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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 3. Juni 1918, nachmittags 5 Uhr, zur ordentlichen Sommertagung (4. Tagung der XXIV. Amtsdauer) zusammengetreten.

Im Nationalrat hielt bei der Eröffnung der ersten Sitzung Herr Präsident Calame folgende Ansprache : Herren Nationalräte !

Am Tage nach einer der wichtigsten Kundgebungen, an denen sich das Schweizervolk und die Kantone je beteiligt haben, werden Sie es mir zugute halten, wenn ich die Session ausnahmsweise mit geziemenden Betrachtungen eröffne. Ich werde Sie übrigens, seien Sie dessen versichert, nicht lange hinhalten.

Der am 1. und 2. Juni dem Volke zur Abstimmung vorgelegte Steuerentwurf ist seiner eigenen Initiative entsprungen: 116,185 Bürger haben vorgeschlagen, den Grundsatz einer direkten Bundessteuer in die Bundesverfassung einzufügen. Die Bundesversammlung glaubte, dem Wortlaute des neuen Art. 41bis nicht beipflichten zu sollen. Die beiden Bäte hatten beschlossen, dem Volke seine Ablehnung zu beantragen.

Die Wählerschaft hat auf den Ratschlag der Bundesversammlung gehört und ihn befolgt. Mit 321,000 Nein gegen 275,000 Ja, also mit einer Mehrheit von 46,000 Stimmen, hat sie die Einführung der direkten Bundessteuer abgelehnt. Die eidgenössischen Stände haben mit 14 1/2 gegen 7 1/2 Stimmen ebenso entschieden.

Die Wähler haben sich an der Abstimmung recht zahlreich beteiligt, haben doch 600,000 Bürger ihr Wahlrecht ausgeübt.

Die Stimmbeteiligung zeigt offensichtlich, welche Wichtigkeit man dieser mehr politischen als fiskalischen Frage allenthalben mit vollem Rechte beigemessen hat.

Hüben und drüben hat man sich redlich angestrengt, den untrüglich voneinander abweichenden Auffassungen zum Durchbruch zu verhelfen. Eine gleichartige Überzeugung hat ohne allen Zweifel Anhänger wie Gegner der direkten Bundessteuer be-

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geistert. Sie werden begreifen, dass ich mich, ohne ira übrigen den Streit von neuem entfachen noch die bestimmten Regeln der unparteiischen Geschäftsführung verletzen zu wollen, für meine Person über den gestrigen Volksentscheid freue. Ich freue mich ·darüber, weil ich fest überzeugt bin, dass dieser Entscheid für die Schweiz der 22 Kantone glücklich ist.

Vom rein fiskalischen Standpunkte aus hat die Wählerschaft negative Arbeit geleistet. Sie hat jetzt die Pflicht, zur positiven Arbeit überzugehen.

Hier kennen wir alle die Geldbedürfnisse, die die Mobilisation unserm Lande aufdrängt. Wir sind alle gewillt, dem Bunde die Einnahmequellen zu erschliessen, die ihn instand setzen, seine Kriegsschuld zu tilgen und den künftigen Landesaufgaben gerecht zu werden. Und das Volk wird die von ihm geheischten berechtigten Opfer nicht verweigern. Der Bundesrat hat sein Programm, dem im allgemeinen die Parteien, die die direkte Bundessteuer bekämpft, zugestimmt haben. Bald werden wir die Anträge zu beraten haben, die der Bundesrat uns vorzulegen sicher sich beeilen wird. Ich werde mich hüten, hierauf bezüglich bestimmte Auffassungen zu äussern oder auch nur einfache Angaben zu machen. Doch bin ich überzeugt, Ihre Ansichten richtig auszulegen, wenn ich erkläre, dass die eidgenössischen Räte die Tilgung des grössten Teils der Mobilisationsschuld vom erworbenen Vermögen und von den grossen Einkünften nach einem Progressivverfahren verlangen werden, das die Steuerpflichtigen in bescheidenen und mittleren Verhältnissen schont.

Die direkte Bundessteuer ist verworfen worden. Die Pflicht schreibt uns vor^ dem Bunde ohne Säumnis die Geldmittel zur Tilgung seiner Kriegsschulden zu beschaffen. Wir werden unsere Schuldigkeit tun und vertrauen dem Volke, dass es zu gegebener Zeit das erwogene Werk seiner Beauftragten gutheissen wird.

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12.06.1918

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