504 # S T #

9 2 7

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Hülfeleistung an notleidende Transportunternehmungen.

(Vom 13. September 1918.)

Die Notlage, in welche der Weltkrieg mit seinen Wirkungen den grössten Teil der privaten schweizerischen Verkehrsanstalten versetzte, gab Veranlassung zur Stellung zweier Motionen in den eidgenössischen Räten, worin einer Hülfeleistung des Staates gerufen wird.

Herr Düring postulierte im Ständerate ganz allgemein eine Hülfsaktion zugunsten der notleidenden Transportunternehmungen, während Herr Will im Nationalrate unter anderm eine Förderung der Einführung des elektrischen Betriebes durch den Bund als notwendig erklärte.

Der Bundesrat nahm beide Motionen zur Prüfung entgegen und der Vorsteher des Eisenbahndepartements hat schon bei deren Behandlung in den Räten die Art und Weise skizziert, wie ihm die Verwirklichung der gestellten Begehren möglich erscheine.

In der nähern Ausarbeitung dieses Gedankens leistete Herr Professor Dr. Eugen Huber in Bern dem Bundesrate die wertvollste Hülfe.

Die Frage, um deren Beantwortung es sich hier handelt, ist für das ganze Land von hervorragender wirtschaftlicher und politischer Bedeutung. Sie muss von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus geprüft werden : von privatwirtschaftlichem Standpunkte aus und unter der Erwägung der mit den Unternehmungen verbundenen allgemeinen öffentlichen Interessen, d. h. des Landeswohles im ganzen.

Stellt man sich zunächst auf den privatwirtschaftlichen Standpunkt, so zeigt es sich, dass ganz erhebliche Interessen, die mit

505 dem Betrieb der Eisenbahn- und Schiffahrtsunternchmungen für Aktionäre und Anleihensgläubiger verknüpft sind, infolge der eingetretenen allgemeinen Notlage schwer geschädigt werden. Nicht nur können den Aktionären keine Dividenden mehr entrichtet werden, die Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben reichen auch häufig nicht mehr aus, die privatrechtlich wohl begründeten Zinsenschulden zu decken. Für die Aktionäre ergibt sich daraus zunächst die Folge, dass sie mit dem teilweisen oder gänzlichen Verlust des Aktienkapitals rechnen müssen. Die Obligationäre erhalten zwar die Möglichkeit, gegen ihre Schuldner, die Unternehmungen, mit Zwangsvollstreckung vorzugehen und sie zur Liquidation zu bringen. Dabei bieten ihnen ihre Pfandrechte, die in erdrückendem Umfang schon von Anfang an oder in der Folge auf die Vermögenswerte der Unternehmungen gelegt worden sind, häufig nur eine zweifelhafte Sicherheit. Glücklicherweise liegt in zahlreichen Fällen die Sache dergestalt, dass die ungünstige finanzielle Lage der Unternehmungen als nur vorübergehend bezeich n et werden darf und dass mit Zuwarten, d. h. mit dem Wiedereintritt normaler Zeitläufe eine Besserung einzutreten verspricht; Im wohlverstandenen Interesse der Aktionäre und der Obligationäre sollte unter solchen Umständen für den Augenblick die Liquidation der Unternehmungen vermieden werden können. Aus solchen Erwägungen hat das neue Buudesgesetz über die Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen usw. vom 25. September 1917 zwei Rechtsmittel vorgesehen, mittels derer die Schwierigkeiten, die durch eine vorübergehende schlimme Lage entstanden sind und die durch eine sofortige Liquidation noch vermehrt würden, überwunden werden können. Die beiden Rechtsmittel sind : die a u s s e r o r d e n t l i c h e S t u n d u n g (Art. 78 ff.) und der N a c h 1 ass v e r t r a g (Art. 51 ff.). Denselben Erwägungen entstammt aucli die neueste bundesrätliche Verordnung betreffend die Befugnisse der Anleihensgläubiger-Gomeinsehaften überhaupt. Die Allgemeinheit hat hieran zweifellos ein grosses Interesse, welchem Ausdruck gegeben wird in der Schaffung der Mittel und Wege zur Vermeidung des Zusammenbruchs der Unternehmungen, die innerlich und auf eine längere Zeit hinaus gewürdigt ein besseres Schicksal verdienen, und zur Erhaltung der privatwirtschaftlichen
Werte, die damit verbunden sind. Aber zu einem absoluten Ausschluss der Liquidation gelangt die Gesetzgebung auf Grundlage solcher privatwirtschaftlicher Interessen nicht. Es soll die Liquidation nur vermieden werden, soweit durch sie des Schutzes für die Zukunft würdige Interessen geschädigt würden. Die Entscheidung darüber steht dabei in erster Linie bei den Beteiligten selbst, indem sie

506 eine der genannten Hülfsuiassregeln für sich in Anspruch nehmen.

Die Hülfe gegen den sofortigen Zusammenbruch notleidender Unternehmungen liegt also, von diesen Betrachtungen aus, auch wenn die Gesetzgebung dafür sorgt, dass missleitete oder einsichtslose und rechthaberische Minderheiten sich einer Mehrheit fügen müssen, stets bei den Beteiligten selber. Sie mögen auch darüber entscheiden, ob Sicherheiten preisgegeben, neu zu gewinnende Interessenten ihnen vorangestellt werden sollen usw. ; für den Staat liegt kein Anlass vor, in diese Abwägung der Interessen anders einzugreifen als dadurch, dass er den vorhandenen Rechtsgütern seinen Schutz auch im Sinne der Anerkennung des Eingriffs in wohlerwogene Privatrechte gewährt, wenn sie dadurch vor ruinösem Zusammenbruch bewahrt werden, so dass ein solcher Eingriff im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten selber als berechtigt bezeichnet werden inuss.

Beurteilt man die'Verhältnisse nun aber unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Interessen und des öffentlichen Wohles, so stellen sich die Dinge anders dar. Die Transportunternehmungen können dem ganzen Lande oder einem Teile desselben für den allgemeinen Verkehr die wichtigsten Dienste leisten, sie können ' Interessen dienen, die mit denjenigen der Beteiligten selber nur indirekt verknüpft sind, sie können eine Existenz besitzen, die sich unabhängig von allem Gewinn oder Verlust der Aktionäre oder Obligationäre vollauf rechtfertigt. Ist dies der Fall, so kann die Öffentlichkeit sich veranlasst sehen, das Unternehmen aufrechtzuhalten, auch wenn sich für die Beteiligten damit Verluste oder andere Nachteile verknüpfen. Da die Unternehmungen auf einer öffentlichrechtlichen Konzession beruhen, durch die öffentlichrechtliche Verpflichtungen begründet worden sind, lässt sich die Berechtigung dieser Betrachtungsweise nicht bestreiten. Das Gemeinwesen kann dabei zu Massnahmen greifen, die die Interessen der Beteiligten verletzen, sobald dieso unter dem Gesichtspunkte des allgemeinen Wohles zurückgesetzt zu werden verdienen. So gut wie das Gemeinwesen Strassen und Brücken baut und private Rechtsgüter enteignet, um eine vom öffentlichen Interesse geforderte oder gerechtfertigte Massnahme durchzusetzen, ebensowohl kann es auch bei solchen Transportunternebmungen eingreifen und dasjenige anordnen, was für
das allgemeine Wohl als geboten erscheint.

Das Gemeinwesen kann dabei auch öffentliche Mittel zur Verwendung bringen, selbst wenn damit gewisse Auswirkungen zum Vorteil der Beteiligten gegeben erscheinen.

507

Die beiden Betrachtungsweisen erscheinen eine jede nach ihrer Art und in ihrem Kreise als berechtigt. Es muss sich fragen, in welcher Weise der Ausgleich zwischen beiden zu suchen ist.

Darüber, dass eine solche Hülfsaktion nach allgemeinen Interessen und als öffentlichrechtliche Massnahme beurteilt und gewürdigt werden muss, kann kein Zweifel bestehen. Dies allein entspricht ihrem Ausgangspunkt und ihren Zielen. Ausgangspunkt ist nicht, wie es einer privatwirtschaftlichen Betrachtung entsprechen würde, die Unmöglichkeit der Verzinsung der Obligationen oder der Ausrichtung einer Aktiendividende, sondern das Fehlen genügender Mittel zur Weiterführung des Betriebes. Ebenso kann als Ziel nicht die Bewahrung der Aktionäre oder Obligationäre vor Verlusten, die im Ausblick auf künftig wieder eintretende normale Zeiten als vermeidbar erscheinen, anerkannt werden, sondern die Aufrechterhaltung des im Landesinteresse liegenden Betriebes der Bahnen und Dampfschiffahrtslinien. Damit stellt sich die neue Hülfsaktion in Gegensatz zu den oben erwähnten zwei Rechtsmitteln, der ausserordentlichen Stundung und dem Nachlassvertrag. Sie hat Platz neben ihnen, sie ist aus besonderem Gesichtspunkt innerlich gerechtfertigt. Ja sie kann neben ihnen in höchst dringender Weise wünschenswert werden, was nicht ausschliesst, dass der Eingriff in wohlerworbene Privatrechte bei ihr so gut wie bei jenen ändern Massnahmen tunlichst vermieden werden soll. Darüber kommt man auch bei der Betrachtung der Hülfsaktion als öffentlichrechtlicher Massnahme nicht hinweg.

Nach der angegebenen Voraussetzung und Zweckbestimmung der Aktion lässt sich in erster Linie bestimmen, welchen Unternehmungen sie zugute kommen soll. Ihre Hülfe kann nur denjenigen Bahnen oder Dampfschiffahrtsunternehmungen zuteil werden, die für den Betrieb die Mittel nicht aufzubringen imstande sind, deren ordentliche Einnahmen nicht nur zur Entrichtung einer Dividende oder zur Bezahlung der Obligationenzinsen nicht ausreichen, sondern nicht einmal die Betriebsausgaben zu d o c k e n v e r m ö g e n , die also, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, eines täglichen Zuschusses und Opfers bedürfen, eines Zuschusses, den sie nach ihrer finanziell misslichen Lage wenigstens in der gegenwärtigen Zeit nicht aufzubringen vermögen.

Und von solchen Bahnen sind weiter nur diejenigen
für die Hülfsaktion in Aussicht zunehmen, auf d e r e n B e t r i e b das L a n d o d e r e i n L a n d e s g e b i e t e r h e b l i e h a n g e w i e s e n ist, deren Bestand und Aufrechterhaltung, ganz abgesehen von jedem

508

Aktien- oder Obligationenbesitz, aus allgemeinen volkswirtschaftlichen Interessen heraus als ein Bedürfnis empfunden wird. Sind die beiden Voraussetzungen gegeben, so beabsichtigt das Gemeinwesen mit der Hülfsaktion, den notleidenden Unternehmungen Hülfe zu leisten, während es andere Bahnen bei aller Not, ohne damit seine Pflicht der Wahrung der allgemeinen Landesinteressen zu verletzen, ihrem ökonomischen Schicksal überlassen und deren Sanierung den finanziell dabei beteiligten Aktionären und Obligationären anheimgestellt lassen darf. Für Saisonbahnen, Touristenbahnen und dergleichen ist somit die Hülfsaktion nicht bestimmt, sondern nur für Transportunternehmungen, die einem allgemeinen Verkehrsbedürfnis entsprechen. Dabei kann es vorkommen, dass eine Linie zum Teil letztere Eigenschaft besitzt, für ein gewisses Stück aber nur als Touristenbahn gelten kann, und daher von der Hülfsaktion, die nur soweit reicht, als die Aufrechterhaltung des Betriebes einem allgemeinen Bedürfnis und nicht dem Bedürfnis der Fremdenverkehrsanstalten entspricht, wenigstens zum Teil ausgeschlossen bleiben muss.

Gelangt man aus solchen Erwägungen zur Empfehlung einer Hülfsaktion der geplanten Art, so erscheinen, da es sich um Landesinteressen in weiterem oder engerem Kreise handelt, als hierzu verpflichtet nicht nur der Bund, sondern ebensosehr Kantone und Gemeinden, zumal die privaten Verkehrsanstalten im allgemeinen vorab regionalen Interessen dienen.

Man wird wohl am richtigsten verfahren und ausserordentlich schwierige Untersuchungen und Auseinandersetzungen vermeiden, wenn die Interessen des gesamten Landes denjenigen des engern Kreises als gleichwertig betrachtet werden, so dass also der Bund einerseits als mit der einen Hälfte, die Kantone und Gemeinden aber, in deren Gebiet die notleidende Transportunternehmung ihr Gewerbe ausübt, als mit der ändern Hälfte beteiligt bezeichnet werden. Erstreckt sich die Bahn- oder Schiffahrtslinie über das Gebiet mehrerer Kantone, so müsste eine Teilung der ihnen zufallenden Hälfte unter denselben erfolgen, die im einzelnen Falle nach Massgabe der Länge der Linie in jedem Kanton, der Grosse der Bevölkerung, die in dem Verkehrsgebiet der betreffenden Linie wohnhaft ist, sowie der Zahl und Frequenz der Stationen in billiger Weise bestimmt werden dürfte. Können die beteiligten
Kantone sich hierüber nicht verständigen, so steht dem Bundesrate die Entscheidung zu. Die Anordnung der Beteiligung der Gemeinden darf füglich den Kantonen überlassen werden, wobei die Verteilung des Anteils unter mehrere Gemeinden nach denselben Grundsätzen zu erfolgen hat wie unter

509

mehreren Kantonen, und namentlich die letzte Entscheidung gleichfalls dem Bundesrate vorbehalten bleibt.

Der Inhalt der Hilfeleistung muss mit dem Zwecke der ganzen Massnahme selbstverständlich im Einklang stehen : Der Betrieb soll aufrechterhalten werden. Die Hülfsaktion darf also nicht auf eine Verbesserung der Stellung der Aktionäre und Obligationäre gerichtet sein, abgesehen davon, dass sie vor einer unzeitigen, begründete bessere Aussichten zerstörenden Liquidation des Unternehmens bewahrt werden. Ebensowenig aber soll durch das Eingreifen des Gemeinwesens den beteiligten Aktionären oder Obligationären ihre Rechtsstellung derart erschwert oder beeinträchtigt werden, dass die Fortführung des im allgemeinen Interesse aufrechterhaltenen Betriebes in unbilliger Weise zu ihren Lasten stattfände. Zwischen der aus der Vermeidung der augenblicklichen Liquidation sich ergebenden Besserstellung der Beteiligten und ihrer Belastung ist ein billiges Ausgleichungsergebnis anzustreben, wobei auch dafür Sorge zu tragen sein wird, dass die staatliche Hülfe das Gemeinwesen, nach dem Umfang der Belastung und nach ihrer Dauer nicht übermässig beschwert.

In dem Bundesgesetze sollen die Grundlinien für alle diese Vereinbarungen in dem Sinne festgelegt werden, dass die hülfeleistenden Instanzen und die hülfsbedürftigen Unternehmungen sich an die damit aufgestellten Schranken halten und ihre Aktion in dem festgelegten Rahmen zur Entwicklung bringen können.

Bei der Einleitung der Hülfsaktion ist von dem Grundsatze auszugehen, dass die Aktionäre nach Massgabe des Aktiengesellschaftsrechtes und der Konzession, die Obligationäre aber nach dem Inhalt ihrer zivilrechtlich begründeten Gläubigerrechte gegebenenfalls auf die Liquidation des Unternehmens einen Rechtsanspruch haben. Sie können verlangen, dass das Liquidationsergebnis ihnen zugewiesen, beziehungsweise zu ihrer Befriedigung verwendet werde. Sie sind nicht verpflichtet, ihre rechtlichen Ansprüche der Allgemeinheit zum Opfer zu bringen, sie sind namentlich nicht gehalten, zum Schaden ihrer Ansprüche den Weiterbetrieb des Unternehmens durchzusetzen. Wenn das Gesetz vom 25. September 1917 unter besondern Voraussetzungen die Aktionäre und die Obligationäre insgesamt einem ihre Rechtsstellung modifizierenden Mehrheitsbeschluss unterwirft (Generalversammlungsbeschluss,
Gläubigerversammlungsbeschluss) und sie zur Aufschiebung der Liquidation oder zur Preisgabe von Rechten zwingt, so geschieht dies nicht in erster Linie zu dem Zweck, das.

Unternehmen der Allgemeinheit zu erhalten, sondern in Erwägung-

510

des wohlverstandenen Interesses der Aktionäre oder Obligationäre selber. Man rechnet bei der Mehrheit darauf, dass durch ein kleineres gegenwärtiges Opfer grössere Verluste vermeidlich gemacht und vielleicht sogar durch künftigen gesteigerten Gewinn mehr als ausgeglichen werden. Wenn nun aber vom Staat der Weiterbetrieb verlangt wird, so geschieht dies, was wiederum zu betonen ist, zur Wahrung allgemeiner Interessen und unter Umständen dann auch zum Schaden von Gläubigern und Aktionären.

Nach dem oben Gesagten darf verlangt werden, dass das Postulat des Weiterbetriebes mit einer solchen möglichen Schädigung der privaten Interessen in billiger Weise ausgeglichen werde.

Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die Stundung, so ist es klar, dass die Gläubiger im Falle der Nichtbefriedigung von ihrem Recht auf Zwangsvollstreckung durch die Weiterführung des Betriebes grundsätzlich nicht abgedrängt werden. Die Notwendigkeit des Weiterbetriebes äussert sich nur in den Massnahmen, die während der Dauer der Liquidation verlangt werden und in der Rechtsstellung des nachfolgenden Erwerbers der Unternehmung zum Ausdruck kommt. Dabei ist es dem Staate nicht benommen, seine Fürsorge für die allgemeinen Interessen in der Weise zu betätigen, dass er im Liquidationsverfahren die Unternehmung erwirbt oder sich an einer Neuordnung derselben beteiligt.

Ebenso verhält es sich im Falle des Nachlassvertrages, boi dem als Regel die Pflicht zur Weiterführung des Betriebes fortbesteht. Kommt ein Nachlassvertrag nicht zustande, so können die Beteiligten zu ihrer Befriedigung den Weg der Liquidation beschreiten, und der Staat hat nur wiederum die Möglichkeit, sich an der Liquidation in angegebener Weise zu beteiligen.

An dieser Rechtslage soll nun auch der Eintritt der Hülfsaktion nichts ändern. Sind die Voraussetzungen der Betriebsunterstützung für das Gemeinwesen vorhanden, so erhalten die Aktionäre jedenfalls keine Dividenden, und es ist die Unternehmung so weit entwertet, dass das Aktienkapital als verloren gelten dürfte, ·wenn es zu Liquidation käme. Aber es erhalten auch die Obligationäre 'keine Zinsen, und es ist ihnen anheimgestellt, sich durch Nachlassvertrag oder Gläubigerversammlungsbeschlussi in der gegebenen Situation so einzurichten, dass sie für die Zukunft auf modifizierter oder neu geschaffener Grundlage
ihre Verluste tunlichst vermindern oder doch zeitlich hinausschieben. Sie können dabei sich auch die Mittel zu beschaffen versuchen, womit sie den Betrieb des Unternehmens aufrechterhalten. Tun sie das nicht,

511 so haben sie zwischen der Liquidation oder der Inanspruchnahme der Hülfsaktion zu wählen. Der Staat verlangt die Fortführung des Betriebes nach Massgabe des Zwangsvollstreckungsverfahrens.

Aber er verhindert weder die Aktiengesellschaft noch die Gläubiger, den Ausweg der Liquidation als den nach. den gegebenen Verhältnissen angemessenen Ausweg aus der drückenden Situation einzuschlagen. Der Staat drängt seine Hülfsaktion dem Unternehmen nicht auf, er kann auf dem schon mehrfach angeführten Weg auch im Falle der Liquidation zur Fortführung des Betriebes die nötige Sorge tragen.

Dieser Betrachtung der Sachlage entspricht es, wenn die Ordnung der Hülfsaktion in der Weise getroffen wird, dass zunächst ein Gesuch des notleidenden Unternehmens abgewartet wird.

Voraussetzung der Hülfsaktion ist die Tatsache, dass die Einnahmen des Unternehmens die Ausgaben für den Betrieb nicht decken und dass auch keine anderen Mittel, wie Reservefonds, zugesicherte Subsidien und dergleichen, für die Deckung des Betriebsausfalles vorhanden sind. Liegt diese Voraussetzung vor, so wendet sich die Verwaltung des Unternehmens, von sich aus oder auf Grund eines Generalversammlungs- oder Gläubigerversammlungsbeschlusses, an den Bundesrat, der nach Prüfung der Sachlage gegebenenfalls die Hülfsaktion in Gang setzt. Der Eintritt der Hülfsaktion soll zur Folge haben, dass die sofortige Liquidation unterbleibt. Dabei muss aber zweierlei vorbehalten werden. Einmal ist der Gläubigerversammlung Zeit zu gewähren, sich über die Anbegehrung der Hülfsaktion oder die sofortige Liquidation auszusprechen, was damit erreicht werden kann, dass, wenn die Verwaltung von sich aus um die Hülfsaktion ersucht, den Gläubigern -- ohne Aufschiebung dieser Aktion -- ein Monat Zeit gegeben wird, die sofortige Liquidation zu verlangen. Und sodann darf nach Eintritt der Hülfsaktion bzw. nach Ablauf des Monats, das Begehren um Liquidation, doch nur für eine gewisse Zeit, als ausgeschlossen bezeichnet werden. Hat die Summe der Betriebsdefizite eine gewisse Höhe erreicht -- der Entwurf setzt diesen fest gleich der Hälfte der Belastung des Unternehmens mit Pfandrechten -- oder hat der Betrieb zehn Jahre mit jährlichen Defiziten stattgefunden, so mag von den Gläubigern und Gläubiger ist alsdann auch das Gemeinwesen, das die Hülfe geleistet hat, ohne
weitere Einschränkung die Liquidation des Unternehmens in Gang gesetzt werden.

Ist die Hülfsaktion vom Bundesrat beschlossen, so macht er den beteiligten Kantonen sofort Mitteilung und leitet mit ihnen Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

35

512

und dem Unternehmen die erforderlichen Verhandlungen ein, wobei es Sache der Kantono ist, nach ihrem Ermessen oder ihrer rechtlichen Ordnung auch die beteiligten Gemeinden heranzuziehen.

Das Mass der Hülfe richtet sich nach den Umständen des Falles, und es kann der Bundesrat dabei verlangen, dass der volle konzessionsgemässe Betrieb aufrechterhalten werde, oder eine Reduktion gestatten. In keinem Falle aber überschreitet die Hülfeleistung dasjenige, was von den Betriebsausgaben durch die Einnahmen nicht gedeckt wird, so dass aus der Hülfsaktion unter keinen Urnständen den Gläubigern Zinsen, noch weniger den Aktionären Dividenden entrichtet werden dürfen. Die Hülfeleistung selber kann in verschiedener Weise des nähern geordnet werden.

Die zwei Hauptwege sind: Vorlegung der Rechnung seitens der Unternehmung, die den Betrieb im übrigen wie bis dahin oder mit einer vom Bundesrat anzuordnenden Einschränkung fortführt, und Deckung des Ausfalls durch die beteiligten Gemeinwesen, die in den von ihnen geleisteten Beträgen als Darlehensgläubiger der Unternehmung zu betrachten wären; oder Übernahme des Betriebes durch den Bund bzw. die schweizerischen Bundesbahnen und Rechnungsstellung für das Defizit jedes einzelnen Rechnungsjahres, wobei dieser Ausfall gleichfalls als Darlehen des Bundes behandelt würde. Die Beteiligung der Kantone aber findet entweder so statt, dass der Bund sie mit dem auf sie fallenden Betreffnis des Defizits belastet, wobei ihrerseits die Kantone wiederum für den von ihnen zu tragenden Anteil gegebenenfalls auf die Gemeinden zu greifen haben ; oder es kann der Betrieb auch von einem Kanton oder einer Gemeinde oder von einer Vereinigung mehrerer Kantone oder Gemeinden übernommen werden, unter Zuschussleistung des Bundes an das Defizit nach Massgabe der zugrunde liegenden Beteiligung. Darüber müssen selbstverständlich in jedem einzelnen Falle die näheren Verabredungen getroffen werden, ohne dass es möglich oder auch nur ratsam ist, darüber im allgemeinen eine verbindliche Ordnung von vornherein aufzustellen.

So oder anders erscheint das Unternehmen als Schuldnei" der Defizitbeträge, sei es gegenüber dem Bund oder gegenüber den an dem Defizit beteiligten Kantonen und Gemeinden. Über die Verzinsung dieser aus öffentlichen Mitteln fliessenden Vorschüsse oder Darlehen wird im einzelnen
Falle ein Übereinkommen getroffen werden müssen. Mangels anderer Abrede würde angenommen, dass für die Zeit der Defizite der Bund und die ändern Beteiligten auf eine Zinsforderung Verzicht leisten. Da die Weiter-

51$ führung des Betriebes durch die Interessen der Allgemeinheit bedingt ist, erscheint es unter Umständen billig, die Aktionäre' und Gläubiger von der Verzinsung der Defizitbeträge zu entlasten.

Sie tragen bereits eine Last an den Defiziten selbst, die ihreAussicht auf eine spätere Besserung der Lage in der Regel aufwiegen wird. Sobald aber der Jahresbetrieb anstatt des Defizitseinen Überschuss ergibt, so soll dieser in erster Linie für die Entrichtung eines Zinses für die bishin aufgelaufenen Defizite in Anspruch genommen werden. Der Bund ist dabei ermächtigt, die' Verzinsung auf 4% anzusetzen und von diesem Ansatz l°/o als Amortisationsbetrag zu verwenden. Was in Überschussjahren nicht für diese Verzinsung zu 4%, also mit Einschluss der Amortisationsquote, Verwendung findet, fliesst den am Unternehmen Beteiligten als Zins oder Dividende nach gewöhnlichen Regeln zu. Der Amortisationsbetrag kann natürlich beliebig festgestellt werden, der Bund aber ist ermächtigt, für sich und die Kantone und Gemeinden bis zu der erwähnten Grenze, 4°/n mit Einschluss von l°/o Amortisation, herabzugehen. Diese Zinszahlungen und Abtragungen bringen nach bekannten Berechnungen, wenn l °/o zur Amortisation Verwendung findet, in 47 Jahren die ganze Betriebsschuld des Unternehmens zur Tilgung.

Neben einer solchen Hülfsaktion zur Aufrechterhaltung des Betriebes besteht nun aber auch noch das Postulat, den Bahnen die Einführung der elektrischen Traktion durch Beteiligung des Gemeinwesens zu ermöglichen oder zu erleichtern. Diese Anregung steht mit der geplanten Hülfsaktion insoweit in engem Zusammenhang, als von der Elektrifizierung eine Verbilligung des Betriebes erwartet werden kann, die von der Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft auf jährlich mindestens 4 Millionen Franken nur für die hier in Frage kommenden Bahnen berechnet wird. Die Einführung des elektrischen Betriebs selbst ruft aber einer einmaligen Ausgabe, die von den notleidenden Unternehmungen nur schwer und mit grossen Kosten aufgebracht werden könnte. Und da darf das Gemeinwesen um so eher helfend eingreifen, als die angeführten Ersparnisse die Hülfsaktion für den Betrieb erleichtern, da und dort vielleicht völlig ausschalten. Überdies kommt für den Bund auch in Betracht, wie sehr die Elektrifizierung der Bahnen den Verkehr verselbständigt und vom Ausland unabhängig macht und damit dem ganzen Lande politisch und wirtschaftlich zum Vorteil gereicht. Auch bei dieser Hülfeleistung gleichwie

514

bei d e r j e n i g e n zur A u f r e e h t e r h a l t u n g des B e t r i e b e s ist V o r a u s s e t z u n g der B u n d e s h ü l f e , dass sich daran die K a n t o n e u n d G e m e i n d e n m i n d e s t e n s z u r Hälfte b e t e i ligen. Es dürfte sich aber empfehlen, dass der Bund das Darlehen gewährt, als Darlehensgläubiger auftritt und die ändern Gemeinwesen nur als Unterbeteiligte mitwirken. Auch eine Heranziehung des Privatkapitals ist hier wohl möglich, wobei der Bund oder Kantone und Gemeinden anstatt des Kapitals selbst nur eine Zinsengarantie zu übernehmen hätten.

Zu diesen Fragen der finanziellen Hülfeleistung kommt nun aber noch das Problem der Sicherstellung der hieraus entstehenden Forderungen. Ist das notleidende Unternehmen bis dahin noch nicht mit Pfandrechten belastet, so kann ohne jede Schwierigkeit den neuen, aus der Hülfsaktion erwachsenen Gläubigern ein Pfandrecht eingeräumt werden. Nun sind aber tatsächlich die Unternehmungen zurzeit bereits bis an die Grenze ihres Wertes und oft darüber hinaus mit Pfandrechten für bereits früher erhobene Anleihen belastet. In diesem Falle -- und er wird der Normalfall sein -- wäre ein den bereits bestehenden Belastungen nachgehendes Pfandrecht nahezu oder völlig wertlos. Die Einräumung eines gesetzlich allen ändern Belastungen vorangesetzten Pfandrechtes aber begegnet vom Standpunkt des Schutzes der wohlerworbenen Rechte aus, wenigstens auf den ersten Blick, schweren Bedenken.

Zur grundsätzlichen Lösung des ganzen Problems werden wir uns darauf besinnen müssen, zu welchem Zwecke die ganze Hülfsaktion, mit Einschluss der Beteiligung an den Elektrifizierungskosten, stattfindet. Sie erfolgt, wie immer wieder betont werden muss, nicht aus privatwirtschaftlichen Erwägungen, sondern aus Gründen des allgemeinen Wohles. Die privaten Beteiligten, die Aktionäre und Gläubiger der Unternehmungen sollen, unter richtiger Abwägung aller vorliegenden Interessen, durch die Hülfeleistung nicht geschädigt werden, es soll ihnen daraus aber auch kein zum Ausgleich gegenüber einem gesteigerten Risiko nicht gerechtfertigter Vorteil zugewendet werden. Unter strenger Festhaltung dieses Grundsatzes gelangt man zu folgenden Unterscheidungen: Was in erster Linie die Beiträge an die Kosten der Elektrifizierung anbelangt, so ist entscheidend, dass diese den
Wert der Unternehmungen ganz offenkundig, nicht nur mit Hinsicht auf die Anlagen, sondern namentlich infolge der Verbilligung des Betriebes, vermehren wird. Damit wächst der Wert des Unterpfandes, steigt also die Sicherung der bisherigen, durch Pfand-

515

recht gedeckten Gläubiger. Da diese Wertvermehrung aber nicht durch den Schuldner, auch nicht einmal sicher durch die bisherigen Gläubiger ins Werk gesetzt wird, so hat auf diese Wertvermehrung in erster Linie derjenige, der hierfür Leistungen gemacht hat, einen Anspruch, der als recht und billig anerkannt werden darf. Denselben Erwägungen entstammt das gesetzliche Pfandrecht der Baugläubiger (ZGB Art. 837 ff.) und das gesetzliche Pfandrecht, welches das Zivilrecht den Gläubigern gewährt, die den Wert des Unterpfandes erhöhen und das unter Umständen als allen ändern Pfandrechten vorgehende Belastung anerkannt wird (Art. 808, 810). Vorgehende Belastungen werden aus demselben Gesichtspunkte auch für Beorderungen bei Bodenverbesserungen aufgestellt (ZGB Art. 820, Abs. 1). Und die Kantone haben schon im früheren Recht bei verschiedenen Gelegenheiten für Leistungen, die den Wert eines Grundstückes zu erhöhen imstande waren, von Gesetzes wegen ein vorgehendes Pfandrecht aufgestellt. Es sei nur an das Pfandrecht für aus der Uferschutzpflicht gemachten Leistungen und an dasjenige für Vorschüsse zur Einführung der harten Bedachung erinnert (vgl.

Huber, Schweiz. Privatrecht, Bd. III, S. 526 f.). Diesen Beispielen darf man unbedenklich in bezug auf die Kosten der Elektrifizierung folgen und für die Darlehen, die den Unternehmungen zu diesem Zwecke gewährt werden, ein vorgehendes Pfandrecht schaffen, über das die ihm nachgehenden, obgleich schon bestehenden Pfandgläubiger schon deshalb sich nicht beklagen dürfen, weil das Unterpfand einen erhöhten Wert erhält, sie also in ihrer Sicherung dadurch materiell nicht geschädigt werden. Umgekehrt würde ihnen eine ihren Ansprüchen nachgehende Sicherung dieser Gelder einen Vorteil verschaffen, auf den sie bei dem öffentlichrechtlichen Charakter der Hülfeleistung durchaus keinen Anspruch haben. Überdies steht ihnen nach dem oben Gesagten frei, sich an diesen Darlehen oder zu erhebenden Anleihen zu beteiligen und damit an der vorgehenden Sicherung auch ihrerseits direkt teilzunehmen.

Weniger einfach liegt das Verhältnis für die Forderungen, die sich aus der Deckung der Betriebsdefizite ergeben. Hier kann in der Tat eine Kollision mit berechtigten Interessen der bestehenden Pfandgläubiger eintreten, die einem Ausgleiche ruft.

Zu diesem Zwecke unterscheidet der Entwurf
zwischen der Forderung, die den Gläubigern aus der Hülfsaktion zuerkannt werden muss und bleiben soll, und der Pfanddeckung, die sie von Gesetzes wegen beanspruchen können, und gewährt die

516

letztere nur in beschränktem Umfang, nicht sowohl bloss für einen Teil der Forderungsbeträge aus der Tragung'des Defizits, als auch nur bis zu einer gewissen Höhe dieser Forderungen.

Eine solche Beschränkung erweist sich bei näherer Prüfung denn auch nach zwei Richtungen als vollkommen gerechtfertigt.

Einmal sollen die bereits pfandrechtlich gedeckten Gläubiger, wenn sie nicht sofortige Liquidation verlangen und also die Hülfsaktion über sich ergehen lassen, doch immer noch auf eine Deckung aus dem Werte des Unterpfandes in beschränktem Umfang rechnen dürfen. Deshalb rechtfertigt' es sich, dass das gesetzliche Pfandrecht der Defizitgläubiger nur bis zur Hälfte des Pfandforderungsbetrages der übrigen Pfandgläubiger dem Pfandrechte dieser selbst vorangestellt werden darf. Sobald die Defizitbeträge die Höhe der halben Pfandsumme sämtlicher bereits auf dem Unternehmen bestehender Pfandrechte erreicht, fällt also für das weitere das gesetzliche.Pfandrecht weg. Man darf auch annehmen, dass damit den praktischen Bedürfnissen vollkommen Rechnung getragen ist, denn wenn die Defizite zusammen über diese Grenze hinaussteigen, wird das Unternehmen ohnedies für die Liquidation reichlich reif geworden sein.

Sodann empfiehlt es sich, für die derart beschränkte Deckung der Defizitforderungen eine zeitliche Beschränkung aufzustellen.

Die Defizitwirtschaft ohne Liquidation soll nicht zum Schaden der an dem Unternehmen Beteiligten länger als zehn Jahre fortdauern.

Mit diesen Einschränkungen dürfen die Defizitforderungen, ohne eine unbillige Schädigung der bereits durch Pfandrecht gedeckten Gläubigerschaften herbeizuführen, mit einem allen ändern Belastungen vorgehenden Pfandrechte ausgerüstet werden. In diesem Umfange kann der Staat unbedingt für den Fall der Liquidation auf Deckung aus dem Werte des Unterpfandes rechnen. Richtigerweise wird diese Deckung auch dem gesetzlichen Pfandrecht für die Elektrifizierungsdarlehen vorangestellt.

Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der Entwurf dem Bunde, den Kantonen und den Gemeinden namhafte Opfer auf erlegt. Diese Opfer bestehen für den Fall der Liquidation in dem Zinsverlust für die Defizitforderungen und eventuell in der Tragung des Defizits in dem die Hälfte der bestehenden Belastungen übersteigenden Betrag für höchstens zehn Jahre, in dem Falle der wiederkehrenden
Rentabilität der Unternehmungen aber in dem herabgesetzten Zinsfuss für die Defizitforderungen, ausserdem in beiden Fällen in den Erleichterungen, die den Unter-

51?

nehmungen bei der Beschaffung der für die Elektrifizierung notwendigen Gelder gewährt werden. Allein die öffentliche Gewalt kann bei dieser Ordnung doch die endliche Liquidation im Bedürfnisfalle herbeiführen, ohne die Belastung zur Unerträglichkeit anwachsen lassen zu müssen. Das Ergebnis, dass durch die Hülfsaktion zahlreiche Liquidationen vermieden oder doch hinausgeschoben werden können, rechtfertigt doch wohl, an den allgemeinen Landesinteressen gemessen, diese Opfer durchaus.

Wir empfehlen Ihnen den nachfolgenden Entwurf eines Bundesgesetzes zur Annahme und benützen auch diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 13. September

1918,

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

5Ì8 (Entwurf.)

Bundesgesetz über

Hülfeleistung an notleidende Transportunternehmungen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 13. September 1918, beschliesst: Art. 1. Der Bund wird in Verbindung mit den Kantonen und Gemeinden dafür sorgen, dass der Betrieb von privaten Eisenbahnund Schiffahrtsunternehmungen, der für den allgemeinen Verkehr des ganzen Landes oder eines Gebietes desselben von erheblicher Bedeutung ist, auch für den Fall aufrechterhalten bleibt, wo die Einnahmen zur Deckung der Betriebsausgaben nicht ausreichen.

Transportunternehmungen, die im wesentlichen nur dem Ortsverkehr, Touristenverkehr und dem Hotelgewerbe dienen, fallen nicht unter diese Fürsorge.

Art. 2. Die Transportunternehmung, die eine solche Fürsorge in Anspruch nehmen will, hat mit dem Gesuch um Anordnung der Hülfeleistung dem Bundesrat den Nachweis zu erbringen, dass die Betriebsausgaben durch die Einnahmen des Unternehmens mit Einschluss allfällig verfügbarer Mittel und bestehender Subventionsverpflichtungen nicht gedeckt werden.

Unter die Betriebsausgaben werden auch die allgemeinen Verwaltungskosten, allfällige Zinsen für Betriebszuschüsse und ähnliche mit dem Betrieb verbundene Ausgaben gerechnet, wogegen Zinsen für Anleihen und schwebende Schulden, Schuldentilgungen, Einlagen in irgendwelche Fonds, Tantiemen und Divi· denden nicht darunter fallen.

Der Bundesrat entscheidet darüber, ob bei Eintritt der Hülfeleistung die konzessionsgemässen Verpflichtungen des Unternehmens aufrechterhalten werden sollen, oder ob und wie der Betrieb einzuschränken sei.

519

Art. 3. Das Gesuch um Hülfeleistung wird durch die zuständigen Organe des Unternehmens von sich aus oder auf Mehrheitsbeschluss einer Gläubigergemeinschaft dem Bundesrat vorWird das Gesuch von der Verwaltung von sich aus gestellt, so werden die einzelnen Gläubigergemeinschaften als zustimmend betrachtet, wenn sie nicht mit einem Beschluss, dem die Mehrheit der in der Versammlung vertretenen Kapitalanteile zugestimmt hat, binnen einem Monat nach der Stellung des Gesuches die Hülfeleistung ablehnen und die sofortige Liquidation verlangen.

Art. 4. Die Hülfeleistung erfolgt, auf Grund einer Vereinbarung für den einzelnen Fall, entweder dergestalt, dass der Bund, die Kantone und Gemeinden dem Transportunternehmen mit Darlehen oder Vorschüssen das Betriebsdefizit decken, oder in der Weise, dass der Bund, die Kantone und Gemeinden den Betrieb auf Rechnung und im Namen des Unternehmens übernehmen, wobei sie eine Forderung an das Unternehmen im Umfang des Defizits erlangen.

Die Übernahme des Betriebes kann vom Bunde, falls er es ablehnt, von einem oder mehreren Kantonen und, wo kein Kanton sich dafür entscheidet, im Einverständnis des Bundes von einer oder mehreren Gemeinden beansprucht werden.

Die Beteiligung am Defizit in der einen oder ändern Gestalt erfolgt in der Weise, dass der Bund die eine, die Kantone und Gemeinden die andere Hälfte zu tragen haben.

Art. 5. Mitbeteiligt an der Hülfeleistung ist neben dem Bunde ein jeder Kanton, auf dessen Gebiet das notleidende Transportunternehmen betrieben wird.

Liegt das Unternehmen in mehreren Kantonen, so wird die auf die Kantone fallende Hälfte des Hülfsbetrages unter ihnen nach Massgabe der Länge der Betriebslinie und mit Rücksicht auf die Grosse der Bevölkerung des auf das Unternehmen im allgemeinen Verkehr angewiesenen Gebietes, sowie auf die Zahl und Frequenz der Stationen verteilt.

In derselben Weise kann ein Kanton an dem ihm zufallenden Anteil der Hülfeleistung eine Gemeinde oder mehrere zur Mitbeteiligung an der Hülfeleistung verpflichten.

Die Feststellung der Beteilung erfolgt auf dieser Grundlage in jedem einzelnen Falle auf dem Wege einer Vereinbarung und, wenn sich die beteiligten Kantone und Gemeinden nicht einigen können, durch den Bundesrat.

520

Art. 6. Die Forderungen, die dem Bunde, den Kantonen und "Gemeinden aus der Tragung der Betriebsverluste zustehen, sind in den Jahren, in denen sich kein Betriebsüberschuss ergibt, unverzinslich.

Ergibt sich ein Betriebsüberschuss, so ist für das betreffende Jahr den genannten Gläubigern der Defizitbeträge auf der Gesamtsumme dei- Hülfeleistung aller Defizitjahre ein Zins bis zu 3 % und sodann l °/o als Amortisationsquote zu entrichten.

Erzielt das Unternehmen eine Einnahme über die Betriebskosten und die 4 °/o für Verzinsung und Amortisation des genannten Schuldbetrages hinaus, so kann sie nach Gesetz und Statuten zur Verzinsung der bestehenden privaten Anleihen, zur Bildung von Fonds und zur Entrichtung von Dividenden verwendet werden.

Übersteigt der Reingewinn eines Jahres 4 °/o des Aktienkapitals, so ist der Überschuss zur verstärkten Amortisation des Betriebsdarlehens zu verwenden.

Art. 7. Ist die Hülfeleistung eingetreten, so wird die Liquidation des Unternehmens für die nächsten zehn Jahre nur auf Verlangen des Bundesrates und, wenn sie von dem Unternehmen, einem unbefriedigten Gläubiger oder einem Kanton oder einer Gemeinde anbegehrt wird, nur mit Zustimmung des Bundesrates angehoben.

Bei der Liquidation sind die Forderungen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden durch ein gesetzliches Pfandrecht gesichert, das allen pfandrechtlichen Belastungen, die im Zeitpunkt ·des Eintritts der Hülfeleistung auf dem Unternehmen ruhen, sowie auch allfälligen gesetzlichen Pfandrechten zugunsten der zur Elektrifizierung gewährten Darlehen, vorgeht.

Dieses Pfandrecht sichert jedoch von Gesetzes wegen alle Forderungen aus dem Defizit zusammen nur bis zur Hälfte des Betrages der bei Eintritt der Hülfeleistung bereits das Unternehmen belastenden und durch das vorgehende Pfandrecht zurückgedrängten Pfandrechte und nicht weiter als für die Summe von 10 Jahren mit Betriebsdefiziten.

Art. 8. Der Bund gewährt den privaten Transportunternehmungen, die für den allgemeinen Verkehr des ganzen Landes oder eines Gebiets desselben von erheblicher Bedeutung sind, zur Bestreitung der Kosten der Elektrifizierung Darlehen in der Höhe der ganzen Kosten oder eines Teiles derselben.

Die Kantone haben, sei es mit oder ohne Beanspruchung der Gemeinden, die Hälfte des Darlehens mit zu übernehmen.

521

Die Beteiligung mehrerer Kantone oder einer oder mehrerer Gemeinden bestimmt sich nach denselben Gesichtspunkten wie die Teilnahme an der Hülfeleistung bei Betriebsdefiziten. ' Art. 9. Die Transportunternehmungen haben die Elektrifizierungsdarlehen nach Übereinkunft, zum mindesten aber mit 3% zu verzinsen und mit l °/o zur amortisieren.

Über die Beteiligung privaten Kapitals an solchen Elektrifizierungsdarlehen werden im einzelnen Falle die erforderlichen Vereinbarungen getroffen.

Übersteigt der Reingewinn eines Jahres 4°/o des Aktienkapitals, so ist der Überschuss nach Rückzahlung eines allfälligen Betriebsdarlehens zur verstärkten Amortisation des Elektrifizierungsdarlehens zu verwenden.

"o° Art. 10. Der Bund, die Kantone und die Gemeinden können anstatt der Gewährung von Darlehen zum Zwecke der Einrichtung des elektrischen Betriebes ihre Hülfeleistung in der Gestalt betätigen, dass sie an die Verzinsung der von privaten Gläubigern aufgebrachten Beträge einen Beitrag leisten.

Sie können den privaten Gläubigern die Hülfe ferner in der Gestalt gewähren, dass sie diesen Gläubigern für den Eingang der Zinsen, solange die Darlehensforderung selbst nicht untergegangen ist, Garantie leisten.

Art. 11. . Die Leistungen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, die auf Grund dieses Gesetzes den Transportunternehmungen zur Elektrifizierung gemacht werden, einschliesslich der rückständigen Zinse, haben von Gesetzes wegen ein Pfandrecht an dem Unternehmen, das allen im Zeitpunkt der Darlehensgewährung bereits auf dem Unternehmen lastenden Pfandrechten, mit Ausnahme des Pfandrechtes der Defizitforderungen, vorgeht.

Art. 12. Der Bundesrat wird im übrigen über die Bedingungen, unter denen die Darlehen zur Deckung der Betriebsdefizite und für die Elektrifizierung gewährt werden sollen, die nähern Vorschriften aufstellen.

Art. 13. Der Bundesrat setzt den Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes fest.

- -«--

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Hülfeleistung an notleidende Transportunternehmungen. (Vom 13. September 1918.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1918

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

38

Cahier Numero Geschäftsnummer

927

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.09.1918

Date Data Seite

504-521

Page Pagina Ref. No

10 026 856

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.