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III. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1918).

(Vom 4. Dezember 1918.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über nachfolgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

87. Franz Rotta, geb. 1874, Händler, Turgi (Aargau).

88. Ernst Pfeuti, geb. 1896, Kranführer, Bern.

89. Gottlieb Wyssenbach, geb. 1897, Schlosser, Bern.

(Übertretung der Ausfuhrverbote.)

a. Franz Rotta wurde durch Entscheid des Bezirksgerichts Zurzach vom 29. Dezember 1917, bestätigt vom Obergericht des Kantons Aargau am 5. Juli 1918, in Anwendung des Bundesratsbeschlusses betreffend Bestrafung der Widerhandlungen gegen das Ausfuhrverbot vom 11. August 1916 (A. S. n. F. XXXII, 280) verurteilt zu vier Wochen Gefängnis und Fr. 5000 Busse.

b. und c. Gegen Ernst Pfeuti und Gottlieb Wyssenbach verfügte das eidgenössische Zolldepartement am 23. Februar/ 24. Juni 1918 in Anwendung des Bundesratsbeschlusses betreffend Ausfuhrverbote vom 30. Juni 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 459) je eine Busse von Fr. 1200 und Fr. 850 Wertersatz.

Zu a. In der Nacht vom 19./20. März 1917 wurde beim Aarebrückenkopf in Koblenz von der Grenzwache ein Fischerweidling aufgefunden, der elf Kisten Seife und einen Sack Pfefferkörner enthielt. Die Untersuchung ergab, dass es sich um einen von langer Hand vorbereiteten Versuch handelte, Waren entgegen dem Ausfuhrverbot ins Ausland zu schaffen. Hierzu wurden von einem Wilhelm Hauser, Kaufmann in Waldshut, bei Kaufleuten in der Schweiz Waren im Wert von über Fr. 8000 zusammengekauft und aufgestapelt. Das weitere Vorgehen sollte

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von Rotta bestimmt werden. In der Folge erwarb Rotta vom spätem Mitangeschuldigten Finsterwald einen Weidling, der von Finsterwald nach Döttingen verbracht wurde, von wo aus der erste Warenschub beabsichtigt war. In der Nacht vom 19./20. Marx wurden die bereits genannten Waren nach Anweisung Rottas auf einem Fuhrwerk nach Döttingen geführt «ind von dort in den Weidling geschafft. Finsterwald sollte sie über den Rhein nach Waldshut führen, trat aber im letzten Augenblick zurück, weil er befürchtete, von der Grenzwache beschossen zu werden.

Er gab deshalb dem Weidling einen Stoss und überliess ihn der Strömung. Das herrenlose Fahrzeug trieb dann auf eine Sandbank und fiel in die Hände der Heerespolizei.

Das erst- und oberinstanzliche Verfahren führte insgesamt zu neun Verurteilungen, wobei Hauser und Rotta als Hauptbeteiligte je zu vier Wochen Gefängnis, Hauser überdies zu Fr. 8000 und Rotta zu Fr. 5000 Busse verurteilt wurden.

Für Rotta wird um Erlass der Gefängnisstrafe und angemessene Herabsetzung der Busse ersucht. Es wird angebracht, Rotta wohne seit 26 Jahren in Turgi und sei Vater zweier Kinder, die er als kleinerer Handelsmann dürftig durchs Lebea bringe. Er sei durch Versprechungen und Verlockungen zum Schmuggel verführt worden, wobei man ihm über Fr. 5000 zugesichert habe, wenn er die Schuld auf sich nehme. Nicht Gewinnsucht, sondern seine ärmlichen Verhältnisse hätten ihn bewegen, mitzumachen und alles auf sich zu nehmen. Nachträglich hätten die Beteiligten Rotta die versprochene Summe nicht bezahlt, und so müsse er nun ,,die herbste Strafe erleiden, trotzdem er an der ganzen Geschichte der Unschuldigste seitt und keinen Gewinn bezogen habe. Rotta bereue die Verfehlung schwer. Die Vollstreckung des Urteils würde den Untergang seiner Familie herbeiführen.

Die Überprüfung der Akten und gerichtlichen Erwägungen führt zur Ablehnung dieser Darstellungsweise. Vorab bedeutet die erstaunliche Behauptung, Rotta sei an der ganzen Angelegenheit der Unschuldigste, ein starkes Stück. Er ist vielmehr einer der Hauptbeteiligten und macht den denkbar schlechtesten Eindruck. Mit Recht ist der Bussantrag der Zollbehörden, der von vornherein auf Fr. 5000 lautete, von den Gerichten übernommen worden. Im Laufe der Untersuchung ergab sich dann, dass die von Rotta befürchtete Busse von einem gewissen Truzzi nachträglich übernommen wurde, vermutlich um Rotta zu erneutem Schmuggel zu veranlassen. Aus diesem Grunde betont

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das oberinstanzliche Urteil, die Verurteilung zu einer blossea Geldbusse würde Rotta überhaupt nicht treffen, und die von dei1 Vorinstanz gefällte Freiheitsstrafe erscheine mit Rücksicht auf die Verwerflichkeit der Beweggründe der Tat und die Vorstrafen des Angeschuldigten als recht bescheidene Sühne. Ob Rotta von Truzzi die Fr. 5000 erhielt oder nicht, kann unter diesen Verumsländungen für die Begnadigungsbehörde nicht von Belang sein.

In diesem Zusammenhang ist weiter festzustellen, dass Rotta ausserdem in den Jahren 1917/1918 verurteilt werden musste wegen Zuwiderhandlungen gegen eidgenössische Erlasse betreffend den Obsthandel, betreffend den Handel mit Obstbranntwein und den Bundesratsbeschluss über den Lebensmittelwucher. Diese den eidgenössischen Behörden wohlbekannten Verurteilungen bestärken den Eindruck, Rotta sei der hier nachgesuchten Begnadigung unwürdig. Insbesondere kann angesichts der vielen Vorstrafen und der schweren Verfehlungen nicht einen genügenden Grund abgeben, dass sich der Gesuchsteller in schwerer wirtschaftlicher Bedrängnis befinde. Was schliesslieh das empfehlende Gesuch des Gemeinderates von Turgi anbelangt, erledigt es sich mit dem Hinweis, dass anderseits von der Staatswirtschaftsdirektion und der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beim schweizerischen Justiz- und Polizeidepartement der Antrag auf Ausweisung Rottas gemäss Artikel 70 der Bundesverfassung gestellt ist, der ernstlich zu überprüfen sein wird. Ohne der Erledigung der Ausweisungsfrage vorzugreifen, sehen wir uns in der vorliegenden Begnadigungssache unter allen Umständen veranlasst, Ihnen die gänzliche Abweisung des Gesuchstellers nahezulegen.

Zu b. und c. Pfeuti und Wyssenbaeh gelang es zusammen mit einem gewissen Keusen und seiner Geliebten unter fünf Malen Gummibänder von Neuhausen nach Jestetten (Baden) zu schmuggeln. Beim sechsten Versuch wurden Pfeuti und Keusen von einer Militärpatrouille überrascht, nahmen Reissaus und Hessen die mitgeführten Waren im Stich. Nach längerem Suchen gelang es vorerst Keusen und Wyssenbach ausfindig zu machen und später auch Pfeuti zu verhaften. Die nachfolgende Administrativuntersuchung erbrachte, dass die Angeschuldigten für etwa Fr. 5900 Waren aufgekauft und zum grossen Teil bereits ausgeschmuggelt hatten. Der Rest fiel in die Hände der Zollbehörde.

Pfeuti und
Wyssenbach ersuchen beide um gänzliche Begnadigung.

Pfeuti bringt an, jetzt gänzlich mittellos zu sein, weshalb er die Busse nicht entrichten könne und Umwandlung in Ge-

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fängtris zu gewärtigen habe. Da er noch nie vorbestraft sei, im übrigen stets gearbeitet habe und verspreche, sich nie mehr in derartige Machenschaften einzulassen, möge man ihm entgegenkommen. .

Wyssenbach, der sich ähnlich vernehmen lässt, will infolge ungünstiger Arbeitsverhältnisse und um seine Eltern trotzdem unterstützen zu können, geschmuggelt haben. Auch er ersucht ihm die Umwandlungshaft zu ersparen. Im gleichen Sinne wendet sich sein Vater an die Begnadigungsbehörde.

Die öffentlichen Anschläge, in denen das eidgenössische Finanz- und Zolldepartement eindringlich vor Widerhandlung gegen die Ausfuhrverbote warnt und ausdrücklich auf die scharfe Massregelung hinweist, sind aus früheren Begnadigungssacheu bekannt (zu vergleichen die Abweisungsanträge in Sachen Keller und Tsehan-Oertlin, Bundesblatt 1918, II, 857 ff.). Auch zu den Fällen Pfeuti und Wyssenbach nimmt die eidgenössische Oberzolldirektion in ausführlicher Vernehmlassung, auf die wir verweisen, Stellung. Pfeuti und Wyssenbach werden als arbeitsscheue Gesellen geschildert, die schmuggelten, um mühelos Geld zu erlangen und es in lockerer Gesellschaft zu vertun. Wyssenbach ist wegen Schmuggelversuchs im Jahre 1917 vorbestraft, und sein liederliches Treiben lässt es als unglaubwürdig erscheinen, dass er seine Eltern wesentlich unterstützt. Pfeuti ist inzwischen in einen weitern Schmuggelfall verwickelt gewesen und neuerdings bestraft worden.

Die Oberzolldirektion schliesst ihre Ausführungen mit dem Antrage auf Abweisung der Gesuchsteller, da ihnen die Einsicht in die Strafbarkeit ihres Tuns nicht ermangelte und sie zu den Leuten gehören, die dem Lande in gegenwärtiger Zeit schweren wirtschaftlichen Schaden zufügen, den die gesamte Bevölkerung durch Einfuhrbeschränkungen aller Art zu büssen hat. Dieser Betrachtungsweise können wir vorbehaltlos zustimmen.

A n t r ä g e : Abweisung aller Gesuchsteller.

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Josef Goldner, geb. 1873, Kaufmann, Bern.

Arnold Letsch, geb. 1870, Metzger. Laufenburg (Aargau).

Ernst Kesseli, geb. 1896, Hülfsmonteur, Adliswil (Zürich).

Karl Alois Holzknecht, geb. 1889, Kaufmann, Zürich.

(Verbotener Nachrichtendienst.)

.Vom schweizerischen Bundesgericht (Bundesstrafgericht) sind in Anwendung des Artikels 5 der bundesrätlichen Verordnung

48i> betreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand vom 6. August 1914 (A. 8. n. F. XXX, 370) verurteilt worden : a. Josef Goldner am 7. Oktober 1918 zu drei Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 64 Tagen, Fr. 500 Busse und zwei Jahren Landesverweisung ; b. Arnold Letsch, Vater, zu 2J/2 Monaten Gefängnis und Fr. 50 Russe; c. Ernst Kesseli zu zwei Monaten Gefängnis, unter Anrechnungder erstandenen Untersuchungshaft von 38 Tagen, und Fr. 50 Busse; d. Karl Alois Holzknecht zu acht Monaten Gefängnis, uni er Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 40 Tagen, Fr. 300 Busse und Einstellung im Aktivbürgerrecht während eines Jahres nach Abbüssung der Gefängnisstrafe.

Zu a. Der ägyptische Staatsangehörige Goldner verf'asste für den Nachrichtendienst einer kriegsführenden Macht teils Berichte über die deutsche Spionage in der Schweiz, teils über die persönlichen und geschäftlichen Beziehungen schweizerischer Kaufleute zu den Zentralmächten. Ebenfalls zu Zwecken des Nachrichtendienstes bewog Goldner ferner einen Bundesbeamten, ihm Zolldoppel von gewissen Ausfuhrbewilligungen aus der Schweiz nach dem Gebiete der Zentralmächte herauszugeben.

Für Goldner wird um Erlass der Gefängnisstrafe und der Landesverweisung ersucht.

Laut Begnadigungsgesuch kam Goldner, der mit einer Walliseriu verheiratet und Vater eines in der Schweiz geborenen zwölfjährigen Mädchens ist, anfangs 1914 von Kairo in die Schweiz und wurde bald darauf angestellt als Buchhalter des Publizitätsdienstes der schweizerischen Landesausstellung in Bern.

Hier verblieb er bis Ende 1915 und wurde noch einige Monate lang aushülfsweise beschäftigt. Seither verdient er seinen Lebensunterhalt mit Handelsvertretungen. Besonders betont wird, das» Goldner nach Kriegsausbruch als einer der ersten auf die Kohlenminen im Wallis hinwies, wobei er zuhanden der Handelsabtoilung des schweizerischen Volkswirtschaf'tsdepartements einen dem Gesuch beigelegten Bericht verfasste, ferner, dass er sich bemühte, im Berner Oberland neue Industrien einzuführen. Es soll damit dargetan werden, dass Goldner seinen Unterhalt redlich verdiente und ausserdem zum Nutzen der Allgemeinheit tätig war. Mehrere Zeugnisse, namentlich über seine Arbeitsleistungen im Dienste

490 der Landesausstellung, werden angerufen, seine Tätigkeit an einem bosnischen Fähnleintag - zugunsten notleidender Schweizer und besonders sein aufopferndes Eintreten für aus den türkischen Metzeleien nach Ägypten geflohene Armenier im Jahre 1896 ·erwähnt, utn sein menschenfreundliches Wesen zu veranschaulichen. Weiter werden die Schicksalsschläge der Familie Goldner, die sie in Ägypten erlitt, und der erschütterte Gesundheitszustand der Eheleute geschildert und letzteres mit ärztlichen Zeugnissen bescheinigt. Die Landesverweisung wird in längeren Ausführungen, auf die wir Bezug nehmen, als besonders grausam dargestellt und schliesslich die Erwartung ausgesprochen, der Gesuchstellcr möge der mit Rücksicht auf die veränderten internationalen Verhältnisse angebracht erscheinenden Amnestie würdig befunden werden.

Diesen Gesuchsanbringen gegenüber ist hauptsächlich zu bemerken, dass sie vom Verteidiger bereits in der mündlichen Verhandlung vor Bundesstrafgericht eingehend dargelegt wurden.

Wie aus früheren Begnadigungssachen bekannt ist, spricht der Gerichtshof. die Landesverweisung nur nach reiflicher Erwägung sämtlicher Verumständungen aus. In Sachen Goldner genügt es in dieser Beziehung, mit den Urteilserwägungen festzustellen, dass er des Landes verwiesen wurde, ,,weil seine Handlungsweise, schweizerische Geschäftsleute gegenüber Organen fremder Staaten zu denunzieren, als ganz besonders verwerflich erscheint"1. Dies ist um so richtiger, als die Familie Goldner, wie ja das Begnadigungsgesuch in anderem Zusammenhange selbst betont, ,,in der Schweiz, mit welcher sie von jeher enge Bande verbunden haben, angewachsen ist".

Was die Gefängnisstrafe anbetrifft, gestatteten inzwischen die eidgenössischen Strafvollzugsbehörden mit Rücksicht auf die geschwächte Gesundheit Goldners, dass er den Rest im Spital erstehe. In dieser Beziehung kommt eine Begnadigung deshalb nicht mehr in Betracht. Der allgemeine Hinweis des Gesuchstellers auf eine zu erwartende Amnestie gegenüber derartigen Verurteilungen erledigt.sich mit der Überlegung, dass die in hohem Masse bedauerliche Handelsspionage wohl kaum sogleich verschwinden wird.

Enlsprechend der bestehenden Übung in Begnadigungssachen betreffend Landesverweisung wegen verbotenen Kachrichtendienstes halten wir auch hier dafür, es sollte dem Urteil des schweizerischen Bundesgerichtes von der Begnadigungsbehörde zugestimmt werden, da eine scharfe Ahndung derartiger Verfehlungen nach ·wie vor notwendig erscheint.

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Zu 6. Arnold Letsch, der Sohn des Gesuchstellers, wurde in Annemasse wegen Spionageverdachtes verhaftet und während dreizehn Tagen zurückgehalten, worauf ihm französische Offiziere die Zumutung machten, an der Rheingrenze für Frankreich zu spionieren. Letsch sollte Pläne von den Lonzawerken in Waldshut beschaffen. Nach Hause zurückgekehrt, setzte der junge Letsch den Vater von seinen Erlebnissen in Kenntnis und suchte dann den späteren Mitangeklagten Jappert, der bei Vater Letsch in der Miete war, zu bestimmen, in den Lonzawerken Arbeit zu nehmen und Pläne über die Anlagen herzustellen. Jappert kehrte aber gleichen Abends wieder heim. Der junge Letsch veranlasste ihn, auf einem Papierbogen einige Häuser mit Angabe ihrer Bestimmung zu zeichnen, die die Lonzawerke darstellen sollten.

Damit reiste Letsch nach Bern, wo er von der französischen Gesandtschaft nach Annemasse verwiesen wurde, worauf er die Sache aufgab.

Das Bundesstrafgericht sprach Vater Letsch ebenfalls schuldig, weil hergestellt war, dass er schon vor der Heimkehr seines Sohnes den Jappert dazu angemacht hatte, eine Stellung in Waldshut anzunehmen, um zu Plänen zu gelangen, und dass er später gemeinschaftlich mit seinem Sohn den Jappert zu der Reise nach Waldshut zu bestimmen versuchte.

In dem Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe und deiBusse oder wenigstens der Gefängnisstrafe werden in längereu .

Ausführungen, auf die wir verweisen, erneut Beweiswürdigungsfragen erörtert, die Richtigkeit der tatsächlichen Feststelb lungen des Bundesstrafrechtes bestritten und namentlich der Gesuchsteller gegenüber den andern damals Mitangeschuldigten in einer der Verteidigung günstigen Weise geschildert. Dies geschieht in der Meinung, damit ,,zur Genüge erwiesen" zu haben, ,,dass Letsch ein Opfer von falschen Aussagen geworden" sei.

Anschliessend wird ferner auch das Strafmass bemängelt, indem Vater Letsch lediglich als Begünstiger betrachtet werden müsse und ihm überdies tätige Reue zugute komme. Sehliesslich wird eine allfällige Amnestie in Anspruch genommen und dem alten, armen, schwer bedrängten Manne gegenüber um Nachsicht ersucht, um ihn nicht noch tiefer ins Elend sinken zu lassen.

Dieser Darstellung gegenüber ist auf die Urteilserwägungen des Bundesstrafgerichtes abzustellen. Aus ihnen ergibt sich auch, dass Vater Letsch vom Gerichtshof
nicht als Begünstiger, sondern als Miturheber verurteilt wurde. Hinsichtlich des Strafmasses wird betont, es spreche namentlich gegen eine milde Bestrafung, dass Vater Letsch ,,seinen unerfahrenen Sohn von dem Vorhaben

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nicht abwendig machte und den Jappert einer grossen Gefahr aussetzen wollte".

Im Anschluss an die Urteilserwägungen beantragen wir Abweisung des Gesuchstellers.

Zu c und d. Ernst Kesseli suchte einen ehemaligen Schulkameraden, der in der deutschen Marine gedient hatte, zur Auskunftserteilung an einen französischen Agenten, zu veranlassen.

Demselben Agenten nannte er eine weitere für die gewünschte Auskunft geeignete Person.

Karl Alois Holzknecht war mit 7 andern in eine Angelegenheit verwickelt, die besonders deshalb Beachtung verdient, weil Telegraphisten veranlasst werden sollten und teilweise auch veran lasst wurden, Telegrammrollen, enthaltend chiffrierte Staatsdepeschen, zuhanden des Nachrichtendienstes einer kriegsführenden Macht herauszugeben. Ein Versuch Holzknechts, von einem Beamten selbst Telegramme zu erhalten, misslang allerdings, doch wusste er sich -- wie die umfangreichen tatbeständlichen Feststellungen des Bundesstrafgerichtes ergeben -- in anderer Weise zu helfen und lieferte einem Agenten gegen Bezahlung falsche und echte Telegramme. Er wurde deshalb ausser wegen verbotenen Nachrichtendienstes noch wegen Bestechungsversuches verurteilt.

Für Kesseli stellt sein Grossvater mit Rücksicht auf das Lungenleiden des Verurteilten und die schwere Heimsuchung für die ganze Familie das Gesuch um Erlass der Reststrafe von 22 Tagen.

Holzknecht, der zurzeit seine achtmonatliche Gefängnisstrafe abbüsst, ersucht um Erlass der verbleibenden drei Monate oder eines Teils hiervon, da er in letzter Zeit an einer vorgerückten Herzkrankheit leide.

Zu einer Begnadigung liegt in beiden Fällen keine Veranlassung vor. Bei Kesseli war der offensichtliche Beweggrund seines Verhaltens die Aussicht, mühelos Geld zu erlangen. Holzknecht betreffend sprechen die tatbeständlichen Feststellungen des Bundesstrafgerichtes in vollem Umfang gegen eine Begnadigung ; namentlich ist die Absicht der Beamtenbestechung hervorzuheben.

Soweit die Gesuchsteller Krankheitsgründe geltend machen, erinnern wir an Artikel 197 des Bundesstrafprozesses vom 27. August 1851, wonach der Vollzug der Gefängnisstrafe aufgeschoben werden soll, wenn wegen einer Krankheit erbracht ist, class das Urteil nicht ohne Gefahr für den Verurteilten vollzogen

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werden kann. Wir beantragen deshalb, diese Gesuche im Begnadigungsverfahren abzuweisen und eine allfällige Berücksichtigung den Behörden des Strafvollzuges anheimzustellen, wie es übrigens Kesseli gegenüber bereits geschehen ist.

A n t r ä g e : Abweisung aller Gesuchsteller.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern den 4. Dezember 1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Calonder.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Sehatzmann.

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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 2. Dezember 1918, nachmittags 5 Uhr, zur ordentlichen Wintertagung zusammengetreten.

Im N a t i o n a l r a t gedachte bei der Eröffnung der Tagung Herr Präsident Calame des verstorbenen Herrn Nationalrates Nietlispach in Muri (Aargau).

Am 2. Dezember wählte der Nationalrat zu seinem Präsidenten : Herrn Heinrich Häberlin, von Bissegg und Frauenfeld, in Frauenfeld, bisher Vizepräsident, und am 3. Dezember zu seinem Vizepräsidenten : Herrn Eduard Blumer, Landamman a des Kantons Glarus, in Schwanden.

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III. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1918). (Vom 4. Dezember 1918.)

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