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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung.

70. Jahrgang.

Bern, den 27. März 1918.

Band L

Erscheint wöchentlich. Preis 1% Franken im Jahr, 6 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- and Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 15 Kappen die Zeile oder deren Raum. -- Anzeigen frank» an die Buchdruckerei Staatsfli & de. in Bern.

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Bericht des

schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1917.

(Vom

. ,

26. Februar 1918.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Gemäss Art. 47 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege beehren wir uns, Ihnen über unsere Amtstätigkeit im Jahre 1917 folgenden Bericht zu erstatten :

A. Allgemeines.

Personelles.

. Im Bestände des Bundesgerichts ist im Berichtsjahre keine Veränderung eingetreten.

, ., ..

Für die Jahre 1917 und 1918 hat Herr Bundesgerichtspräsident Ursprung den Vorsitz in der staatsrechtlichen Abteilung beibehalten. Der zum Vizepräsident gewählte Herr Picot hat das Präsidium der I. Zivilabteilung übernommen. Wir haben Herrn Ostertag als Präsidenten der II. Zivilabteilung bestätigt und Herrn Gottofrey zum Präsidenten der Abteilung für Schuldbetreibung und Konkurs ernannt.

Am 16. Juni 1917 hat Herr Soldati sein 2.5jähriges Amtsjubiläum als Mitglied des Bundesgerichts gefeiert.

Bundesblatt.

70. Jahrg. Bd. I.

32

426 Infolge der Demission des Herrn Giovanoli in Chur haben wir Herrn Oberrichter H, Rohr in Aarau zum Untersuchungsrichter für die deutsche und italienische Schweiz gewählt und ihm Herrn Regierungsrat Bonzanigo in Bellinzona als ausserordentlicher Untersuchungsrichter für die italienische Schweiz beigegeben.

Infolge der beständigen Zunahme der Spionageuntersuchungen haben wir als dritten ausserordentlichen Untersuchungsrichter Herr Dr. Münch in Basel bezeichnet.

Herr Dr. Huber hat aus Gesundheitsrücksichten seine Entlassung als deutscher Gerichtsschreiber verlangt, ebenso Herr Gerichtsschreiber Dr. Piccard infolge seiner Wahl zum Vizepräsidenten des eidgenössischen Versicherungsgerichts und Herr Sekretär Dr.

Lauber nach seiner Wahl zum Gerichtssehreiber des eidgenössischen Versicherungsgerichts. Wir haben die bisherigen Sekretäre Dr. Nägeli und Dr. Huguenin zu Gerichtsschreibern ernannt und an deren Stelle die Herren Dr. G. Weiss aus Winterthur und Dr. Haab aus Wädenswil als deutsche Sekretäre gewählt. Die Ersatzwahl für Herr'Dr. Lauber fällt ins Jahr 1918.

Geschäftslast, Verteilung und Erledigung der Geschäfte.

Die Geschäfte der staatsrechtlichen Abteilung sind der Zahl nach wiederum etwas zurückgegangen. Dagegen haben die Geschäfte der Zivilabteilungen, insbesondere diejenigen der I. Zivilabteilung, beträchtlich zugenommen. Die Zahl der Berufungen ist auf eine bisher nie erreichte Höhe angestiegen. Das hat zur Folge, dass viele Zivilgeschäfte ,auf lange Zeit hinaus vertagt werden müssen, was im Interesse einer prompten Erledigung sehr zu bedauern ist, und anderseits trölerische Weiterziehungen provoziert. Die starke Zunahme der Streitsachen aus dem Handelsverkehr ist zum grossen Teil durch den Krieg verursacht und wohl vorübergehend, immerhin aber geeignet, die Frage der Revision des. Organisationsgesetzes allen Ernstes in Erinnerung zu rufen.

Die Zahl der Beschwerden in Expropriationssachen hat sich eeuerdings1 vermindert. · Die Geschäftslast der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer ist sich ungefähr gleich geblieben.

· ' W e g e n ' der ausserordentlichen 'Inanspruchnahme der Mitglieder'des Bundesstrafgerichts und weil zudem mehrere Mitglieder des Bundesgerichts durch vorberatende Kommissionen des schweizerischen'.Justizdepartements oder durch Militärdienst in Anspruch genommen, oder wegen Krankheit beurlaubt waren, mussten die

427

Mitglieder einzelner Abteilungen häufiger zur Aushülfe in ändern Abteilungen beigezogen, auch öfters Suppleanten einberufen werden.

Während der Winterszeit haben wir, um Heizung und Licht zu sparen, die Bureaustunden auf 8l/s--12 und l1/«--5 Uhr verlegt und den grossen Sitzungssaal geschlossen..

Verschiedenes.

.

Die allgemeine Teuerung hat auch den Haushalt des Bundesgerichts empfindlich beeinflusst. Wir haben bei Festsetzung der Gerichtsgebühren darauf Rücksicht genommen und auch den Tarif für die Entschädigung der Parteien und Anwälte revidiert. Über die abgeänderten Pläne für ein neues Bundesgerichtsgebäude haben wir dem schweizerischen Departement des Innern ein neues Gutachten erstattet.

.

Das Register zur amtlichen Sammlung für die Jahre 1905 bis. 1914 wird im.Laufe dieses Jahres dem Drucke übergeben werden.

.

· Die Gesamtzahl der Sitzungen beläuft sich im vergangenen Jahre auf 369 (gegenüber 294 im Jahre 1916). Diese Sitzungen verteilen sich wie folgt: Plenum . . . . ' . . . . . 6 I. Zivilabteilung , . . . .

81 II. Zivilabteilung. . . . · . ' . . . 71 Staatsrechtliche Abteilung 62 Abteilung für Schuldbetreibung und Konkurs . . . . 2 1 Kassationshof . . . .

. . . .11 Anklagekammer '. ·. .

. 51 Bundesstrafgericht . . . . . . . . . . . . . . . 6 6 Total 369 Dabei ist zu bemerken, dass 267 Geschäfte der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer auf dem Zirkularwege erledigt worden sind.

Statistik über die Erledigungen von 1013 bis 1917.

1913

Natur der Streitsachen

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I. Zivilsachen: 1. Erst- und letztinatanzlich zu beurteilende Zivilsachen 2. Berufungen gegen Urteile kantonaler Gerichte . .

3. Zivilrechtl. Beschwerden 4. Andere Zivilsachen . .

6. Rekurse in Expropriationssachen I I . Strafsachen . . . .

III. Staatsrechtliche Streitigkeiten . . .

IV. Beschwerdenbetreflend das Schuldbetreibimgsund Konkurswesen .

V. Freiwillige Gerichtsbarkeit Total

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1915

1914 m g

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29 460 446 3 30 30 -- 8 8

43 440 450 3 29 30 6 4 -- 193 589 359 423 123 462' 2 17 18 1 22 21 83 396 424

55 411 413

5 302 304

3 357 351

9 465 471

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83 409 409

472 1632 1768

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69 534 487 116 6 31 36 1 2 19 19 2

84 2

100 55

115 46

69 63 74 11 119 110

58 20

53 407

415

45 382 393

34

3 425 423

5 375 374

6

1 6 4 2 4 4 4 2 6 5 6 5 6 336 1890 1655 571 1518 1882 207 1578 1538 247 1549 1530 266

429

B. Spezieller Teü.

1. Zivilrechtspflege.

Natur der Streitsache

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O-T3

1. Vom Bundesgericht als einziger Zivilgerichtsinstanz zu beurteilende Streitsachen (Art. 48-52 OG) 2. Berufungen (.Art. 56 f. OG) . .

3. Zivilrechtliche Beschwerden (Art. 86 und 87 OG) . . .

4. Revisions- und Erläuterungsbegehren, Moderationsgesuche l 5. Rekurse in Expropriationssachen

Neu 1 eingegangen 1

Eine Übersicht über die Zivilsachen, mit denen sich das Bundesgericht im Jahre 1917 zu befassen hatte, gibt folgende Tabelle :

·a » § 1 5f

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IÌÌ

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M 22 56 32 24 69 534 603 487 116 6 2 69

37

36

1

19 21 63 132

19 74

2 58

31

180 669 849 648 201 Ì Ad 1. Von den 56 direkten Prozessen betrafen: 1. Streitigkeiten zwischen Korporationen oder Privaten als Klägern und dem Bund als Beklagtem 2. Streitigkeiten zwischen Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten anderseits 3. Klagen aus Art. 23 des Expropriationsgesetzes . . .

17 l

Übertrag

30

12

430

Übertrag 4. Klagen aus Art. 47 desselben Gesetzes 5. Streitigkeiten über Rechtsverhältnisse der Verbindungsgeleise 6. Einsprache gegen die Verpfändung einer Eisenbahnunternehmung .

7. Streitigkeiten aus dem Nebenbahnengesetz 8. Klagen aus Art. 17 des Bundesgesetzes betreffend die elektrischen Schwach- und S t a r k s t r o m a n l a g e n . . . .

,, 9. Streitigkeiten, in welchen das Bundesgericht als vereinbarter Gerichtsstand angerufen wurde

30 3 l l l 3 17 ÏË

Von diesen 56 direkten Prozessen wurden erledigt: Durch Vergleich, bzw. Rückzug der Klage oder Anerkennung des Klagebegehrens . Durch Nichteintreten Durch Urteil Übertragen auf 1918

20 4 8 24 56

15 Prozesse wurden von der I. Zivilabteilung, 5 von der II. Zivilabteilung und 12 von der staatsrechtlichen Abteilung erledigt.

Ad 2. Von den 487 erledigten Berufungen, von denen 90 im schriftlichen Verfahren behandelt wurden, betrafen : 1. Das Zivilgesetzbuch (neues Recht) . . . .. . . .156 und zwar: Personenrecht Familienrecht (Ehescheidung 45, Vaterschaft 26, andere Materien 28) Erbrecht Sachenrecht (Eigentum 14, Dienstbarkeiten 4, Pfandrecht 20, Nachbarrecht 2, Quellenrecht l, Schuldbrief 2) .

Übertrag

4 99 10 43 -- 15H 156

431

Übertrag 156 239

2. Obligationenrecht und zwar im wesentlichen: Allgemeine Bestimmungen (Schadenersatz aus Vertrag und unerlaubter Handlung 45) . . . . 64 Käufvertrag 73 Pacht und Miete 10 Dienstvertrag 16 Werkvertrag 9 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . 1 0 Gesellschaftsrecht 12 3. Schuldbetreibungs-und Konkursrecht (Anfechtungsklagen 15) 28 4. Haftpflichtgesetze (Fabrikhaftpflicht 7, Eisenbahnhaftpflicht 9, Starkstromgesetz 1) 17 ·5. Urheberrecht und gewerblicher Rechtsschutz . . . . . 14 6. Versicherungsrecht .

11 7. Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr 2 ·8. Berufungen, auf die wegen Anwendung kantonalen, bzw. fremden Rechtes nicht eingetreten wurde . . . 20 487

Von den 487 Berufungen wurden 211 von der L, 276 von der II. Zivilabteilung (davon 14 aus dem reglementarischen Geschäftskreis der I. Zivilabteilung) erledigt.

Die auf 1918 übertragenen 116 Geschäfte sind, mit Aus^ nähme eines einzigen, in der zweiten Hälfte des Berichtsjahres, davon 51 im Monat Dezember, eingegangen.

Über die Art der Erledigung und die Herkunft der 603 Berufungen gibt die nachfolgende Tabelle Auskunft:

432 .

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Kantone

Aareau *·*·"* O**** · · · · Appenzell A.-Bh. . .

Appenzell I.-Rh.

Basel-Land . . . .

Basel-Stadt . . . .

Bern Freiburg Genf Graubünden . . . .

Luzern . . . . .

Neuenburg . . . .

Nidwaiden ' . . ' . " .

Obwalden . . . .

Schaffhausen Schwyz Solothurn S t . Gallen . . . .

Tessin Thurgau .

Uri Waadt Wallis . . . . .

Zug Zürich Total

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16 95

15 1 1 -- 17 39 2 38 4 14 14 2 1 4 2 4 9 16 3 1 8 2 1 43 241

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6 4 2 17

33 1 4 4 36 80 7.

80 9 38 27 4 5 10 9 20 33 40 14 2 34 11 4 98

116

603

2 2 5 18 3 14 2 5 5 2 3 -- 1 5 7 2 4

Von den 62 Nichteintretensfällen war in 21 Fällen kantonales, bzw. fremdes Recht anwendbar; in 25 Fällen fehlte der Streit-

433

wert oder ein Haupturteil, und in 16 Fällen waren die gesetzlichen Formvorschriften nicht gewahrt, bzw. es hätte die zivilrechtliche Beschwerde ergriffen werden sollen, oder es war die Berufung verspätet oder gegenstandslos.

Ad 3. Von den 36 zivilrechtlichen Beschwerden, von denen 34 von der II. Zivilabteilung zu behandeln waren, betrafen 5 Elternrechte (Art. 86 2 OG), 17 Vormundschaft und Beistandschaft (Art. 86 3), l Domizil, 2 die Kraftloserklärung eines Sparkassescheins, bzw. einer Bankobligation (Art. 86*), 11 die Anwendung kantonalen oder fremden statt eidgenössischen Rechts oder die Verletzung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1891 (Art. 87).

14 Beschwerden wurden abgewiesen, 8 gutgeheissen ; auf 11 wurde nicht eingetreten, 2 wurden zurückgezogen; l Geschäft wurde an die kantonale Instanz zurückgewiesen.

Ad 5. Von den 74 Expropriationsstreitigkeiten entHeien 47 auf die Bundesbahnen, 14 auf Nebenbahnen, 11 auf Kraftwerke und 2 auf Waffen-, bzw. Schiessplätze. Es wurden erledigt: 13 durch Rückzug, bzw. Vergleich, 52 durch Annahme des Vorentscheides, 9 durch Urteil. Von den 58 übertragenen Geschäften sind 15 im Jahre 1916, die übrigen im Berichtsjahre eingegangen.

II. Strafrechtspflege, a. Anklagekammer.

Die Tätigkeit der Anklagekammer hat sich auch im Berichts' jähre weiterhin vermehrt. 104 Strafuntersuchur>gen sind von den eidgenössischen Untersuchungsrichtern eingeleitet und der Anklagekammer angezeigt worden.

100 bezogen sich auf Spionagesachen, 4 auf andere Delikte (Beschimpfung fremder Völker, Beamtenbestechung, Sprengstoffverbrechen).

ÎÔ4 Nicht alle diese Untersuchungen gelangten an die Anklagekammer, da ein Teil derselben von den Untersuchungsrichtern im Einverständnis mit der Bundesanwaltschaft eingestellt wurden.

Die Anklagekammer hat im Berichtsjahre 51 Sitzungen abgehalten und in 59 Spionagefällen, sowie bezüglich 4 anderer Vergehen Überweisungsbeschlüsse erlassen. Ferner hat sie als Aufsichtsbehörde über die Untersuchungsrichter 36 Beschlüsse gefasst (betreffend Haftentlassung gegen Kaution, Gesuche um

434

Entschädigung für ungerechtfertigte Haft etc.). Endlich hat sie zwei Zirkularschreiben an die Untersuchungsrichter erlassen zu dem Zwecke, das bezüglich der Haftentlassung gegen Kaution zu beobachtende Verfahren zu regeln und Wegleitung zu geben mit Bezug auf das Verfahren in Untersuchungssachen.

Die Anklagekammer hat konstatieren müssen, dass in einer Reihe von Fällen die von den Angeklagten ausgestandene Untersuchungshaft in keinem Verhältnis zu den definitiv ausgesprochenen Strafen stand... Abhülfe für diesen Übelstand ist schwer zu finden, denn in den meisten Fällen hängt dies mit der allgemeinen Organisation unserer Strafgerichtsbehörden zusammen, die auf ganz andere, als die durch den Kriegszustand geschaffenen Verhältnisse zugeschnitten ist.

b. Bundesstrafgericht.

Durch die Bundesanwaltschaft ist während des Berichtsjahres in 63 Fällen mit 174 Angeklagten Anklage erhoben worden; 6 Fälle mit 11 Angeklagten wurden vom Vorjahre als unerledigt übernommen. Die Gesamtzahl der anhängig gemachten Fälle betrug somit 69 (29 im Vorjahre).

Davon wurden erledigt 57 (gegenüber 23 im Vorjahre).

Die übrigen 12 Fälle, von denen die meisten erst gegen Ende des Jahres anhängig gemacht worden sind, mussten auf das folgende Jahr übertragen werden. In 2 Fällen musste das Verfahren gegen einzelne Mitangeklagte getrennt und die Beurteilung auf einen spätem Zeitpunkt verschoben werden, weil die betreffenden Angeklagten noch in andere pendente Untersuchungen miteinbezogen worden waren.

Die Anklagen bezogen sich auf folgende Delikte: a. Nachrichtendienst auf schweizerischem Gebiete zugunsten fremder Mächte (Art. 5 der bundesrätlichen Verordnung vom 6. August 1914 betreffend Straf bestimmungen für den Kriegszustand) 64 b. Beschimpfung fremder Völker, Staatsoberhäupter oder Regierungen (Art. l der bundesrätlichen Verordnung vom 2. Juli 1915) 3 Übertrag

67

435 Übertrag c.: Bestechung von Bundesbeamten und Amtspflichtverletzung (Art. 53 und 56 des Bundesstrafrechts vom 4. Februar 1853) *.

d. Sprengstoffverbrechen (Bundesgesetz vom 12. April 1894)

67 l

l ~69 Von den 149 Angeklagten, die zur Aburteilung gelangten, wurden 133 verurteilt, 16 freigesprochen. Gegen 19 Angeklagte wurden Kontumazurteile gefällt. Im Falle c wurde auf Zuchthausstrafe, Geldbusse, Konfiskation des vorgefundenen Geldes und Einstellung im Aktivbürgerrecht erkannt. Gefängnisstrafe, verbunden mit Geldbusse, wurde ausgesprochen in den Fällen «.

Die höchste Gefängnisstrafe betrug ein Jahr (Spionagefall), die niedrigste 10 Tage; die höchste Geldbusse Fr. 10,000 (Fall c), die niedrigste Fr. 25. Nur auf Geldbusse wurde erkannt in einem der Fälle b. Gegen Ausländer wurde in einzelnen Fällen Landesverweisung auf die Dauer von 2 Jahren verfügt. Im Falle d wurde die Beurteilung verschoben, da der Angeklagte flüchtig war und keine genügenden Gründe für eine Verurteilung vorlagen.

c. Kassationshof.

Beim Kassationshof waren 60 Geschäfte anhängig (im Vorjahre 28). Davon wurden erledigt 52, und zwar: durch Gutheissung der Beschwerde 9 ,, Abweisung der Beschwerde . . . . . . . . 33 ,, Nichteintreten auf die Beschwerde 4 ,, Rückzug der Beschwerde oder infolge Gegenstandslosigkeit 6 52 Unerledigt blieben 8 Beschwerden.

Von den 9 begründet erklärten Beschwerden bezogen sich 3 auf kantonale Urteile, die . eine Strafe ausgesprochen hatten, 6 auf freisprechende Urteile, und es betrafen : das Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht (Art. 67 6, fahrlässige Eisenbahngefährdung) . . . .

l ,, ,, über die Arbeit in den -Fabriken vom 23. März 1877 l ,, über die Fischerei vom 21. Dezember 1888 l T Übertrag 3

436

·;···' Übertrag das Bundesgesetz über die Patenttaxen der Handelsreisenden ., ^ ,, über den Verkehr .mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen ,, ,, über das Absinthverbot die bundesrätliche Verordnung vom 10. August 1914 über den Ankauf von Lebensmitteln (sogenannte Kriegswucherverordnung) den Bundesratsbeschluss vom 13. Dezember 1915 über die Brotversorgung des Landes (Beschaffenheit des Vollmehls)

3 l l l l 2 9

das ,, ., ,, ., ,, ,, ,, ,, ,, ,, den ,, ., ,,

Von den übrigen 43 Beschwerden bezogen sich auf: Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853 (Art. 61, Fälschung einer Bundesakte) ,, über den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken ,, über die Erfindungspatente vom 21. Juni 1907 _, über die Patenttaxen dei- Handelsreisenden ,, über die Militärorganisation (Art. 213 -- Verkauf von Piketpierden) ,, über Schuldbetreibung und Konkurs . .

,, über die Arbeit in den Fabriken vom 23. März 1877 ,, betreffend die Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 . . . .

.,, über Mass und Gewicht vom 24. Juni 1909 ,, über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen ,, über das Absinthverbot Bundesratsbeschluss vom 10. August 1914/2. Februar 1917 über den Ankauf von Nahrungsmitteln (Nahrungsmittelwucher) ,, betreffend Höchstpreise für Butter und Käse vom 27. November 1915 . . . .

7, über die Brotversorgung des Landes (Beschaffenheit des Vollmehls) ,, betreffend die Einfuhr und deu Handel mit Zucker vom 8. Februar 1916 . . .

Übertrag

2 l 3 2

3 1 l l l 6 l t> 2 2 l 33

437

Übertrag den Bundesratsbeschluss vom 13. September 1916 betreffend Höchstpreise für Kartoffeln . . . . . .

,, ,, betreifend die Zählung der Motorfahrzeuge vom 30. Oktober 1916 / 6. Februar 1917 keine bestimmte Gesetzesvörschrift (Rechtsverletzung im allgemeinen) die Kassation vom Bundesstrafgerichte erlassener Urteile .

33 2 l l 6 ^43

;

Die 52 erledigten Fälle verteilen sich auf die Kantone wie folgt: Aargau 2 Appenzell A. Rh l Basel-Land - .'

2 Basel-Stadt 9 Bern 6 Freiburg 2 Genf l Graubünden . . . . . . . .

2 Luzern 3 Neuenburg 4 Schaffhausen . . .

.

l Solothurn l Thurgau l Tessin . 2 Waadt .

4 Wallis .

' ' · ' . . .

·* Zürich l -- Bundesstrafgericht 6 ' · 52

438

III. Staatsrechtspflege.

Neu 1 eingegangen 1

Natur der Streitsache

Übertragen ausll dem Vorjahre II

Die im Jahre 1917 beim Bundesgerichte anhängig gewesenen staatsrechtlichen Streitigkeiten verteilen sich ihrer N a t u r nach wie folgt:

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1

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1 . Streitigkeiten zwischen Kantonen 6 6 3 (Art. 175 "' OG) 2. Beschwerden von Privaten und Korporationen (Art. 1753 OG) 44 361 405 375 3. Streitigkeiten aus dem Bundesgesetz vom 25. Juni 1903 über den Erwerb des Schweizerbürgerrechts und den Verzicht 3 3 auf dasselbe (Art. 180 ' OG) . -- 3 4. Beschwerden betr. die politische Stimmberechtigung und betr.

kantonale Wahlen und Abstim2 2 2 mungen (Art. 180 5 OG) . . -- 5. Beschwerden betreff end Verweigerung des Armenrechts in 2 2 2 Haftpflichtfällen (Art. 180 ° OG) -- .

6. Einsprachen gegen Auslieferungsbegehren fremder Staaten 1 6 7 6 (Art. 181 OG) 7. Revisions-, Erläuterungs- und 2 2 2 Moderationsbegehren -- 45 382 427 393

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si 3 30

--

-- -- 1 -- 34

Die auf 1918 ü b e r t r a g e n e n 34 Beschwerden stammen alle aus dem Jahre 1917 her; der weitaus grösste Teil ist im Monat Dezember eingegangen. Der älteste Fall wurde Ende Juli anhängig gemacht.

Zu den e r l e d i g t e n Fällen ist folgendes zu berichten:

439

Ad 1. S t r e i t i g k e i t e n z w i s c h e n K a n t o n e n . Die hier erwähnten drei Fälle betrafen: d e r ; e r s t e eine Streitsache zwischen den Kantonen Zürich und Schaffhausen über den Ersatz von Unterstützungskosten für verarmte Ausländer (Niederlassungsvertrag mit. Österreich vom 26. Januar/7. April 1876); der z w e i t e eine solche zwischen den Kantonen Bern und Tessin über die Zuständigkeit der Behörde zur Eröffnung des Erbganges (Art. 551 ZGB) ; der d r i t t e eine solche zwischen Behörden der Kantone Graubünden und Tessin über die Verpflichtung der Kantone zu gegenseitiger Rechtshülfe bei Vollziehung von Strafurteilen auf Grund eidgenössischen Rechts (Art. 150 OG).

Ad 2. B e s c h w e r d e n von P r i v a t e n und K o r p o r a t i o n e n gegen kantonale Verfügungen und Erlasse. Nach der N a t u r der als-verletzt behaupteten verfassungsmässigen Rechte verteilen sich die 375 erledigten Beschwerden wie folgt: a. Verletzung der Bundesverfassung . , 334 b.

,, von Kantonsverfassungen 19 c.

,, von Bundesgesetzen und andern Erlassen des Bundes .

8 d.

,, von Staats v ertragen und Konkordaten .

14 ~375 Ad a. Die 334 Beschwerden wegen V e r l e t z u n g - d e r B u n d e s v e r f a s s u n g haben Bezug auf folgende Artikel derselben : Art. 4 (Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, Rechtsverweigerung, Willkür usw.) . . . . 2 1 6 ,, 5 (persönliche Freiheit der Bürger) . . . .

4 ,, 31 (Handels- und Gewerbefreiheit) . . . . 37 (Banknotenmonopol) l n 39 ^ 44/45 (Bürgerrecht ; Recht der freien .Niederlassung, Ausstellung v o n Ausweisschriften) . . . 1 3 ,, 46 (Doppelbesteuerung) . . . 25 ^ 49/50 (Glaubens- und Gewissensfreiheit; Kultussteuern) : -, . 7 ,, 55 (Pressfreiheit) . . . . . . . . . .

4 ,,., 56 (Vereinsrecht) ; . . ' l 7, 58 (yerfassungsmässiger Richter) . . . . . - 7 ,, 59 . (Gerichtsstand) . . . . . . ·.. . · . . . - , . . . · ; .

11 ; Übertrag 326

440

Art. 61 ,, 2 ,,

5

Übertrag 326 (Vollziehung rechtskräftiger Zivilurteile) . .

2 der Übergangsbestimmungen (derogatorische .

Kraft des Bundesrechts) 5 der Übergangsbestimmungen (Freizügigkeit wissenschaftlicher Berufsarten) . . . .

\ 334

Ad b. Die 19 Beschwerden wegen behaupteter Verletzungk a n t o n a l e n V e r f a s s u n g s r e c h t s bezogen sich in der Hauptsache auf angebliche Missachtung oder unzulässige Beschränkung der Eigentnmsgarantie und auf Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung und des Rechts der Gemeinden auf Selbstverwaltung.

Ad c. Von den 8 Beschwerden wegen V e r l e t z u n g v o n B u n d e s g e s e t z e n . u n d andern Erlassen des Bundes betrafen: das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz . . . .

2 ,, ,, über die Fischerei l ,, ,, über Schuldbetreibung und Konkurs . l ,, ,, betreffend das schweizerische Zivilgesetzbuch (Art. 30, Namensänderung) .

l ··,, ,, über die Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens l den Bundesratsbeschluss betreffend die Sicherung der Lederversorgung des Landes etc. vom 14. Juli 1916 1 ,, . ,, betreffend Hebung der landwirtschaftlichen Produktion vom 16. Februar 1917 . . . . . _1 _8 Ad d. Von den 14 Beschwerden wegen V e r l e t z u n g v o n S t a a t s v e r t r ä g e n u n d K o n k o r d a t e n betrafen: · den Staatsvertrag mit Nordamerika von 1850/55 . . .

l den Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich von 1869 . . 6 den Niederlassungsvertrag mit Frankreich von 1882 . .

l ' den Niederlassungsvertrag mit Russland von 1872 . .. l · den Niederlassungs-und Konsularvertrag mit Italien vonl868 2 ·das internationale Übereinkommen über den Eisenbahn-.

' frachtverkehr vom 14.-Oktober 1890 J Übertrag 12

441

Übertrag die Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht von 1905 . . . . . . . .

das Konkordat über den Motorwagen- und Fahrradverkehr vom 7. April 1914 . . . . . . . . . . .

12 l l

Aargau Appenzell A.-Rh. . . .

Appenzell I.-Rh.

Basel-Land Basel-Stadt Bern Freiburg .

.

. .

Genf Glarus Graubünden Luzern JSTeuenburg Schaffhausen . . . .

Schwyz Solothurn St. Gallen Tessin Thurgau . . . .

Unter walden n. d. W.

Unter walden o. d. W.

Uri Waadt Wallis ZURZürich Eidg. Behörden ° . . .

Total

2 1

3

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1 1

1 2

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21 1 1 2 8 23 14 21 10 18 18 4 9 8 12 5 5

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30 3 3 5 11 39 24 39 1 15 34 26 4 11 15 18

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1 1 2 2

6 8 5 25 20 4

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11

3

27 2

41

43

225

30

405

2

4

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66

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. I.

2l 2f

4 2 2 15 9 2

2 1

3 5

Abgewiesen

ä> oc

Ganz oder teilweise gutgeheissen

Kantone

Nichteiritreten

Ü Aus der nachfolgenden Tabelle ist die H e r k u n f t der Beschwerden von Privaten und Korporationen, nach Kantonen geordnet, und die Art ihrer Erledigung ersichtlich:

33

442

In den 66 Fällen, in denen auf die Beschwerde nicht eingetreten wurde, waren die G r ü n d e des Nichteintretens folgende: Inkompetenz 9 Unzulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde (Mangel eines rekursfähigen kantonalen Erlasses; Möglichkeit eines ändern Rechtsmittels") 13 Nichterschöpfung der kantonalen Instanzen 10 Nicht- oder ungenügende Substantiierung 12 Verspätung 6 Gegenstandslosigkeit 3 Andere Mängel (Legitimation, Mangel eines rechtlichen Interesses, Beschwerde verfrüht, Verwirkung des Rekursrechts, abgeurteilte Sache, Unzurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers) 13 JE

Nach der Natur der Streitsache bezogen sich die 43 b e g r ü n d e t (oder zum Teil begründet) erklärten Beschwerden auf: Art. 4 der Bundesverfassung (Rechtsverweigerung, Willkür etc.) . . . 15 ,, ,, (Handels- und Gewerbefl 31 freiheit) . . . . 3 ,, 44/45 ,, ,, (Bürgerrecht, Recht der freien Niederlassung) 5 ,, 46 ,, ,, (Doppelbesteuerung) .

8 ,, 58/59 ,, ,, (Gerichtsstand, verfassungsmässiger Richter) 3 ., 61 ,, ., (Vollziehung rechtskräf· tiger Zivilurteile) .

l ,, 2 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung (derogatorische Kraft des Bundesrechts) . . . 2 Verletzung derKantonsverfassung(Gewaltentrennung,Eigentumsgarantie) 2 Verletzung des Gerichtsstands Vertrags mit Frankreich .

l Verletzung der Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vom 17. Juli 1905 l Verletzung des Konkordats über den Motorwagen- und Fahrradverkehr vom 7. April 1914 l Verletzung des Bundesgesetzes über die Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885 .

l "43

443 O

Ad 3. Streitigkeiten aus dem Bundesgesetz vom 25. Juni 1903 über den E r w e r b des S c h w e i z e r b ü r g e r r e c h t s und den V e r z i c h t auf d a s s e l b e . Zwei Gesuche um Entlassung aus dem Schweizerbürgerrecht wurden auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 23. Februar 1917 abgewiesen.

Ad 6. A u s l i e f e r u n g e n an das A u s l a n d . In 7 Fällen, in denen gegen die Auslieferung seitens der Verfolgten Einsprache erhoben worden war, hat der Bundesrat die Akten dem Bundesgerichte zum Entscheide vorgelegt. Die Auslieferung wurde nachgesucht : In drei Fällen von D e u t s c h l a n d . In einem Falle wurde sie bewilligt (wegen Teilnahme am betrügerischen Bankerott), im ändern verweigert (Beihülfe zur Abtreibung der Leibesfrucht), weil die Strafverfolgung nach dem Gesetze des Begehungsortes (Genf) verjährt war ; im dritten Falle gingen die Akten erst am letzten Tage des Jahres ein ; seine Erledigung konnte daher erst im Jahre 1918 erfolgen.

In zwei Fällen von F r a n k r e i c h wegen Betrugs, Betrugsversuchs, Vertrauenmissbrauchs, Diebstahls, Hehlerei und einfachen Bankerotts. Im erstem Falle, in welchem es sich um zwei Verfolgte handelte, wurde die Auslieferung mit Bezug auf einen derselben bewilligt, mit Bezug auf den ändern verweigert ; im zweiten Falle wurde die Auslieferung bewilligt unter dem Vorbehalt, dass der Auszuliefernde für diejenigen Delikte des Betrugs nicht verfolgt werden dürfe, die er vor dem 11. Juni 1911 begangen hatte.

In einem Falle von Ö s t e r r e i c h - U n g a r n . Die Auslieferung wurde gestattet (wegen Betrugs und Veruntreuung), unter dem Vorbehalt, dass der Auszuliefernde nicht als Refraktär verfolgt werden dürfe.

Im letzten Falle von I t a l i e n (wegen Betrugs, begangen durch unrichtige Fakturierung von Holzlieferungen für die Armee).

Die Auslieferung wurde abgelehnt, weil der dem Verfolgten zur Last gelegte Deliktstatbestand nicht unter den schweizerischitalienischen Auslieferungsvertrag fällt.

In 122 Fällen, in denen entweder die Anhebung oder Veranlassung des Streites, die Art der Prozessführung oder die rechtliche Natur der Streitsache es rechtfertigten (Art. 221, Abs. 2 und 5, OG), wurde eine G e r i c h t s g e b ü h r erhoben, in einem Falle wurde gegenüber einem Anwalt wegen Verletzung des durch die gute Sitte gebotenen Anstandes, in einem ändern Falle

444 ö

gegenüber einer Partei wegen mutwilliger Beschwerdefilhrung eine O r d n u n g s b u s s e ausgesprochen (Art. 39 OG).

Gesuche um Erlass von provisorischen V e r f ü g u n g e n im Sinne von Art. 185 OG waren vom Präsidenten der staatsrechtlichen Abteilung 95 zu behandeln. Davon wurden 26 bewilligt, 31 abgewiesen, auf 5 Begehren wurde nicht eingetreten und 33 wurden infolge Beurteilung der Hauptsache hinfallig.

9 l?älle gaben Anlass zu einem M e i n u n g s a u s t a u s c h mit dem B u n d e s r a t hinsichtlich der Kompetenzfrage gemäss Art. 194 OG.

IV. Sehuldbetreibung und Konkurs.

In Anlehnung an eine Rekursentscheidung der Betreibungskammer ist ein Kreissehreiben von allgemeiner Bedeutung erlassen worden betreffend Spezialanzeige der Fahrnissteigerung im Konkurs an die Inhaber von Pfandrechten, das sich im Bundesblatt 1918, I, 244, abgedruckt findet. Auch haben wir die Betreibungskammer ermächtigt, den Erlass einer Verordnung über das Verfahren bei Zwangsversteigerungen von Liegenschaften vorzubereiten, durch welche, um den in frühern Berichten beklagten Übelständon abzuhelfen, die in dieser Materie bisher von der Praxis aufgestellten Grundsätze zusammengefasst und, soweit nötig, ergänzt, sowie für die wichtigsten im Verwertungsverfahren vorkommenden Akten einheitliche eidgenössische Formulare aufgestellt werden sollen. Die Durchführung der bezüglichen Vorarbeiten ist mit Rücksicht auf die sonstige starke Belastung der Kammer nach vorheriger Aufforderung an die kantonalen Aufsichtsbehörden zur Einreichung ihrer Wünsche einem ausserhalb des Gerichtes stehenden Sachverständigen übertragen worden. Die von ihm aufzustellenden Entwürfe stehen zurzeit noch aus.

Im fernem hat die Betreibungskammer auch in diesem Jahre eine Reihe von Anfragen kantonaler Aufsichtsbehörden beantwortet und diesen Behörden im Anschluss an Rekursentscheidungen und die von ihnen eingereichten Jahresberichte verschiedene Weisungen erteilt.

Zuhanden des eidgenössischen Justizdepartements hat sie sich über den bereinigten Entwurf einer neuen Verordnung über die Viehverpfändung und die Frage der Revision des Gebührentarifs zum SchKG im Sinne der Erhöhung gutachtlich ausgesprochen.

Einer derselben Stelle auf Grund der in der Rekurspraxis gemachten Erfahrungen unterbreiteten Anregung auf allmähliche Beseitigung, bzw. Abbau des Instituts der allgemeinen Betreibungsstundung ist vom Bundesrat insoweit Rechnung getragen

445 worden, dass in dem Bundesratsbeschlusse vom 23. November 1917 betreffend Befristung der allgemeinen Betreibungsstundung die Leistung von Abschlagszahlungen durch den Schuldner als obligatorische Voraussetzung der Stundung, bzw. ihrer Verlängerung erklärt und zur Information über die Wünschbarkeit künftiger weiterer Einschränkungen des Instituts eine Umfrage bei den kantonalen Nacblassbehörden angeordnet wurde, Die Gesamtzahl der im Berichtsjahre anhängigen Rekurse betrug 380 (d. h. 48 weniger als im Vorjahr) ; davon waren aus dem Vorjahr übernommen 5, im Laufe des Jahres eingegangen 375. Erledigt wurden 374, so dass auf das Jahr 1918 übertragen wurden 6 Fälle.

Von den erledigten Beschwerden betrafen: 15 Anwendung der organisatorischen Bestimmungen des SchKG (Art. 1--37), l Arten der Schuldbetreibung, 9 Ort der Betreibung, l Betreibungsferien und Rechtsstillstand, 10 Anhebung der Betreibung, ' " 10 Zustellung der Betreibungsurkunden, 7 Zahlungsbefehl und Rechtsvorschlag, 98 Pfändung, 4 Verwertungsbegehren, 16 Verwertung von beweglichen Sachen und von Forderungen, 14 Verwertung von Liegenschaften, 5 Verteilung im Pfändungsverfahren, · .

6 Betreibung auf Pfandverwertung, l ordentliche Konkursbetreibung, 3 Wirkungen des Konkurses auf das Vermögen des Schuldners, 8 Feststellung der Konkursmasse, 5 Kollokation der Gläubiger im Konkurs, 31 Verwertung und Verteilung im Konkurs, 17 Arrest, 7 Retentionsrecht, 1 Anfechtungsklage, 3 Nachlassvertrag, 7 Gebührentarif, 3 Revision, bzw. Erläuterung, 2 Anwendung der Kriegsnovelle zum SchKG, 7 Anwendung der Verordnung betr. Schutz der Eotelindustrie, 83 Anwendung der Verordnung betreffend die allgemeine Betrei bungsstundung.

374

446

Von den 83 in Anwendung der Verordnung betreffend die allgemeine Betreibungsstundung erhobenen Rekursen sind eingereicht worden: von Schuldnern: .

wovon begründet erklärt durch Rückweisung . .

l abgewiesen 47 durch Nichteintreten erledigt 4 -- 52 von Gläubigern: wovon begründet erklärt 28 abgewiesen l durch Nichteintreten erledigt l zurückgezogen l Oi

_83

Die Dauer der Erledigung, d. h. vom Eingange der Beschwerden bis zum Spruch, betrug: l bis 3 Tage in 128 Fällen 4 ,, 6 ,, ,, 87 ,, 7 ,, 14 ,, ,, 98 ,, 15 ,, 21 ,, ,, 31 ,, 22 und mehr ,, ,, 30 ,, Die kürzeste Dauer betrug l Tag ; die längste betrug l Monat 23 Tage; die Durchschnittsdauer betrug 9 Tage.

Über die Verteilung der Geschäfte nach Kantonen und über das Schicksal der Beschwerden gibt folgende Tabelle Auskunft:

Aarffau Appenzell A.-Rh Appenzell I.-Rh.

Basel-Land Basel-Stadt Bern Freiburg Genf Glarus Graubünden .

Luzern

9,

1

2 1 2 3 1 2 2

1

1

<

K 9 1 2 1 2 5 4 2 20

Auf 1918 Übertragen

Begründet erklärt

Kantone

Rückzug oder Gegenstandslosigkeit ||

Nichteintreten

447

1 H

1

18 3 1 4 1 1 11 1 25 2 1 12 25 5 43 4 16 3 23 4 8 23 2 37 1 1 3 3 6 1 2 7 7 17 3 5 2 1 -- 1 -- 2 1 1

. .

Nidwaiden Obwalden . .

.

Schaffhausen Schwyz Solothurn . . , St. Gallen Tessin . . . .

Thurarau Uri Waadt Wallis Zug . . .

Zürich

6 Total

40

1 3 -- 3 2 5 17 23 29 3 6 1 1 11 14 1 1 3 5 34 1

5 104 225

7 6 24 55 10 3 28 1 4 46

6 380

Die Gründe, aus denen die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer in 40 Fällen auf die Beschwerde nicht eintrat, waren: in 12 Fällen Inkompetenz der Oberaufsichtsbehörde, in

448

8 Fällen Verspätung der Beschwerde, in 13 Fällen direkte Einreichung der Beschwerde beim Bundesgericht, in 5 Fällen Fehlen eines bestimmten Beschwerdeantrages und in 2 Fällen Nichtunterzeichnung der Beschwerde.

Gesuche um provisorische Verfügungen wurden gestellt .

44 davon bewilligt 19n l? no ,,to ...

, ?

abgewiesen 9 / 28 Vertilgungen ° wegen sofortiger Erledigung der Sache keine Verfügung erlassen 16 Auf dem Z i r k u l a t i o n s w e g e wurden 267 Urteile gefällt; von diesen waren 59 Präsidialanträge, in welcher Zahl 33 Nichteintretensentscheide inbegriffen sind.

Auf dem Korrespondenzweg erledigte Geschäfte: (im Vorjahr)

Präsidium . . . . 40 Kammer . . . . 4 0 Kanzlei 45 Total 125

21 °35 '68 124

Das Protokoll der Betreibungskammer über ,,die A d m i n i s t r a t i v g e s c h ä f t e verzeichnet 81 Nummern.

T. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Nachdem der bereits Ende 1916 ernannte Experte am 1. November seinen Bericht über die Schlussrechnung des Masseverwalters abgegeben hatte, konnte endlich unterm 15. November die Liquidation über die l i n k s u f r i g e V i e r w a l d s t ä t t e r se eb ahn als geschlossen erklärt werden.

Ebenso ist die Liquidation über die Monte Generoso A.-G., nachdem der Masseverwalter unterm 27. Juni seinen Schlussbericht erstattet und die übliche Prüfung der Schlussrechnung durch einen Experten stattgefunden hatte, durch Beschluss vom 15. Juli ala geschlossen erklärt worden.

Das gegen die A.-G. E l e k t r i s c h e B a h n M o n t h e y C h a m p e r y - M o r g i n s eingeleitete Liquidationsbegehren hat durch Rückzug seine Erledigung gefunden.

449

Dagegen sind die Gesuche um Zwangsliquidation folgender Gesellschaften noch hängig : 1. A.-G. E l e k t r i s c h e B a h n B r u n n e n - M o r s c h a c h , 2. A.-G. A r t h - R i g i - B a h n , 3. A.-G. S o l o t h u r n - M ü n s t e r - B a h n , 4. Berner A l p e n b a h n - G e s e l l s c h a f t B e r n - L ö t s c h » berg-Simplon, 5. A.-G. E l e k t r i s c h e B a h n M a r t i g n y - O r s i e r e s .

Von den im Berichtsjahre eingegangenen Gesuchen betreffend die beiden letztern Gesellschaften ist ebenfalls dem eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartement Mitteilung gemacht worden. Mit Bezug auf die Berner Alpenbahn-Gesellschaft hat genanntes Departement unterm 15. Oktober beschlossen, dass derselben für Bezahlung der fälligen und noch fällig werdenden Coupons ihres konsolidierten Anleihens, sowie ihrer laufenden Schulden auf unbestimmte Zeit Stundung gewährt werde.

In zwei schiedsgerichtlich zu erledigenden Prozessen hat 'das Präsidium des Bundesgerichts auf bezügliches Ansuchen im einen (Staatsrat des Kantons Wallis gegen die Visp-Zermatt-Bahn) den Obmann des Schiedsgerichts bezeichnet, im ändern fStadtgemeinde Luzern gegen die Zentralschweizerischen Kraftwerke) ein dreigliedriges Schiedsgericht bestellt.

Niitür der Streitsachen

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J. Zivilsachen : 1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse . . .

2 . Berufungen . . . .

3. Zivilrechtl. Beschwerden 4. Andere Zivilsachen . .

5. Expropriationen . . .

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1 S 05 .m 2 i--1

1 50 tn 2 CO

32 487 36 19 74

82 16 8 2

297 17 8 15

104 3 1

110

28

72

10

393

121

200

63

IV. Beschwerden betr. Schuldletreibungs- und Konkurswesen

374

358

16

Total

1525

615

626

I I Strafsachen III. Staatsrechtliche Jceiten

. . . .

Streitig-

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Nach den N a t i o n a l s p r a c h e n verteilen sich die e r l e d i g t e n Geschäfte wie folgt: Deutsche Schweiz

/. Zivilsachen: 1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse . . .

2 . Berufungen . . . .

3. Zivilrechtl.Beschwerden 4. Andere Zivilsachen 5. Expropriationen .

21 315 29 16 51

= = = = =

66% 65% 80% 84% 69%

70 -- 64%

II. Strafsachen

Französische Schweiz

6 134 5 3 23

= = = = =

19% 27% 14% 16% 31 %

34 -- 31 %

Italienische Schweiz

Total

5 =15%' 38 = 8 % 2 -- 6%

32 = 100% 487 = 100 % 36 = 100 % 19 = 100% 74 = 100 %

6 -- 5%

110 -- 100 %

III. Staatsrechtliche Streitigkeiten

241 =

62%

126 = 32%

26= 6%

393 = 100 %

IV. Beschwerden betr. Schuldbetreibungs- u. Konkurswesen

223 =

60%

96 = 25%

55 = 15 %

374 = 100%

Total

966 =

64%

427 = 28%

132= 8%

1525 = 100%

2

452

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

L a u s a n n e , den 26. Februar

1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesgerichtes, Der Präsident:

Ursprung.

Der Gerichtsschreiber:

Nicola.

·

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Bericht des schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1917. (Vom 26. Februar 1918.)

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Jahr

1918

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

13

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.03.1918

Date Data Seite

425-452

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10 026 678

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