weisen Erlass der Landesverweisung darzutun. In Anbetracht der schwerwiegenden gerichtlichen Feststellungen, an denen nicht gerüttelt werden kann, wäre nach unserer Überzeugung eine Begnadigung durchaus ungerechtfertigt. Wir beantragen deshalb ohne weitere Erörterung der Gesuchsanbringen, Swoboda im Begnadigungswege abzuweisen. Dagegen wird es Sache der eidgenössischen Strafrollzugsbehörden sein, den besonderen Verumständungen des Falles Rechnung zu tragen.

Zu c. Max Josef Witt war tätig, für den deutschen Nachrichtendienst Leute zu beschaffen, die Erkundungsreisen nach Frankreich übernehmen sollten.

Witt gelangt zwecks Begnadigung mit einer umfangreichen Denkschrift an die Bundesversammlung, in der er in zusammenhangloser, krankhafter Weise seinen Lebenslauf schildert und sich bemüht, darzutun, er sei durch mannigfache Schicksalsschläge verfolgt und immer bestrebt gewesen, sich ehrlich über Wasser zu halten. Dabei sei er vielfach missbraucht worden und auch bezüglich der Handlungen, die ihm die hier in Betracht kommenden Strafen zugezogen hätten, durchaus im guten Glauben gewesen, die Personen, die er für eine Reise nach Frankreich

10 gewinnen sollte, hätten lediglich einwandfreie kaufmännische Dienste zu leisten.

In den Akten befinden sich ferner Zuschriften der Elterfi und Schwiegereltern Witts, die sein Gesuch befürworten.

Angesichts der besonderen Verumständungen der Begnadigungssache Witt kann davon abgesehen werden, auf die Gesuchsanbringen näher einzutreten. Es steht nämlich fest, dass Witt an unheilbarer Gehirnerweichung leidet, weshalb der Urteilsvollzug, soweit Gefängnis und Landesverweisung in Betracht kommen, vom schweizerischen Justiz- und Polizeidepartement und den Behörden des Kantons Zürich entsprechend Artikel 197, lit. a, des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege, vom 27. August 1851, aufgeschoben wurde. Es handelt sich somit um Verhältnisse, die soweit ausdrücklich von einer Bestimmung des Strafvollzuges erfasst werden, und es genügt auch hier, die Angelegenheit den betreffenden Behörden zu überlassen.

Dagegen beantragen wir, in Anbetracht der unheilbaren Krankheit des Gesuchstellers und um der ohnehin schwer heimgesuchten Familie weitere Kümmernisse zu ersparen, die noch ausstehende Busse von Fr. 300, die vermutlich doch nicht bezahlt und für den Fall der Umwandlung auch nicht ersessen werden könnte, begnadigungsweise zu erlassen.

A n t r ä g e : Abweisung Challets und Swobodas, Erlass der Busse bei Witt.

44. Karl Wenger, geb. 1872, Hengstenwärter, Zug.

(Verfügung betreffend Zuchtstuten.)

Karl Wenger ist vom Polizeirichter von Trachselwald am 7. Mai 1918 in Anwendung der lit. B, Ziffern 2, 3, 7, 13, der Verfügung des schweizerischen Militärdepartements betreffend die Befreiung von Zuchtstuten vom Ablösungsdienst vom 8. Januar 1917 in Verbindung mit den Art. 6 und 7 der Verordnungbetreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand vom 6. August 1914 (A. S. n. F. XXX, 370) verurteilt worden zu Fr. 20 Busse.

Wenger, der um Erlass der Busse und der Kosten ersucht, hat im Juni 1917 als Hengstenhalter in Sumiswald eine Stute, die, weil 1913 geboren, im Jahre 1917 Pikettpferd war, zur Beschälung zugelassen, ohne dass die nötigen Ausweise vorhanden waren, die die Stute als zur Zucht verwendbar erklärt hätten.

11 Der Gesuchsteller macht geltend, er habe die Vorschriften nicht absichtlich übertreten, die Stute sei ihm als erst dreijährig angegeben worden, und er habe sie selbst auch so eingeschätzt.

Als Haupt einer Familie von sieben Köpfen sei er auf seinen Verdienst angewiesen. Das Strafverfahren habe ihm erhebliche Reiseauslagen verursacht.

Der Kantonstierarzt von Zug befürwortet das Gesuch und betont die berufliche Zuverlässigkeit Wengers. Empfohlen wird das Gesuch ferner vom Regierungsstatthalter von Trachselwald und der Polizeidirektion des Kantons Bern, die der Meinung ist, ein Verschulden Wengers liege nicht vor. Die Oberleitung der Pferdedepots betont dagegen, dass es Wengers Pflicht gewesen wäre, sich sichere Grundlagen über das Alter des Tieres zu beschaffen, ist jedoch in Anbetracht der anderweitigen Gesuchsanbringen nicht gegen eine Begnadigung.

Da es sich um eine eher geringfügige Verfehlung handelt, kann mit Rücksicht auf die Familienlasten des Gesuchstellers, seinen guten Leumund und die ihm erwachsenen Auslugen eine Begnadigung in Erwägung gezogen werden.

Anderseits verlangt die Wichtigkeit der betreffenden Vorschriften für die Mobilisationsbereitschaft von den Hengstenwärtern in der Berufsausübung eine besondere Sorgfaltspflicht. Wenger hat, wie rechtskräftig erkannt ist, immerhin fahrlässig gehandelt, auch sind die strafmindernden Umstände vom Richter bereits berücksichtigt worden, so dass eine gänzliche Begnadigung nicht als gerechtfertigt erscheint. Dagegen beantragen wir Herabsetzung der Busse auf Fr. 5.

Soweit Wenger um Erlass der Verfahrenskosten nachsucht, wird darauf nicht einzutreten sein, da die Begnadigungsbehörde nach ständiger Übung lediglich über einen allfälligen teilweisen oder ganzen Erlass der ausgesprochenen Strafe entscheidet.

A n t r a g : Herabsetzung der Busse auf Fr. 5.

45. Fritz Oefeli, geb. 1889, Maler, Zürich; 46. Frida Marti, geb. 1896, Schneiderin, Bern.

(Gästekontrolle in Hotels und Pensionen.)

Gestützt auf die Verordnung betreffend die Grenzpolizei und die Kontrolle der Ausländer vom 21. November 1917 (A. S. n. F.

XXXIII, 959) sind verurteilt worden:

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a. Fritz Oefeli vom Kreisgerichtsaussehuss Davos am 2. Mai 1918 zu Fr. 50 Busse; b. Frida Marti, damalige Troxler, vom Gerichtspräsidenten IV von Bern am 14. Mai iu Anwendung der Art. 23 und 24 der Verordnung zu Fr. 50 Busse.

Zu a. Der verheiratete Fritz Oefeli hat sich mit einer Frau Bummer, Ingenieursgattin, in einem Davoser Gasthof aufgehalten, sich als ihr Ehegatte ausgegeben und dementsprechend bei der Ankunft im Gasthof die beiden Anmeldescheine mit ,,Bummer, Frédéric10, Ingenieur, und ,,Bummer, Louise" ausgefüllt.

Oefeli betont in seinem Begnadigungsgesuch, er sei Schweizer und nicht Ausländer, so dass die Verordnung vom 21. November 1917 auf ihu keine Anwendung finde. Diese Ansicht ist jedoch irrtümlich, wie sich aus Art. 19, lit. a, der Verordnung ergibt.

Ferner bringt der Gesuchsteller an, er sei seit seiner Rekrutenschule lungenkrank und ohne Mittel, sich die notwendigen Kuren leisten zu können. Die von Frau Bummer angeregte Begleitung habe er lediglich angenommen mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand und in der Hoffnung, der Kuraufenthalt werde ihm Heilung bringen.

Angesichts des sonderbaren Verhaltens Oefelis, der schliesslich Davos mit beträchtlichen Schulden veiiiess, und der ihm auch, sonst ungünstigen Berichte der Zürcher Polizei ist sein Begnadigungsgesuch durchaus unangebracht.

Zu b. Frida Troxler, nunmehrige Frau Marti, hat sich zwei Tage vor ihrer Hochzeit auf den Namen ihres Bräutigams in den Anmeldeschein eines Berner Gasthofes eingeschrieben.

Die Gesuchstellerin führt aus, sie hätten am 1. Mai ihre Wohnung noch nicht beziehen können und seien gezwungen gewesen, ein Zimmer zu nehmen, ferner habe sie bereits Fr. 8. 50 Busse und Kosten bezahlen müssen.

Aus den Akten ergibt sich die Richtigkeit dieser Darstellung, auch wird das Gesuch von sämtlichen Amtsstellen befürwortet.

Mit Rücksicht auf die harmlosen Verumständungen schliessen wir uns an und beantragen Erlass der Busse, soweit sie nicht bereits bezahlt ist.

A n t r ä g e : Abweisung bei Oefeli, Erlass des Restes deiBusse bei Frida Marti.

13 47. Joseph Fischer, geb. 1886, Drechsler, Boswil (Aargau).

(Unbefugtes Schlagen eines Nussbaumes.)

Joseph Fischer wurde am 10. Mai 1918 von der II. Abteilung des Obergerichts des Kantons Aargau, in Aufhebung eines erstinstanzlichen Freispruchs, gestützt auf den Bundesratsbeschluss betreffend Verbot des Schiagens von Nussbäumen vom 24. Oktober 1916 (A. S. n. F. XXXII, 441), ergänzt am 30. Januar 1917 (A. S. n. F., XXX1ÌI 32), verurteilt zu Fr. 50 Busse.

Fischer fällte im Laufe des Winters 1917/1918 ohne behördliche Bewilligung einen ihm gehörenden kleinen und schadhaften Nussbaum.

Der Gesuchsteller wiederholt wie im gerichtlichen Verfahren, er habe eine Schlagbewilligung angesichts der Krankheit des Baumes nicht für nötig gehalten. Er sei ein 'junger Handwerker, und die Entrichtung von Busse, Kosten und Gebühren sei für ihn eine schwere Sache.

Der schweizerische Oberforstinspektor bemerkt, es handle sich offenbar um eine bewusste Übertretung des Schlag Verbotes, weshalb von einem gänzlichen Erlass der Busse nicht die Rede sein könne. Dagegen wird in Anbetracht des geringen Wertes des kranken Baumes und der beträchtlichen Gerichtskosten eine Herabsetzung auf Fr. 30 befürwortet.

Mit Rücksicht auf die eher geringfügige Widerhandlung und den Umstand, dass das oberinstanzliche Verfahren mit seinen Kosten und Gebühren durch den zu Unrecht erfolgten Freispruch der ersten Instanz veranlasst wurde, können wir der schweizerischen Inspektion für Forstwesen beistimmen. Eine gänzliche Begnadigung würden wir dagegen nicht für gerechtfertigt halten.

A n t r a g : Herabsetzung auf Fr. 30.

48. Louise Bonini - Hochstrasser, geb. 1883, Möriken (Aargau).

(Vorschriften zur Vermehrung der Lebensmittelerzeugung.)

Louise Bonini wurde am 15. August 1918 vom Bezirksgericht Lenzburg in Anwendung der Artikel 9 und 33 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Vermehrung der Lebensmittelproduktion vom 15. Januar 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 83) ver urteilt zu Fr. 15 Busse.

Louise Bonini hat von ihr gepflanztes, unreifes Gemüse im Jähzorn ausgerissen.

14 Im Gesuch um Erlass von Busse und Kosten, die zusammen Fr. 26. 60 betragen, wird erneut betont, die Handlung sei im Ärger und in der Aufregung erfolgt. Die Gesuchstellerin besitze, wie auch aus dem beigegebenen Zeugnis hervorgehe, einen guten Leumund und sei nicht vorbestraft. Die Entrichtung des geschuldeten Betrages wäre für sie und ihre Kinder eine bedeutende Einbusse.

Die Handlungsweise der Louise Bonini ist bedauerlich und die richterliche Ahndung gerechtfertigt. Das Begnadigungsverfahren seinerseits kann nicht dazu dienen, unerwünschte Folgen aus nachbarlichem Zank und Streit auf leichte Weise zu beseitigen.

. A n t r a oa; : Abweisung-.

o 49. Karl Nyffenegger, geb. 1877, Müller, Sumiswald (Bero); 50. Hans Vogt, geb. 1863, Müller, Villigen (Aargau).

(Mahl Vorschriften.)

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss über die Verwendung und Vermahlung von Brotgetreide und über die Verwendung und den Verkauf der Mahlprodukte vom 29. Mai 1917 (A. S.

n. F. XXXIII, 317) sind verurteilt worden : a. Karl Nyffenegger vom korrektionellen Einzelrichter von Trachselwald am 26. März 1918 in Anwendung der Artikel 3 und 14 zu Fr. 100 Busse ; b. Hans Vogt von der zweiten Abteilung des Obergerichts des Kantons Aargau am 12. April 1918 in teilweiser Abänderung eines erstinstanzlichen Urteils des Bezirksgerichtes Baden in Anwendung der Artikel 2, 3 und 14 zu Fr. 300 Busse.

Die Müller Nyffenegger und Vogt wurden beide überwiesen, Mehl hergestellt zu haben, das vom Bundestypmuster wesentlich abwich.

Zu a. Für Nyffenegger wird im Gesuch um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Busse und Expcrtisekosten hauptsächlich angebracht, er sei Eigentümer einer kleinen Kundenmühle, die er mit fremder Hülfe erworben habe. Die Unterhaltung der an der Grüne gelegenen Wasserwerkanlagen sei kostspielig, da die Grüne mitunter als Wildwasser hause und in den letzten Jahren auch den Gesuchsteller schwer geschädigt habe. Dies in Verbindung mit der grossen Zinsenlast bedeute für Nyffenegger ein hartes Los. Trotz unermüdlicher Arbeit müsse er froh sein.

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den Alltagssorgen Herr zu werden, Ersparnisse zu machen sei ihm dagegen nicht möglich. Seine Verhältnisse hätten es endlich im ersten Kriegsjahre gestattet, einen neuen Zylinder einrichten zu lassen. Damit habe er gearbeitet, bis im Januar 1918 die Behörden die Sache aufgegriffen hätten. Nyffenegger mahle ausschliesslich für Selbstversorger, weshalb er habe annehmen dürfen, dass ,,man in der Mühle in der Anwendung der Mahlvorschriiten vielleicht doch etwas weniger streng gehalten sein werde", weil den Selbstversorgern ihr Bestimmtes zur Verfügung stehe. Gewinnund Spekulationssucht oder Böswilligkeit liege nicht vor, auch seien sofort nach der Beanstandung die zur Ausmahlung des Typmusters notwendigen Einrichtungen getroffen worden.

Der Gerichtspräsident und der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes Trachselwald befürworten das Gesuch, die Polizeidirektion des Kantons Bern enthält sich eines Antrages.

Die Vernehmlassung des schweizerischen Oberkriegskommissariates betont unter anderem, noch aus dem Gesuch ergebe sich, dass Nyffenegger, bevor die Kontrolle bei ihm einsetzte, sich um die Mahlvorschriften wenig oder gar nicht kümmerte. Der Richter habe der wirtschaftlichen Lage des Angeschuldigten bereits Rechnung getragen, zudem handle es sich um absichtliche Widerhandlungen gegen bekannte Vorschriften, so dass eine Begnadigung auch ' deshalb abgelehnt werden sollte. Für den Gesuchsteller spreche einzig, dass er sofort nach Einleitung des Strafverfahrens seine Mahleinriehtungen verbessert habe, und er in Anbetracht seiner Verhältnisse namentlich durch die hohen Gerichtskosten stark getroffen werde.

In diesem Zusammenhang ist zu erinnern an die Anträge des Bundesrates in den Begnadigungssachen Frey und Kunz der letzten Sommersession, denen die Bundesversammlung zugestimmt hat (zu vergleichen Bundesblatt 1918, Band III, 34). Die wirtschaftliche Lage unseres Landes und die Wichtigkeit der Mahlvorschriften verlangt nun einmal vom Müller in seiner Berufsausübung erhöhte Sorgfaltspflicht. In Anbetracht der langandauernden Verfehlungen des Gesuchstellers ist die ausgesprochene Busse nicht zu hoch gegriffen. Soweit die Herabsetzung der auferlegten Untersuchungskosten verlangt wird, ist darauf wie in andern Fällen mangels Zuständigkeit nicht einzutreten.

Zusammenfassend sind die wirtschaftlichen und
Familienverbältnisse im vorliegenden Falle nicht derart, dass sie, wie in der erwähnten früheren Begnadigungssache Frey, eine teilweise Begnadigung dringend nahelegen.

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Zu b. Für Vogt wird ebenfalls die gänzliche Begnadigung verlangt. Wie im gerichtlichen Verfahren wird festgehalten, es sei unrichtig, vom einfachen Landmüller gleichviel zu verlangen wie von einem technisch vollständig auf der Höhe befindlichen Betrieb. Ferner hange das Mablergebnis von der Güte des zu verarbeitenden Getreides ab, weshalb das unbedingte Erfordernis, dass die Ausmahlung dem Typtnuster zu entsprechen habe, unverständlich sei. Ausschlaggebend sollte vielmehr sein, ob das Verhalten eines Müllers die Brotversorgung des Landes irgendwie gefährde. Die den Akten beigegebene Zuschrift des Gemeinderates von Villigen beweise, dass die Bevölkerung derartige Bestrafungen nicht verstehen könne. Auch in der Presse seien die Mahlvorschriften des schweizerischen OberkriegskommisKariates wiederholt als übertriebene, formalistische Forderungen bezeichnet worden.

Ferner werden im Gesuch die kritisierenden Erwägungen eines Freispruches des Bezirksgerichtes Bülach wiedergegeben und in der Folge die Mahlvorschriften und ihre Anwendung auf die Kundenmüller erneut beanstandet.

Mit Recht bemerkt das schweizerische Oberkriegskornmissariat in seiner eingehenden Vernehmlassung, das Gesuch Vogt sei in der Hauptsache eine Kritik der bundesrätlichen Erlasse und des ihnen entsprechenden Urteiles des aargauischen Obergerichtes.

Anschliessend begnügen wir uns in dieser Hinsicht, auf die ausführliche Darstellung des Oberkriegskommissariates und das den Akten ebenfalls beigelegte Kreisschreiben des schweizerischen Militärdepartements vom 6. Dezember 1916 zu verweisen, in der Meinung, es sei nicht Sache eines einzelnen Begnadigungsverfahrens, auf eine umfassende Erörterung über die Zweckmässigkeit bestehenden Bundesrechtes einzutreten.

Vogt ist zum zweiten Male rückfällig und die Erhöhung der erstinstanzlich gesprochenen Busse durch das Obergericht des Kantons Aargau von Fr. 210 auf Fr. 300 gerechtfertigt. Da ferner die Gesuchsanbringen unseres Erachtens nicht geeignet sind, eine Begoadigung veranlassen zu können, beantragen wir in Zustimmung zu den Darlegungen des schweizerischen Oberkriegskommissariates, das Gesuch abzuweisen.

A n t r ä g e : Abweisung beider Gesuchsteller.

51. Marie Llithi-BQrki, Speziererin, Oberburg (Bern).

(Bestimmungen über die Brotversorgung.)

Frau Marie Lüthi wurde am 17. Juni 1918 vom Polizeirichter von Burgdorf in Anwendung der Artikel I I und 52 des

17 Bundesratsbeschlusses über die Brotversorgung des Landes vom 21. August 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 651) verurteilt zu Fr. 10 Busse und den Kosten im Betrage von Fr. 3. 70.

Die Witwe Marie Lüthi, Inhaberin eines kleinen Spezereiladens nebst Brotverkaufsstelle, verkaufte Ende März 1918 bereits Brot gegen erst für den April gültige Brotkartenabschnitte.

Im Gesuch um Erlass der Busse und Kosten wird ausgeführt, in Abwesenheit der Mutter werde der Laden von den altern Kindern besorgt, weshalb es leicht möglich sei, dass Kartenabschnitte zu früh angenommen wurden. Die Verurteilte, seit Jahren verwitwet, habe vier noch erwerbsunfähige Kinder zu ·erhalten und werde von der Armenbehörde unterstützt. Die Entrichtung der Busse würde zu einer Einschränkung des Lebensunterhaltes veranlassen.

Der Gemeinderat von Oberburg bestätigt die Angaben. Die Polizeidirektion des Kantons Bern befürwortet weitgehende Berücksichtigung und empfiehlt Herabsetzung der Busse auf Fr. 2.

Das schweizerische Oberkriegskommissariat betont, in Anbetracht, ·der offensichtlich ärmlichen Verhältnisse und der schweren Familienlasten auch gegen die gänzliche Begnadigung keine Be'denken zu haben.

Mangels Zuständigkeit der Begnadigungsbehörde ist ein Erlass der Kosten, nicht möglich ; dagegen können wir aus den gleichen Erwägungen der Meinung des Oberkriegskommissariates beitreten und den ganzen Erlass der Busse beantragen.

A n t r a g : Erlass der Busse.

52. Hans Bachmann, geb. 1878, Metzgermeister, Baden (Aargau); 53. Josef Binkert, geb. 1868, Metzgermeister, Turgi (Aargau); 54. Adolf Buchmüller, geb. 1873, Metzgermeister, Mellingen (Aargau) ; 55. Josef Burger, geb. 1869, Metzgermeister, Baden (Aargau); -56. Martin Egloff, geb. 1879, Metzgermeister, Niederrohrdorf (Aargau); 57. Josef Fischer, geb. 1878, Metzgermeister, Baden (Aargau); 58. Johann Hauenstein, geb. 1855, Metzgermeister, Wettingen (Aargau) ; 59. Fritz Hitz, geb. 1870, Metzgermeister, Turgi (Aargau); 60. Wilhelm Jetzer, geb. 1873, Metzgermeister, Baden (Aargau); Btmdesblatt. 70. Jahrg. Bd. V.

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61. Georg Keusch, geb. 1887, Metzgermeister, Baden (Aargau); 62. Anna Kraushaar, geb. 1874, Metzgermeisterin, Ennetbaden (Aargau); 63. Josef Lang, geb. 1881, Metzgermeister, Wettingen (Aargau") ; 64. Konrad Madutz,geb. 1886,Metzgermeister,Würenlos(Aargau); 65. Hermann Matter, geb. 1878, Metzgermeister, Baden (Aargau) ; 66. Adolf Meier, geb. 1858, Metzgermeister, Meilingen (Aargau); 67. Friedrich Meier, geb. 1879, Metzgermeister, Würenlingen (Aargau) ; 68. Heinrich Meier, geb. 1884, Metzgermeister, Ennetbaden (Aargau) ; 69. Jean Müller, geb. 1877, Metzgermeister, Baden (Aargau); 70. Emanuel Runter, geb. 1864, Metzgermeister, Baden (Aargau); 71. Josef Scherer, geb. 1870, Metzgermeister, Nussbaumen (Aargau) ; 72. Karl Spengler, geb. 1863, Metzgermeister, Wettingen (Aargau)^ 73. Karl Spengler, Sohn, geb. 1894, Metzgermeister, WettingenDorf (Aargau).

(Fleischhöchstpreise.)

Vom Bezirksgericht Baden sind am 21. Mai 1918 je zu Fr. 40 Busse verurteilt worden: a. die Metzgermeister Egloff, Hauenstein, Lang, Madutz, Meier Friedrich, Spengler, Vater und Sohn, gestützt auf Art. 30 des Bundesratsbeschlusses vom 13. April 1917 betreffend den Verkehr mit Vieh (A. S. n. F. XXXIII, 181) und Art. l der Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 12. September 1917 betreffend Höchstpreise für Fleisch vom Grossvieh des Rindergeschlechts (A. S. n. F. XXXIII, 732) ; b. die andern Vorgenannten überdies in Anwendung des Art. 3, b, der Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 31. August 1917 betrefiend Höchstpreise für Schlachtkälber und Kalbfleisch (A. S. n. F. XXXIII,, 692).

Der Metzgerverein des Kantons Aargau beschloss im März 1918, fortan das Kilogramm Rindfleisch zu Fr. 4. statt gemäss Art. l der Verfügung vom 12. September 1917 zu Fr. 3. 60 und das Kilogramm Kalbfleisch zu Fr. 4. 40 statt gemäss Art. 3, à, der Verfügung vom 31. August 1917 zu Fr. 3. 50 zu verkaufen.

Die unter a genannten Metzgermeister verkauften derart Ende März Rindfleisch, die übrigen auch Kalbfleisch.

19 Sämtliche lassen ein gemeinsames Gesuch um gänzliche oder teilweise Begnadigung einreichen, weil der ihnen aus den Verurteilungen ,,erwachsende Vermögensnachteil im Vergleich zu ihrem Verschulden um ein vielfaches übersetzt" sei. Dieses Gefühl habe offenbar auch der Strafrichter, ,,sonst hätte er sie gewiss nicht im Strafurteil selbst zur Begnadigung empfohlen''.

In längeren Anbringen wird für die Gesuchsteller behauptet, die Massnahmen des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements betreffend Schlachtvieh- und Fleischhöchstpreise hätten die .Metzgerschaft in eine Notlage gebracht und insbesondere die aargauischen Metzger zur Selbsthülfe veranlagst, als ihre Eingaben an die zuständigen Behörden unberücksichtigt geblieben seien. Für das Verschulden des einzelnen falle entlastend in Betracht, dass die eigenmächtige Preiserhöhung auf dem Wege des Verbandsbeschlusses zustande gekommen und überdies nur Nachahmung von Geschehnissen in andern Kantonen sei. Im Vergleich zu andern ähnlichen Fällen seien die hier gesprochenen Bussen zu hoch und sollten deshalb auf dem Wege der Begnadigung ausgeglichen werden.

Neben dieser kurzen Übersicht verweisen wir für die einzelnen Angriffe und Erörterungen auf das Gesuch selbst.

Das Bezirksgericht Baden gelangte zur Verurteilung der Angeschuldigten, da die Höchstpreisüberschreitungen zugegeben wurden, wobei es aber in den Erwägungen in erheblichem Umfang die Anbringen der Metzgerschaft, die auch im Gesuche wiederkehren, übernahm.

Mit Rücksicht auf die vom urteilenden Gericht und den Gesuchstellern erörterten, teilweise nicht unwesentlichen Punkte wurden alle Akten dem Generalsekretariat des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements übermittelt, mit dem Ersuchen um eingehende Vernehmlassung und Stellungnahme zu den Anbringen.

Die ausführliche Antwort vom 9. August 1918, auf die wir, was Einzelheiten anbelangt, verweisen, ist den Begnadigungakten · beigelegt. Die Darstellung, welche die gegen das Volkswirtschaftsdepartement erhobenen Vorwürfe entkräftet, stellt durchwegs fest, ,,dass die Forderungen der Metzger von jeher in der gleichen eingehenden Weise geprüft wurden, wie die Begehren anderer Gewerbetreibender. Wenn den Metzgermeistern nicht immer entgegengekommen werden konnte, oder wenn ihre Eingaben nicht stets sofort in zustimmendem Sinne beantwortet
wurden, so ist auch hier nicht zu vergessen, dass das Departement eben die Interessen der Allgemeinheit zu wahren hat, und einen billigen Ausgleich zwischen den einander widerstrebenden Ansprüchen

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der verschiedenen Berufs- und Volksschichten höher stellt, als die Erfüllung einseitiger Forderungen bestimmter Gewerbe."

Davon ausgehend muss das eigenmächtige Verhalten des aargauischen Metzgervereins nach wie vor missbilligt werden.

Auch erscheinen im Vergleiche zu andern Entscheiden, wie beispielsweise eine Reihe ebenfalls den Akten beigelegte Urteile zeigen, die gesprochenen Bussen keineswegs als zu hoch. Da schliesslich anderweitige Verumständungen, die als Begnadigungsgriinde in Betracht kommen könnten, wie Armut, schwere Familienlasten und dergleichen, nicht geltend gemacht werden, beantragen wir im Anschluss an die Darstellung des Volkswirtschaftsdepartements, sämtliche Gesuchsteller abzuweisen.

A n t r a g : Abweisung aller Gesuchsteller.

74. Ernst Ehrensperger, geb. 1892, Elektrotechniker, Aarau (Aargau).

(Vorschriften betreffend Motorfahrzeuge.)

Ernst Ehrensperger wurde am 17. August 1918 vom Bezirksgericht Aarau in Anwendung des Art. 10 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Abgabe des Brennstoffes für Motorfahrzeuge vom 14. Juli 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 512) verurteilt zu Fr. 25 Busse.

Ehrensperger wurde am 18. Juni 1918 mit einem Motorvelo, das Dienstfahrzeug des aargauischen Elektrizitätswerkes ist, angehalten, wobei er die Brennstoffbezugskarte nicht vorweisen konnte, da er sie im Betriebsbureau hatte liegen lassen.

Ehrensperger, der um Erlass der Busse ersucht, bringt ähnlich wie im gerichtlichen Verfahren an, er sei in dringlicher dienstlicher Sache gefahren. Das Fahrzeug stehe sämtlichen Beamten zur Verfügung, und da bald dieser, bald jener die Bezugskarte mit sich trage, geschehe es leicht, dass sie nicht zur Hand sei. Dies sei-auch am 18. Juni der Fall gewesen, und er sei sich deshalb keiner Verfehlung bewusst, wie ja auch die kantonale Staatsanwaltschaft die Angelegenheit mit einem Verweise habe erledigen wollen.

Es liegt ein ähnlicher Tatbestand vor wie in der Begnadigungssache Burli (zu vergleichen Antrag 27 dieser Session).

Dagegen handelt es sich hier weder um einen Berufsfahrer, nocli

21 sind ähnliche Vorstrafen erschwerend zu berücksichtigen. Wir beantragen deshalb Herabsetzung auf Fr. 5, in der Meinung, die laut den Urteilserwägungen vorhandene Fahrlässigkeit und die Rücksicht auf andere derartige Fälle lasse eine gänzliche Begnadigung nicht als gerechtfertigt erscheinen.

A n t r a g : Herabsetzung auf Fr. 5.

75. Arnold Lapaire, geb. 1879, Uhrenmacher, Fontenais (Bern).

(Handel mit Lumpen und StofFabfällen.)

Arnold Lapaire wurde am 5. April 1918 .vom Polizeirichter von Pruntrut in Anwendung der Art. 2, 3 und 5 des Bundesratsbeschlusses betreffend dea Handel mit Lumpen und neuen Stoffabfallen aller Art vom 17. Oktober 1916 (A. S. n. F. XXXII, 429) verurteilt zu der Mindestbusse von Fr. 50.

Lapaire kaufte Lumpen, ohne gernäss der den Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1916 ausführenden Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 3. Januar 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 13) die notwendig gewordene Bewilligung zu besitzen.

Im Gesuch um Erlass der Busse wird betont, Lapaire sei gestützt auf das erhaltene Hausierpatent gutgläubig gewesen. Erst später habe man bei der Verlängerung des Patentes den Handel mit Lumpen ausgeschlossen. Inzwischen sei er von diesem Gewerbe abgekommen und sorge anderweitig für seine sechs Kinder.

Die Entrichtung der Busse würde ihn sehr'schwer bedrücken.

Die amtlichen Berichte lauten günstig. Namentlich werden die Angaben über bestehende Familienlasten bestätigt. Der zuständige Regierungsstatthalter und die kantonale Polizeidirektion empfehlen Herabsetzung auf Fr. 10.

Wie in den Begnadigungssachen Baur und Brawand (zu vergleichen Anträge 30 und 31 dieser Session) dürfen die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers auch hier berücksichtigt werden, so dass eine Herabsetzung auf Fr. 10 beantragt werden kann.

A n t r a g : Herabsetzung auf Fr. 10.

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76. Eugen Winistörfer, Magaziner, Zürich.

(Bestimmungen über die Kartoffelversorgung.)

Gegen Eugen Winistörfer verfügte das schweizerische Volkswirtschaftsdepartement am 8. Mai 1918 in Anwendung der-Art. l und 6 der Verfügung betreffend die Kartoffelversorgung vom 3. September 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 709), in Verbindung mit den Art. 7 und 8 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Versorgung des Landes mit Kartoffeln vom gleichen Tage (A. S.

n. F. XXXIII, 689), eine Busse von Fr 50.

Winistörfer versuchte im September 1917, in Seeberg (Kanton Bern) und Umgebung bei Bauern Kartoffeln einzukaufen, ohne im Besitz der erforderlichen Bewilligung zu sein.

In dem Gesuch um Erlass der Busse wird wie im Administrativverfahren betont, Winistörfer habe lediglich im Auftrage seines seither verstorbenen Arbeitgebers in Zürich gehandelt, der zum Kartoffelhandel übergehen wollte, weil der bisherige Vertrieb von Pinseln, Staf'feleien und dergleichen sich nicht mehr lohnte.

Im Begriffe, Kartoffeln aufzukaufen, sei er, nachdem er vorerst keine bestimmte Auskunft erhalten habe, von einem Bauern darüber belehrt worden, dass er eine Bewilligung benötige.

Gleichen Tags sei er nach Bern gefahren, jedoch im Bundeshaus angewiesen worden, ein schriftliches Gesuch einzureichen. Dies sei dann von Zürich aus ohne Erfolg geschehen. Er habe kein Pfund Kartoffeln ausgeführt. Der Tod des Geschäftsherrn habe ihn um seine Anstellung gebracht, er sei stellenlos geworden und zur Zeit des Gesuches als Freiwilliger bei Meliorationsarbeiten tätig, um Frau und Kind erhalten zu können.

Aus den Akten ergibt sich, dass der Gebüsste seine Darstellung geändert hat : ursprünglich behauptete er, im Widerspruch zu Zeugen, den Bauern von Anfang an mitgeteilt zu haben, dass er sich die Bewilligung erst noch zu verschaffen habe.

Da der unbefugte Versuch des Ankaufs erbracht ist, fragt es sich lediglich, ob besondere Verumständungen eine Begnadigung nahelegen.

Mit Rücksicht darauf, dass der damalige Arbeitgeber das ungesetzliche Verhalten Winistörfers veranlagst haben mag, namentlich aber weil er inzwischen seine feste Anstellung verloren hat, wodurch seine Verhältnisse verschlechtert erscheinen, beantragen wir einen teilweisen Erlass der Busse.

A n t r a g : Herabsetzung auf Fr. 30.

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77. Gottfried Brand, geb. 1864, 78. Anna von Gunten, geb. 1872, 79. Arnold Hüni, geb. 1864,

80. Jakob Liechti, geb. 1877, 81. Friedrich Ryser, geb. 1876, alles Inhaber von Geschäften oder Kiosken in Thun (Bern) ;

82. Lina Zehnder-Neuschütz, geb. 1884, 83. Elise Wey-Schaub, geb. 1866, 84. Sophie Sägesser-Winter, geb. 1880, alles Inhaberinnen .von Verkaufsständen in Basel ; 85. Mina Wyler-Möhle, geb. 1868, Wirtin in Unspunnen (Bern); 86. Rosina Grlinig, geb. 1878, Kioskhalterin in Bern.

(Laden- und Wirtschaftsschluss.)

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 12. April 1918 (A. S. n. P. XXXIV, 431) betreffend Laden- und Wirtschaftsschluss, sowie Einschränkungen des Betriebes von Vergnügungs·etablissementen, teilweise konkurrierend mit kantonalen Vorschriften über das Wirtschaftswesen, sind verurteilt worden : u. Gottfried Brand, Arnold Hüni, Jakob Liechti, Friedrich Ryser am 8. Mai 1918, Anna von Gunten am 15. Mai 1918 vom Polizeirichter von Thun je zur Mindestbusse von Fr. 50; b. Lina Zehnder-Neuschütz, Elise Wey-Schaub und Sophie Sägesser-Win ter am 17. Mai 1918 vom Polizeigericht des Kantons Baselstadt je zur Mindestbusse von Fr. 50; e. Mina Wyler-Möhle am 3. Juni 1918 vom Polizeirichter von Interlaken zu Fr. 80 Busse; d. Rosina Grünig am 10. September 1918 vom Polizeirichter von Bern zu Fr. 50 Busse.

Zu a. Brand, Hüni, Liechti, Ryser und Anna von Gunten schlössen trotz polizeilicher Mahnung ihre Geschäfte und Kioske nicht um 7 Uhr abends.

Im gemeinsamen Gesuch um gänzlichen Erlass der Bussen wird ausgeführt, die Geâuchsteller seien mit ihren Militärartikeln auf die Truppen der nahen Kaserne angewiesen. Diese hätten in der Regel nicht vor 7 Uhr Ausgang und anderseits häufig Einkäufe zu inachen, um fehlende Gegenstände ersetzen zu können.

Es sei dies die erste Bestrafung und das damalige Verhalten dem Militär zugute gekommen. Überdies hätten sie in jenem Zeitpunkt ein Gesuch um Verschiebung des Ladenschlusses be-

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reits an die Behörden gelangen lassen. Da tagsüber die Einnahmen fehlten, möge man ihnen wohlwollend entgegenkommen..

Das Gesuch wird von den verschiedenen Behörden des.

Kantons Bern befürwortet. Der Gemeinderat der Stadt Thun,.

der Herabsetzung auf je Fr. 5 empfiehlt, bemerkt unter anderai, die Gesuchsteller seien mit ihren Militärartikeln tatsächlich auf den freien Ausgang der Truppe angewiesen. Dasselbe sagt diekantonale Polizeidirektion, und beide Behörden fügen bei, dass inzwischen den Verurteilten gestattet wurde, bis S Uhr offen zu halten. Das Generalsekretariat des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements betont in längerm Mitbericht, dass die getroffenen Massnahmen, welche von einem grossen Teil der selbständig tätigen Berufsstände bedeutende Opfer heischen, sich um ihres Zwecks willen nur rechtfertigen, wenn sie allgemein und gleichmässig durchgeführt werden, und bestätigt die nachträglichebesondere Ermächtigung zu späterm Ladenschluss.

Besondere Verhältnisse liegen vor, jedoch muss festgehalten werden, dass die Verurteilten trotz Verwarnung auf ihrem eigenmächtigen Verhalten beharrten. Der gänzliche Erlass sollte schon mit Rücksicht auf andere Gewerbetreibende nicht gewährt werden,, dagegen beantragen wir Herabsetzung auf je Fr. 10.

Zu b. Die Frauen Zehnder, Wey und die Mutter der verurteilten Sophie Sägesser-Winter, Agathe Winter-Müller, verkauften am Auffahrtstage, 9. Mai 1918, trotz vorheriger Warnung, bis 7 Uhr abends in den Langen Erlen bei Basel an offenen Ständen Backwerk und Konditoreiwaren.

Gemeinsam wird für alle um Erlass der Bussen ersucht und geltend gemacht, sie führten ihre Verkaufsstände zum Teil seit Jahren und hätten auch im März 1918 hierzu die Bewilligung gegen die übliche Gebühr erhalten, ohne von einer Änderung in den Verhältnissen in Kenntnis gesetzt worden zu sein. An derAuffahrt sei nachmittags, als sie ihre Waren bereits feilhielten, ein Polizist erschienen und habe sie auf das Verkaufsverbot aufmerksam gemacht. Der sonst eingetretene Verlust hätte sie aber gezwungen, ihre Ware abzusetzen. Auch sei ihnen nicht klar gewesen, woher das Verbot komme, nachdem sie seit Jahren unbehelligt ihr Gewerbe ausgeübt hätten. Der Bundesratsbeschlussvom 12. April 1918 sei allerdings am 17. April im Kantonsblatt gestanden, jedoch die kantonale Verordnung vom 3. Mai,
welche die Verkaufszeiten näher bezeichne, erst am 18, Mai gefolgt, so dass sie am 9. Mai nichts davon gewusst hätten. Weil sie nun mit Rücksicht auf die Verderblichkeit der Waren und den ver-

25 hältnismässig hohen Betrag, den sie zu ihrem Ankauf verwenden mussten, nach der Mahnung des Polizisten nicht sogleich zusammenpackten, sei es zur Verurteilung gekommen. Ferner machen sie ihre Mittellosigkeit geltend und bringen an, sie seien zum Teil sogar armengenössig und auf den Sonntags verdienst angewiesen.

Die Verhältnisse der Gesuchsteller werden im einzelnen geschildert und Frau Sophie Sägesser-Winter betreffend namentlich betont, nicht sie, sondern ihre betagte Mutter habe den Stand geführt, so dass fraglich erscheine, ob die Tochter zu Recht verurteilt wurde.

In dieser Beziehung lassen jedoch die Akten vermuten, um dies vorwegzunehmen, dass die Tochter die Bewilligung zum Verkauf besass und deshalb für die Führung des Standes verantwortlich gemacht wurde.

Bei den Akten liegt überdies eine ausführliche Vernehmlassung des Generalsekretariats des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements, die mit Recht besonders darauf verweist^ dass der Bundesratsbeschluss vom 12. April 1918 am 9. Mai Geltung beansprucht habe, und dass die Gesuchstellerinnen sich nicht darauf berufen können, die kantonale Ausführungsverordnung sei noch nicht publiziert gewesen. Ebenfalls ist richtig, dass die drei Verkäuferinnen von Polizeiorganen ausdrücklich auf das Unstatthafte ihres Verhaltens aufmerksam gemacht wurden, ohne sich jedoch an die ihnen erteilten Weisungen zu halten.

Aus den Akten geht unzweideutig hervor, dass armliche Verhältnisse vorliegen, was für weitgehendes Entgegenkommen spricht. Wie in den Fällen unter a kann jedoch nicht ganz entschuldigt werden, dass die drei Frauen trotz behördlicher Belehrung ihr Vorhaben ausführten. Diese Erwägungen veranlassen uns, auch hier eine Herabsetzung der Bussen auf je Fr. 10 zu empfehlen.

Zu c. Frau Mina Wyler hielt in der Nacht vom Sonntag/ Montag den 19./20. Mai dieses Jahres ihre Wirtschaft bis 12 Uhr offen. Nachher wurden einige Gäste bis 3 Uhr morgens in einem Zimmer noch ·weiter bewirtet.

Es liegt sowohl eine Übertretung des Bundesratsbeschlusses vom 12. April wie des bernischen Gesetzes über das Wirtschaftswesen vom 15. Juli 1894 vor. Die Zuständigkeit der Bundes.Versammlung als Begnadigungsbehörde ist gegeben, da das Bundesrecht bedeutend schärfere Strafen vorsieht und somit als Grundlage der ausgesprochenen Gesamtstrafe erscheint.

Im Ersuch um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Busse wird die Verurteilung wegen des kantonalen Tatbestandes

26 der Winkelwirtsehaft als unrichtig und die Bezahlung der Busse ohne weitere Begründung als unmöglich bezeichnet.

Der Gerichtspräsident von Iiiterlaken weist die Darstellung der Gesuchstellerin mit einem Hinweis auf die Akten zurück.

Der Gemeinderat von Wilderswil befürwortet das Gesuch in Anbetracht der wirtschaftlich bedrängten Verhältnisse. Dagegen stellen die übrigen kantonalen Behörden Abweisungsanträge, denen wir uns mit Rücksicht auf die mangelhafte Begründung des Gesuches und die zahlreichen Vorstrafen ohne weiteres anschliessen.

Zu d. Rosina Griinig schloss am 21. August 1918 den von ihr geführten Kiosk auf der Münsterplattform in Bern nicht um 7 Uhr.

Die Verurteilte ersucht um teilweisen Erlass und führt aus, sie habe unter den gegenwärtigen Verhältnissen schwer zu leiden und überdies für ein Kind zu sorgen. Die amtlichen Berichte lauten günstig. Der Geschäftsverkehr in ihrem Kiosk, in dem sie Schnitzereien, Spazierstöcke, Ansichtskarten u. dgl. verkauft, ist seit Kriegsausbruch sehr zurückgegangen.. Es gibt Tage, an denen sie nichts einnimmt. Die Gesuchstellerin ist eine rechtschaffene Person und bestrebt, sich ehrlich durchs Leben zu bringen. An einigen schönen Somrnerabenden Hess sie sich, um des Verdienstes willen, verleiten, über 7 Uhr hinaus offen zu halten.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern empfiehlt ganze oder doch weitgehende Begnadigung, der Regierungsstatthalter von Bern und die kantonale Polizeidirektion befürworten Herabsetzung auf Fr. 10.

Wie in den Gesuchen unter b kann den ärmlichen Verhältnissen Rechnung getragen werden, wobei wir ebenfalls Herabsetzung auf Fr. 10 beantragen.

A n t r ä g e : Herabsetzung der Bussen auf je Fr. 10 bei Brand, Hiini, Liechti, Ryser, Anna von Gunten, den Frauen Zehnder, Wey und Sägesser, Abweisung der Mina Wyler, Herabsetzung auf Fr. 10 bei Rosina Grünig.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den I.November 1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Calonder.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1918). (Vom 1. November 1918.)

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