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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde von Notar A. Gamper in Genf wegen Verweigerung der Eintragung einer Zinsfusserhöhung im Grundbuch.

(Vom 7. Mai 1918.)

Der schweizerische Bundesrat

hat über die Beschwerde von Notar A. Gampert in Genf, wegen Verweigerung der Eintragung einer Zinsfusserhöhung im Grundbuch, auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, f o l g e n d e n B e s o h l u ss g e f a s s t :

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Im Jahre 1908 hat die Sparkasse von Genf der zwischen den Ehegatten Perrier-Olivier bestehenden Gütergemeinschaft ein zu 4*/2 °/o verzinsliches Darlehen im Betrage vom Fr. 120,000 bewilligt, zu dessen Sicherung die zum Gemeinschaftsgut gehörende Liegenschaft Nummer 2992, Blatt 7, des Katasters von Genf verpfändet wurde. Die Ehegatten Perrier-Olivier haben vor dem Inkrafttreten des ZGB keine Erklärung über die Beibehaltung ihres frühern Güterstandes der gesetzlichen Gütergemeinschaft abgegeben ; sie stehen somit Dritten gegenüber unter dem ordentlichen Güterstand der Güterverbindung. Dagegen sind im Grundbuch von Genf immer noch beide Ehegatten als Eigentümer des verpfändeten Grundstückes eingetragen.

39 Inzwischen ist jenes Darlehen zur Rückzahlung fällig geworden. Die Gläubigerin erklärte sich jedoch bereit, die Fälligkeit bis zum 22. Januar 1923 hinauszuschieben, sofern der Ehemann Perrier sich verpflichte, durch teilweise Abzahlung die Forderung auf Fr. 105,000 zu vermindern und dieses Kapital in Zukunft mit 5 % zu verzinsen. Perrier nahm diese Vorschläge an und schloss am 4. Februar 1918 mit der Sparkasse Genf eine entsprechende Vereinbarung ab. In seinem Namen und Auftrage suchte am 8. Februar 1918 Notar A. Gampert um die Eintragung der Zinsfusserhöhung und des neuen Fälligkeitstermins im Grundbuch nach. Der Grundbuchverwalter von Genf wies jedoch am 12. Februar diese Anmeldung mit der Begründung ab, ,,dass die eheliche Gütergemeinschaft Perrier-Olivier nicht im Güterrechtsregister eingetragen sei und dass die Zustimmung der Ehefrau fehle".

Gegen diese Verfügung führte Notar A. Gampert bei der kantonalen Aufsichtsbehörde über die Grundbuchführung Beschwerde und stellte das Begehren, der Grundbuchverwalter sei anzuweisen, die verlangten Eintragungen vorzunehmen.

Durch Entscheid vom 7. März 1918 wies jedoch die Aufsichtsbehörde des Kantons Genf die Beschwerde ab. Zur Begründung dieses Entscheides wird im wesentlichen angebracht: Da beide Ehegatten Perrier-Olivier als Eigentümer der verpfändeten Liegenschaft im Grundbuch eingetragen seien, ohne dass sie seinerzeit den Güterstand der Gütergemeinschaft auch Dritten gegenüber beibehalten hätten, müsse auf Grund von Art. 646 ZGB angenommen werden, dass das verpfändete Grundstück je zur Hälfte im Miteigentum der Ehegatten Perrier-Olivier stehe.

Der Miteigentumsanteil der Ehefrau erscheine als ihr eingebrachtes Gut im Sinne von Art. 195 ZGB. Nach Art. 202 ZGB bedürfe der Ehemann zur Verfügung über die Vermögenswerte des eingebrachten Frauengutes der Bewilligung der Ehefrau, sobald es sich um mehr als die gewöhnliche Verwaltung handle. Die Einräumung einer Zinsfusserhöhung und deren Eintragung im Grundbuch stellten nun zweifellos eine Belastung des Frauengutes dar, was nicht mehr als eine blosse Verwaltungshandlung des Ehemannes, sondern als eine Verfügung über Frauengut erscheine.

Darum habe der Grundbuchverwalter mit Recht die Zustimmung der Ehefrau gefordert.

II.

Mit Eingabe vom 13. März 1918 beschwert sich Notar A. Gampert im Namen und Auftrag der Eheleute Perrier-Olirier

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-über den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 7. März 1918 beim Bundesrat und verlangt Aufhebung dieses Entscheides.

Der Beschwerdeführer erblickt in der Unterzeichnung des Vertrages, den der Ehemann Perrier-Olivier mit der Sparkasse von Genf über die Zinsfusserhöhung und über das Hinausschieben der Fälligkeit des pfandversicherten Darlehen abgechlossen hat, eine gewöhnliche Verwaltungshandlung, zu deren Vornahme der Ehemann keineswegs die Einwilligung der Ehefrau nötig habe.

Dies treffe auch dann zu, wenn man, was nicht näher untersucht werden müsse, mit den genferischen Grundbuchbehörden ein Miteigentumsverhältnis der Ehegatten an der verpfändeten Liegenschaft annehme. Der Vertrag mit der Sparkasse Genf erscheine sogar als eine vorteilhafte Verwaltungshandlung, da der Zinsfuss von 5 % als bescheiden betrachtet werden könne und das Hinausschieben des Fälligkeitstermins bis zum Jahr 1923 einer sofortigen Rückzahlung des Darlehens weit vorzuziehen sei. Der Eintrag des erhöhten Zinsfusses möge zwar als eine Belastung des eingebrachten Frauengutes angesehen werden ; sie sei aber eine notwendige Folge der eingeräumten Vorteile und dürfe nur im Zusammenhang damit gewürdigt werden. Im übrigen liege die Pflicht zur Zinszahlung ausschliesslich dem Ehemann ob, da ihm ja auch die Nutzung des Frauengutes zustehe. Die Bewilligung des höhern Zinsfusses sei auch unter diesem Gesichtspunkt nichts anderes als eine Verwaltungshandlung des Ehemannes, die der Zustimmung der Ehefrau nicht bedürfe.

Die kantonale Aufsichtsbehörde über das Grundbuch beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 2. April 1918 unter Verweisung auf die im angefochtenen Entscheid enthaltene Begründung Abweisung der Beschwerde.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Vor allem sind die güterrechtlichen Regeln von Bedeutung, nach denen jene Vereinbarung zwischen dem Ehemann PerrierOlivier und der Sparkasse von Genf, vom 4. Februar 1918, beurteilt werden muss. Die genferischen Grandbuchbehörden haben angenommen, dass die Ehegatten Dritten gegenüber unter dem ordentlichen Güterstand der Güterverbindung stehen. Diese Folgerung ist zweifellos zutreffend' und wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Ebenso kann nichts gegen die weitern Schlüsse eingewendet werden, die vom Grundbuchverwalter und

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von der kantonalen Aufsichtsbehörde aus der Tatsache gezogen worden sind, dass zurzeit im Grundbuch immer noch beide Ehegatten als Eigentümer der verpfändeten Liegenschaft eingetragen sind. Da, wie es scheint, eine Vereinbarung unter den Ehegatten über die Eigentumsverhältnisse an diesem Grundstück nicht getroffen worden ist, muss in der Tat ein Miteigentumsverhältnis der Ehegatten angenommen werden, wobei sich die eine ideelle Hälfte als Mannesgut, die andere als eingebrachtes Frauengut darstellt. Somit ist die weitere Frage, ob der Ehemann der Sparkasse Genf einen höhern Zinsfuss bewilligen und diesen Zinsfuss zu Lasten des im Miteigentum der Ehegatten stehenden Grundstückes eintragen lassen darf, tatsächlich auf Grund von Art. 202 ZGB zu entscheiden. Es kommt nur darauf an, ob es sich bei dieser Verfügung des Ehemannes ,,um mehr als die gewöhnlich& Verwaltung handelt" (ZGB Art. 202, Abs. 1). Ist dies der Fall, so war die Zustimmung der Ehefrau zur Vereinbarung mit der Sparkasse Genf, vom 4. Februar 1918, erforderlich.

In dieser Beziehung hat sich die kantonale Aufsichtsbehörde darauf beschränkt, festzustellen, dass die Eintragung des erhöhten Zinsfus'ses im Grundbuch eine Belastung des eingebrachten Gutes der Ehefrau bedeute. Damit soll, nach der Auffassung der kantonalen Aufsichtsbehörde, zugleich auch ohne weiteres nachgewiesen sein, dass es sich um eine Verfügung des Ehemannes handelt, die über die gewöhnliche Verwaltung hinausgeht und deshalb der Zustimmung seitens der Ehefrau bedarf. Der angefochtene Entscheid stützt sich somit auf die Ansieht, dass j e d e Verfügung des Ehemannes, die nach irgendeiner Richtung oder unter irgendeinem Gesichtspunkte eine Belastung von Frauengut mit sich bringt, nicht unter die ordentliche Verwaltung des Ehemannes fallen könne.

Diese Auffassung ist in ihrer Allgemeinheit nicht zutreffend und wird vom Beschwerdeführer mit Recht angefochten. Auf Grund von Art. 202 ZGB muss vielmehr die einzelne Verfügungshandlung des Ehemannes daraufhin untersucht und geprüft werden, ob sie nach den gegebenen Verhältnissen unter die ordentliche Verwaltung fällt oder nicht (vgl. Gmür, Kommentar zu Art. 202, Randnote 16--18). Diese Prüfung ist von der kantonalen Aufsichtsbehörde unterlassen worden, und doch ist keines* wegs ausgeschlossen, dass ein und dieselbe Handlung des
Ehemannes, z. B. gerade die Eintragung eines höhern Zinsfusses zu Lasten der Frauengutsgrundstücke, im einen Fall zur ordentlichen Verwaltung gehört und sehr wohl ohne die Zustimmung der

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Ehefrau vorgenommen werden kann, in einem andern Fall jedoch mit der Verwaltung des Frauenvermögens gar nichts zu tun hat und deshalb der Zustimmung der Ehefrau bedarf

n.

Im Beschwerdefall scheint von den kantonalen Grundbuchbehörden insbesondere der Umstand nicht gewürdigt worden zu sein, dass das Darlehen der Sparkasse von Genf im Betrage von Fr. 120,000 im Jahre 1908 zugunsten der zwischen den Ehegatten Perrier-Olivier bestehenden Gütergemeinschaft gewährt worden ist. Jenes Darlehen begründete Unbestrittenermassen eine Schuld der Gemeinschaft, für die, ganz abgesehen von dem besonders eingeräumten Grundpfandrecht, das ganze Gemeinschaftsgut der Ehegatten haftete. An dieser Haftung vermochte der am 1. Januar 1912 von Gesetzes wegen eingetretene Wechsel des Güterstandes gemäss Art. 11 Schi. T. ZGB, und Art. 188, Abs. l, ZGB nichts zu ändern. Auch unter der Herrschaft des neuen Rechtes und trotz der nun massgebenden Regeln über die Güterverbindung bleibt die Haftung aller Vermögenswerte für diese Darlehensschuld bestehen, die von der Gläubigerin vor dem 1. Januar 1912 dafür in Anspruch genommen werden konnten.

Demnach bildet nicht bloss, wie die kantonalen Grundbuchbehörden angenommen haben, der Miteigentumsanteil an der verpfändeten Liegenschaft, sondern ebensosehr der Anteil an der Verpflichtung der frühern Gemeinschaft zur Rückzahlung des Darlehens einen Bestandteil des eingebrachten Frauenvermögens.

Wenn nun der Ehemann, dem Verwaltung und Nutzung um eingebrachten Frauenvermögen zustehen, durch die Vereinbarung vom 4. Februar 1918 mit der Sparkasse von Genf die Pflicht zur Rückzahlung dieser, auch auf dem eingebrachten Gut der Ehefrau lastenden Schuld um 5 Jahre hinausschieben konnte, so hat er damit sicherlich keine über die ordentliche Verwaltung hinausgehende Verfügung über eingebrachtes Frauengut getroffen.

Er hat im Gegenteil als prdentlicher Verwalter seine Pflicht getan, und nicht nur in seinem Interesse, sondern zum Nutzen des Frauengutes gehandelt. Die Bewilligung der Zinsfusserhöhung von 4*/2 auf 5°/o und deren Eintragung im Grundbuch stellen nur die Gegenleistung für den von der Gläubigerin eingeräumten Vorteil dar, der sich in gleicher Weise auf das eingebrachte Frauengut wie auf das Mannesgut bezieht. Nur dann, wenn der Ehemann die Zinsfusaerhöhung für ein das Frauengut überhaupt nicht berührendes Darlehen bewilligt und dafür Frauengutsgrund-

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stücke pfandrechtlich belastet hätte, müsste diese Belastung als eine nicht unter die ordentliche Verwaltung des Frauengutes fallende Verfügung angesehen werden. Im Beschwerdefall liegen aber die Verhältnisse anders; hier bildet diese Belastung des Frauengutes, wie im Vorstehenden nachgewiesen wurde, einen Teil einer durchaus gebotenen Massnahme des Ehemannes die, als Ganzes betrachtet, zweifellos nicht über dessen . ordentliche Verwaltungsbefugnisse hinausgeht.

Die genferischen Grundbuchbehörden hatten somit unter den gegebenen besondern Umständen keinen Anlass, die ausdrückliche Zustimmung der Ehefrau zu verlangen. Der Grundbuchverwalter müsste vielmehr bei richtiger Würdigung aller Verhältnisse jene Verfügung des Ehemannes als Verwalter des eingebrachten Frauengutes in gleicher Weise anerkennen, wie es die Sparkasse von Genf als Gläubigerin bei Abschluss der Vereinbarung vom 4. Februar 1918 getan hat.

Auf Grund dieser Erwägungen wird erkannt: Die Beschwerde wird begründet erklärt, und die Aufsichtsbehörde des Kantons Genf über das Grundbuch wird eingeladen, dafür zu sorgen, dass dem Begehren des Beschwerdeführers um Eintragung der Zinsfusserhöhung im Grundbuch Folge gegeben wird.

B e r n , den 7. Mai 1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Calonder.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schatzmann.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde von Notar A. Gamper in Genf wegen Verweigerung der Eintragung einer Zinsfusserhöhung im Grundbuch. (Vom 7. Mai 1918.)

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1918

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3

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21

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22.05.1918

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38-43

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