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III. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Sommersession 1918).

(Vom 8. Juni 1918.) .

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über folgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen: 81. Georg Nicola Monsch, geb. 1895, Kellner, Basel; 82. Hermann Ruetz, geb. 1875, Handelsmann, Lugano (Tessin).

(Verbotener Nachrichtendienst.)

Vom Bundesstrafgericht sind in Anwendung des Artikels 5 der bundesrätlichen Verordnung betreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand vom 6. August 1914 verurteilt .worden: a,. Georg Nicola Monsch, am 12. Februar 1918 zu 9 Monaten Gefängnis unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 117 Tagen und Fr. 300 Busse; b. Hermann Ruetz, am 16. April 1918 zu 4 Monaten Gefängnis unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 74 Tagen, Fr. 500 Busse und 2 Jahren Landesverweisung.

Zu a. Monsch, zurzeit und bis zum 20. August 1918 in der Strafanstalt Basel, lässt durch seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt das Gesuch stellen, ihm den noch zu erstehenden Teil der Strafe zu erlassen und die Busse auf einen erschwinglichen Betrag zu ermässigen, damit er durch Bezahlung die Umwandlung in Gefängnis vermeiden könne.

Monsch ist in Köln, wo er im Dezember 1915 als Kellner in Stellung war, von deutschen Polizeiorganen dazu gebracht worden, Erkundungsreisen nach Italien auszuführen. In der Folge reiste er insgesamt dreimal dorthin und erstattete jeweils Bericht. Seine Tätigkeit trug ihm grössere Geldsummen ein. Im Januar 1917 trat Monsch in Verbindung mit Agenten des französischen Nachrichtendienstes und begab sich in ihrem Auftrage nach Deutschland ; ferner versuchte er Leute für den französischen Nachrichtendienst anzuwerben. Im März 1917 übernahm er

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wiederum einen Spionageauftrag und verfasste mit seinem Vater zwei Berichte zuhanden eines französischen Agenten, die Fr. 1200 eintrugen. Gleichzeitig bemühte er sich, eine Drittperson für den deutschen Nachrichtendienst zu gewinnen.

Das Bundesstrafgericht hat straferschwerend in Betracht gezogen die Mannigfaltigkeit und die lange Dauer der verbotenen Tätigkeit. Anderseits hat der Gerichtshof dem Angeschuldigten zugute gehalten, dass seine Jugend und seine Stellung als Kellner in Deutschland ihn der Versuchung besonders zugänglich machten.

Das Begnadigungsgesuch will sich mit diesen Erwägungen nicht begnügen, sondern bringt an, die Strafe sei mit Rücksicht auf die vorhandene Sachlage, die lange Dauer der Untersuchungshaft und schliesslich im Vergleich zu den in andern Fällen ausgesprochenen Strafen ausserordentlich hart. Der Gesuchsteller habe einen guten Leumund genossen und sei nicht vorbestraft.

Der Gerichtshof hätte die bei Vater Monsch berücksichtigte Notlage auch beim Sohn annehmen sollen, dem die Bezahlung einer Busse von Fr. 300 um so schwerer fallen werde, nachdem er stellenlos geworden und durch die lange Strafzeit um jeden Verdienst gekommen sei.

In den Akten befindet sich ferner eine Bescheinigung des Direktors der Strafanstalt Basel, wonach sich Monsch tadellos aufführe.

Dem gegenüber muss festgehalten werden, dass das Bundesstrafgericht die dem Angeschuldigten günstigen Verumständungen im Strafmass ausdrücklich berücksichtigt hat. Dem Verurteilten überdies im Begnadigungswege entgegenzukommen, können wir wie in andern Fällen nicht befürworten. Gerade die grosse Versuchung, die der verbotene Nachrichtendienst bietet, indem er ermöglicht, mühelos grosse Geldsummen zu erlangen, erfordert schon aus Gründen der Generalprävention eine scharfe Ahndung.

Zudem handelt es sieh bei Monsch um längere, planmässige Machenschaften, was besonders verwerflich erscheinen muss. Die Verurteilung zu einer Busse rechtfertigt sich mit Rücksicht auf die mehrfach bezogenen hohen Geldbeträge.

Zu d. Ruetz ersucht, die ausgesprochene Strafe auf den bereits erstandenen Teil herabzusetzen.

Ruetz hat sich Angehörigen des deutschen Nachrichtendienstes verpflichtet, im Nachrichtendienst tätig zu werden. Im Auftrag eines Nachrichtenoffiziers trat er in der Folge mit verschiedenen Personen in Lugano in Beziehung, um sie zu Erkundungsreisen nach Italien zu veranlassen.

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Das Gesuch will in längern tatbeständlichen Erörterungen darbringen, dass Ruetz dem Nachrichtendienst nicht neue Agenten zugeführt, sondern mit den deutschen Beamten bereits bekannten Leuten Verbindung aufgenommen habe.

Dies sei jedoch ohne Erfolg gewesen, indem Ruetz von ihnen hintergangen und mit Wissen der Polizeibehörden Luganos missbraucht worden sei; er sei offensichtlich als Opfer der Gegenspionage zu betrachten. Ferner wird angeführt, Ruetz habe von den deutschen Behörden nur unter der Bedingung, dass er in den Nachrichtendienst trete, die Bewilligung erhalten, sich mit seiner Familie gesundheitshalber in der Schweiz aufzuhalten. Sein Notstand und die Krankheit seiner Söhne seien ausgebeutet worden.

Erneut wird betont, Ruetz habe bloss Handelsauskünfte verschaffen wollen, und versichert, er sei in Unkenntnis der Rechtswidrigkeit zum Nachrichtendienst veranlasst worden. Schliesslich wird angebracht, er habe als heimatlos zu gelten, da er während seines frühern langen Aufenthaltes in Italien unterlassen habe, die mit dem Heimatstaat notwendigen Beziehungen aufrecht zu erhalten.

Soweit das Gesuch den Tatbestand in Abweichung von den gerichtlichen Feststellungen erörtern will, beantragen wir, darauf nicht einzutreten.

Angesichts der Zurückhaltung, die in Begnadigungssachen wegen verbotenen Nachrichtendienstes ganz allgemein geboten ist, sind wir ferner der Meinung, dass auch die übrigen Anbringen nicht zu einer Begnadigung führen können. Es kann wie in den Fällen Hausdorff-Habermann und Poiret (zu vergleichen II. Bericht des Bundesrates, Anträge 58 und 60) dem schweizerischen Justiz- und Polizeidepartement als Strafvollzugsbehörde überlassen werden, allfällig notwendige Massnahmen zu treffen.

A n t r ä g e : Abweisung in beiden Fällen.

Bei diesem Anlasse versichern wir Sie unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 8. Juni

1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Calonder.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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