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B u n des ra t sbe s chlu s s über

die Beschwerde von Notar Léon Martin in Genf wegen Verweigerung der Eintragung einer Grundlast im Grundbuch.

(Vom 3. September 1918.)

Der schweizerische Bundes rat hat über die Beschwerde von Notar Leon Martin in Genf wegen Verweigerung der Eintragung einer Grundlast im Grundbuch, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, f o l g e n d e n Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Am 16. Mai 1918 wurde zwischen Jacques Henri Perrier und den Ehegatten Tapponier-Cogne in Genf ein öffentlich beurkundeter Vertrag abgeschlossen, wonach die beiden Ehegatten Tapponier-Cogne das Eigentum an einem Grundstück in Petit Saconnex und ein "Wegrecht an einem Privatweg, genannt ,,rue Ferrier', erwerben, an den Unterhalt und an die Beleuchtung dieses Weges jedoch 1/52 der Kosten beitragen sollten.

Notar Léon Martin reichte am 28. Mai 1918 diesen Vertrag beim Grundbuchamt in Genf ein und verlangte in seiner Anmeldung neben der Eintragung der Käufer als Eigentümer des Grundstückes ausdrücklich die Eintragung einer D i e n s t b a r k e i t für das Wegrecht und einer G r u n d l a s t für den Unterhalt.

Der Grundbuchverwalter von Genf wies mit Verfügung vom 30. Mai 1918 diese Anmeldung mit der Begründung ab, dass die

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Angabe des Gesamtwertes für die Grundlast im Sinne von Art. 783, Absatz 2, ZGB und Art. 37 Grundbuchverordnung fehle.

Die kantonale Aufsichtsbehörde über die Grundbuchführung, bei der sich Notar Léon Martin gegen die Verfügung des Grundbuchverwalters beschwerte, erklärte in ihrem Entscheid vom 29. Juni 1918, dass die Anmeldung, soweit sie sich auf das Eigentum und die Dienstbarkeit des Wegrechtes beziehe, vom Grundbuchamt angenommen werden müsse, dass jedoch die Abweisung der Eintragung einer Grundlast mit Recht erfolgt sei.

Immerhin vertritt die kantonale Aufsichtsbehörde, im Gegensatz zu der Verfügung des Grundbuchverwalters, in ihrem Entscheid die Ansicht, dass im vorliegenden Fall die Angabe eines Gesamtwertes für die Grundlast nicht nötig sei, da es sich, mit Rücksicht auf die Verbindung zwischen Dienstbarkeit und Grundlast, nicht um eine ablösbare Grundlast handle (ZGB, Art. 788, Ziffer 2, am Ende). Allein, dieser Ausschluss der Ablösbarkeit ergebe sich mit völliger Klarheit nur aus dem unter den Parteien abgeschlossenen Vertrage selbst, nicht schon aus der Anmeldung ; der Grundbuchverwalter sei jedoch nicht verpflichtet, unvollständige oder unklare Anmeldungen aus den zwischen den Parteien abgeschlossenen Rechtsgeschäften zu ergänzen.

II.

Mit Eingabe vom 8. Juli 1918 beschwert sich Notar Leon Martin über den Entscheid der genferischen Aufsichtsbehörde vom 29. Juni 1918 beim Bundesrat und verlangt Aufhebung dieser Entscheidung.

Der Beschwerdeführer hebt vor allem hervor, dass der angefochtene Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde auf übertriebenem Formalismus beruhe, der den eidgenössischen Vorschriften über die Grundbuchführung nicht entspreche. Das von den zuständigen eidgenössischen Behörden ausgearbeitete Anmeldungsformular laute ganz einfach : ,,Der Unterzeichnete ersucht um die erforderlichen Eintragungen in das Grundbuch, gestützt auf folgende Aktenstücke : 1. Kaufvertrag vom 2. Pfandvertrag vom a 3 etc Im Gegensatz hierzu verlange die kantonale Aufsichtsbehörde nicht bloss die spezielle Angabe der einzutragenen Rechte und Lasten in der Anmeldung -- wogegen nichts einzuwenden sei --,

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sondern lasse es sogar nicht einmal zu, dass man sich in der Anmeldung auf die als Belege beigegebenen Verträge und Abreden der Parteien berufe und den Grundbuchverwalter zu seiner näheren Orientierung hierauf verweise. Eine solche Auslegung der kantonalen Vorschriften über das Grundbuch (Reglement vom 24. November 1916, Art. 39 ff.) sei zweifellos bundesrechtswidrig.

Die kantonale Aufsichtsbehörde über die Grundbuchführung beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 18. Juli 1918 Abweisung der Beschwerde, wobei sie einerseits auf die im angefochtenen Entscheid enthaltene Begründung, anderseits auf die vom Grundbuchamt Genf vorgebrachte Antwort zu der Beschwerde verweist.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Der Grundbuchverwalter von Genf hat die Eintragung der Grundlast abgelehnt, weil weder im rechtsbegründenden Vertrag noch in der Anmeldung ein G e s a m t w e r t der Grundlast angegeben war, während doch Art. 783, Absatz 2, ZGB und Art. 37 der Grundbuchverordnung ausdrücklich bestimmen : ,,Bei der Eintragung ist ein bestimmter Betrag als ihr Gesamtwert in Landestt münze anzugeben .

Obwohl sich die kantonale Aufsichtsbehörde in dem angefochtenen Entscheid nicht mehr auf diese Bestimmung stützt, ist doch in erster Linie zu untersuchen, ob nicht schon jener, vom Grundbuchverwalter angegebene Abweisungsgrund als zutreffend bezeichnet werden muss.

Der Beschwerdeführer und die kantonale Aufsichtsbehörde nehmen an, dass -- entgegen der erwähnten Vorschrift des Art. 783, Absatz 2, ZGB -- die Angabe eines G e s a m t w e r t e s dann entbehrlich sei, wenn die Grundlast mit einer unablösbaren Dienstbarkeit verbunden und deswegen auch die Ablösbarkeit der Grundlast für den Schuldner beschränkt ist (ZGB, Art. 788, Ziffer 2, am Ende). Diese Auslegung des Gesetzes hält einer näheren Prüfung nicht stand.

Es wird dabei einmal übersehen, dass sich der Schlussabsatz von Art. 788 ZGB, der die Ablösung ausschliesst, ,,wenn die Grundlast mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden ist", nur auf die Ablösung bezieht, die sonst vom Schuldner nach dreissigjährigem Bestand der Grundlast verlangt werden kann. Nur d i e s e Ablösung wird durch die Verbindung der Grundlast mit einer unablösbaren Dienstbarkeit ausgeschlossen,

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Während die anderen Ablösungsfälle, sei es zugunsten des Schuldners, sei es zugunsten des Gläubigers, gleichwohl noch eintreten können. Die Angabe einer Ablösungssumme im Grundbuch wird somit deswegen nicht überflüssig, und die Pflicht zur Angabe des Gesamtwertes bei der Anmeldung der Grundlast bleibt bestehen.

Ausserdem ist zu beachten, dass die Angabe des Gesamtwertes im Grundbuch nicht bloss für die Fälle der Ablösung der Grundlast dient, sondern noch andere Zwecke erfüllen soll : Insbesondere bestimmt diese Umschreibung des Gesamtwertes das Mass der Konkurrenz der Grundlast mit anderen dinglichen Rechten am gleichen Grundstück und ist im Falle der Pfand Verwertung gemäss Art. 812, Absatz 2 und 3, ZGB von Bedeutung.

Der Gesamtwert der Grundlast muss daher in a l l e n Fällen angegeben werden, wo überhaupt die Eintragung einer Grundlast im Grundbuch verlangt wird, ganz unabhängig davon, ob diese Grundlast selbständige Bedeutung hat oder, wie im Beschwerdefall, mit einer unablösbaren Dienstbarkeit verbunden ist. Die Angabe des Gesamtwertes einer Verpflichtung des Grundeigentümers kann bloss dann unterbleiben, wenn diese Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen nur den nebensächlichen Inhalt einer D i e n s t b a r k e i t im Sinne von Art. 730, Absatz 2, ZGB bildet; denn unter dieser Voraussetzung wird im Grundbuch überhaupt nur die Dienstbarkeit, nicht aber eine Grundlast eingetragen.

Gewiss hätte sich im vorliegenden Falle der Beschwerdeführer ohne Schaden für die Vertragsparteien sehr wohl mit der Eintragung des Wegrechtes als Dienstbarkeit im Grundbuch begnügen können und wäre dann der Angabe eines Gesamtwertes für die damit verbundene Unterhaltspflicht enthoben gewesen. Da er jedoch, was unbestritten ist, ausdrücklich die Eintragung einer Dienstbarkeit u n d einer Grundlast im Grundbuch verlangt hat, war er verpflichtet, alle gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen und einen Gesamtwert für die Grundlast anzugeben. Der Grundbuchverwalter von Genf hat somit die Anmeldung der Grundlast mit Recht abgewiesen.

II.

Nachdem die vorstehenden Erwägungen ergeben haben, dass die Anmeldung des Beschwerdeführers schon aus dem vom Grundbuchverwalter angegebenen Grunde abgewiesen werden musste, kann eine eingehende Prüfung der Gründe unterbleiben, die von der kantonalen Aufsichtsbehörde für ihren Entscheid angeführt worden sind. Immerhin muss in dieser Beziehung dem Beschwerdeführer ohne weiteres zugegeben werden, dass die im

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angefochtenen Entscheid enthaltene Auslegung der Artikel 39 ff.

des kantonalen Reglements über die Grundbuchführung vom 24. November 1916 über das Bundesrecht hinauszugehen scheint und nicht gebilligt werden kann. Jene Bestimmungen des kantonalen Reglements, die seinerzeit vom Bundesrate genehmigt worden sind und sich übrigens in verschiedenen Reglementen anderer Kantone ebenfalls vorfinden, können doch nur den Sinn und die Bedeutung haben, dass die Anmeldungen zum Grundbuch, und besonders die von den Urkundspersonen ausgehenden Anmeldungen, die einzutragenden Rechte unter der zutreffenden gesetzlichen Bezeichnung aufzählen und allfällige Zweifel der Grundbuchämter über die gewünschten Eintragungen und die davon betroffenen Grundstücke beseitigen sollen. Sobald die Anmeldungen jedoch diesen Anforderungen entsprechen, darf für alles weitere auf die als Belege eingereichten Verträge und Rechtsgrundausweise verwiesen werden.

Auf Grund dieser Ausführungen wird erk annt: Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

B e r n , den S.September

1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde von Notar Léon Martin in Genf wegen Verweigerung der Eintragung einer Grundlast im Grundbuch. (Vom 3. September 1918.)

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11.09.1918

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