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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung, 70. Jahrgang.

Bern, den 11. Dezember 1918.

Band V.

Erscheint wöchentlich. Preis 13 Franken im Jahr, 6 franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- and Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 16 Rappen die Zelle oder deren Raum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli £ Cte. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Gesetzesentwurf enthaltend das schweizerische Militärstrafgesetzbuch.

(Vom 26. November 1918.)

Zur Einleitung.

Das heute geltende Militärstrafgesetz von 1851 hat vor dem Ausbruch des Weltkrieges während langer Jahre eine bescheidene Rolle gespielt. Erst der Krieg, der die Schweiz zu einer ausgedehnten Mobilisation ihrer Truppenmacht gezwungen hat, liess die Fragen des militärischen Strafrechts und der militärischen Gerichtsbarkeit wieder mehr in den Vordergrund treten. Weiten Kreisen ist dabei die Unzulänglichkeit des geltenden Gesetzes, das seit 67 Jahren in Kraft steht, zum Bewusstsein gekommen. Dass das Gesetzbuch für unsere heutigen Verhältnisse nicht mehr passt, ergibt sich -- von Einzelheiten abgesehen -- ,, schon aus seinem Grundcharakter. Das 1851er Gesetzbuch ist auf den Kriegszustand gegründet. Seine Vorbilder gehen auf das alte eidgenössische Kriegsrecht und auf die für in fremden Diensten kämpfenden Schweizertruppen geschaffenen Gesetze zurück. Für diese Soldaten, die fast ständig in Kampf und Krieg lebten, kam allerdings nur ein Kriegsrecht in Betracht. Heute müssen wir, trotz des Krieges, der rund um unsere Grenzen tobt, anders überlegen: Ein für die heutige schweizerische Armee bestimmtes Gesetzbuch kann nur den Friedenszustand zum Ausgangspunkt haben.

Auch schon vor 1914 hat man die aus der Anlage des Gesetzes sich ergebenden schweren Mängel wohl erkannt. Namentlich die teilweise ungeheuerlich hohen Strafminima -- z. B. beim Diebstahl (Art. 135) und in gewissen Fällen der Insubordination (Art. 65) -- haben dem Gesetz seinen schlechten Ruf verschafft. Sie haben vielfach eine gerechte und vernünftige Rechtsprechung verhindert, indem sie den Richter entweder zwangen, unssinnige Strafen ausBundesblatt 70. Jahrg. Bd. V.

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zufallen oder ihn veranlassten, das Recht zu beugen. -- Durch eine Anzahl von Novellen hat man allerdings mit der Zeit gewisse besonders schlimme Härten beseitigt: Das Bundesgesetz vom 23. Juoi 1904 (Eidg. Gesetzsammlung XX, S. 127 f. und dazu die Botschaft vom 8. Dezember 1902, BB1 1902, V, S. 704 ff.), die sogenannte lex Brosi, hat für im Instruktionsdienst begangene Vergehen der Eigentumsbeschädiguüg, des Diebstahls, der Veruntreuung und des einfachen Betruges Strafmilderungen eingeführt. Die biindearätlicho Verordnung vom 12. Oktober 1915 (Gesetzsammlung XXXI, 8.351 f.)

hat diese Milderungen auch auf den aktiven Dienst anwendbar erklärt und weiter die Möglichkeit einer Strafmilderung vorgesehen bei dem Vergehen der itn Dienst gegenüber einem Obern begangenen Tätlichkeit (MStG Art. 65, Abs. 2), beim Schlafen auf Wache (Art. 78, lit. b) und beim Vergehen der Unzucht mit Kindern (Art. 118, lit. c). ' Durch einen Bundesratsbeschluss vom 12. Mai 1916 (Gesetzsammlung XXXII, S. 183 f.) ist ferner die bedingte Begnadigung, die ähulich wie die bedingte Verurteilung wirkt, in das Militärstrafrecht eingefügt worden. Und ebenfalls durch Verordnungen des Bundesrates, insbesondere durch den Bundesratsbeschluss vom 29. Februar 1916 (Gesetzsammlung XXXH, S. 65 ff.)

wurde dem Richter die Möglichkeit gegeben, bei bestimmten, namentlich bei rein militärischen Vergehen, auf militärischen Vollzug der Gefängnisstrafe zu erkennen.

Man hat durch diese und andere Erlasse, namentlich seit 1914.

das veraltete Recht des Gesetzes von 1851 erträglicher gemacht.

Allein eine solche Novellengesetzgebung bleibt immer Stückwerk.

Sie ändert nur Einzelheiten und bringt die Gefahr neuer Unstimmigkeiten mit sich, weil solche Teiländerungen sich vielfach nur schlecht in die Gesamtanlage des Gesetzes einfügen lassen.

So drängte seit 1914 alles zu einer vollständigen Neugestaltungdes Militärstrafrechts hin. Die Zeit dafür ist günstig wie noch nie: Durch die gesteigerte Beanspruchung des Militärstrafrechts und der militärischen Gerichtsbarkeit seit der Mobilisation 1914 konnten reiche praktische Erfahrungen gesammelt werden. Auch das juristische Interesse an militärstrafrechtlichen Fragen erhielt einen neuen starken Impuls. Vor allem aber ist von grosser Bedeutung, dass inzwischen die Arbeiten am Entwurf eines schweizerischen
bürgerlichen Strafgesetzbuches zum Abschluss gelangten. Damit war in zahlreichen Fragen zugleich auch die Lösung für ein neues Militärstrafgesetz gegeben. Denn es ist selbstverständlich, dass, soweit die gesetzgeberischen Probleme im bürgerlichen und im militärischen Strafrecht übereinstimmen, das neue Militärstrafgesetz an die wohlerwogenen Lösungen des bürgerlichen Strafgesetzentwurfes anknüpfen muss. Das sei hier schon betont. Das nähere Verhältnis, zwischen den beiden Gesetzgebungen werden wir später, in andern Zusammenhängen, noch in Einzelheiten erörtern.

339 Um die Grundlagen, auf die ein neues schweizerisches Militärstrafgesetzbuch aufbauen muss, klar hervortreten zu lassen, ist aber noch an einige andere geschichtliche Vorgänge zu erinnern.

Schon in den Jahren 1876--^88 hat der Bund die Neugestaltung des gesamten Militärstrafrechts versucht. Das Unternehmen ist damals, soweit das materielle Recht in Frage kommt, gescheitert.

Allein das Material, das diese Reformarbeiten gezeitigt haben, ist vielfach heute noch verwertbar. Es hat bei der Ausarbeitung des vorliegenden Entwurfes wertvolle Dienste geleistet. Die grund-.

legenden Arbeiten bei den Reformversuchen in den siebziger und achziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat Prof. Carl Hi Ity geleistet. Seine als Vorbereitung eines neuen Gesetzes gedachte Schrift ,,Grundzüge eines Militärstrafgesetzbuches für die schweizerische Eidgenossenschaft* (2. Aufl., Bern 1878) trägt zahlreiches Material, 'namentlich zum geschichtlichen Verständnis des schweizerischen Militärstrafrechts, zusammen. Über das Schicksal der damals ausgearbeiteten Entwürfe, deren Ziel es war, das gesamte materielle und prozessuale Militärstraf'recht in e i n e m Gesetze zusammenzufassen, orientiert die Botschaft vom 10. April 1888 betreffend ein Bundesgesetz über die Militärstrafgerichtsordnung (BB1 1888, II, S. 345 ff.). Aus den Daten der damaligen gesetzgeberischen Arbeiten sollen hier nur die Resultate hervorgehoben werden. Sie beslehen darin, dass der Bundesrat schliesslich den Entwurf eines das gesamte Militäretrafrecht umfassenden Gesetzes, den er am 30. Mai 1884 der Bundesversammlung vorgelegt hatte, zurückzog.

Der weitere Plan ging dahin, durch vier aufeinanderfolgende Gesetze das ganze Gebiet neu zu ordnen: durch ein Gesetz über die Strafgerichtsordnung, durch eine Disziplinarstrafordnung, durch ein Strafgesetzbuch und endlich durch ein Sondergesetz über die Kriegsartikel. Von diesen Plänen ist damals bekanntlich nur die Strafgeiichtsordnung zur Verwirklichung gelangt. Den Entwurf einer Disziplinarstrafordnung hat das Volk in der Abstimmung vom 4. Oktober 1896 abgelehnt, während das Strafgesetzbuch und daa Sondergesetz über die Kriegsartikel überhaupt nicht fertiggestellt wurden.

Im Mai 1916 beauftragte unser Justiz- und Polizeidepartement Prof. Dr. E r n s t H a f t er, Major der Armeejustiz, in Zürich, einen Vorentwurf zu einem neuen Militärstrafgesetzbuch auszuarbeiten.

Der mit einer Begründung versehene Vorentwurf wurde in drei Lieferungen ausgegeben: Die erste, den Allgemeinen und den Besondern Teil des kriminellen Militärstrafrechts enthaltend, erschien am 23. November 1916, die zweite -- das Disziplinarrecht -- am

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29. Juni 1917, die dritte, mit den Bestimmungen über ,,Einführung und Anwendung des Gesetzes11, am 30. März 1918. Die Übersetzung des Vorentwurfes ins Französische besorgte Herr Dr. P a u l L o g o z , Privaldozent in Genf.

Am 12. Januar 1917 hat das Departement zur Beratung des Vorentwurfes eine aus folgenden Herren zusammengesetzte Expertenkommission eingesetzt: Oberst Léon B l a n c h od, juge d'instruction cantonal in Lausanne.

Oberst Heinrich B o l l ì , Ständerat in Schaff hausen.

Major der Armeejustiz Albert C a l a r n e , Grossrichter und Staatsrat in Neuenburg.

Major der Armeejustiz Ed. Gor re v on, Auditor der I.Division in Vevey.

Oberstl. Jean de C o u r t en, juge cantonal in Sitten.

Oberati. Hans Prey, Instruktionsoffizier in Bern.

Oberst der Armeejustiz Stefano G a b uz z i, Ständerat in Bellinzona.

Professor Dr. Alfred G a u t i e r , in Genf.

Nationalrat G r ü n e n f e l d e r , Advokat in Flums.

Major der Armeejustiz E. H a f t e r, Grossrichter und Professor in Kilchberg bei Zürich.

Major der Armeejustiz Max H u b e r , Stellvertreter des Armeeauditors und Professor in Zürich.

Dr. W. K a i s e r , - C h e f der Justizabteilung in Bern.

Maior der Armeejustia E. K i r c h h o f e r , Grossrichter und Bundesrichter in Lausanne.

Oberstl. Walter K i s s l i n g , Adjunkt des Schweiz. Militärdepartements in Bern.

Dr. Paul L o g o z, Privatdozent in Genf.

Major der Armeejustiz Albert M a u n o ir, Grossrichter und Nationalrat in Genf.

Oberstl. Ludwig P e y e r , Advokat in Zürich.

Oberst der Armeejustiz Reiche!, Armeeauditor und Oberrichter in Bern.

Bundesanwalt Fr. S t ä m p f l i in Bern.

Oberst der Armeejustiz Alfred Stooss, Bundesrichter in Lausanne.

Nationalrat Dr. F. S t u d e r in Winterthur.

Major der Armeejustiz F. T r U s s e l, Grossrichter und Oberrichter in Bern.

Professor Dr. Emil Z ü r c h e r , Nationalrat in Zürich.

Das Sekretariat bestand aus den Herren: Dr. R. K a e s l i n , Chef der Polizeiabteilung in Bern.

Hauptm. der Armeejustiz G u i s an in Lausanne.

Hauptm. der Armeejustiz Franz G l ä t t l i in Zürich.

Hauptm. der Armeejustiz Dr. Otto R o h n e r. in St. Galleu.

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lu dea spätem Kommissioussitzungen traten als Protokollführer an die Stelle der Herren Guisan und Glättli die Herren Oberlt. der Armeejustiz Dr. Alfred H u b e r in Bern, Dr. J. Le F o r t in Genf und Edouard K r a f f t in Lausanne.

Diese Kommission hat unter dem Vorsitze des Chefs unseres Justiz- und Polizeidepartements, in vier Sessionen, die im April und November 1917, Januar und Mai 1918 stattfanden, den Vorentwurf in zwei Lesungen durchberaten. Zur Bereinigung der Beschlüsse trat nach den einzelnen Sessionen eine Redaktionskommission zusammen. Sie bestand aus dem Chef des Justiz- und Polizeidepartements als Vorsitzendem, dem Redaktor des Entwurfes, Prof. H a f t e r , Bundesrichter Stooss, Bundesrichter K i r c h h o f e r, Dr. W. K a i s e r , Dr. L o g o z und Dr. K a e s l i n .

I. Grundsätzliche Fragen.

Bevor wir auf die Betrachtung des Entwurfes im einzelnen eintreten, ist die Stellungnahme zu einer Anzahl grundsätzlicher Fragen geboten.

I. In erster Linie steht hier die Frage nach dem U m f a n g des G e s e t z e s . Soll das neue schweizerische MStGB ein vollständiges, vom bürgerlichen Strafrecht unabhängiges Gesetz sein?

Was aber bedeutet hier ,,Vollständigkeit11?

Nach zwei Richtungen ist zu diesem Problem Stellung zu nehmen: 1. Es fragt sich zunächst, ob es notwendig ist, ein MStGB mit einem vollständigen A l l g e m e i n e n T e i l auszustatten, oder ob es nicht genügt, auch im Militärrecht zunächst auf die Regeln des bürgerlichen Strafrechts abzustellen und nur da noch Vorschriften zu erlassen, wo die militärrechtlichen Besonderheiten es erfordern. Diese Lösung trifft z. B. das deutsche Recht, dessen MStGB in § 2 die ,,entsprechende Anwendung" der Allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Strafgesetzes auf das militärische Strafrecht vorsieht. Die Möglichkeit einer solchen Regelung ist durch Art. 9 des bürgerlichen Strafgesetzentwurl'es auch für unser Recht gegeben. Art. 9 erklärt: Die Militärgesetze bestimmen, inwieweit dieses Gesetz auf die dem Militärstrafrecht unterstellten Personen. Anwendung findet. -- Das neue MStGB könnte sich also da, wo für beide Rechtsgebiete eine übereinstimmende Regelung erfolgen kann, mit Hinweisen auf das bürgerliche StGB begnügen. Allein diese Lösung empfiehlt sich nicht. Den Bedürfnissen der Praxis ist besser gedient, wenn der militärische Richter in dem Gesetz, das er anzuwenden hat, einen vollständigen Allgemeinen Teil findet. Die Vollständigkeit ist aber namentlich

342 deshalb notwendig, weil es mindestens unsicher ist, ob die beiden ueuen eidgenössischen Strafgesetzbücher gleichzeitig in Kraft treten können. Gelangt das neue Militärrecht vor dem bürgerlichen StGB zur Geltung, so ist es unumgänglich, dass sein Allgemeiner Teil eine vollständige Gestaltung erfährt.

2. Die Frage nach der ,,Vollständigkeit" erhebt sich aber vor allem im B e s o n d e r n T e i l des MStGB. Die Rechtsvergleichung zeigt, dass die Gesetzgebung hier verschiedene Wege eingeschlagen hat: Das österreichische MStGB z. B. umfasst alle Delikte, die militärischen wie die sog. gemeinen. Bei diesem System wird der Gesetzgeher aus militärischen Überlegungen allerdings die gemeinen Verbrechen teilweise modifizieren und sie teilweise auch mit schwereren Strafandrohungen ausstatten, als sie dem entsprechenden bürgerlichen Strafrecht eigen sind.

In andern Gesetzgebungen beschränkt sich das MStGB darauf, in seinen Text nur die Militärvergehen -- in mehr oder weniger grosser Ausdehnung -- aufzunehmen. Daneben gelten für die grundsätzlich dem militärischen Recht- unterstehenden Personen die bürgerlichen Strafgesetze, soweit das MStGB nicht regelt.

Beispiele für dieses System sind der französische Code de justice militaire und das deutsche MStGB. Vor allem aber war diese Lösung von alters her dem schweizerischen Militärstrafrecht eigen.

Und an ihr müssen wir auch in Zukunft festhalten. Es ist die Gestaltung, die der Eigenart unserer Verhältnisse am besten entspricht. Die Grenzziehung zwischen dem bürgerlichen und dem militärischen Strafrecht und damit der Umfang des letztern wird dadurch bestimmt, dass im MStGB alle Tatbestände enthalten sein sollen, die zum Schutz der militärischen Interessen erforderlich erscheinen. Wo diese Voraussetzung nicht zutrifft, soll nach unserer Auffassung auch der Wehrmann, der ein Vergehen verÜbt, dem bürgerlichen Strafrecht unterstehen. Man hat mit Keclit gesagt, der Schweizersoldat sei in viel höherm Masse, als das in Ländern mit einem stehenden Heer der Fall ist, Milize und Bürger zugleich. Seine bürgerliche Stellung rage mannigfach und stetig in seinen militärischen Dienst hinein. Es ist deshalb undenkbar, dass man ihn, solange er im Dienst sich befindet, schlechthin unter das militärische Straf'recht stellt. Es kommt vielmehr darauf an, was für ein Delikt er
verübt. Ist es ein Vergehen, das zum Schutze militärischer Interessen unter Strafe gestellt ist, so muss das Militärstrafrecht zur Anwendung gelangen. Trifft das aber nicht zu, so muss auch für den Soldaten das bürgerliche Strafrecht gelten.

Das ist der Grundsatz, nach dem die Grenzlinien zu ziehen sind. Wie sie im einzelnen verlaufen, ist nicht an dieser Stelle,

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sondern bei der Betrachtung des Besondern Teils zu erörtern.

Hier soll nur noch auf ein weiteres Moment hingewiesen werden, das den konsequenten Abschluss des schweizerischen Systems der Grenzziehung zwischen militärischem und bürgerlichem Strafrecht bedeutet: Art. 216 des Entwurfes bestimmt: Soweit eine Person dem Militärstrafrecht untersteht, ist sie auch der M i l i t ä r s t r a f g e r i c h t s b a r k e i t unterworfen. Im Gegensatz z.B. zum französischen und zum deutsehen Recht ist es ausgeschlossen, dass der Soldat wegen eines nicht im MStGB vorgesehenen Deliktes, vor den militärischen Richter gestellt wird. Er bleibt dafür dem bürgerlichen Strafrichter verantwortlich. -- Das schweizerische Gesetz geht damit in der Zurückdrängung des militärischen Rechts zugunsten des bürgerlichen Strafrechts weiter als andere Länder.

Es bringt auch hierin die Doppelstellung des Schweizersoldaten als Milizen und als Bürger deutlich zum Ausdruck.

II. Das bisher geltende MStGB war, wie wir schon angedeutet haben, in erster Linie auf den K r i e g s z u s t a n d gegründet.

Dus neue.Recht dagegen muss vom F r i e d e n s z u s t a n d ausgehen.

Durchgeht man im 1851er Gesetz die fünf ersten Titel des Besondern Teils, in denen die militärischen Vergehen ihre Regelung erfahren, so sieht man in zahlreichen Tatbeständen immer wieder den Fall vorangestellt, da der Täter sein Vergehen im Kriege verübt. Erst anhangsweise wird für den Fall der Begehung im Instruktionsdienst eine geringere Strafe vorgesehen. Man vergleiche z. B. die Art. 72, 77, 78, 96, 98 usw. des Gesetzes von 1851.

Der Entwurf bedeutet einen vollständigen Bruch mit diesem System. Die Formulierung aller Tatbestände des Besondern Teils geht davon aus, dass ein Vergehen in Friedenszeiten -- während eines Instruktionsdienstes -- verübt wird. Aber es ist klar, dass man mit den dafür vorgesehenen Strafbestimmungen allein nicht auszukommen vermöchte. Hier setzt nun die für das schweizerische Militärrocht überaus wichtige Dreiteilung: Instuktionsdienst -- aktiver Dienst ausserhalb der Kriegszeit -- aktiver Dienst in Kriegszeiten ein. Das geltende Militärstrafrecht führt diese Trias sieht durch. Es unterscheidet nur zwischen Instruktionsdienst und Dienst in Kriegszeiten. Es lässt also gerade den Zustand, in dem unser Heer sich seit August 1914 befindet
-- aktiver Dienst ausserhalb der Kriegszeit --, unberücksichtigt. Und so kam es, dass der Bundesrat in der sog. Kriegszustandsverordnung vom 6. August 1914 zu der Vorschrift gelangen musste: Für die Dauer des gegenwärtigen Truppenaufgebotes finden die Bestimmungen der Militärgesetze, die für Kriegszeiten aufgestellt sind, Anwen-

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düng. Unser Land steht also auch heute noch unter dem Kriegsrecht, obschon es vom Kriege verschont geblieben ist.

Diese Verhältnisse sollen durch die vom neuen MStGB übernommene Dreiteilung richtiggestellt werden. Nach zwei Richtungen wird dabei das neue System seine guten Wirkungen entfalten: 1. Für die Gestaltung der Bestimmungen im Besondern Teil des Gesetzes ergibt sich als Ausgangspunkt, dass die Umschreibung des Deliktes und die für die Verübung während eines Instruktionsdienstes ausgesetzte Strafandrohung vorangestellt werden.

Da, wo es notwendig erscheint, wird dann für den Fall, dass der Täter das Vergehen in Zeiten eines aktiven Dienstes verübt, eineschwerere Strafe angedroht; man vergleiche z.B. die Art.82(Dienstverweigerung), 83 (Dienstversäumnis), 84 (Ausreissen), 85 (.Unerlaubte Entfernung), 87 und 88 (Verrätereivergehen). Die Durchsicht des Besondern Teils zeigt aber, dass bei der Mehrzahl der Vergehen, auch wenn sie in Zeiten eines aktiven Diensles begangen werden, k e i n e h ö h e r e S t r a f b e s t i m m u n g Platz greift.

Dagegen enthält dann der Entwurf noch fUr eine Reihe von Tatbeständen eine die Strafandrohung verschärfende Bestimmung für den Fall, dass der Täter das Vergehen in Kriegszeiten oder ,,vor dem Feinde" verübt; z. B. Art. 62, 64, 65, 72, 73, 75. Beim Ungehorsam, bei der Meuterei, bei den Dienstverletzungen, bei den Wachtvergehen usw. ist die Forderung unabweisbar, dass mit einer schärferen Strafe gegen sie eingeschritten werden muss, wenn da» Land im Kriege sich befindet.

Mit diesem beim Aufbau des Besondern Teils befolgten System hat der Entwurf aber zugleich noch ein anderes Problem gelöst.

Wir haben schon in der Einleitung darauf hingewiesen, dass der Bundesrat im Jahre 1888 bei der Aufstellung seines Gesetzgebungsplanes für die Neuordnung des gesamten Militärstrafrechts ein S o n d e r g e s e t z ü b e r d i e K r i e g s a r t i k e l vorgesehen hatte.

Ein Entwurf dazu wurde im Jahre 1801 auch ausgearbeitet und von einer Expertenkommission durchberaten, dann aber nicht mehr weiter verfolgt. -- Mit dem vom Entwurf befolgten System entfällt jetzt die Notwendigkeit eines solchen besondern Erlasses.

Eine grosse Vereinfachung ergibt sich dadurch. Die durch die Kriegszeit erforderten Modifikationen können bei den einzelnen Bestimmungen des Friedensrechtes
eingefügt werden. Das geschieht teils durch Zusatzbestimmungen, teils durch die Aufstellung besonderer, nur für Kriegszeiten bestimmter Tatbestände (Feigheit vor dem Feinde, Vergehen gegen das Völkerrecht im Kriege usw.). Das alles lässt sich zwanglos an das Friedensrecht des Gesetzes anschliessen. Die Einheitlichkeit des Systems bleibt

345 dabei gewahrt, d. h. die Regeln über den Geltungsbereich des Gesetzes im Krieg kommen zu den Sätzen, die abschliessend die persönliche und sachliche Geltung des Gesetzes regeln; die Tatbestände über den in Kriegszeiten verübten Veriat kommen neben die auch in Friedenszeit möglichen andern verräterischen Handlungen zu stehen usw.

2. Die Dreiteilung : Instruktionsdienst -- Zeiten eines aktiven Dienstes -- Kriegszeiten'wird aber weiter von besonderer Bedeutung bei der Ordnung der persönlichen und sachlichen Geltung des Militärstrafgesetzes.

Wenn das Militärstrafrecht als ein Sonderrecht darin Zurückhaltung üben muss, dass es sich den Soldaten nur dann unterwirft, wenn er durch sein Vergehen militärische Interessen verletzt, so muss diese Zurückhaltung erst recht bei der Lösung der Frage zum Ausdruck kommen, unter was für Umständen die Geltung des Militärstrafreehts über den Kreis der Militärpersonen hinauserweitert werden darf.

Obenan steht hier die Forderung, n i c h t o h n e N o t Z i v i l personen dem militärischen Recht zu unterstellen.

Und diese Forderung führt der Entwurf für die Zeit normaler Verhältnisse, für die Friedenszeit, uneingeschränkt durch (Art. 2).

Erst in Zeiten eines aktiven Dienstes zum Zwecke des Grenzschutzes oder zur Unterdrückung innerer Wirren muss der Kreis der dein Militärrecht zu unterstellenden Personen eine gewisse Erweiterung erfahren (Art. 3). Noch etwas weiter ist endlich der Kreis in Kriegszeiten zu ziehen (Art. 4). Wie wir später noch an Einzelheilen zeigen werden, ergibt sich im Vergleich zum geltenden Recht durch dieses wiederum auf die Dreiteilung aufgebaute System eine Einengung der persönlichen Geltung des Gesetzes. Die Einschiebung des Stadiums : aktiver Dienst zum Zwecke des Grenzschutzes oder zur Unterdrückung innerer Wirren ermöglicht das. Es ist nicht mehr notwendig, dass wir für Zeiten, wie wir sie seit dem August 1914 durchleben, das Kriegsrecht,, die ultima ratio des Strafrechts, zur Anwendung bringen.

III. Bei der Erörterung grundsätzlicher Fragen ist hier auch noch zu einer Forderung Stellung zu nehmen, die immer wieder > dem Strafgesetzgeber unterbreitet wird. Es ist die Frage der v o l l s t ä n d i g e n A b s c h a f f u n g a l l e r e r h ö h t e n S t r a f rn i n i m a.

Das Problem hat insbesondere für das Militärstrafrecht heute
eine gewisse aktuelle Bedeutung. Die Herren Gottisheim und Mitunterzeichner haben in der Session der Bundesversammlung vont> Juni 1918 das Postulat eingebracht: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen, ob nicht die Strafminirna des Militärstrafreehts auf dem Wege der bundesrätlichen Verordnung aufgehoben werden sollen."

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Natürlich erhält das Postulat vom 25. Juni 1918 seine besondere Betonung durch die Beziehung auf das geltende MStGB, dessen grosse Mängel zum Teil gerade in den vielen allzu hohen Strafminima liegen, die es aufweist. Aber das Postulat hat darüber hinaus als gesetzgeberisches Problem allgemeinere Bedeutung. Bei der Schaffung eines neuen Strafgesetzbuches rnuss daher auch zu ihm Stellung genommen werden. Die Frage liegt so, ob es durchführbar und zweckmässig ist, in einem neuen Gesetz allgemein darauf zu verzichten, bestimmte Vergehenstatbestände mit einer die Minimaldauer der Freiheitsstrafe übersteigenden Strafe -- als unterer Grenze des Strafrahmens -- zu bedrohen.

Die Antwort auf diese Frage kann nur verneinend lauten.

Auch das fortschrittlichste Strafgesetzbuch kann auf die Aussetzung erhöhter Strafminima in bestimmten Fällen nicht völlig verzichten.

Wollte man den Satz von der Abschaffung aller erhöhten Strafminima folgerichtig durchführen, so wäre die Folge, dass der Richter auch bei den allerschwersten Verbrechen auf eine minimale Gefäugnisstrafe erkennen könnte. Zutreffen müsste das auch auf die Vergehen, die jetzt nur mit Zuchthausstraffe bedroht sind, denn auch hier handelt es sich um ein erhöhtes Strafminimum (l Jahr). Man prüfe daraufhin namentlich gewisse Verrätereitatbestände (Entwurf Art. S7 ff.). Wollte man hier überall das.

erhöhte Strafminimum abschaffen, so hätte der Richter die Möglichkeit, auch in den allerschwersten Fällen von Landesverrat auf eine lächerlich geringe Gefängnisstrafe zu erkennen. Das wäre, auch wenn man in das vernünftige Abwägen und Ermessen des Richters grosses Vertrauen setzen darf, bedenklich. Aber nicht nur bei den Verrätereivergehen, sondern auch bei andern Delikten ergeben sich Bedenken gegen die Abschaffung eines erhöhten Minimums, namentlich bei im Kriege begangenen Verbrechen. So z. B. bei der TiFeigheitttl vor dem Feinde (Art. 74), bei der Falschwerbutig (Art. 95), bei der Verletzung militärischer Geheimnisse im Krieg (Art. 104, Abs. 2). Ferner beim Mord und beim Totschlag (Art. 113, 114), bei schwerer Körperverletzung (Art. 119), beim qualifizierten Diebstahl (Art. 127, Ziff. 2 und 3), beim Raub (Art. 128), bei der Plünderung (Art. 137), bei der Brandstiftung .

und den Sprengstoffverbrechen (Art. 158 ff.) usf. Der gänzliche Verzicht auf besondere
Strafminima ist deshalb nicht angängig, weil die Aufgabe des Strafgesetzgebers nicht zuletzt darin besteht, der verschiedenen Schwere der Vergehen auch in der Ansetzung der Strafandrohungen Rechnung zu tragen. Dufch die gänzliche Ausschaltung erhöhter Strafmiuima würde aber der Gesetzgeber zu einem guten Teile auf eine solche Differenzierung verzichten.

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Die Lösung des Problems und damit die Abstellung der offen zutage liegenden Härten des Gesetzbuches von 1851 liegt in einer andern Richtung. Sie ist in erster Linie darin zu finden, dass die Tendenz, das moderne Recht milder zu gestalten, überall auch i in neuen MStGB zum Ausdruck gelangt und dass nur a u s n a h m s w e i s e , namentlich da, wo es zur Kennzeichnung qualifizierter Tatbestände erforderlich erscheint, erhöhte Strafminima ausgesetzt werden.

Von diesen Grundsätzen hat sich der Entwurf durchgängig leiten lassen. Eine Vergleichung seiner Strafandrohungen mit denen des geltenden Rechtes zeigt das fast bei jedem Tatbestand. Auch Her bisher wohl überall vertretene Standpunkt, dass die im MStGB anzudrohenden Strafen grundsätzlich höher sein müssten ala die Strafandrohungen bei den entsprechenden Vergehen des bürgerlichen Strafrechts, ist im Entwurf aufgegeben. Es besteht vielmehr, soweit die gleichen Tatbestände im Militärstrafrecht und im Entwurf des bürgerlichen Strafgesetzbuches sich vorfinden, auch in der Strafandrohung -- von wenigen Ausnahmen abgesehen -- Ü bereinsti m inung.

In der übermässigen Verwendung erhöhter Strafminima und in der engen Ziehung der Strafrahmen überhaupt sieht man heute mit Recht eine unzulässige Bindung des Richters. Der Entwurf bemüht sich daher, möglichst weite Strafrahmen zu schaffen, die dem freien Richterermessen breitesten Spielraum lassen. Aber das neue Recht wird sich nicht damit begnügen. Im Anschluss an den bürgerlichen Strafgesetzentwurf soll auch in das MStGB (Art. 45 bis 47) ein System mildernder Umstände eingeführt werden. Kommt dem Täter ein solcher mildernder Umstand zugute, so gelangt der Richter zu einer Ausweitung des für das einzelne Vergehen ausgesetzten Strafrahmens nach "unten. Das hat dann aber in einzelnen Fällen gerade die Wirkung, dass das erhöhte Strafminimum, das der Regel nach zur Anwendung gelangen müsste, in Wegfall kommt. Auch das darf bei der Betrachtung der Forderung: Abschaffung der erhöhten Strafminima nicht vergessen werden.

IV. Bei der Schaffung eines neuen MStGB ist endlich noch die Frage nach der S t e l l u n g des D i s z i p l i n a r s t r a f r e c h t s vorab zu erörtern. Das geltende Recht regelt diesen Rechtsteil im Strafgesetzbuch im Anschluss an das kriminelle Recht. Allein es läge nahe, aus dem Disziplinarrecht
ein selbständiges Gesetz za machen, wie das auch der Gesetzgebungsplan des Bundesrates am Ende des vergangenen Jahrhunderts vorgesehen hatte. Man könnte für die Loslösung vom Strafgesetzbuch namentlich etwa anführen, dass das Disziplinarrecht nicht nur materielles Recht, sondern auch Verfuhrensrecht -- die Handhabung des Disziplinarrechts und das Beschwerderecht -- enthält.

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Wichtige Gründe sprechen aber anderseits dafür, gleich wie es im geltenden Recht geordnet ist, das Disziplinarstrafrecht in ein Gesetz mit dem kriminellen Strafrecht zusammenzuschliessen.

Vor allem ist darauf aufmerksam zu machen, dass der Ordnungsfehler seinem Charakter nach sich nicht grundsätzlich vom Vergehen unterscheidet. Auch er ist eine rechtswidrige schuldhafte Handlung, und die Strafe, die den Fehlbaren dafür trifft, steht unter gleichen oder ähnlichen Grundsätzen wie die Vergehensstrafe.

Diese Tatsachen rechtfertigen eine enge Verbindung der beiden Rechtsteile. Der Disziplinarvorgesetzte, der das disziplinare Strafrecht anwendet, muss sich von gewissen Sätzen des kriminellen Strafrechts ständig leiten lassen. Er muss also auch über diesen Rechtsteil Bescheid wissen. Da ist es gut, wenn man das kriminelle und das disziplinare Strafrecht auch äusserlich verbindet. Ausserdem fördert die Vereinigung des kriminellen und des disziplinaren Strafrechts in ein und demselben Gesetz auch die Klarstellung des Verhältnisses zwischen beiden. Das ist deshalb nützlich, weil die Übergänge zwischen Vergehen und Ordnungsfehler vielfach unsicher sind.

Die kurze Betrachtung, die hier schon dem Disziplinarstrafrecht gewidmet wird, kann endlich zu einem Hinweis auf die S y s t e m a t i k d e s E n t w u r f e s überleiten.

Sie wird natürlich in erster Linie durch das enge Verhältnis bestimmt, das zwischen den beiden Strafgesetzentwürfen besteht.

Das e r s t e B u c h des Entwurfes (Art. l bis 177) enthält das ,,Mili t ä r s t r a f r e c h t " im engern Sinne. Es entspricht dem Vergehensrecht des bürgerlichen Strafgesetzentwurfes. Die Zweiteilung: Allgemeiner Teil -- Besonderer Teil ist gegeben.

Im z w eiten B u c h (Art. 178--212") ist die ,, D i s z i p l i n a r strafordnung" angeschlossen. Es liegt nahe, hier die Parallele zu dem Übertretungsrecht des bürgerlichen Strafgesetzentwurfes zu ziehen. Doch enthält, wie schon angedeutet wurde, das zweite Buch des Entwurfes nicht nur materielles, sondern auch Verfahrensrecht.

In beiden Entwürfen handelt das d r i t t e B u c h (Art. 213 bis 234) von der E i n f ü h r u n g und A n w e n d u n g des Gesetzes.

Bei der nachfolgenden Besprechung dieser drei Bücher des Militärstrafgesetzentwurfes kann es sich nicht darum handeln, die ganze Fülle der dogmatischen,
kriminalpolitischen und gesetzgebungstechnischen Fragen, die sich bei der Schaffung eines neuen Strafgesetzes ergeben, eingehend zu besprechen. Wo der Entwurf

349 des bürgerlichen StGB vorangegangen ist, und wo damit auch die Lösung für den Militärstrafgesetzgeber bereits vorliegt, kann hier auf eine weitere Erörterung verzichtet werden. Ein für alle Male verweisen wir auf unsere Botschaft zum bürgerlichen Strafgesetzentwurf (BB1 1918, IV, S. l ff.) und auf die übrigen Materialien zu diesem Entwurf. Zu einem eindringenden Verständnis des militärrechtlichen Entwurfes sind sie unumgänglich.

Hier dagegen ist Stellung zu nehmen zu allen den besondern Problemen, die das Militärrecht dem Strafgesetzgeber aufgibt.

II. Der Allgemeine Teil des Militärstrafgesetzbuches.

1. Der Bereich des Strafgesetzes.

Dass das Militärstrafrecht ein Sonderrecht ist und bleiben muss, zeigt sich sofort, wenn man an die Prüfung der Frage nach der persönlichen und sachlichen Geltung des MStGB herantritt.

Das Militärstrafgesetz ist in erster Linie bestimmt für die Angehörigen der Armee. Nur ausnahmsweise, nur dann, wenn in Zeiten einer schweren Störung des normalen staatlichen Lebens -- insbesondere in Kriegszeiten -- ein erhöhter Schutz bestimmter staatlicher Interessen notwendig wird, ist seine Geltungsmacht auch auf gewisse Zivilpersonen auszudehnen.

Die Umgrenzung der Personenkreise, die so dem Militärstrafrecht zu unterstellen sind, ist im materiellen Recht zu geben. Der Art. l des MStGB von 1851 enthielt ebenfalls die Bestimmungen über die persönliche Geltung. Da eine Neuordnung dieser Verhältnisse erwünscht war, die Arbeiten an einem neuen MStGB aber in den 80er Jahren des verflossenen Jahrhunderts scheiterten, hat Art. l der Militärstrafgerichtsordnung von 1889 diese Aufgabe vorläufig gelöst.

Ein neues materielles Strafgesetz muss aber diese Geltungsvorschriften wieder in seinen Text übernehmen. Dass dabei der Satz: o h n e N o t k e i n e Z i v i l p e r s o n e n u n t e r d a s m i l i t ä r i s c h e R e c h t zu s t e l l e n die Wegleitung bilden muss, haben wir schon in einem frühern Zusammenhang betont. Der Entwurf geht in der Verwirklichung dieses Satzes weiter als das geltende Recht. Allgemein unterstehen dem militärischen Recht nur die im Militärdienst befindlichen Personen und der Soldat, der ausserhalb des Dienstes in Uniform auftritt, die Beamten, Angestellten und Arbeiter des Bundes, wenn sie in Uniform auftreten und die Angehörigen des bewaffneten eidgenössischen Grenzwachtkorps (Art. 2, Ziff. l, 2, 3 und 6). Daneben nennt der Art. 2 ausserdem die Dienstpflichtigen ausserhalb des Dienstes mit Bezug auf ihre militärische Stellung und ihre dienstlichen Pflichten und

350 Stollungspflichtige ,,mit Bezug auf ihre Stelluugspflicht und während der Dauer des Aushebungsgeschäftes.1* -- Das geltende Recht geht erheblich weiter. Es unterwirft auch in Zeiten, in denen kein aktiver Dienst geleistet wird, dem militärischen Recht die bei Militärpersonen oder bei der Truppe Angestellten, die zu besondern Verrichtungen bei der Armee Angestellten -- wegen Handlungen, die sich auf diese Verrichtungen beziehen, ferner die Beamten und Angestellten der Militärverwaltung für Handlungen, welche die Landesverteidigung gefährden, endlich Zivilpersonen, welche sich der Spionage oder des Falschwerbens schuldig machen (MStGO Art. l, Ziff. 3, 6, 7 und 11). Alle diese Kategorien sollen künftig dem militärischen Recht und dei1 militärischen Gerichtsbarkeit entzogen sein. Für sie gilt bürgerliches Strafrecht, und der bürgerliche Richter urteilt Über sie.

Erst in Z e i t e n e i n e s a k t i v e n D i e n s t e s erweitert sich die Geltung des militärischen Rechtes über den Kreis der sog.

Militärpersonen hinaus. Aber das muss mit weiser Zurückhaltung geschehen. Die Ausdehnung soll nur so weit erfolgen, als die Landesinteressen in Zeiten eines erhöhten Gefahrzustandes auch einen verstärkten Schute der militärischen Interessen erheischen. So ist Art. 3 des Entwurfes zu verstehen, der für Zeiten eines aktiven Dienstes die in der Schweiz untergebrachten Internierten, ferner die bei der Truppe oder bei einzelnen zum Heere gehörigen Personen angestellten Zivilisten unter das militärische Recht stellt.

Ihm sind in solcher Zeit ferner die Zivilisten unterstellt, die bestimmte, direkt gegen die militärischen Interessen, das Heer und seine Angehörigen gerichtete Vergehen verüben (Art. 3, Ziff. 4).

Die Ziffer 3 dieses Artikels sieht endlich für die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Militärverwaltung, der Eisenbahnen und anderer öffentlicher Verkehrsanstalten die Geltung des militärischen Rechts vor, jedoch nur ,,wenn und soweit der Bundesrat"1 -- durch eine besonders zu erlassende Verordnung -- ,,ihre Unterstellung unter das Militärstrafrecht 'beschliessttt.

Den letzten Kreis -- f ü r K r i e g s z e i l e n -- zieht Art. 4.

In einer Zeit, da das Land im Kriege sich befindet oder von unmittelbarer Kriegsgefahr bedroht ist, ergibt sich die Notwendigkeit, auf gewissen Gebieten die bürgerliche
Gewalt zugunsten der militärischen Macht zurücktreten zu lassen. Das führt dazu, eine Anzahl weiterer, von Zivilpersonen verübter Vergehen (Art. 4, Ziff. 2) unter das militärische Recht zu stellen. Dass die dem kriegführenden Heere folgenden, aber nicht zu ihm gehörigen Personen -- fremde Militärattaches, beim Heere zugelassene Zeitungsberichterstatter, Marketender usw. --, ferner die Kriegsgefangenen und die ihre Stellung missbrauchenden feindlichen Parlamentäre

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uuter das Militärstrafrecht gehören, bedarf kaum weiterer Begründung.

Vergleicht man diese vom Entwurf vorgeschlagene Neuordnung mit dem heute geltenden Recht, so wird die starke Einengung der persönlichen Geltung des Militärstrafrechts -- und damit zugleich der militärischen Gerichtsbarkeit -- deutlich erkennbar.

Eine praktisch besonders bedeutsame Einschränkung ergibt sieh namentlich gegenüber Art. l, Ziff. 8 der Militärstrafgerichtsordnung, wonach in Kriegs- und Mobilisatiouszeilen jeder unter dem militärischen Recht steht, der an Personen, die zur Armee gehören, oder an Sachen, die der Armee dienen, eine strafbare Handlung verübt.

Mit den Art. 2 bis 4 sind die Grenzen, innerhalb deren das militärische Recht sich bewegt, in der Hauptsache gezogen. Eine Ergänzung bildet noch Art. 6 mit dem seit alters geltenden Satz, dass für den unter dem MStGB stehenden Rechtsbrecher das Gesetz auch Anwendung findet, wenn er das Vergehen im Ausland verübt. Der dem militärischen Rec.ht Unterworfene führt dieses Recht auch ins Ausland mit sieh; das militärische Pflichtverhältnis insbesondere ist nicht an ' den Heimatort gebunden. Ein Gebot der Billigkeit jedoch ist es, dass der schweizerische Richter dem bereits im Ausland wegen des Vergehens verurteilten Täter die dort erstandene Freiheitsstrafe anrechnet.

Einen besonders liegenden Fall ordnet endlich noch der Art. 5 des Entwurfes, den Fall, dass bei der Verübung eines Vergehens neben Personen, die dem Militärstrafrecht unterworfen sind, andere Personen beteiligt sind. Soldaten und Zivilisten sind in einen Raufhandel verwickelt, sie begehen gemeinsam einen Diebstahl, eine landesverräterische Handlung; ein Zivilist hilft bei einer Dienstverletzung, einer Desertion mit usw. Würde das Gesetz darauf verzichien, solche Fälle besonders zu beachten, so würde nach allgemeinen Grundsätzen die Militärperson dem militärischen, die Zivilperson dem bürgerlichen Strafgesetz unterstehen. Für die sog.

gemeinen Vergehen (Art. 113 ff.) hat der Entwurf diese Regel auch ausdrücklich anerkannt. Bei den rein militärischen Vergehen (Art. 62 bis 86) und bei den Vergehen gegen die Landesverteidigung und die Wehrkraft des Landes (Art. 87 bis 106) dagegen weicht er von der Regel ab: in solchen Fällen sollen alle Beteiligten nach militärischem Recht strafbar sein. Wer sich als Zivilist
zusammen mit Soldaten in derartige Unternehmungen einlässt, soll auch die Strafen des militärischen Rechts erdulden. Eine solche Ordnung ist auch deshalb richtig, weil sonst in gewissen Fällen, mangels einer Strafbestimmung des bürgerlichen Rechtes, der Zivilist straflos ausgehen würde. So aber wird es möglich,

352

·den Zivilisten, der einem Soldaten z. B. bei einem Wachtvergehen (Art. 75) oder bei der missbräuchlichen Verwendung militärischen Materials (Art. 73) behülflich ist, mitzufassen.

Den Schlusspuukt dieser ganzen Gruppe von Regeln über die persönliche und sachliche Geltung des Militärstrafgesetzes bildet der Art. 7. Er konstatiert, was sich juristisch schon aus dem ganzen Zusammenhang ergibt, dass alle dem militärischen Recht unterstehenden Personen für strafbare Handlungen, die das Militärrecht nicht vorsieht, dem bürgerlichen Strafrecht unterworfen sind.

2. Das Vergehen.

Die Art. 9--26 des Entwurfes enthalten die Bestimmungen, die gleichsam das Rückgrat des ganzen Strafrechtssystems darstellen.

Insbesondere gilt das für die Regeln über Zurechnungcfähigkeit, Schuld, Versuch, Teilnahme, Notwehr und Notstand. Es sind Sätze, die im grossen Ganzen im militärischen Strafrecht gleich wie im bürgerlichen lauten müssen. Der enge Anschluss an die Art. 10--33 des bürgerlichen Strafgesetzentwurfes ist daher gegeben. Hier sind nur die Punkte herauszuheben, in denen aus den besondern Verhältnissen des militärischen Rechtes heraus Abweichungen notwendig sind : Art. 13--15 des bürgerlichen Entwurfes enthalten ein ins Einzelne ausgebildetes System über die V e r w a h r u n g und die Versorgung von gemeingefährlichen oder pflegebedürftigen Unzurechnungsfähigen und vermindert Z u r e c h n u n g s f ä h i g e n . Diese Fürsorgetätigkeit kann der mili· tärische Richter nicht in gleichem Masse wie der bürgerliche Richter ausüben, aber er soll sie gegebenenfalles wenigstens veranlassen -- durch Überweisung Unzurechnungsfähiger und vermindert Zurechnungsfähiger an die bürgerlichen Verwaltungsbehörden zu weiterer Behandlung -(Art. 11, Abs. 2; vgl. auch Art. 162 der geltenden MStGO). Dazu kommt die militärrechtliche Bestimmung in Art. 11, Abs. l, wonach der Richter bei einem unzurechnungsfähigen oder vermindert zurechnungsfähigen Täter auf Ausschliessung aus dem Heere erkennen kann.

Bestimmungen über K i n d e r u n d J u g e n d l i e h e -- Art. 12 und 13 des Entwurfes -- sind im MStGB deshalb erforderlich, weil in Zeiten eines aktiven Dienstes, namentlich in Eriegszeil.en, auch Zivilpersonen in beschränktem Umfange unter das militärische Recht fallen. Allein das MStGB kann nicht das gesamte Jugendstrafrecht,
das der bürgerliche Entwurf in Art. 80 ff. aufstellt, übernehmen. Immerhin muss es sich auch hier wenigstens von den Grundgedanken dei- modernen Rechtsanschauung leiten lassen :

353 Keine Strafe bei Kindern unter vierzehn Jahren. Jugendliche zwischen vierzehn und achtzehn Jahren gelten dagegen grundsätzlich als zurechnungsfähig. Doch kann der Richter, der sie verurteilt, nach freiem Ermessen die Strafe mildern oder zugunsten anderer Massnahmen auch ganz von Strafe absehen. Einen derart straflos gelassenen Jugendlichen muss der Richter jedoch der zuständigen bürgerlichen Verwaltungsbehörde zu weiterer Behandlung überweisen; bei einem freigesprochenen Jugendlichen k a n n der Richter diese Überweisung vornehmen (Art. 13, Abs. 2).

Im Zusammenhang mit den Bestimmungen über Vorsatz, Fahrlässigkeit und Irrtum (Art. 14 ff.) muss das Militärstrafrecht das schwierige Problem d e s - H a n d e l n s auf B e f e h l lösen. Das geltende Recht, Art. 30 des MStGB, hat hier eine gewisse Berühmtheit erlangt. Es lässt den Tater immer straflos, wenn die ,,an sich unerlaubte Handlung 14 auf den ,,bestimmten, auf ein militärisches Dienstverhältnis sich beziehenden Befehl eines militärischen Obern" begangen wird. Diesen Standpunkt -- unbedingte Gehorsamspflicht und daraus folgend die Straflösigkeit des einen rechtswidrigen Befehl Ausführenden -- teilt heute kaum noch ein anderes Gesetzbuch. Die Anschauung hat sich dahin gewendet, dass eine Gehorsamspflicht des Untergebenen gegenüber einem augenscheinlich rechtswidrigen Befehle ausgeschlossen sein muss. Von diesem Boden geht die Lösung aus, die der Art. 17 des Entwurfes vorschlägt: Ein auf Befehl eines militärischen Vorgesetzten verübtes Delikt ist stets objektiv rechtswidrig. Fraglich bleibt allein, ob das Handeln auf Befehl schuldausschliessend wirken muss. Das ist vom militärischen Gesichtspunkt aus zunächst zu bejahen. In zahlreichen Fällen wird sich auch direkt.feststellen Itissen, dass der den Befehl ausführende Täter sich in einem Irrtum befindet.

Er irrt über den Sachverhalt, glaubt, militärischen Anforderungen genügen zu müssen; er handelr, weil er als Soldat dazu befohlen wurde. Allein die militärische Gehorsamspflicht muss an einem bestimmten Punkt ihre rechtliche Grenze finden. Sie kann dann nicht mehr gelten, wenn der Täter sich klar darüber ist, dass der Vorgesetzte auf die Begehung einer strafbaren Handlung abzielt, wenn er weiss, dass er durch die Befolgung des Befehls an einem Verbrechen mitwirkt.

Im Widerstreit der Interessen
: militärisch zu gehorchen oder nicht gegen das Strafgesetz zu handeln, muss das letztere Interesse überwiegen. Der Art. 17 sieht immerhin vor, dass der Richter die Strafe gegenüber dem auf Befehl Handelnden nach freiem Ermessen mildern kann. Vorangestellt wird in Abs. l der Satz, dass der Vorgesetzte oder Höhere, der den auf eine strafbare Handlung abzielenden Befehl gab, als Täter -- sog. intellektueller Täter -- strafbar sein soll.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. V.

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Die Bestimmungen über den Versuch, über Täterschaft und Teilnahme (Art. 18--24 des Entwurfes) erfahren eine mit dem bürgerlichen Strafgesetzentwurf übereinstimmende Regelung. Sonderinteressen des" Militärrechts treten hier nicht hervor.

Auch die Umschreibung der N o t w e h r (Art. 25) geschieht gleich wie in Art. 32 des bürgerlichen Entwurfes. In der Literatur wird zwar mehrfach die Einengung der Notwehrbestimmung für das militärische Strafrecht gefordert. Man meint etwa, dass sich derjenige nicht auf Notwehr solle berufen können, der in einer Notwehrlage Pflichten der Unterordnung oder überhaupt militärdienstliche Interessen verletzt. Aber eine solche Einengung der Notwehr erscheint auch im militärischen Recht unerträglich. Die Notwehr ist ein so starkes, jedem Menschen in jeder Lehenslage zukommendes Recht, dass auch militärische Gründe eine Einschränkung nicht zu rechtfertigen vermögen. -- Da Notwehr gegenüber jedem rechtswidrigen Angriff, auch z. B. bei einem Angriff auf die Ehre, zulässig sein soll, so kann sich immerhin fragen, oh nicht darin, vom militärischen Standpunkt ausgesehen, eine Überspannung liegt. Aber die militärische Erziehung und ein gesunder sorgen ganz von selbst dafür, dass sich der Untergebene nicht gegenüber jedem derben Zufassen eines Vorgesetzten auf seinen Notwehrstandpunkt besinnt. Dann hat der Richter auch zu beachten, dass der Art 25 eine Abwehr nur ,,in einer den Umständen angemessenen Weise" zulasst: Ungleich schwieriger als das Notwehrproblem ist im Militärrecht die Lösung der gesetzgeberischen Fragen beim N o t s t a n d .

Im geltenden Gesetz fehlt eine allgemeine Notstandsbestimmung.

Es kennt nur zwei Sonderfälle, in denen der Vorgesetzte bei sog.

Notstand der Disziplin befugt ist, alle erforderlichen Mittel zur Gehorsamserzwingung anzuwenden: beim Aufruhr und gegenüber Untergebenen, die irn Gefecht die Flucht ergreifen oder andere dazu aufwiegeln (Art. 57 und bl des Das ist gänzlich ungenügend. Nach unsern heutigen Anschauungen muss grundsätzlich auch der Soldat sich auf einen Notstand berufen können. Doch ergeben sich gegenüber dem bürgerlichen Strafrecht allerdings Besonderheiten : Es geht nicht an, den Soldaten, der aus Furcht vor persönlicher Gefahr eine Dienstpflicht verletzt, mit Her Notstandsbestimmung zu decken. Bestrafung ist hier, namentlich im
Kriege, harte Notwendigkeit. Art. 26, Ziff l, Abs. 2 schliesst daher für solche Fälle die Anwendung der Notstandsbestimmung ausdrücklich aus.

Als weitere militärrechtliche Sonderregel kommt in Ziff. 2 die Bestimmung über den N o t s t a n d der D i s z i p l i n hinzu. Er ist dann unzunehmen wenn durch Ungehorsam die Disziplin in.

355 Gefahr gebracht wird. Bei einer Meuterei und bei vor dem Feinde begangenem Ungehorsam wird dieser Gefahrzustand besonders deutlic in die Erscheinung treten. Gefährdet ist hier der Staat, seine militärischen Einrichtungen und Unternehmungen. Hier soll ein Vorgesetzter oder ein Höherer berechtigt sein, um die Disziplin zu sichern und seinen Befehlen Gehorsam zu verschaffen, Zwangsmittel anzuwenden, ohue sich strafbar zu machen In Übereinstimmung mit dem Grundgedanken der Notstandsbestimmung ist aber die Anwendung von Gewalt nur zulässig, ,,wenn allein durch diese» Mittel der notwendige Gehorsam erzwungen werden kann."

3. Strafen und Massnahmen.

Auch in diesem Abschnitt (Art. 27 -- 60) zeigt der Entwurf eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Entwurf des bürgerlichen Strafgesetzes. Immerhin ergehen sich sowohl in der Aufstellung und Gestaltung der einzelnen Strafen wie in den Bestimmungen über das Strafmass eine Reihe aus rien besondern Verhältnissen des militärischen Rechtes zu erklärender Abweichungen.

I. Während der bürgerliche Entwurf den Schritt wagt, die gänzliche Abschaffung der T o d e s s t r a f e vorzuschlagen -- man vergleiche dazu die Botschaft (BB1 1918, IV, S. 12 H'.) --, kana das Militärstrafrecht diese Strafet nicht völlig entbehren.

Einige geschichtliche Bemerkungen über die Todesstrafe im schweizerischen Militärreche mögen zur Klarstellung der Verhältnisse dienen: Die B V von 1874 halte in Art. 65 bestimmt: "Die Todesstrafe ist abgeschafft. Die Bestimmungen des Militärgesetze» bleiben jedoch in K r i e g s z e i t e n vorbehalten." Soweit das MStGB in Frage kommt, ist an diesem Zustand durch die Revision des Verfassungsartikels 65 im Jahre 1879, der nurmeh wegen politischer Vergehen die Todesstrafe für unzulässig erklärt, nichts geändert worden. Da der Bund seit 1879 die Todesstrafe für Zeiten des Instruktionsdienstes und eines aktiven Dienstes ausser der Kriegs-zeit nicht wieder eingeführt hat, bleibt sie für diese Zeiten abgeschafft. Die Entwürfe Hilty und der bundesrätliche Entwurf von 1884 hatten am Ausschluss der Todesstrafe für den Instruktionsdienst ebenfalls festgehalten, sie sahen sie dagegen nicht nur für die Kriegszeit, sondern auch für Zeiten eines Aktivdienstes bei innern Unruhen vor. -- Über den seit 1874 bestehenden Rechtszustand hinauszugehen, besteht aber
keine genügende Veranlassung, namentlich angesichts der Tatsache, dass der bürgerliche Entwurf auf die Todesstrafe völlig verzichtet. Der Militärstrafgesetzentwurf sieht daher die Todesstrafe nur für Kriegszeiten vor. In dieser Zeit schwerster Erschütterung seheint sie bei gewissen Verbrechen auch dem grundsätzlichen Gegner dieser Strafart unentbehrlich.

356 Auf folgende Kriegsverbrecher! wird sie angedroht: auf .Ungehorsam vor dem Feind (Art. 62, Ziff. 2), gegenüber Rädelsführern bei Meuterei vor dem Feinde (Art. 64, Ziff. 2), auf Feigheit vor dem Feinde (Art. 74), auf Wachtvergehen vor dem Feinde (Art. 75, Zitf. 2), auf die Kapitulation (Art. 81), auf Ausreissen, wenn der Täter zum Feinde übergeht (Art. 84, Abs. 3), auf die schwersten Fälle des Landesverrats (Art. 87, Ziff. 2; Art. 88, Ziff. 3; Art. 89, 91, 92, Ziff. 2), auf Mord (Art. 114), auf Raub, verbunden mit besonderer Grausamkeit gegen eine Person (Art. 12b, Ziff. 2, Abs. 5), auf unier gleichen Bedingungen verülite Plünderung (Art. 137, Ziff. 2, Abs. 2) und endlieh auf gewaltsamen Kriegsraub (Art. 138, Abs. 2). Dabei ist aber wohl zu beachten, dass die Todesstrafe nur bei der Desertion zum Feinde hinüber (Art. 84, Abs. 3) und bei dem in Kriegszeiten verübten Mord (Art. 114) absolut angedroht wird. In allen andern Fällen ist daneben alternativ Freiheitsstrafe vorgesehen. -- Vergleicht man diese Gestaltung der Dinge mit dem geltenden Recht und namentlich auch mit dem ausländischen Militärstrafrecht, so ergibt sich auch hier eine beträchtliche Milderung gegenüber den andern Gesetzgebungen.

Die Vollstreckung der Todesstrafe ist im einzelnen nicht im Gesetzbuch zu regeln. Der Art. 27 bestimmt nur, duss sie durch Erschiessen zu volLdehen ist. Näheres zur Vollstreckung sagt jetzt schon Art. 210 der MStGO, der für Einzelheiten überdies eine bundesrätliehe Verordnung vorsieht.

Vor allem ist aber noch auf Art. 27, Ziff 2 des Entwurfes aufmerksam zu machen, der an Stelle einer in Kriegszeiten ausgesprochenen, aber nicht vollzogenen Todesstrafe nach Beendigung der Kriegs/-eit lebenslängliches Zuchthaus treten lässt.

II. Ebenso wie im bürgerlichen Entwurf werden auch im künftigen Militärrecht Z u c h t h a u s und G e f ä n g n i s die beiden hauptsächlichen Freiheitsstrafen sein (Art. 28 und 29). Die Verurteilung zu Zuchthaus hat neben der Einstellung im Aktivbürgerrecht obligatorisch die Ausschliessung aus dem Heere zur Folge.

Bei der Verurteilung zu Gefängnis k a n n der Richter auf diese Nebenstrafen erkennen. Hervorzuheben ist hier der Art. 30 des Entwurfes. Im Anschluss an eine bun
und an die in der
Mobilisationszeit gemachten Erfahrungen wird für Zeiten eines aktiven Dienstes die Einführung des m i l i t ä r i s c h e n Vol I z u g s d er G e f ä n g n i s s t r a f e vorgesehen. Erforderlich ist dazu ein Beschluss des Bundesrates und einer bundesrätlichen Verordnung sind auch die nähern Vorschriften über den militärischen Strafvollzug vorbehalten. Nur zwei Grundlinien will das Gesetz selbst ziehen: Einmal sollen die dem militärischen

357 Strafvollzug Zugeführten -- das ist der Hauptgedanke -- vor der gewöhnlichen Strafanstalt bewahrt bleiben. Der Vollzug erfolgt ,,in Festungen oder in besonders hierfür eingerichteten Abteilungen von Straf- oder andern Detentionsanstalten". Dann ist es, ohne dass wie nach der Verordnung von 1916 eine Beschränkung auf gewisse Delikte bestimmt wäre, völlig dem freien Riehterermessen anheimgegeben, ob eine ausgesprochene Gefängnisstrafe militärisch zu vollziehen ist, oder ob der Verurteilte die Strafe im Gefängnis abzubüssen hat.

Das Freiheitsstrafensystem wird endlich auch im Militärs trafgeseUentwurf durch Bestimmungen über die b e d i n g t e E n t l a s s u n g und die b e d i n g t e V e r u r t e i l u n g ergänzt (Art. 31 und 32).

Bei den Regeln Über die bedingte Entlassung handelt es sich allerdings um Grundsätze des Strafvollzugs, der auch für das Militärrecht bei den Kantonen liegt. Aber es ist dringend notwendig, dass wenigstens in diesem Punkte des Strafvollzuges Einheitlichkeit für das ganze Land besteht. Die Möglichkeit einer bedingten Entlassung soll überall bestehen, nicht der Verschiedenheit der kantonalen Rechte ausgeliefert sein.

Unbedenklich ist heute auch die Einführung der bedingten Verurteilung in das Militärstrafrecht. Die Anschauungen haben sich in dieser Frage in den letzten Jahren stark gewandelt. Die früher vielfach zur Geltung gebrachte Einwendung, eine bloss bedingte Verurteilung widerspreche in ganz besonderem Masse der Disziplin und militärischem Geist überhaupt, hat ihre Ül>erzeuguns;8kraft verloren und es steht fest, dass seit der Mobilisation 1914 in zahlreichen Fällen die Unmöglichkeit, bedingt zu verurteilen, als Mangel empfunden wurde. Deshalb hat auch hier eine bundesrätliche Verordnung vorläufige Abhülfe geschaffen. Durch den Bundesratsbeschluss vom 12. Mai 19-16 (Eidg: Gesetzsammlung XXXII, S. 183 f.) ist die bedingte Begnadigung eingeführt worden. Sie steht beim General, solange er sich im Dienste befindet, hernach sollen die Befugnisse vom Bundesrat ausgeübt werden. Aber man war sich beim Erlass dieser Verordnung durchaus darüber klar, dass die konsequente Lösung in der Einführung der bedingten Verurteilung gelegen hätte. Nur scheute man vor der Einiührung dieses Institutes durch eine Notverordnung zurück. Mit der Schaffung eines neuen MtìtGB ist dagegen
der Zeitpunkt gekommen, auch diesen Bann zu brechen.

Dass die Umschreibung der bedingten Verurteilung sich eng an das Vorbild des bürgerlichen Strafgesetzentwurfes (Art. 39) anlehnen muss, ist selbstverständlich. Einige Abweichungen ergeben sich: So beschränkt der Art. 32 die bedingte Verurteilung

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auf Gefängnisstrafen von nicht mehr als sechs Monaten Dauer -- bürgerlicher Entwurf: Gefängnis von nicht mehr als einem Jahr und Hüftstrafe. Zurückhaltung in der Anwendung der be· dingten Verurteilung ist im Militärrecht immerhin mehr als im bürgerlichen Strafrecht geboten. Auch verzichtet das MStGB richtigerweise auf die Möglichkeit einer bedingten Verurteilung im Disziplinarstrafrecht bei der Arreststrafe. Im übrigen zeigt der Art. 32 seinen militärrechtlichen Charakter noch darin, dass der Richter auch auf die militärische Führung des Verurteilten abstellen muss, dass die Einberufung des bedingt Verurteilten zu einem während der Probezeit zu leistenden ausserordentliehen Militärdienstes veranlagst werden kann und dass die Aufsicht über bedingt verurteilte Dienstpflichtige während des Dienstes besonders -- durch bundesrätliche Verordnung -- geregelt werden muss.

Die Ziffer 5 schliesst ausdrucklich im Verfahren gegen Abwesende die bedingte Verurteilung aus.

Gemeinsam zu den Art. 5l und 32 ist noch hervorzuheben, dass das «idgenössische Militärdepartement die Kontrolle über bedingt Entlassene und beding! Verurteilte ausübt. Es spricht auch die bedingte Entlassung aus und erteilt die Weisungen für die Probezeit. Bei ihm liegt dann aber namentlich die Entscheidung darüber, ob ein bedingt Verurteilter doch noch die Strafe verbüssen muss, wenn er sich in der Probezeit nicht bewährt hat.

III. In Übereinstimmung mit dem bürgerlichen Entwurf stehen -die Vorschriften der Art. 33--H5 über die B u s s e . Bei den rein militärischen Vergehen kommt diese Strafart zwar kaum in Betracht.

.Wohl aber ist ihre Anwendung bei andern Vergehen auch im Militärrecht namentlich dann angezeigt, wenn der Täter aus Gewinnsucht handelt. Den Grundsatz aufzustellen, die Geldbusse gehöre Überhaupt nicht in ein Militärstratgesetz, erscheint uns heute nicht mehr richtig. Es ist auch nicht zu vergessen, dass im Hinblick auf die Zivilpersonen, die in Zeiten eines aktiven Dienstes und im Kriege dem militärischen Recht unterstehen, die Geldstrafe nicht entbehrt werden kann.

IV. Bei den N e b e n s t r a f e n sind die Amtsentsetzung, die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit und die Landesverweisung beiden Entwürfen gemeinsam. Besonderheiten · des Militärrechtes dagegen sind die A u s s c h l i e s s u n g aus dem H e
e r e (Art. 36) und die D e g r a d a t i o n (Art. 37).

Die Ausschliessung, die mit Zuchthausstrafe verbunden werden muss, mit Gefängnisstrafe verbunden werden kann, macht dauernd unfähig zum Dienste in der Armee. Der Ausgeschlossene wird militärsteuerpflichüu;. Ausschliessung als Nebenstrafe ist zu unterscheiden von den Fällen der -- teilweise nur vorübergehenden --

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Ausschliessung von der Erfüllung der Dienstpflicht auf Grund von Art. 16--19 der MOrg.

Bei der Degradation, die auch in der Disziplinarstrafordnung {Art. 188) wiederkehrt, bereitet namentlich die Frage Schwierigkeiten, was militärisch mit dem Degradierten geschehen soll. Notwendig ist besonders auch, dass die Degradation von der Ausschliessung aus dem Heere deutlich geschieden wird. Der Degradierte bleibt daher nach der vom Entwurf vorgeschlagenen Lösung weiter ein Angehöriger des Heeres. Allein er ist, wenn er Offizier war, von der Erfüllung der Dienstpflicht ausgeschlossen, zur Disposition gestellt. Dadurch ist nicht ausgeschlossen, den Degradierten in Zeiten aktiven Dienstes, ganz besonders im Kriege, wiederum zur Dienstleistung heranzuziehen. Das soll den zuständigen militärischen Stellen anheimgegeben sein, ohne dass ein eigentliches Rehabilitationsverfahren durchgeführt werden muss. -- Während bei einem degradierten Offizier die Ausschliessung von der Erfüllung der Dienstpflicht in jedem Falle angezeigt ist, braucht bei einem seines Grades entsetzten Unteroffizier und Gefreiten diese Wirkung nicht einzutreten. Individualisierende Behandlung des Einzelfalles ist hier das Richtige. Nach Art. 37, Abs. 3 hat das eidgenössische Militärdepartement und in Zeiten eines aktiven Dienstes der Oberbefehlshaber der Armee darüber zu entscheiden, ob der Verurteilte weiter zu dienen hat.

V. Von M a s s n a h m e n hat der Entwurf aus dem bürgerlichen Strafgesetzentwurf die Bestimmungen über Einziehung gefährlicher Gegenstände, über Verfall von Geschenken und andern Zuwendungen und. über die Urteilsveröffentlichung aufgenommen (Art. 41--43). Die sichernden Massnahmen der Verwahrungsanstalt, der Arbeitserziehungsanstalt und der Trinkerheilanstalt, die im bürgerlichen Entwurf die Hauptstücke der kriminalpolitischen Neuorientierung bilden, haben dagegen im MStGB keinen Raum.

VI. Im geltenden Recht liegen die Bestimmungen über die S t r a f z u m e s s u n g , über S t r a f m i l d e r u n g u n d S t r a f - s c h ä r f u n g ganz im Argen. Der bürgerliche Strafgesetzentwurf (Art. 60--66) hat Klarheit und System in dieses Gebiet gebracht, und die Art. 44--50 des Militärstrafgesetz Entwurfes konnten diese Vorschriften in der Hauptsache unverändert übernehmen. Hier ist nur hervorzuheben, was, den militärrechtlichen
Bedürfnissen entsprechend, vom bürgerlichen Entwurf abweicht : Bei der Strafzumessung, soll der Richter auch die militärische Führung des Schuldigen berücksichtigen (Art. 44). Schwere Bedrängnis und schwere Drohung sollen dem Täter nur so weit als Strafmilderungs grund zugute kommen, als nicht das dienstliche Pflichtverhältnis

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der Beachtung dieser Umstände entgegensteht (Art. 45). Wenn beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen eine Tat za beurteilen ist, die der Täter beging, bevor er wegen eines andern Vergehens verurteilt wurde, und das frühere Urteil von einem bürgerlichen Gericht stammt, so erkennt der militärische Richter auf eine blosse (Art. 49, Ziff. 2). Nach Art. 50, Abs. l endlich kann das Militärkassationsgericht einem Verurteilten die Untersuchungshaft auch dann ganz oder teilweise auf die Freiheitsstrafe anrechnen, wenn es die Kassationsbeschwerde abweist.

VII. Aus den V e r j ä h r u n g s V o r s c h r i f t e n ist die wichtige Regel herauszuheben, dass die Verfolgungsverjährung bei rein militärischen Vergehen mit der Beendigung des Instruklions- oder aktiven Dienstes beginnt, während dessen das Delikt verübt wurde (Art. 52, Abs. 5).

Im übrigen sind die Verjährungsregeln der Art. 51--56 dem bürgerlichen Entwurf nachgebildet.

Gleiches gilt auch für die Bestimmungen über die R e h a b i l i t a t i o n (Art. 57--60).

Den Beschluss des Allgemeinen Teils bilden eine Anzahl Worterklärungen (Art. 6l). Besondere Schwierigkeiten bereitet hier die Umschreibung des Begriffes K r i e g s z e i t e n . Es ist für das Militärrecht überaus wichtig, dass der Zeitpunkt genau bestimmt wird, von dem ab die strafrechtlichen Schärfungen, die der Kriegszustand mit sich bringt, gelten sollen. Aber mit der Formel: Kriegszeiten sind, wenn die Schweiz sich im Kriege befindet, kommt man allein nicht durch, denn es wird kaum je möglich sein, den Beginn einer Kriegszeit, namentlich den Übergang vom Grenzschutzdienst zum Dienst im Kriege, genau zu bezeichnen. Der Entwurf fügt daher noch die andere Formel hinzu: ,,oder wenn der Bundesrat bei Kriegsgefahr erklärt, dass die für Kriegszeiten aufgestellten Bestimmungen anzuwenden sind." Beim Bundesrat liegt es also, nötigenfalls die Wirksamkeit des Kriegsstrafrechts zu verkünden. Wann das geschehen soll, bleibt seinem Ermessen überlassen. Man muss der Landesregierung das Vertrauen entgegenbringen, dass sie nur unter dem Zwang unmittelbar drohender Kriegsnot den Schritt vom Friedensrecht zum Kriegsrecht wagen wird.

III. Der Besondere Teil des Militärstrafgesetzbuches.

Schon in einem andern Zusammenhang -- bei der Erörterung der grundsätzlichen Fragen, die sich für die Neuordnung des-

361 schweizerischen Militärstrafrechts ergeben --· haben wir auf die Frage nach dem Umfang des Besondern Teils hingewiesen. Im engen Anschluss an die bisherige Entwicklung des schweizerischen Militärstrafrechts wurde dort der SHÌZ aufgestellt, dass im MStGB alle Vergehenstatbestände enthalten sein müssen, die zum Schutz der militärischen Interessen erforderlich erscheinen, dass aber, wo diese Voraussetzung nicht zutrifft, das militärische Recht zugunsten des bürgerlichen Strafrechts auf eine Regelung verzichten muas.

Natürlich ist damit nur ein Richtungsprinzip aufgestellt. Für den Gesetzgeber ist die Frage, welche Vergehen in ein Militärstrafgesetz Aufnahme fiuden müssen, nicht absolut lösbar. Je nach der subjektiven Auffassung über die Richtigkeit einer grössern oder einer geringeren Reichweite des militärischen Rechts wird man den Kreis verschieden gross ziehen. Immerhin wird das neue Recht, verglichen mit dem geltenden MStGB, eher auf eine Beschränkung als auf eine Vermehrung der Vergehenstatbestände hinzielen müssen.

Unter diesen Gesichtspunkten ist die Ausgestaltung der einzelnen Abschnitte des Besondern Teils zu würdigen.

Vorgängig ist hier noch von der S y s t e m a t i k des Besondern Teils zu sprechen. Zwei grosse Gruppen ergeben sich zunächst : 1. Die r e i n m i l i t ä r i s c h e n D e l i k t e . Unter ihnen versteht der Entwurf die von im Dienst befindlichen Soldaten oder ihnen strafrechtlich gleichgestellten Personen verübten Delikte, die ausschliesslich eine Verletzung der besondern militärischen Pflichten darstellen. Es empfiehlt sich, im Besondern Teil des Gesetzbuches die rein militärischen Delikte vorangehen zu lassen. Sie bilden den Kernpunkt des MStGB. Der militärische Richter, der Militär überhaupt, soll, wenn er das Gesetz aufschlägt, an erster Stelle diejenigen Tatbestände finden, die im militärischen Leben besonders hervortreten.

2. Die u n e i g e n t l i c h e n m i l i t ä r i s c h e n D e l i k t e , die aber sofort in zwei weitere Gruppen zu teilen sind: a. Vergehen, die von jedermann, nicht nur von Militärpersonen, begangen werden können, die sich aber gegen militärische Rechtsgüter, insbesondere gegen die Landesverteidigung und gegen die Wehrkraft des Staates richten: die Verrätereitatbestände, die Falschwerbung, die Verstümmelung, die Aufforderung und
Verleitung zu militärischen Vergehen etc. Da als Täter dieser Vergehen nicht nur Soldaten, sondern vielfach, ja in erster Linie, Zivilisten auftreten, so gehören diese Tatbestände grundsätzlich im das bürgerliche StGB. Man vergleiche dazu den 13. Abschnitt im Beson-

362 ·dem Teil des bürgerlichen Strafgesetzentvvurfes : Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung. Das MStGB musa aber diese Bestimmungen aus dem bürgerlichen Strafrecht übernehmen, weil es alle Tatbestände enthalten soll, die zum Schutze militärischer Interessen erforderlich sind. Dabei ist klar, dass Zivilpersonen nur dann nach diesen Militärrecht gewordenen Bestimmungen beurteilt werden, wenn sie nach den Regeln ülier den Bereich des Gesetzes dem militärischen Strafrecht unterstehen; siehe namentlich Art. 3 und 4 des Entwurfes.

b. Uneigentliche militärische Delikte sind weiter die gemeinen Vergehen, denen man, wenn sie von Militärpersonen verübt werden, eine militärische Bedeutung beimisst. Es sind, wenigstens in ihrem Grunde, durchaus Tatbestände des gemeinen Strafrechts, die aber, wenn Militärpersonen Täter sind, gleichzeitig eine Verletzung militärischer Pflichten in sich schliessen und deshalb in das MStGB aufgenommen werden müssen (Tötungen, Körperverletzungen, viele Vermögensvergehen etc.). Dabei ist mehrfach notwendig, diese Tatbestände des bürgerlichen Strafrechts für die Bedürfnisse des militärischen Rechts zu ergänzen, namentlich auf das militärische Verhältnis sich beziehende Qualifikationen hinzuzufügen. Man beachte z. B. die militärrechtlichen Besonderheiten bei gewissen Vermögensdelikten.

Die Gliederung des Besondern Teils nach reinen und nach uneigentlichen militärischen Delikten wird nun freilich im Text des Entwurfes nicht ausdrücklich hervorgehoben. Aber sie ist aus der ganzen Anordnung des Stoffes leicht ersichtlich: Die vier ersten Abschnitte (Art. 62--86) enthalten die rein militärischen Vergehen, die folgenden Abschnitte (Art. 87 --177) die uneigentlichen Miliiärdelikte.

Innerhalb dieser zwei oder wenn man will drei Hauptgruppen wird die weitere Einteilung nach dem durch das Vergehen verletzten Interesse, nach dem R e c h t s g u t , durchgeführt. Schwierigkeiten ergeben sich dabei vor allem bei der Systematisierung der reinen Miliiärdelikte. Sie ist bisher eigentlich keinem Gesetzgeber gelungen, wofür der Grund nicht zuletzt in der noch mangelhaften wissenschaftlichen Erfassung der militärrechtlichen Vergehenstatbestände zu suchen ist. -- Der Entwurf geht davon aus, dass alle militärischen Delikte im letzten Grunde sich gegen die Disziplin richten. Nach dem
Worte : Disziplin ist Gehorsam von unten und Autorität von oben ergeben sich zunächst zwei Gruppen von stratbaren Handlungen: Delikte gegen die Pflicht der militärischen Unterordnung (erster Abschnitt) und Missbrauch der Dienstgewalt (zweiter Abschnitt). Dazu gesellt sich als weiteres militärrechtlich zu schützendes Interesse die Treupflicht, die der Staat vom Sot-

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daten in einem höhern Masse als vom Bürger fordern muss Das Recht freilich vermag die höchsten Leistungen einer militärischen Treue nicht zu erzwingen, aber es soll wenigstens die groben Verletzungen dieser Treupflicht unter Strafe stellen. -Die- hier aufgestellten Vergehenstatbestände bilden den Inhalt des dritten und des vierten Abschnittes: Dienstverletzungen und Vergehen gegen die Dienstpflicht, insbesondere Dienstverweigerung und Desertion.

Daran schliessen sich in den Abschnitten 5--15 die Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung, gegen da? Völkerrecht im Kriege und endlich die gemeinen Vergehen, soweit sie mititärstrafrechtlich in Frage kommen. Die systematische Gruppierung dieser aus dem gemeinen Strafrecht zu übernehmenden Tatbestände ist in der Hauptsache durch das Vorbild des bürgerlichen Strafgesetzentwurfes gegeben.

1. Vergehen gegen die Pflicht der militärischen Unterordnung.

Der Grundta(bestand dieser Gruppe ist der U n g e h o r s a m (Art. 62). Er ist der unmittelbarste Ausdruck der Auflehnung gegen die Pflicht der militärischen Unterordnung. Der Text hebt hervor, dass es sich um die Missachtung eines persönlich, individuell an den Untergebenen oder an seine Truppe gerichteten Befehles handelt. Den Gegensatz zu den konkreten Befehlen bilden die allgemeinen Dienstbefehle, die Vorschriften der Réglemente usw., deren Verletzung im dritten Abschnitt (.Art. 72 ff.) unter Strafe gestellt ist. -- Tatbestandsmerkmal des Ungehorsams ist, dass der Täter gegenüber einem ,,Befehl in Dienstsachen" den Gehorsam verweigert. Es ist Sache der Rechtsprechung, diesem Begriff seine Umgrenzung zu geben. Das Gesetz kann ihn kaum durch eine Definition festlegen. Bedenken, die gegenüber der Verwendung dieses Begriffes geltend gemacht wurden, sind kaum begründet.

Die Gefahr, dass der Schweizer Militärrichter in der Annahme, es liege ein ,,Befehl in Dienstsachen" vor, zu weit geht, ist gering; er weiss wohl genau, dass der Vorgesetzte nur dann einen solchen Befehl erteilt, wenn er ein Verhalten fordert, das aus dem Wesen des militärischen Dienstes heraus gerechtfertigt ist. -- Vergleicht man die Gestaltung des Vergehens : Ungehorsam im Entwurf mit der Regelung des geltenden Rechts, so fällt namentlich die sich ergebende Ersparnis auf. Das MStGB von 1851 verliert sich in eine nach unsern
heutigen gesetzgeberischen Anschauungen ganz unnötige Kasuistik. Ausser dem Grunddelikt (Ari. 62) und den im Art. 63 daran angeschlossenen Qualifikationen kennt es noch sieben besonders geregelte Ungehorsamsvergehen (Art. 44, lit. /", 64,67,72, 76, 86, 90). Ein neues Gesetz braucht solche Sonder-

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fälle, die alle im Grundtat bestand aufgehen, nicht zu nennen. Sie sind immerhin für die weitgehende Verschiedenheit, die bei der Vorübung des Ungehorsamsdeliktes zutage treten kann, charakteristisch. Deshalb gehört zum Tatbestand des Ungehorsams auch ein weitgespannter Strafrahmen. Der militärische Ungehorsam reicht von verhältnismässig harmlosen Ordnungsfehlern bis hinauf zum todeswürdigen Verbrechen.

So ergibt sich die in wenige Sätze zusammengedrängte und doch erschöpfende Regelung, die der Entwurf in Art. 62 vorschlägt: Für den gewöhnlichen Fall Gefängnis, in leichten Fällen Disziplinarstrafe, in Kriegszeiten die Möglichkeit, auf Zuchthaus zu erkennen und endlich bei einem vor dem Feinde begangenen Ungehorsam die Vorschrift, dass der Richter auf Todesstrafe oder auf lebenslängliches Zuchthaus erkennen kann. Man beachte, dass alle diese Strafschärfungen nur fakultativ vorgesehen sind. Auch in Kriegszeiten und vor dem Feinde kann es Ungehorsamsfälle geben, die so geringfügig sind, dass sie nur eine Disziplinarstrafe erheischen.

Weil sie hier zum erstenmal sich zeigt, ist in diesem Zusammenhang noch die grundsätzliche Frage der B e h a n d l u n g l e i c h t e r F ä l l e zu erörtern. Was darüber hier beim Ungehorsamsvergehen gesagt wird, gilt für den ganzen Besondern Teil.

Der Gesetzgeber muss sich die Frage vorlegen, ob die Grenzziehung zwischen den leichten -- disziplinaren -- und den gerichtlich zu bestrafenden Ungehorsamsdelikten im Gesetz ausdrücklich zu geschehen hat. Allein das ist nicht zweckmässig, ja kaum befriedigend lösbar. Es würde sich sofort zeigen, dass man nur auf dem Wege einer weitläufigen und dabei doch willkürlichen Kasuistik zu einer Regelung gelangen könnte. Die Grenzziehung ist vielmehr in jedem einzelnen Fall vom Richter nach freiem Ermessen vorzunehmen. Sache der Wissenschaft und der Praxis muss es dann sein, beim Ungehorsam und bei den andern in Betracht kommenden Delikten allmählich gewisse Richtlinien für den Unterschied zwischen Vergehen und blosser Disziplinwidrigkeit zu gewinnen.

Im Anschluss an die Ungehorsamsvergehen sind in Art. 63 Tätlichkeiten, Drohung und Beleidigung, verübt gegenüber einem Vorgesetzten oder einem Höh erb, unter Strafe gestellt. Solche Handlungen verdienen im Militärrecht eine besondere Heraushebung. Werden sie von einem Untergebenen
gegenüber einem Höhern begangen, so genügen die für die gewöhnlichen Beleidigungen usw. aufgestellten Strafsätze nicht völlig, weil durch eine solche Tat gleichzeitig die Pflichten der militärischen Unterordnung krass verletzt werden. -- Anders als Art. 65

365 des geltenden MStGB verzichtet aber der Entwurf darauf, verschiedene Strafen anzudrohen, je nachdem der Täter im aktiven Dienst oder im Instruktionsdienst, ,,im Dienste* oder ,,ausser dem Dienste"1 sich dieser Vergehen schuldig gemacht hat. Der Richter musa zwar derartige Momente bei der Strafzumessung würdigen.

Filr den Gesetzgeber aber ist .nur massgebend, dass der Soldat unter allen Umständen -- seien Friedens- oder Kriegszeiten, sei er ,,im Dienst" oder ,,ausser Dienst" -- in einem intensiven dienstlichen Verhältnis steht. Das allein isl ja die Rechtfertigung dal'lir, dass man die von einem Soldaten gegenüber einem Hohem begangenen Tätlichkeiten etc. überhaupt aus dem gemeinen Rechte heraushebt. Dass man dann noch zwischen dienstlichen Verhältnissen von verschiedener Intensität unterscheidet, ist nicht notwendig. Der Richter betrachte den Einzelfall. Eine ausserdienstlich begangene Bedrohung oder Beschimpfung kann weit schlimmer und strafwürdiger sein als eine ,,im Dienst" verübte Tut. Eine in Kriegszeiten von einem Untergebenen an einem Vorgesetzten begangene Tätlichkeit kann harmloser und weniger intensiv deliktisch sein als ein solches während eines Instruktionsdienstes verübtes Vergehen.

Der Art. 63 fasst die Tätlichkeiten, die Bedrohungen und die Beleidigungen mit einer Strafdrohung zusammen, obwohl die Intensität der einzelnen Vergehen eine sehr verschiedene »ein kann.

Aber ihre Richtung ist die gleiche. Und vielfach wird das eine Delikt in das andere übergehen: die Drohung in Tätlichkeiten ausarten, die Beschimpfung sich mit Drohungen und Tätlichkeiten verbinden.

Art. 64 umschreibt die M e u t e r e i , Art. 65 die V e r a b r e d u n g zur M e u t e r e i . Der Entwurf hat sich hier von der umständlichen und unklaren Unterscheidung des geltenden Rechtes zwischen Aufruhr und Meuterei (MStGB Art. 48--60) losgemacht.

An Stelle von 13 Artikeln, die sich wiederum in eine verwirrende Kasuistik verlieren, sollen deren zwei treten.

Meuterei ist Insubordination. Das ist der Ausgangspunkt.

Die Handlungen des Meuterers sind die gleichen wie beim Ungehorsam : Gehorsamsverweigerung, tätliches Angreifen oder Bedrohen eines Vorgesetzten oder Höhern. Allein es sind Qualifikationen dieser Vergehen, wobei das zur Qunlifikation führende Moment darin liegt, dass mehrere -- eine unbestimmte Anzahl
-- ,,in gemeinsamem Vorgehen" die Insubordination begehen. Darin liegt, verglichen mit dem gewöhnlichen Ungehorsam, das Schwerere und, was vom militärischen Gesichtspunkt aus besonders beachtet werden muss, die grössere Gefahr, die sich in kritischer Zeit zur Katastrophe wenden kann. -- Die Gefahr, die in einem auf In-

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subordination hinzielenden gemeinsamen Vorgehen liegt, führt aber den Gesetzgeber dazu, schon wegen Meuterei zu strafen, wenn mehrere sich zusammenrotten, um Ungehorsam, Tätlichkeiten usw.

zu begehen. -- Strafbar macht sich jeder Teilnehmer. Schwerer sollen die Rädelsführer bestraft werden. Bei ihnen ist eine bloss disziplinarische Bestrafung ausgeschlossen, während sie beim blossen Teilnehmer möglich ist. Wenn auf die vor dem Feinde begangene Meuterei Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus angedroht werden (Art. 64, Ziff. 2), so ist das wiederum eine fakultative Strafdrohung, die neben zeitliches Zuchthaus und Gefängnis gestellt ist. Auch hier tritt das Streben des Entwurfes, durch einen weitgespannten Strafrahmen dem Richter die zutreffende Würdigung aller Fälle'^zu ermöglichen, deutlich hervor.

Angesichts der grossen Gefahr, die jedes meuterische Verhalten einer Truppe in sich birgt, gelangt aber der Entwurf in Art. 65 weiter dazu, schon die Verabredung zur Meuterei, auch wenn die Meuterei selbst nicht zum Ausbruch kommt, unter Strafe zu stellen. Vorhereitungshandlungen werden hier zu einem besondern Vergehenstatbestand erhoben. Es gilt, derartige Unternehmungen schon im Keim zu ersticken.

Den Schluss des ersten Abschnittes bildet die für alle vorangehenden Vergehen gemeinsttm geltende Besiimmung, wonach die gegen eine militärische Wache gerichteten Ungehorsarnsdelikto gleich zu bestrafen sind, wie wenn die Handlung gegenüber einem Vorgesetzten oder einem Höhern begangen worden wäre (Art. 66).

2. Missbrauch der Dienstgewalt.

Die Ungehorsamsdeiikte sind die Vergehen des Untergebenen.

Das Gegenstück dazu bildet der Missbrauch der militärischen Dienst- und Befehlsgewalt. Täter sind hier der Vorgesetzte und der Höhere, wenn sie die ihnen durch die militärische Hierarchie verliehene Autorität überspannen und misslirauchen. Im Gegensatz zu dem nach dieser Richtung ganz ungenügend ausgebauten MStGB von 1851 handelt es sich darum, durch festumgrenzte Tatbestände die Gruppe dieser Vergehen neu zu orientieren.

Der erste, die Grundlage der Gruppe bildende Tatbestand: Ü b e r s c h r e i t u n g der B e f e h I s g e w » 11 (Art. 67) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Inhaber der Befehlgewalt Befehle gibt oder Begehren stellt, die in keiner Beziehung zum Dienste stehen.

Damit ist der Gegensatz
zu dem ,,Befehl in Dienstsachen" (vgl.

Art. 62) geschaffen. Andere Gesetze, z. B. das deutsche MStGB, §§ 114 ff., geben auch hier statt der allgemeinen Umschreibung des Tatbestandes Kasuistik. Als besondere Fälle des Missbrauches

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der Befehlsgewalt gelten danach : Die Beanspruchung der Dienste eines Untergebenen zu Privatzwecken, Fordern und Annehmen von Geschenken, Entlehnen von Geld bei Untergebenen, Bestimmung eines Untergebenen zur Vorübung strafbarer Handlungen, Verhinderung der Beschwerdeführung etc., vgl. ausser §§ 114 ff.

des deutschen MStGB den 1887 von Schneider bearbeiteten Entwurf eines schweizerischen Militärstrafgesetzes, Art 102 und 103.

Ebensowenig wie beim Ungehorsam ist aber hier die Kasuistik nötig oder auch nur nützlich. -- Der Tatbestand des Art. 67 ist nahe verwandt mit Anstiftung und Nötigung. Häufig wird der Missbrau der Befehlsgewalt in idealer Konkurrenz mit der Anstiftung zu einem Vergehen oder mit einer Nötigung zusammentreffen, sei es in der Vollendung oder im Versuch. Trotzdem muss Art. 67 bestehen bleiben. Er hat einen weitern Bereich und muss Fälle umfassen, die nicht bis zur Anstiftung oder zur Nötigung vorschreiten: etwa die. unter Ausnutzung der Vorgesetzteustellung geäusserte Forderung, Geld zu leihen, eine unzüchtige Berührung zu dulden usw.

Mit der Befehlsgewalt des Vorgesetzten ist seine D i s z i p l i n a r s t r a f g e w a l t verbunden. Art. 68 stellt die Überschreitung dieser Gewalt unter Strafe. Die Umgrenzung der dem Vorgesetzten verliehenen Strafgewalt ist dem Disziplinarrecht zu entnehmen.

In engem Zusammenhang mit der dem militärischen Vorgesetzten und Höhern verliehenen Befehls- und Stragewalt steht seine Stellung im Beschwerderecht. Die Vorgesetzten und Höhern sind entweder selbst Beschwerdeinstanz oder sie haben, wenn das nicht der Fall ist, eine in ihre Hände gelaugende Beschwerde an die zuständige Stelle weiterzuleben.

Ferner hat sich nach Art. 2l l des Entwurfes der Inhaber der Disziplinarstrafgewalt, dessen Strafverfügung angefochten wird, gegenüber der Beschwerdeinstanz zu äussern. Hier setzt, zur Sicherung dieser Verhältnisse, der Art. 69: U n t e r d r ü c k u n g e i n e r B e s c h w e r d e ein.

Strafbar ist danach, wer eine Beschwerde in der Absicht, sie zu unterdrücken, zurückbehält oder beseitigt, ferner wer über eine Beschwerde wissentlich unwahr berichtet.

D e r T ä t l i c h k e i t e n , D r o h u n g , B e i e i d i g u n g benannte Art. 71 ist das genau durchgeführte Gegenstück zu Art. 63 des Entwurfes. Übereinstimmung besteht auch in der
Strafandrohung., Genau genommen gehört die B e f e h l s a n m a s s u n g (Art. 70) nicht in diesen Abschnitt. Wer sich Befehls- oder Strafgewalt anmasst, verübt keinen Missbrauch der Dienstgewalt, weil er keine solche hat, überhaupt nicht Vorgesetzter oder Höherer ist. Allein die sehr nahe Verwandtschaft der ,,Anmassung" mit der Überschreitung der Befehls- und Strafgewalt rechtfertigt die Einfügung

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in diesen Zusammenhang. -- Täter dieses Vergehens kann auch eine Zivilperson sein. Doch sollen Zivilisten, die dieses Vergehen verüben, nach Art. 4, Ziff. 2 des Entwurfes nur in Kriegszeiten unter militärischem Recht stehen. Sonst gilt für sie bürgerliches Strafreeht; Art. 256 des bürgerlichen Strafgesetzentwurfes stellt neben der Amtsanmassung die Anmassung militärischer Befehlsgewalt unter Strafe.

3. Dienstverletzungen.

Jedes militärische Vergehen ist im Grunde gleichzeitig eine Dienstverletzung. Das macht die besondere juristische Erfassung der in diese Vergehensgruppe gehörenden Tatbestände besonders schwierig. Mit einer ungenügenden begrifflichen Umgrenzung ist es z. B. zu erklären, das sich im 4. Titel des geltenden MStGB unter der Überschrift: Dienstverletzungen Tatbestände finden, die zweifellos als Insubordinationsfälle anzusprechen sind; so etwa Art. 72, 76, 86 und 90. Auch der Missbrauch der Dienstgewalt ist im Gesetzbuch von 1851 in dem Sammelabschnitt der DienstVerletzungen untergebracht (Art. 67--89).

Will man aber aus den Dienatverletzungen im Gesetz eine besondere Gruppe bilden, so muss die Grenze gegenüber den Ungehorsamsvergehen deutlich gezogen werden: Die erstem setzen einen konkreten, au einen einzelnen Soldaten oder an eine bestimmte Truppe direkt sich wendenden Befehl voraus. Wer einem solchen Befehl nicht gehorcht, verfehlt sich gegen die Pflichten der Unterordnung. Die Dienstverletzungen dagegen sind eine Missachtung allgemeiner militärischer Gebote, insbesondere die Nichtbeachtung der in Reglementen und andern allgemeinen Erlassen niedergelegten Vorschriften, die einen zweckmässigen und reibungslosen militärischen Betrieb garantieren sollen. So gelangt man zunächst zu dem in Art. 72 des Entwurfes enthaltenen Tatbestand : N i c h t b e f o l g u n g von D i e n s t v o r S c h r i f t e n . E r ist eigentlich ein sog. Blankettgesetz, d. h. er enthält lediglich einen ganz allgemein umschriebenen Tatbestand und eine Strafandrohung, während der Inhalt im Einzelfall aus andern Gesetzen, aus Reglementen, aus Erlassen einzelner Kommandostelleu zu erschliesseu ist. Berücksichtigt man, dass die Zahl derartiger allgemeiner Dienstvorschriften Legion ist und dass namentlich in Kriegszeiten zum festen Bestand solcher Erlasse immer wieder neue allgemeine Dienstbefehle hinzukommen, so wird man verstehen, dass es gänzlich aussichtslos wäre, in einem MStGB die Dienstverletzungen auch nur annähernd erschöpfend aufzuzählen. Die nach dieser Richtung unternommenen Versuche im geltenden Gesetz Art. 72 ff. und im Entwurf 1884 Art. 51 sind als misslungen zu bezeichnen.

369 Allein bei dem ganz- allgemein formulierten Art 72 kann es doch nicht sein Bewenden haben. Nach zwei Richtungen bedarf die Blankettbestimmung dieses Artikels der Ergänzung durch das Gesetz: Einmal ist es notwendig; einige besonders schwere Fälle von an sich zweifellos unter den Art. 72 fallenden Dienstverletzungen herauszuheben und mit besondern Strafsätzen zu versehen. Dann erscheint weiter die Schaffung einer Anzahl von Tatbeständen wünschenswert, bei denen man unter Umständen nicht von der Verletzung eines Réglementes oder einer andern ausdrucklich erlassenen allgemeinen Dienstvorschrift reden kann.

Dagegen verletzt der Täter allgemeine militärische Gebote und Treupflichten, die vielleicht gerade wegen ihrer Selbstverständlichkeit in keinem Erlass ausdrücklich aufgestellt sind.

Von diesen Gesichtspunkten aus sind die den allgemeinen Tatbestand des Art. 72 ergänzenden Art. 73--81 des Entwurfes zu würdigen: Art. 73 hebt als besondern Tatbestand heraus die m i s s bräuchliche Verwendung von Material,das einem Soldaten dienstlich anvertraut, überlassen oder sonstwie zugänglich ist.

Man denke namentlich an den Fall des furtum usus. Darin und in anderer missbräuchlicher Verwendung, ferner in dem Im-SticheLassen solchen Materials liegt eine Verletzung der militärischen Treupflicht, eine Dienstverletzung.. Art. 73 gelangt aber, wie der Entwurf ausdrücklich sagt, nur zur Anwendung, sofern keine andere Strafbestimmung -- Diebstahl, Unterschlagung, Sachbeschädigung, Landesverrat usw. -- zutrifft.

Durch ihre besondere Schwere ausgezeichnete Dienstverletzungen sind die F e i g h e i t vor dem F e i n d e (Art. 74), die K a p i t u l a t i o n (Art. 81) und in vielen Fällen auch die W a c h t v e r g e h e n (Art. 75). Zum letztgenannten Artikel ist zu bemerken, dass der Entwurf darauf verzichtet, mit dem geltenden MStGB (Art. 78) einen Tatbestand: Schlafen auf der Wache zu formulieren. Eine solche Bestimmung widerspricht dem strafrechtlichen Denken.

Beim ,,Vergehen" des Schlafens kann ein rechtswidriger Vorsatz gar nicht in Betracht kommen, und auch ein fahrlässiges Schlafen erscheint problematisch. Die richtige, vom Entwurf vorgeschlagene Lösung liegt darin, dass strafbar sein soll, wer sich vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit ausserstand setzt, seine Dienstpflichten als Wache zu erfüllen. Das tut
z. B., wer sich, bevor ei- auf Wache geht oder während er sich auf Wache befindet, betrinkt oder auch nur dem Alkohol, mehr als gut ist, zuspricht. Kann der kriminelle Tatbestand, dass die Wache sich schuldhaft ausserstand gesetzt hat, ihre Pflichten zu erfüllen, nicht erwiesen werden, so besteht noch die Möglichkeit einer disziplinarischen Bestrafung Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. Y.

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Als eine Dienstverletzung soll ferner nach Art. 76 die gewissenlose und nicht durch eine dienstliche Veranlassung genügend gerechtfertigte G e f ä h r d u n g d e s L e b e n s e i n e s U n t e r g e b e n e n gelten. Vorbild ist hier Art. 113 des bürgerlichen Strafgesetzentwurfes.

Neu sind ferner als Sondertatbestände der Dienstverletzung in den Entwurf aufgenommen die V e r l e t z u n g des D i e n s t g e h e i m n i s s e s (Art. 77) und die F ä l s c h u n g d i e n s t l i c h e r A k t e n s t ü c k e (Art. 78). Von der Urkundenfälschung und -unterdrückung der Art. 170 und 172 des Entwurfes ist der Tatbestand des Art. 78 dadurch geschieden, dass bei Aktenstücken von dienstlicher Bedeutung j e d e Fälschung, j e d e r auf Täuschung abzielende Gebrauch, j e d e Unterdrückung Strafe nach sich ziehen soll, während die Urkundenvergehen nach Art. 170 und 172 die Absicht des Täters voraussetzen, jemanden zu schädigen oder sich oder einem andern unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen.

Als rein militärisches Vergehen, als eine Dienstverletzung betrachtet dann der Art.79 die N i c h t a n z e i g e von V e r g e h e n .

Ein solcher Tatbestand kann im Militärstrafrecht nicht fehlen -- siehe schon den Art. 85 des geltenden Gesetzes --, während eine entsprechende Norm im bürgerlichen Strafrecht entbehrlich erscheint.

Von einer allgemeinen Anzeigepflicht kann aber auch im militärischen Recht keine Rede sein. Der Entwurf beschränkt sie auf die Kenntnis vom Vorhaben einer Meuterei, eines Ausreissens oder eines Verrätereivergehens. Das sind schwere Delikte, die vor allem militärisch gefährlich sind, Vergehen, die,
wenu immer möglich, schon im Keime erstickt werden müssen.

Als Dienstverletzung gilt endlich nach Art. 80 die ,, T r u n k e n heit". Aber das Recht kann natürlich nicht diesen "Zustand" bestrafen. Auch ist es undenkbar, jeden Soldaten, der sich betrinkt, wegen Verübung eines Vergehens vor den Strafrichter zu «teilen. Nach Art. 80 soll nur strafbar sein, wer ,,in selbstver-

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schuldeter Trunkenheit öffentliches Ärgernis erregt", ferner wer infolge selbstverschuldeter Trunkenheit unzurechnungsfähig ist und in diesem Zustande eine als Vergehen bedrohte Tat -- für die er seiner Unzurechnungsfähigkeit wegen nicht bestraft werden kann -- verübt. Die juristische Konstruktion dieser Bestimmung mag zu Bedenken Anlass geben. Ihre praktische Wirkung aber wird heilsam und in Übereinstimmung mit der Volksanschauung sein.

Gerade im Anschluss an den Art. 80 ist zum ganzen dritten Abschnitt noch zu bemerken, dass die Mehrzahl der begangenen Dienstverletzungen nicht den Charakter eines Vergehens zeigen.

Sehr häufig pflegen sie blosse Disziplinarfehler zu sein. Abgesehen von den unter allen Umständen kriminell zu bestrafenden Vergehen der Feigheit (Art. 74) und der Kapitulation (Art. 81) ist denn auch im ganzen Abschnitt die Möglichkeit disziplinarischer Bestrafung vorgesehen. Die Praxis wird sich dabei so gestalten, dass zahlreiche Dienstverletzungen von vornherein nicht zur militärgerichtlichen Behandlung kommen. Sie werden vom militärischen Vorgesetzten direkt erledigt. Andere, bei denen zwar das militärgérichtliche Verfahren angehoben worden ist, werden hernach durch Entscheid des Oberauditors oder schliesslich durch richterlichen Entacheid der disziplinarischen Erledigung zugeführt; vgl.

MStGB Art. 122, Abs. 2, und Art. 123, Ziff. 2, ferner den Entwurf Art. 222/160 a. Eine Gefahr, dass Dienstverletzungen allzu leicht und allzu häufig als Vergehen behandelt werden, besteht daher nicht.

4. Vergehen gegen die Dienstpflicht.

Ungehorsam ist die Missachtung einzelner, individuell erteilter militärischer Befehle. Dienstverletzungen sind Verfehlungen des Soldaten gegen allgemeine militärische Gebote.

Bei den Vergehen gegen die Dienstpflicht jedoch, wie sie in Art. 82--86 des Entwurfes gestaltet werden, geht der Täter aufs Ganze. Er schüttelt die ganze Pflichtenlast, die die militärische Dienstpflicht ihm auferlegt, von sich ab, oder er weigert sich von vornherein, diese Pflichten auf sich zu nehmen.

In Art. 82 ist dieser letztere Fall, die D i e n s t V e r w e i g e r u n g , vorangestellt. Da das Delikt nicht von einem im Dienste befindlichen Soldaten begangen wird, ist auf die Zuständigkeitsregel in Art. 2, Ziff. 4 : Dienstpflichtige ausserhalb des Dienstes mit Bezug auf ihre
dienstlichen Pflichten abzustellen. Der Absatz 3 des Art. 82 berücksichtigt die tätige Reue: -Stellt der Täter sich nachträglich zum Dienst, 'so kann unbeschränkte Strafmilderung gemäss Art. 47 des

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Entwurfes eintreten. Wichtig ist aber vor allem noch, dass eine Verurteilung wegen Dienstverweigerung nur soll eintreten können, wenn dem Täter die ,,Absieht, sich der Dienstpflicht zu entziehen"1, nachgewiesen werden kann. Wer ohne diese Absicht einem Aufgebot nicht nachkommt, namentlich auch wer aus Leichtsinn, ans Nachlässigkeit zu spät einrückt, ist nicht Dienst ver weigerer. Das neue Gesetz muss diese Fälle von dem ungleich schwereren Fall der Dienstverweigerung unterscheiden. Art. 83 gelangt so zu einem neuen Tatbestand der D i e n s t v e r s ä u m n i s . Ob im einzelnen Fall blosse Versäumnis, oder aber die Verweigerung vorliegt, ist eine vom Richter zu lösende Tat- und Beweisfrage.

Zu einer an den gleichen Gedankengang anknüpfenden Zweiteilung gelangt der Entwurf auch bei der Desertion. Art. 84 umschreibt das A u s r e i s s e n , Art. 85 die u n e r l a u b t e E n t f e r n u n g .

In der äussern Art der Begehung zeigen beide Delikte den gleichen Tatbestand. Nach der subjektiven Seite dagegen unterscheiden sie sich darin, dass der Ausreisser in der Absicht handelt, sich der Dienstpflicht zu entziehen, während bei der unerlaubten Entfernung diese Absicht fehlt. Den eigentlichen Deserteur wird man immer kriminell bestrafen müssen, die unerlaubte Entfernung dagegen wird je nach den begleitenden Umständen einen verhältnismässig geringfügigen Ordnungsfehler oder aber, namentlich in Kriegszeiteu, ein schweres Vergehen gegen die soldatische Treupflicht bedeuten.

Das führt zur Aufstellung eines weiten Strafrahmens, der in Zeiten eines aktiven Dienstes bis zur Zuchthausstrafe hinaufreicht. -- Im Gegensatz zu der geltenden schweizerischen und ausländischen Gesetzgebung verzichtet der Entwurf darauf, den Grundtatbeständeu der Desertion einerseits qualifizierte Fälle -- vgl. z. B. MStGB Art. 95 -- und anderseits Privilegierungen -- Selbstgestellung! -- beizugeben. Die Aufstellung weiter Strafrahmen genügt dem Richter, um die besondere Lage des einzelnen Falles ausreichend zu würdigen: An die ,,unerlaubte Entfernung" knüpft dann noch der Art. 86 U n e r l a u b t e s W e g b l e i b e n an. Er ist ein echtes Unterlassungsvergehen. Der Täter hat sich nicht eigenmächtig entfernt. Er ist im Kriege ,,versprengt" worden oder war in Kriegsgefangenschaft geraten. Sobald er dazu in der Lage ist, muss er
alles daran setzen, seinen oder einen andern Truppenteil wieder zu erreichen, oder sich wenigstens bei einer militärischen Stelle zu melden. Er muss das schon deshalb tun, um nicht in den Verdacht zu kommen, er wolle sich seiner Dienstpflicht entziehen.

Alle Vergehen dieses Abschnittes sind sogenannte Dauerdelikte.

Die Bestimmung Art. 52, Abs. 3, wonach die Verjährung erst mit dem Tage beginnt, an dem das strafbare Verhalten aufhört, wird bei ihnen von Bedeutung.

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5. Vergehen gegen die Landesverteidigung und gegen die Wehr« kraft des Landes.

Der fünfte Abschnitt im Besondern Teil des Entwurfes umschreibt in engster Anlehnung an den bürgerlichen Strafgesetzentwurf (Art. 234 ff.) die Verrätereidelikte, die Neutralitätsverletzungen, ferner die Vergehensgruppen: Schwächung der Wehrkraft und Störung der militärischen Sicherheit. Es sind, wie früher schon ausgeführt wurde, uneigentliche Militärvergehen. Jedermann, nicht nur Militärs können sie verüben.

Es handelt sich hier nicht darum, alle Beatimmungen dieses Abschnittes einzeln zu erörtern.' Soweit sie auch in den 13. Abschnitt des bürgerlichen Strafgesetzes Aufnahme gefunden haben, kann auf die Materialien zum bürgerlichen Strafrecht und insbesondere auf die Erläuterungen in der Botschaft zu diesem Entwurf (BB1 1918, IV, S. 57 ff. und 62) hingewiesen werden. Dagegen ist es notwendig, hier das Verhältnis zwischen den Bestimmungen des militärischen und des bürgerlichen Strafrechts klarzustellen: Die Frage, wieweit Zivilpersonen dem militärischen Strafrecht zu unterstellen sind, tritt in diesem Abschnitt ganz besonders hervor. Nach den in Art. 2 ff. des Entwurfes aufgestellten Grundsätzen sollen in n o r m a l e n F r i e d e n s z e i t e n überhaupt keine Zivilpersonen unter das militärische Recht fallen. Die Bestimmungen des Art. 87 ff. finden also in solcher Zeit nur auf die Militärpersonen Anwendung. Verübt dagegen im Frieden eine Zivilperson z. B. ein Verrätereidelikt oder fordert sie zur Verletzung militärischer Pflichten auf, so erfolgt die Beurteilung nach dem bürgerlichen Strafgesetz und durch den bürgerlichen Richter. Eine gewisse Verschiebung tritt aber bereits in Z e i t e n e i n e s a k t i v e n D i e n s t e s zum Zwecke des Grenzschutzes oder zur Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern ein. Das bürgerliche Strafrecht soll hier zugunsten des militärischen nach Art. 3, Ziff. 4 auch ausgeschaltet sein, wenn eine Zivilperson Verräterei verübt (Art. 87, 88, 90), Feindseligkeiten gegen einen Kriegführenden oder gegen fremde Truppen unternimmt (Art. 93), die Vergehen: Schwächung der Wehrkraft (Art. 95--98) begeht oder eine Störung der militärischen Sicherheit (Art. 99--106) sich zuschulden kommen lässt. Noch weiter erstreckt sich endlich die Ausdehnung des militärischen Rechtes auf Zivilisten in K
r i e g s z ei t en. Dann soll nach Art. 4, Ziff. 2 des Entwurfes ausnahmslos auch für sie das militärische Recht gelten, wenn sie sich gegen die Landesverteidigung oder gegen die Wehrkraft des Landes vergehen.

Diese Grenzlinien sind im Auge zu behalten, wenn man die Art. 87 ff. des Militärstrafgesetzentwurfes richtig würdigen will.

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Folgende, aus den militärrechtlichen Verhältnissen sich ergebenden Besonderheiten sind weiter zu beachten: 1. Das neue MStGB soll sich auf die Normierung der gegen die Verteidigung und gegen die Wehrkraft des Landes gerichteten Vergehen beschränken. Hochverrat und diplomatischer Landesverrat gehören in den ausschliesslichen Bereich des bürgerlichen Strafrechts; bürgerlicher StG-Entwurf Art. 229--233. Auch der Soldat, der diese Vergehen verübt, hat sich nach bürgerlichein Strafrecht und vor dem bürgerlichen Richter zu verantworten.

2. Aus der Tatsache, dass bei den gegen die Landesverteidigung und gegen die Wehrkraft des Landes gerichteten Vergehen in Kriegszeiten nurmehr das militärische Recht gilt, ergibt sich bei einzelnen Tatbeständen die Notwendigkeit, die in Kriegszeiten bestehenden Verhältnisse besonders zu berücksichtigen. Das geschieht namentlich durch die Beifügung von Strafschärfungen, in einzelnen Fällen durch die fakultative Androhung der Todesstrafe; vgl. Art. 87, Ziff. 2, 88, Ziff. 3, 92, Ziff. 3, 94, Ziff. 2, usw.

3. Der Entwurf enthält endlich in diesem Abschnitt zwei Tatbestände, die der bürgerliche Strafgesetzentwurf nicht kennt: Nach Art. 89 ist der F r a n k t i r e u r , der in Kriegszeiten Feindseligkeiten gegen das schweizerische Heer unternimmt, ohne zu der von der Schweiz anerkannten bewaffneten Macht des Gegners zu gehören, strafbar. Da es sich hier um ein ausschliesslich im Kriege mögliches Vergehen handelt, entfällt eine Regelung im bürgerlichen Entwurf.

Art. 106 sieht für Zeiten eines aktiven Dienstes den Tatbestand des Ungehorsams gegen b e s o n d e r e A n o r d n u n g e n militärischer Stelleu vor. Der bürgerliche Strafgesetzentwurf hat darauf verzichtet, auch für normale Friedenszeiten einen solchen Vergehenstatbeatand aufzustellen.

6. Vergehen gegen das Völkerrecht im Kriege.

Es handelt sich hier um die Strafnormen zum Schutze gewisser Rechtspflichten, die das Kriegsrecht, also das Völkerrecht, geschaffen hat. Wieweit ein nationales MStGB nach dieser Richtung gehen kann, ist eine bisher noch ganz ungenügend gelöste und in der heutigen Zeit besonders schwierige Frage. Zur Richtung kann man vielleicht den Satz nehmen,, dass ein nationales Strafrecht nur dann ein kriegsrechtliches Verbot mit einer Strafdrohung stützen soll, wenn die Anerkennung des völkerrechtlichen
Satzes über allen Zweifel erhaben erscheint.

Das trifft jedenfalls für die Tatbestände der Marode, der Plünderung und des Kriegsraubes zu, die längst allgemeine Auf-

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nähme in die Militärstrafgesetze gefunden haben. Die Vorschriften darüber sind aber nicht im Abschnitt der Vergehen gegen das Völkerrecht, sondern bei den Vermögensvergehen unterzubringen (vgl. Art. 136 bis 138), denn sie gelten natürlich nicht nur auf völkerrechtlicher Grundlage, nicht nur wenn der Täter sich gegen den Feind richtet, sondern auch wenn er sich gegen die Angehörigen des eigenen Landes vergeht.

Wie weit aber darf das Strafgesetz darüber hinaus den Kreis der gegen das Völkerrecht im Kriege gerichteten Vergehen ziehen?

Das geltende Recht gibt hierfür wenig Vorbilder. Dagegen haben die schweizerischen militärstrafrechtlichen Entwürfe aus dem letzten Jahrhundert schon seit dem ersten Hiltyschen Entwurf von 1878 eine Regelung versucht, von der freilich nichts zur gesetzlichen Geltung gelangt ist. Heute scheint nun die Zeit für eine gesetzgeberische Erfassung solcher Postulate deshalb günstiger als vor vierzig Jahren, weil ein grösserer Komplex kodifizierter Grundsätze des Kriegsrechts besteht als damals. Vielen dieser Sätze hat auch der Weltkrieg die Anerkennung durchaus nicht versagt. Die Tatsache, dass zahlreiche dieser kriegsrechtlichen Verbote immer wieder übertreten werden, spricht nicht dagegen. Ihre Geltung berührt das nicht. Der Strafgesetzgeber soll vielmehr gerade durch die Erfahrungen des Weltkrieges dazu geführt werden, durch Strafandrohungen gegenüber dem Verletzer, sei er Feind oder eigener Staatsangehöriger, die Durchführung anerkannter Regeln des Kriegsrechts je länger je besser au sichern.

An diese Gedanken und Rechtsentwicklungen knüpfen die Art. 107 bis 112 des Entwurfes an. Vor allem suchen sie möglichst engen Anschluss an die Haager Gesetze und Gebräuche des Landkrieges. Am weitesten greift der Art. 107 -- V e r w e n d u n g u n z u l ä s s i g e r K a m p f m i t t e l -- aus. Man hat dabei insbesondere an Art. 23, lit. a und e des Haager Landkriegsabkommens von 1907 zu denken, der die Verwendung von Gift und vergifteten Waffen, ferner den Gebrauch von "Waffen, Geschossen und Stoffen, die geeignet sind, unnötige Leiden zu verursachen, verbietet. Ferner ist auf die Petersburger Deklaration von 1868 betreffend Nichtanwendung der Sprenggeschosse im Krieg und auf die III. Haager Deklaration von 1889 betreffend Gebrauch von Kugeln, die sich im menschlichen Körper
leicht ausbreiten oder abplatten, hinzuweisen. --- Bei don Verhältnissen, die der Weltkrieg geschaffen hat, kann der Gesetzgeber es heute allerdings nicht wagen, ein striktes Verbot dieser Kampfmittel aufzustellen. Der Entwurf begnügt sich daher damit, die Anwendung von Kampfmitteln und Kampfweisen, ,,die im schweizerischen Heere ausdrücklich verboten sindtt, für strafbar zu erklären. Dabei ist auf die Hoffnung zu

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bauen, dass die Zeit nach dem jetzigen Kriege mit erneuter Energie daran arbeiten wird, auf dem Wege internationaler Vereinbarung die Verwendung der durch frühere Übereinkommen verbotenen Kampfmittel auszuschliessen.

Art. 108 und 109 enthalten Strafbestimmungen zum Schutze des R o t e n K r e u z e s , die wohl am allerwenigsten mit Überlegungen der realpolitischen Notwendigkeit angefochten werde» können.

Art. 110 stellt die T ö t u n g und V e r w u n d u n g w e h r l o s e r F e i n d e und die V e r s t ü m m e l u n g von T o t e n unter Strafe. Die Grundlage bildet auch hier das Landkriegsabkommen (Art. 23, lit. e) und ferner die Genferkonvention (Art. 3, Abs. 1).

Art. 111 -- B r u c h des F r i e d e n s o d e r eines Waffens t i l l s t a n d e s -- hat sein Vorbild in Art. 44, lit. d des geltenden MStGB. Ferner sind dazu Art. 36 ff., insbesondere Art. 40 und 41 des Landkriegsabkommens, zu vergleichen.

Auch der S c h u t z des f e i n d l i c h e n P a r l a m e n t ä r s , der durch die Strafbestimmung des Art. 112 befestigt werden sollv hat seine Grundlage in anerkannten völkerrechtlichen Sätzen (Landkriegsabkommen Art. 32 ff.).

Man hat den in diesen Abschnitt des Entwurfes aufgenommenen Tatbeständen schon den Vorwurf gemacht, sie seien Utopien,, die durch die harten Notwendigkeiten des Krieges stets zu nichte gemacht würden. Und in der Tat scheinen ja auch die heutigen Verhältnisse ia den kriegführenden Staaten dieser Auffassung wenigstens bis zu einem gewissen Grade recht zu geben. Aber anderseits ist doch in der ganzen Welt vielfach das Bewusstsein von der Verwerflichkeit grausamer und unnötig quälerischer Kampfmethoden in so hohem Masse vorhanden, dass das neue Militärstrafgesetz eines neutralen Staates es wohl wagen darf, mit Strafbestimmungen gegen diese Art der Kriegsführung Stellung zu nehmen. Mögen es immerhin nur schöne Zukunftspläne sein. Der Gesetzgeber darf sich die Aufgabe nicht nehmen lassen, auch auf diesen Gebieten die Herbeiführung eines bessern Rechtszustandes anzustreben.

7. Die gemeinen Vergehen.

Während die im 1. bis 4. Abschnitt des Entwurfes enthaltenen rein militärischen Vergehen und ebenso die Vergehen .gegen das Völkerrecht im Kriege (6. Abschnitt) ausschliesslich in die Domäne des Militärstrafgesetzbuches gehören, liegen die Verhältnisse bei den sogenannten gemeinen Vergehen anders.

Schon in frühem Zusammenhängen haben wir den Grundsatz aufgestellt, dass das neue MStGB nur diejenigen Tatbestände der

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gemeinen (bürgerlichen) Vergehen enthalten soll, bei denen zugleich der Schutz militärischer Interessen in Frage steht, während alles andere, auch wenn ein Soldat als Täter in Frage kommt, dein bürgerlichen Strafrecht überlassen bleibt.

Die Abschnitte 7--15 des Militärstrafgesetzentwurfes enthalten nun die Durchführung dieses Prinzipes. In der Systematik und der Gestaltung der Tatbestände ist auch hier der Anschluss aa den bürgerlichen Strafgesetzentwurf gegeben. Die Tatbestände, die in beiden Entwürfen vorkommen, stimmen wörtlich überein. Infolgedessen können wir uns hier auf die Hervorhebung derjenigen Abweichungen beschränken, die sich aus der besondern Natur des militärischen Rechtes ergeben: I. V e r g e h e n g e g e n L e i b und L e b e n (7. Abschnitt desEntwurfes). Beim Tatbestand des Mordes (Art. \ 14) ist für Kriegszeiten die Todesstrafe angedroht. Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung (Art. 118 und 122) sollen auch dann qualifiziert sein, wenn der Täter durch die Fahrlässigkeit eine Pflicht, die ihm durch seine dienstliche Stellung auferlegt ist,.

verletzt.

Einige Abweichungen ergeben sich hier -- wie übrigens auch, in den nachfolgenden Abschnitten -- aus der Tatsache, dass der.

Entwurf des MStGB die Figur des Antragdeliktes nicht vorsieht.

So sind die einfache und die fahrlässige Körperverletzung (Art. 120 und 122) als Ofözialdelikte gestaltet. In den Tatbestand der einfachen Körperverletzung ist ferner der Übertretungsfall der Tätlichkeiten, den der bürgerliche Entwurf in Art. 295 besonders gestellt hat, miteinbezogen. Bei zahlreichen Vergehen, wo hier wie auch in den folgenden Abschnitten der bürgerliche Entwurf Busse als Strafe androht, berücksichtigt der Entwurf des MStGB die leichten Fälle derart, dass er disziplinarische Bestrafung vorsieht; man vergleiche als Beispiel die fahrlässige Körperverletzung: bürgerlicher Entwurf Art. 111, Abs. l, Entwurf des MStGB Art. 122', Ziff. i.

Abs. 2.

Eine ganze Reihe von Tatbeständen, die hier das bürgerliche Strafrecht aufstellen musa, können im militärischen Recht wegbleiben, so namentlich die Kindestötung, die Abtreibungsvergehen,, die Aussetzung, die Kiudermisshandluug und die Überanstrengung, von Kindern und Untergebenen.

II. V e r g e h e n g e g e n d a s V e r m ö g e n (8. Abschnitt)..

Auch hier zeigt der
Militärstrafgesetzentwurf gegenüber dem bürgerlichen Strafgesetz eine starke Beschränkung. Die Konkurs- und.

Betreibungsvergehen, die Warenfälschung, die Kreditschädigung usw. gehören nicht in das Militärrecht.

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Bei einzelnen Tatbeständen sind militärische Besonderheiten zu berücksichtigen, so beim Diebstahl, bei der Veruntreuung, beim Betrug die Fälle, wo die Tat einem Vorgesetzten, einem Unter.gebenen, einem Kameraden, dem Quartiergeber gegenüber begangen wird (Art. 127, Ziff. 2, Art. 129, Ziff. 2, Art. 134, Abs. 2).

Ausführlicher ist nur noch über die dritte Vergehensgruppe dieses Abschnittes, über M a r o d e , P l ü n d e r u n g und K r i e g s r a u h .zu berichten. Alle drei sind Kriegsdelikte, die im bürgerlichen Strafrecht kein Gegenstück haben. Ihre Umschreibung in den geltenden Rechten ist ganz unbefriedigend und aus naheliegenden Gründen ist auch aus der Praxis über Anwendung und Auslegung dieser Bestimmungen kaum etwas zu erfahren. Folgendes ist herauszuheben : Marode, Plünderung und Kriegsraub (Art. 136--138) sind richtigerweise bei den Vermögensvergehen unterzubringen. Alle xliese Handlungen verletzen in erster Linie das Rechtsgut des Vermögens. Allein durch die Umstände, unter denen sie verübt werden, bekommen diese Handlungen noch eine andere Richtung: sie verletzen, wenigstens wenn der Täter ein Angehöriger des Heeres ist, gleichzeitig die Disziplin, sind schwere Verstösse gegen die militärische Ordnung. Das ist auch der Hauptgrund, weshalb man sich dem, Plünderer und dem Kriegsräuber gegenüber nicht mit ^en generellen Tatbeständen des Diebstahls, des Raubes und der Erpressung begnügen kann.

Von den drei Vergehen ist die M a r o d e (Art. 136) das harmloseste. Sie wird vielfach nur zu einer disziplinarischen Bestrafung Anlass geben. Art. 143 und Art. 166, Ziff. 21 des geltenden MStGB sehen sogar ausschlieaslich eine Ordnungsstrafe vor. -- Die als Marode bezeichnete Handlung ist dem Diebstahl ähnlich. Der Tatbestand greift jedoch weiter aus, da der Nachweis nicht erbracht ·werden muss, dass der Täter eine Sache wegnimmt, um sich oder -einen andern unrechtmässig zu bereichern. Schon die Wegnahme ist strafbar, wenn der Täter eigenmächtig und ohne genügende Veranlassung z. B. Kleidungsstücke, Decken, Möbel ,,requiriert11.

Natürlich ist, soweit die Bedürfnisse des kriegführenden Heeres Requisitionen erfordern, das Vergehen der Marode nicht gegeben ; «tan vergleiche dazu Art. 23, lit. g und Art. 52 des Landkriegsabkommens.

Die P l ü n d e r u n g nach Art. 137 des Entwurfes enthält die
·drei Tatbestände des Diebstahls, der Erpressung und des Raubes.

Aber es sind besondere Fälle. Die Umstände, unter denen die Delikte begangen werden, rechtfertigen ihre Heraushebuug und (namentlich die Ausstattung mit schwereren Strafen, als sie sonst für Diebstahl und Erpressung vorgesehen sind. Die Besonderheit

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lier ,,Plünderung" liegt einmal darin, dass dieses Vergehen nur in Kriegszeiten begangen werden kann -- im Frieden gelten die Sätze über Diebstahl, Erpressung und Raub -- und namentlich darin dass der Täter sich den Kriegsschrecken, unter dem die Bevölkerung steht, zunutze macht. Ganz besonders bei der Vorübung dieser Delikte verbindet sich mit dem Angriff auf fremdes Vermögen eine schwere Verletzung der militärischen Ordnung und Zucht. -- Nach Art. 137, Ziff. l, Abs. 2 trifft die Strafe des Plünderns auch den Vorgesetzten, der seinen Untergebenen die Plünderung erlaubt oder gegen die Plünderung nicht einschreitet.

Unter der Bezeichnung E r i e g s r a u b stellt endlich Art. 138 Handlungen unter Strafe, die wiederum in krasser Weise diebisches Verhalten mit einer Verletzung militärischer Ordnung und mit einer Missachtung völkerrechtlicher Regeln verbinden. Das Kennzeichen des Eriegsraubs ist, dass der Täter auf dem Schlachtfeld sein Unwesen treibt, namentlich an den hülflosen Opfern der Schlacht sich vergreift. Art. 3 der Genfer Konvention verpflichtet nach einer Schlacht die das Feld behauptende Partei zu Massregeln, um Verwundete und Tote gegen Misshandlung und Beraubung zu schützen, und in Art. 28 der Eonvention haben es die vertragschliessenden Staaten übernommen, Straf bestimmungen gegen ,,die Plünderung und Missachtung kranker und verwundeter Soldaten in Kriegszeiten" zu erlassen. An diese völkerrechtlichen Sätze schliesst sich der Art. 138 im besondern an.

III. B e s t e c h u n g u n d u n g e t r e u e G e s c h ä f t s f ü h r u n g (9. Abschnitt). Diese Vergehensgruppen, die der bürgerliche Strafgesetzentwurf teils bei den Vermögensdelikten -- die ungetreue Geschäftsführung --, teils bei den Vergehen gegen die Staatsgewalt und gegen die Amtspflicht ordnet, fasst der Entwurf in einem Abschnitt für sich zusammen.

Zu wünschen ist hier namentlich, dass das neue MStGB eine genügende Ordnung der Bestechungsvergehen bringt. Das geltende MStGB ist darin ganz unzureichend. Es enthält in Art. 74, Abs. 2 und Art. 151, lit. d lediglich zwei Sonderfälle von passiver Bestechung: die Bestechung eines Wachtpostens, einer Bedeckung oder eines Gefangenwärters", der infolgedessen einen Gefangenen entweichen lässt, ferner die Bestechung durch Lieferanten. -- Die Erfahrung hat uns aber darüber belehrt,
dass ein MStGB eine umfassende Regelung treffen muss. Dabei hat man sich Über die juristische Natur der militärrechtlichen Bestechung klar zu sein.

Die (passive) Bestechung einer Militärperson bedeutet eine Verletzung mehrerer Rechtsgüter. Sie ist zunächst eine Missachtung der militärischen Treupflicht, eine Dienstverletzung, neigt aber auch, weil zum Wesen der passiven Bestechung die Gewinnsucht

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des Täters gehört, zu den Vermögensdelikten hin. Mit der passives ist stets die a k t i v e Bestechung verbunden, die, wenn sie an Militärpersonen sich wendet, vor allem gegen die militärische Sicherheit und Ordnung gerichtet erscheint. Da es, trotz der verschiedenen Richtung der einzelnen Bestechungsdelikte, zweckmässig erscheint, sie im Gesetzbuch zusammen zu regeln, ist der Entwurf zu dem besondern 9. Abschnitt gelangt, in den noch der mit der Bestechung innerlich verwandte Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung eingefügt wurde.

Das S i c h b e s t e c h e n l a s s e n (passive Bestechung) in Art. 13& ist sinngemäss dem Art. 279 des bürgerlichen Entwurfes nachgebildet. Daneben tritt das geringfügigere Vergehen : A n n a h m e von G e s c h e n k e n (Art. 141). Besonders ist hier zu beachten, dass nach Ziff. l, Abs. 2 die Entgegennahme von Geschenken der Lieferanten von Heeresbedürfnissen strafbar ist. Das ist noch nicht Bestechung. Aber wer für derartige Schmier- und Trinkgelder die Hand öffnet, ist leicht auch eigentlicher Bestechung zugänglich.

Dabei soll nicht nur die Annahme von Geschenken usw. vor vollzogener Lieferung, z. B. bei den Unterhandlungen mit dem Lieferanten, sondern auch das Sichbestechenlassen nach erfolgter Lieferung bestraft werden. Im militärischen Leben dürfen derartige Lieferantengeschenke nicht geduldet werden.

Die Regel des Art. 140 über die a k t i v e B e s t e c h u n g gilt natürlich nur, wenn eine dem Militärstrafrecht unterworfene Person gegenüber einem Heeresangehörigen handelt. Wird die aktive Bestechung von einer nicht unter militärischem Recht stehenden Person, z. B. von einem Heereslieferanten, geübt, so muss auf das bürgerliche Strafrecht abgestellt werden. Art. 257 des bürgerlichen Entwurfes hebt auch den Fall der Bestechung eines Heeresangehörigen ausdrücklich hervor.

Während bei der passiven Bestechung sich das Streben nach unrechtmässigem Gewinn mit einer Verletzung der militärischen Treu Verpflichtung verbindet, zeigt die U n g e t r e u e G e s c h ä f t s f ü h r u n g (Art, 142) das Zusammentreffen einer Dienstverletzung mit einer verbrecherischen Missachtung fremder Vermögensinteressen.

Das MStGB muss einen derartigen Tatbestand enthalten, da das bürgerliehe Strafrecht keine subsidiär - in Betracht kommende, zwangslos anzwendende Vorschrift
aufweist. Art. 278 und 1.36 des bürgerlichen Entwurfes -- ungetreue Amts- oder Geschäftsführung -- wären z. B. auf einen seine Geschäfte ungetreu fllhrenden Verwaltungsoffizier oder Fourier nicht anwendbar.

IV. V e r g e h e n g e g e n die E h r e (10. Abschnitt). Die Art. 143--147 übernehmen die Art. 150--154 des bürgerlichen Entwurfes. Da dem Militärstrafrecht die Antragsvergehen grund-

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sätzlich fremd sind, sind hier auch die Beleidigungsdelikte von Amtes wegen verfolgbar. In leichten Fällen von übler Nachrede und Beschimpfung hat dagegen disziplinare Erledigung zu erfolgen. Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass nach Art. 3, Ziff. 4 des Entwurfes in Zeiten aktiven Dienstes eine Ehrverletzung die von einer Zivilperson gegenüber ,,einer im Dienste befindlichen Person mit Bezug auf ihre dienstliche Stellung oder Tätigkeit1* begangen wird, nach ·militärischem Recht strafbar ist.

5. V e r g e h e n g e g e n die F r e i h e i t (11. Abschnitt).

Drohung, Nötigung, Freiheitsberaubung und Hausfriedensbruch (Art.

148--151) sind die Freiheitsvergehen, die im militärischen Strafrecht Aufnahme finden müssen. Die Entführungsdelikte dagegen können der Ordnung durch das bürgerliche Strafgesetz (Entwurf Art. 158--160) überlassen bleiben.

6. V e r g e h e n g e g e n die S i t t l i c h k e i t (12. Abschnitt).

Auch hier ist eine starke Beschränkung des Militärstrafrechts ge~boten. Die Kuppeleivergehen (bürgerlicher Entwurf Art. 173 ff.), aber auch die Unzucht mit Pflegebefohlenen (Art. 167 f.), die "Verführungsdelikte (Art. 171 f.) und der Tatbestand Unzüchtige Veröffentlichungen (Art. 179) brauchen in einem MStGB nicht zu stehen. Auch von der Aufnahme einer Bestimmung über die widernatürliche Unzucht haben wir in diesem Entwurf abgesehen.

Dabei mag bei dieser Gelegenheit noch einmal darauf aufmerksam gemacht werden, dass immer dann, wenn ein Soldat eines dieser Vergehen verübt, gemäsa Art. 7 des Entwurfes die subsidiäre Geltung des bürgerlichen Strafrechts zutage tritt. Der MStGBEotwurf selbst kennt nur die Notzuchts- und Schändungstatbestände, ferner die Vergehen Unzucht mit Kindern und öffentliche unzüchtige Handlungen" (Art. 152--157).

7. G e m e i n g e f ä h r l i c h e V e r g e h e n (13. Abschnitt). Die Gemeingefährdungen durch Feuer und Wasser, die Sprengstoffvergehen, die gemeingefährlichen Krankheitsverbreitungen, die Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr können nicht allein der Bekämpfung durch das bürgerliche Strafrecht überlassen bleiben.

Militärrechtlich werden diese Vergehen namentlich in Kriegszeiten von grosser Bedeutung, ja sie bekommen dann eine spezifisch militärstrafrechtliche Note, wenn der Täter durch eine Brandstiftung, durch Sprengstoffe, durch die Verursachung
einer Überschwemmung oder eines Einsturzes dem Heere dienende Sachen zerstört. Der Entwurf hebt das in den Art. 158, 159, 160 und 163 qualifizierend hervor, und Art. 4, Ziffer 2 bestimmt, dass in Kriegszeiten auch die Zivilperson, die einen dieser qualifizierten Tatbestände erfüllt, unter dem militärischen Strafrecht stehen soll.

Im übrigen ist der ganze 13. Abschnitt sowohl in den Tatbe-

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Standsumschreibungen wie in den Strafandrohungen den Art. 187 ff.

des bürgerlichen Entwurfes nachgebildet.

8. U r k u n d e n f ä l s c h u n g (14. Abschnitt). Bei den DienstVerletzungen iet die Fälschung dienstlicher Aktenstücke unter Strafe gestellt (Art. 78), und es kann sich fragen, ob das MStGB daneben auch noch die gemeinen Urkundenfälschungen aufnehmen soll, deren Merkmal es ist, dass der Täter in der Absicht handelt, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Die Aufnahme dieser Vergehen empfiehlt sich namentlich deswegen, weil sich die Verllbung solcher Fälschungen vielfach mit andern Vergehen, insbesondere mit dem Betrug und dem Dienstpflichtbetrug verbindet. Würde nun das MStGB auf die Regelung dieser Delikte verzichten, so müssten gegen einen Soldaten, der z. B. einen durch eine Fälschung erschwerten Betrug begehen würde, zwei Verfahren durchgeführt werden: das aine nach militärischem Recht vor dem Militärgericht, das andere vor dem bürgerlichen Richter auf Grund des bürgerlichen StGB.

Das wäre unzweckmässig und auch mit Nachteilen für den Angeklagten verbunden. Der Entwurf regelt daher in Art. 170 Urkundenfälschung und -Verfälschung und den Gebrauch solcher Urkunden, in Art. 171 die Erschleichung einer falschen Beurkundung und den Gebrauch eines solchen Instrumentes, in Art. 172 endlich dio Urkundenunterdrückung. -- Zu diesem Abschnitt ist noch darauf aufmerksam zu machen, dass Art. 54 und 55 der bundesrätlichen Verordnung vom 18. Oktober über das militärische Kontrollwesen (Eidg. Gesetzsammlung XXV, S. 678) disziplinare Strafbestimmungen gegen Änderung, Beseitigung, Verheimlichung und Unbrauchbarmachung des Dienstblichleins -- allerdings unter ausdrücklichem Vorbehalt der kriminellen Strafbestimmungen -- enthalten. Diese Vorschriften, die militärisches Verwaltungsrecht darstellen und deren Wahrung den Militärverwalturigsbehörden obliegt, werden auch in Zukunft aufrecht bleiben.

9. V e r g e h e n gegen die R e c h t s p f l e g e (15. Abschnitt).

Auch bei dieser Gruppe ist sorgfältig zu erwägen, wie weit zur Wahrung militärischer Interessen eine Ordnung durch das MStGB sich empfiehlt. Der Entwurf übernimmt hier den Tatbestand der Begünstigung (Art. 174), ferner falsche Anschuldigung und falsches
Zeugnis (Art 176 und 177), diese Vergehen aber nur so weit, als der Täter bei einer militärischen Stelle seine Anschuldigung vorbringt oder in einem militärgerichtlichen Verfallen falsch aussagt.

Ein MStGB hat nur die Aufgabe, die militärische Rechtspflege vor. derartigen Delikten zu schützen. Art. 175 enthält endlich den Tatbestand der Gefangenenbefreiung, mit der militärrechtlichen

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Note, dass die Befreiung eines Arrestanten besonders genannt ist.

Gerade ein solches Vergehen, von Soldaten verUbt, kann nicht dem bürgerlichen Strafrecht Überlassen bleiben.

Die vorstehend gegebene Übersicht über die in den Entwurf aufgenommenen gemeinen Vergehen soll zeigen, wie wir uns auf diesem Gebiete die Grenzlinien zwischen dem militärischen und dem bürgerlichen Strafgesetz denken. Es sei noch einmal betont, dass Zurückhaltung des militärischen zugunsten des bürgerlichen Strafrechts erstrebt wird. Das Militärstrafrecht soll nur Platz, greifen, wenn es den Schutz militärischer Interessen gilt. Wir weisen von diesem Gesichtspunkt aus noch darauf hin, dass, abgesehen von den Beschränkungen, die der Militärstrafgesetzentwurf in den einzelnen Abschnitten gegenüber dem bürgerlichen Entwurf zeigt, im militärrechtlichen Entwurf überhaupt keinen Raum gefunden haben die Vergehen gegen die Familie, die Fälschung von Geld, amtlichen Zeichen usw., die Vergehen gegen den öffentlichen Frieden, gegen den -Volkswillen, gegen die Staatsgewalt, gegen fremde Staaten und endlich die Vergehen gegen Amts- und Berufspflicht. Das alles ist rein bürgerliches Strafrecht.

IV. Die Disziplinarstrafordnnng.

Wenn der Entwurf in Übereinstimmung mit dem geltenden MStGB und im Gegensatz zu andern Gesetzgebungen zu der Lösung gelangt, das Disziplinarrecht im Strafgesetz selbst zu ordnen^ so soll damit nicht zuletzt das nahe Verhältnis zwischen Vergehen und Disziplinarfehler zum Ausdruck gebracht werden. Beide sind rechtswidrige schuldhafte Handlungen. Während aber der Vergehensbegriff feststeht, bereitet die juristische Erfassung des Begriffes: Disziplinarfehler Schwierigkeiten. Im engen Zusammenhang mit der Feststellung dieses Begriffes steht die Frage, ob das Disziplinarrecht gleich wie das Vergehensvecht in einer Reihe von Einzeltatbeständen kasuistisch ausgestaltet werden, oder ob man sich auf eine zusammenfassende Umschreibung des Begriffes ,,Disziplinarfehler" beschränken soll.

Der Art. 166 des geltenden Rechts bezeichnet zunächst in einer allgemeinen Formel als Disziplin- oder Ordnungsfehler ,,alle Handlungen oder Unterlassungen, welche den allgemeinen Vorschriften, den Befehlen der Vorgesetzten oder der militärischen Ordnung überhaupt zuwiderlaufen*. Dann folgt in 29 Ziffern eine b e i s p i e l s w e i s e Aufzählung einzelner Tatbestände. -- Dieses System ist heute nicht mehr aufrecht zu erhalten. Schon der Ent-

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·wurf einer Disziplinarstrafordnung von 1894. hatte es verlassen, und die Botschaft dazu vom 9. Oktober weist zutreffend darauf hin, dass die moderne Gesetzgebung, wenn immer möglich, die Kasuistik vermeidet, weil diese den Inhalt eines Begriffes meist doch nicht zu erschöpfen vemag. Auch das Disziplinärrecht des Auslandes hat in der Hauptsache bei der Bestimmung des Begriffes: .Disziplinarfehler die Kasuistik aufgegeben.

Will der Gesetzgeber so zu einer allgemeinen begrifflichen Umschreibung des militärischen Ordnungsfehlers gelangen, so setzt ·das natürlich Klarheit darüber voraus, was als Ordnungsfehler au gelten hat.

Drei Kategorien sind zu unterscheiden: reine Disziplinarfehler, Disziplinarvergehen und endlich die gesondert zu haltende Gruppe der militärpolizeilichen Übertretungen." Wenn es auch nicht notwendig ist, diese Begriffe direkt in das Gesetz hinüberzunehmen, so ist ihre Auseinanderhaltung wenigstens für das Verständnis dieses Rechtsteiles erforderlich.

1. Die r e i n e n D i s z i p l i n a r f e h l e r . Ihre Umschreibung kann man mit den Worten geben : Zuwiderhandlungen gegen militärische Zucht und Ordnung. Aber schliesslich liegt auch in jedem Vergehen, das von einer dem militärischen Recht unterstellten Person verübt wird, eine solche Zuwiderhandlung. Der reine Disziplinarfehler ist daher weiter dahin zu kennzeichnen, dass er nicht den Tatbestand eines Vergehens erfüllt. Die Beispiele liegen auf der Hand : verspätetes Einrücken, Unreinliohkeit, Nachlässigkeiten im Unterhalt der Bekleidung, Bewaffnung und Ausrüstung, ungebührliches Betragen, Lügen usw. usw. Auch ohne dass ein Gesetz solche Tatbestände nennt und umschreibt, weiss der Disziplinarvorgesetzte, dass in ihnen eine strafwürdige Missaehtung der militärischen Zucht und Ordnung liegt. Die Gefahr, die daraus entsteht, das» bei diesem System der Disziplinarvorgesetzte gewissermassen von Fall zu Fall den Straftatbestand erst bestimmt, ist nicht gross. Sie kann durch Garantien, die bei der Handhabung des Disziplinarrechts zu schaffen sind, ausgeglichen werden.

2. Einen ganz andern Charakter tragen die sog. D i s z i p l i a a r y e r g ehen. Der Zusammenhang mit dem kriminellen Strafrecht tritt hier deutlich hervor. Es handelt sich um Verfehlungen, die den Tatbestand eines der Regel nach gerichtlich zu bestrafenden Vergehens
restlos erfüllen. Allein es sind leichtere Fälle, die wegen ihrer geringeren Bedeutung der disziplinaren Erledigung überlassen werden. -- Die Durchsicht des ersten Buches des Entwurfes zeigt sofort, bei wie sahlreichen Vergehen ,,in leichten Fällen1* disziplinarische Bestrafung erfolgen soll. Die einzelnen Artikel, bei denen das zutrifft, hier zusammenzustellen, ist nicht nötig. Nur grund-

385sätzlich ist hervorzuheben: In allen diesen Fällen, ist zu prüfen, «h ein Vergehen im eigentlichen Sinne oder nur ein Disziplinarvergehen vorliegt, ob kriminelle oder nur disciplinare Strafe eintreten muss. Die Entscheidung ist nach freiem Ermessen zu treffen. Ob es sich bei einem Ungehorsam, einer unerlaubten Entfernung, einem Wachtvergehen, einem Diebstahl, einer Beleidigung usw. um einen ,,leichten" oder einen ,,schweren" Fall handelt, kann nicht durch eine Gesetzesformel entschieden werden. Die Würdigung der Verhältnisse des einzelnen Falles, Zweckmässigkeit und Billigkeit müssen den Ausschlag geben. Jedenfalls soll erstrebt werden, dass wirkliche Bagatellen nicht zur Aburteilung als Vergehen vor die Militärgerichte gelangen: 3. Die m i l i t a r p o l i z o i l i e h e n Ü b e r t r e t u n g e n sind liier nur zu erwähnen, nicht ausführlich zu besprechen. Ihre Regelung soll nach wie vor der Nebenstrafgesetzgebung zufallen. Als Beispiele erwähnen wir : die Straftatbestände nach Art. 53 ff. der bundesrätliehen Verordnung vom 18. Oktober 1909 über das militärische Kontrolhvesen (Eidg. Gesetzsammlung XXV, S. 677 ff.), die Nichtzahlung der Militärpflichtersatzsteuer gemäss Art. l des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 (GesetzsammlungXVIII, S. 695 f.)

usw. Auch diese Delikte verstossen gegen die militärische Ordnung. Aber sie sind keine Disziplinarfehler, sondern gleichen vielmehr den Übertretungen des bürgerlichen Strafrechts. Aus dem MStGB sind sie auszuschalten. Sie bleiben am besten in der bisherigen Verbindung mit den militärverwaltungsrechtlichen Vorschriften, zu deren Schutz sie bestimmt sind.

Das Resultat dieser Unterscheidungen und begrifflichen Abgrenzungen ist die Formel, die der Entwurf in Art. 178 aufstellt.

Diese Bestimmung soll alles umfassen, was als ,,reiner Disziplinarfehler* oder als ,,Disziplinarvergehen" in Frage kommen kann.

Der Artikel bildet so eigentlich die materiellrechtliche Grundlage des ganzen Disziplinarstrafrechts.

1. Allgemeine Bestimmungen.

Ausser der Umschreibung des Begriffes ,,Disziplinarfehler" in Art. 178 enthält der erste Abschnitt der üisziplinarstrafordnung -- ihr ,,Allgemeiner Teil* -- nur noch Vorschriften über Schuld, persönliche Geltung und Verjährung.

Der Art. 179 mit der Bestimmung über die S c h u l d ist deswegen direkt an die begriffliche
Umschreibung des Disziplinarfehlers (Art. 178) angeschlossen worden, weil damit der Grundsatz, dass auch der militärische Ordnungsfehler ein schuldhaftes Handeln erfordert, deutlicher hervortritt. Ein modernes Strafrecht, welcher Art es sein mag, muss unter allen Urnständen den Satz: Keine Strafe ohne Schuld hochhalten. In der strengen Beobachtung dieses Satzes auch im Disziplinarrecht liegt eine starke Gewähr Bnndesblatt. 70. Jahrg. Bd. V.

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für eine militärisch tüchtige, weil gerechte Handhabung der disziplinaren Strafgewalten. -- Gegenüber dem kriminellen Strafrecht ergibt sich jedoch bei den Disziplinarfehlern der Unterschied, dasa jede Fahrlässigkeit genügen kann, um den Täter strafbar zu machen. Schon jede fahrlässige Verletzung militärischer Zucht und Ordnung kann strafwürdig sein. Das kommt im zweiten Sa t/des Art. 179 zum Ausdruck. Es ist aber wohl zu beachten, dass bei hlosser Fahrlässigkeit Bestrafung eintreten ,,kann", nicht ,,muss". Der Inhaber der Disziplinarstrafgewalt ist überhaupt gegenüber der Frage, ob eine Verfehlung Strafe nach sich ziehen soll oder nicht, ungleich freier als der Richter. Keinem Disziplinarvorgesetzten aber wird es heute mehr einfallen, j e d e Fahrlässigkeit im Dienst mit einer Strafe zu verfolgen.

Die Vorschrift des Art. 180 über die P e r s ö n l i c h e G e l t u n g des Disziplinarstrafrechts stellt zweierlei fest: Im Anschluss an das ersteBuch, das Militärstrafrecht im engern Sinn, wird bestimmt, dass, soweit eine Person dem militärischen Vergehensrecht untersteht, sie auch der Disziplinarstrafordnung unterworfen ist. Massgebend sind die Art. 2 ff. des Entwurfes. Der Absatz 2 des Art. 180 erweitert aber den Geltungsbereich des Disziplinarstrafrechts über diesen Rahmen hinaus dadurch, dass er Zivilpersonen, die bei der Truppe oder bei Heeresangehörigen angestellt sind?

auch während eines Instruktionsdienstes der Disziplinarstrafgewalt unterstellt. Wir halten diese Ausdehnung für notwendig. Es handelt sich namentlich um die sog. Zivilbedienten, die in ein so enges Verhältnis zu der militärischen Organisation, bei der sie ihre Arbeit verrichten, treten, dass ihre Verfehlungen gegen die militärische Ordnung auch mit Disziplinarstrafen erreichbar sein müssen.

Die V e r j ä h r u n g von Disziplinarfehlern und Disziplinarstrafen ist in Art. 181 geordnet. Das geltende Recht bestimmt darüber nichts, und die Praxis hat diesen Mangel gelegentlich empfunden. Selbstverständlich müssen die Fristen, verglichen mit der Vergehensverjährung, viel kürzer sein. Der Entwurf sieht sowohl für die Verjährung des Feillers wie für die Verjährung einer Disziplinarstrafe sechs Monate vor. Eine Unterbrechung der Verjährung wird nicht anerkannt. Dagegen soll die Verjährung ruhen, wenn es wegen der Tat zu einem
gerichtlichen Verfahren kommt. Vielleicht zeigt sich erst im Laufe dieses Verfahrens, dass nur ein Ordnungsfehler in Frage kommt. Das Gesetz hat in solchen Fällen zu verhindern, dass während der Dauer des Prozesses die disziplinare Verjährung sich erfüllt.

Weitere allgemeine Bestimmungen halten wir im Disziplinarrecht nicht für notwendig. Es braucht keine Vorschriften über Zurechnungsfähigkeit, Versuch, Teilnahme, Notwehr, Notstand usw. Die grössere Einfachheit der Ordnungsfehler und das viel formloser als der Kriminalprozess sich abwickelnde Disziplinar-

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verfahren lassen schwierige allgemein-strafrechtliche Fragen wohl selten zur Entstehung gelangen. Die Erledigung der meisten Disziplinarfälle ist juristisch so naheliegend, dass sieh komplizierte rechtliche Untersuchungen von selbst erübrigen. Wenn z. B.

mehrere Soldaten sich gemeinsam disziplinarisch vergangen haben, so wird der Disziplinarvorgesetzle es sich regelmässig schenken können, die Rollen der einzelnen Missetäter unter den Gesichtspunkten des Versuches, der Anstiftung, der Beihulfe usw. genau zu klassifizieren. Er wird einfach darauf abstellen, wieweit der einzelne militärischer Zucht und Ordnung zuwidergehandelt hat und danach die Strafen bemessen.

2. Disziplinarstrafen und Massnahmen.

Für das Disziplin arstrafrech t ist ein besonderes Strafensystem aufzustellen, und die darin enthaltenen Strafen müssen so beschaffen sein, dass sie sich von den kriminellen Strafen scharf unterscheiden.

Wer sich nur disziplinarisch vergeht, ist kein Verbrecher. Er darf auch nicht, was hier vorweg festgestellt werden kann, als vorbestraft im Sinne des kriminellen Strafrechts gelten. Infolgedessen ist es ausgeschlossen, dass eine verhängte Disziplinarstrafe jemals in die Strafregister eingetragen wird. Wenn bei den Truppeneinheiten usw. sog. Strafkontrollen geführt werden (Art. 206 des Entwurfes), so sind das keine Strafregister im Sinne des kriminellen Rechtes.

Sie dienen nur dazu, über die soldatische Führung des einzelnen Wehrmannes Auskunft zu geben und den richtigen Vollzug der ausgesprochenen Strafen sicherzustellen.

Im Gegensatz zu unserm geltenden MStGB (Art. 168--173) und zu der ausländischen Gesetzgebung verzichtet der Entwur darauf, für Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten verschiedene Systeme von Disziplinarstrafen aufzustellen. Wie schon die früheren schweizerischen Entwürfe von 1884 (Art. 115) und von 1894 (Art. 3--10), entscheidet sich auch diese Vorlage für eine einheitliche Ordnung.

Das schliesst aber nicht aus, dass, namentlich im Vollzug der Strafen, gewisse Unterschiede, die sich aus der verschiedenen militärischen Stellung der Bestraften ergeben, gemacht werden. Die Besonderheiten sollen bei der Umschreibung der einzelnen Strafarten zur Sprache gebracht werden.

Die Hauptschwierigkeit liegt für den Gesetzgeber zunächst darin, diese S t r a f a r t en zu bestimmen. Eine Neuordnung
gegenüber dem geltenden Recht drängt sich auf, denn das Disziplinarstrafensystem des MStGB von 1851 hat sich in mancher Hinsicht als unzulänglich erwiesen. Der Zweck aller Strafe: Warnung, Abschreckung, Erziehung, Besserung sollte im militärischen Disziplinarrecht, das mit der militärischen Erziehung eng verbunden ist, ganz besonders augenfällig werden. Was den genannten Zwecken oder

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mindestens einem von ihnen nicht zu dienen vermag, soll in einer Diszipliuarstrufordnung keinen Raum finden.

Von diesen Gedanken ausgehend hat der .Entwurf die D i e n s t V e r r i c h t u n g e n a u s s e r d e r R e i h e (sog. Militärfronen % Corvées) und den Q u a r t i e r - o d e r Z i m m e r a r r e s t (Konsignieruug) des geltenden Rechts nicht übernommen. Die neuere militärische Praxis spricht diesen Massregeln je länger je mehr dio Eignung, wirksame Strafen zu sein, ab. Tatsache ist jedenfalls, dass gerade diese kloinen Mittel dazu verführen, von der Disziplinarstrafgewalt allzu leicht und allzu häufig Gebrauch zu machen.

Darunter leidet naturgemäss die Vorgesetztenautorität und damit auch die militärische Ordnung. Die Disziplinarstrafe soll ein Ereignis, etwas Aussergewöhnliches sein. Sie soll aber auch, wenn sie verhängt werden muss, in dem Bestraften diese Empfindung zurücklassen.

Unter diesen Gesichtspunkten kann man vielleicht die Tauglichkeit der in Art. 182 aufgenommenen Strafe des V e r w e i s e s in Zweifel ziehen, um so mehr, als der Verweis im militärischen Leben nicht nur als Strafe, sondern ganz besonders auch als blosses Erziehungsmittel Verwendung finden muas. Bestimmend für die Übernahme des Verweises in das Strafensystem war schliesstich, dass mit den weit schwereren Arreststrafen allein kaum auszukommen wäre. Will man aber den V e r w e i s a l s S t r a f e einführen, so muss man zu einer besondevn Ausgestaltung gelangen, in der die Abgrenzung gegenüber dem Vcnveis als Erziehungsmittel deutlich in die Erscheinung tritt. Der Art. 182 sucht das mit der Vorschrift zu erreichen, dass der Verweis entweder ,,schriftlich oder in Gegenwart von mindestens zwei im Grade gleichen oder höhern Militärpersonen erteilt a werden muss.

Die solenne Form soll ihm also den Strafcharakter verleihen.

Im Mittelpunkt des Disziplinarstrafensystems stehen natürlich die A r r e s t s t r a f e n . Bei der Neuordnung dieses Gebietes ergeben sich mehrere teilweise vielumstrittene Fragen : Wie viel verschiedene Arrestarten sind vorzusehen und wie ist ihre deutliche Differenzierung zu erreichen? Sollen irgendwelche Straf'schärfungen in Aussicht genommen werden? Wie ist die Höchstdauer der Arreststrafen anzusetzen? Die Stellung, die der Entwurf zu diesen und andern Fragen einnimmt, soll sich
aus einer Betrachtung der Art. 183 ff. ergeben.

Der Entwurf unterscheidet einfachen und scharfen Arrest, also im Gegensatz zu den fünf Arrestarten nach Art. 168--170 des geltenden MStGB nur mehr deren zwei. Der e i n f a c h e A r r e s t (Art. 183) erschöpft sich in der Hauptsache in der Einschliessung des Bestraften in einen als Arrestlokal bezeichneten besondern Raum. Unteroffiziere und Gefreite einerseits, Soldaten anderseits müssen voneinander getrennt sein. Offiziere sitzen den Arrest

389 ina Zimmer ab; dar Empfang von Besuchen ist ihnen verboten.

lai übrigen leistet der Arrestant seinen Dienst. -- Gerade bei diesem letzten Punkt liegt einer der Hauptunterschiede gegenüber dem s c h a r f e n A r r e s t (Art. 184J, der den Bestraften von der Dienstleistung ausschliesst. Der scharfe Arrest nähert sich damit den Freiheitsstrafen fies kriminellen Reehles, da er den Bestraften während der Strafzeit völlig aus seiner Umgebung herauslöst.

Weiter hat der Aussehluss des mit scharfem Arrest Bestraften vom Dienst unter Umständen die Wirkung, dass die versäumte Dienstzeit nachgeholt werden tnuss (Art. 184, Abs. 5). Wenn wir gesagt haben, dass der scharfe Arrest in seiner Durchführung au die eigentlichen strafrechtlichen Freiheitsstrafen erinnert, so will aber der Entwurf anderseits die Arreststrafe mit aller Deutlichkeit von den kriminellen Strafen abheben. Der Art. 184 erklärt: ,,Der Vollzug der Strafe in einer Anstalt der bürgerlichen Behörden, iu der Untersuchungs- oder Strafgefangene in Haft gehalten werden, ist unzulässig."· Die Befolgung dieses Satzes wird nicht immer leicht fallen. Wir haben ihn trotzdem aufgestellt, um klar zum Ausdruck zu bringen, dass der scharfe Arrest unter allen Umständen auch iu der Durchführung eine militärische Disziplinarstrafe bleiben muss. -- Für Offiziere, die den scharfen Arrest im /immer abzusitzen haben, gilt das Besuchsverbot. Es kann die Aufstellung einer Schild wache vor ihrem Zimmer angeordnet werden.

Über die Höchstdauer der Arreststrafeu kann man natürlich sehr verschiedener Meinung sein. Das geltende Recht geht auf zwanzig, der Entwurf 1894 (Art. 8, Abs. 3.1 gar auf dreissig Tage.

Auf der andern Seite wünscht die von der sozialdemokratischen Partei ausgehende sogenannte Militärjustizinitiative, die sich auch mit Fragen des Disziplinarrechts befasst, die Bundesverfassung solle den Grundsatz aufstellen, dass die Arreststrafe zehn Tage nicht überschreiten dürfe; vgl. BB1 1916, IV, S. 77. Diesen Gedanken der Initiative nimmt Art. 183, Abs. 2 des Entwurfes für den einfachen Arrest auf. Dagegen ist beim scharfen Arrest (Art. 184, A 1)3. 2) ein Strafrahmen von drei bis zwanzig Tagen vorgesehen. Es ist notwendig, auch beim Strafmass eine deutliche Differenzierung zwischen einfachem und scharfem Arrest zu schaffen. Durch die Lösung des Entwurfes
soll namentlich auch bei der Ansetzung des Strafrahmens deutlich zum Ausdruck kommen, dass die Strafe des scharfen Arrestes nur bei den allerschwersten Disziplinarfehleru zu Anwendung zu gelangen hat. Die Ansetzung eines Minimums v on drei Tagen ist ein weiterer Hinweis nach dieser Richtung.

Zu der Umschreibung der beiden Arreststrafen in den Art. 183/84 kommen in Art. 185--187 für beide Strafarten gemeinsame Bestimmungen. Aus ihnen verdient besondere Hervorhebung der in Art. 185, Abs. l ausgesprochene Grundsatz, wonach es unzulässig sein soll, zur Erschwerung der Strafe den Vollzug auf die Zeit

390 nach dem Dienste zu verschieben. Einer vielenovts beliebten Praxis soll damit ein Ende bereitet werden. Natürlich schliesst die Bestimmung nicht aus, dass der Vollzug einer während des Dienstes begonnenen Arreststrafe gelegentlich über die Dienstzeit hinausreicht. Nur soll nicht ,,Arrest nach dem Dienst" ausdrücklich verhängt werden dürfen. Art. 186 stellt gesundheitspolizeiliche Normalien auf, denen die Arrestlokale entsprechen sollen, uud Art. 187 gewährt dem Arrestanten, sogar wenn es sich um Arrest ausserhalb des Dienstes handelt, nicht nur einen Anspruch auf Verpflegung, sondern auch auf Sold. Der Arrestant ist nach Massgabe der Bestimmungen über die Militärversicherung versichert, seine Angehörigen erhalten, wenn sie infolge des Vollzuges einer Arreststrafe in Not geraten, die Notunterstützung.

Über den weitern Ausbau des Disziplinarslrafensystems braucht wenig mehr gesagt zu werden : Gleich wie im kriminellen Recht (Art. 37 des Entwurfes) ist auch im Disziplinarrecht die D e g r a d a t i o n gestaltet, die ,,neben oder anstatt einer andern Disziplinarstrafe a ausgesprochen werden kann (Art. 188). Art. 189 weist auf die Strafen hin, die gegenüber Zivilpersonen, die dem disziplinaren Recht unterstehen, anzuwenden sind, und Art. 190 erklärt die Bestimmungen des kriminellen Rechtes über die Busse, über die Einziehung und den Verfall von Geschenken für anwendbar.

,,Andere Disziplinarstrafen, als dieser Abschnitt sie vorsieht, und Strafverschärfungen sind unzulässig.01 Gesetzgebungstechnisch ist diese Bestimmung des Art. 191 nicht eigentlich notwendig.

Wir halten aber ihre Einführung gerade in das militärische DiszipHnarrecht für wünschenswert, weil dadurch um so deutlicher Missbräuchen der Strafgewalt ein Riegel vorgeschoben wird. Ausgeschlossen sein soll also künftig der Dunkelarrest und namentlich auch die noch in Art. 168, Ziff. 5 des geltenden Gesetzes vorgesehene Strafverschärfung der magern Kost. Auch die Militärjustizinitiative fordert die Abschaffung dieser Verschärfungen.

In diesem Abschnitt kommt endlich noch einmal der Gedanke zum Ausdruck, dass auch bei der Handhabung des Disziplinarrechtes das Schuldprinzip im Vordergrunde stehen muss. Die Regel des Art. 192 über die S t r a f z u m e s s u n g schreibt vor, dass Art und Mass der Strafe nach dem Verschulden des Fehlbaren zu
bestimmen sind.

3. Zuständigkeit und Strafbefugnisse.

Die beiden ersten Abschnitte der Disziplinarstrafordnung enthalten das materielle Disziplinarrecht. Der dritte, vierte und fünfte Abschnitt befassen sich mit der Organisation der Disziplinarstrafgewalt und dem Rechtsgang. Das ist in dem weiten Sinne zu

39t verstehen, dass hier alle diejenigen Rechtsnormen aufgestellt werden, die für die Durchführung und die Anwendung des materiellen Disaiplinarrechts erforderlich sind. -- Der Vergleich mit dem eigentlichen Strafprozess drängt sich auf. Nur ist sofort zu betonen, dass sich sowohl Organisations- wie Verfahrensbestimmungen viel einfacher gestalten als im Strafprozess im engern Sinn. Die staatlichen Organe, die das Disziplinarrecht anzuwenden haben, sind ja auch bereits ·durch die militärische Hierarchie gegeben. Es'sind namentlich die .militärischen Vorgesetzten und Hohem. Sie sind die Richter in ·D isziplinarsachen.

Zwei getrennt voneinander zu behandelnde Hauptfragen ergeben sich. Es ist zunächst allgemein festzustellen, was für Personen und Stellen als Inhaber einer militärischen Disziplinargewalt überhaupt in Betracht kommen und wem gegenüber diese Gewalt zur ·Geltung kommt. Erst hernach kann man an die Frage herantreten, wie die Strafbefugnisse im einzelnen zu verteilen sind, d. h. wie weit bei dem einzelnen Inhaber die Disziplinarstrafgewalt reicht.

Die Umschreibung der a l l g e m e i n e n Z u s t ä n d i g k e i t ist in den Art. 193 und 194 gegeben. Es handelt sich darum, in «iner möglichst einfachen Formel alle vorkommenden militärischen Disziplinarfälle so zu erfassen, dass sofort klar wird, was für eine ,,Instanz"1 zur Erledigung zuständig ist. Aus Art. 193 des Entwurfes ·ergibt sich folgende Lösung : In erster Linie steht naturgemäss die Disziplinarstrafgewalt des Vorgesetzten gegenüber seinen militärischen Untergebenen, -wobei zunächst die Frage, w e l c h e n Vorgesetzten die Strafgewalt einzuräumen ist, noch offen bleibt. Art. 193, Abs. l gesteht aber diese Disziplinargewalt nur dem i m D i e n s t e stehenden Vorgesetzten zu. Seine Strafgewalt geht also mit seinem Austritt aus dem Dienst zu Ende. Er ist weder zuständig zur Erledigung von während des Dienstes verübten, aber noch nicht beurteilten Dis/.iplinarfehlern, noch hat er sich mit ausserhalb des Dienstes begangenen Ordnungsfehlern seiner Mannschaft zu befassen. Seit der Mobilisation 1914 ist zwar hier die Praxis teilweise weitergegangen.

Allein wir glauben, dass es den Verhältnissen unseres Milizheeres besser entspricht, wenn die Disziplinarstrafgewalt des Vorgesetzten beschränkt wird auf die Zeit, da er sich im Dienste,
in voller Ausübung seiner militärischen Stellung befindet. Dass dem Vorgesetzten die Strafgewalt auch zukommt gegenüber Personen, die, ohne dem Heere anzugehören, einem Kommando unterstehen {Kriegsgefangene, Internierte, Zivilbediente usw.), bedarf keiner weitern Begründung.

Während Abs. l des Art. 193 in der Hauptsache die von Militärpersonen im Dienst begangenen Ordnungsfehlev ins Auge fasst, bestimmt Absatz 2 über die Erledigung der a u s s e r h a l b ·des D i e n s t e s verübten Disziplinarfehler. Die Zuständigkeit liegt

392 hier beim eidgenössischen Militärdepartement, seinen Abteilungschefs und den kantonalen Mililärdirektionen. Der Entwurf begnügt: sich damit, diese Stellen nebeneinander zu nennen, ohne in dieEinzelheiten der Kompetenzabgrenzung einzugehen. Das Verhältnis des eidgenössischen Militärdepartements zu seinen Abteilungschefs ist hier durch das erstere näher zu regeln. Die Abgrenzung zwischen dem eidgenössischen-Departement und den kantonalen Militärdirektionen dagegen ergibt sich aus der Natur der einzelnen Disciplinarfälle, auch hat hier eine schon länger dauernde Praxis die Wege bereits gebahnt. Im Geschäftsbericht des Militärdepatements von 1910 (BB1 1911, I, S. 776) wird darüber ausgeführt, dass die Fälle mit vorwiegend militärpolizeilichem Charakter, insbesondere, die das militärische Kontrollwesen berührenden Verfehlungen, den Kantonen zur Ahndung zugewiesen werden, die Fälle dagegen, die einen dem militärischen Vergehen sich nähernden Charakter haben, vom eidgenössischen Militärdepartement zu behandeln sind.

Die Regeln in Abs. l und 2 des Art. 193 reichen aber nicht für alle Fälle aus. Es ist au die bereits erwähnte Sachlage zu erinnern, dass ein während des Dienstes begangener Fehler erst zu einer Zeit zur Ahndung gelangt, da der Vorgesetzte sich nicht mehr im Dienste befindet, oder an den Fall, dass gegenüber einem Disziplinarfehler die Strafbefugnisse des höchsten Vorgesetzten im Dienst nicht ausreichen. Namentlich ist aber noch daran zu denken, dass in Zeiten aktiven Dienstes auch die disziplinare Bestrafungvon Zivilpersonen in Frage kommt. Absatz 3 des Art. 193 stellt daher die ergänzende Vorschrift auf, dass in allen übrigen, d. h.

nicht durch die Absätze l und 2 gedeckten Fällen die Zuständigkeit des eidgenössischen Militärdepartements gegeben sein soll. Es kann aber seine ihm in Zeiten eines aktiven Dienstes zustehende Strafgewalt gegenüber Zivilpersonen ganz oder teilweise den Territorialkommandanten übertragen. Mit diesem Zusatz wird die in der bundesrällichen Verordnung vom 3. November 1916 betreffend Diaziplinarkompetenzen gegenüber Zivilpersonen -- Eidgenössische Gesetzsammlung XXXII, S. 471 -- enthaltene Lösung gesetzlich sanktioniert.

Die Regeln des Art. 193 über die Zuständigkeit finden ihren Abschluss durch den Art. 194, der die Erledigung von Kompetenzanständen ordnet.
Welchen militären Vorgesetzten und Behörden k o m m t n u n a b e r d i e D i s z i p l i n a r s t r a f g e w a l t z u u n d iß w e l c h e m Ausmasse ist sie dem E i n z e l n e n zu g e b e n ?

Das ist eine Frage, die seit Jahrzehnten im schweizerischen Disziplinarrecht viel zu reden gab. Das charakteristische Merkmal der Ordnung des geltenden Rechts -- MStGB Art, 174--190 -- ist die sehr weitgehende Verleihung von Strafbefugnissen auch an die untern Chargen bis hinab zum jüngsten Unteroffizier. Gegen

393 diese Regelung wandte sich schon der erste Entwurf Hilty von 1878, der erst vom Kompaguieführer an aufwärts den Vorgesetzten eine Strafgewalt einräumen wollte (Entwurf 1878, Art. 69).

Aber die Kommission, die diesen Entwurf begutachtete, kehrte zum alten System zurück, weil man befürchtete, die Entziehung der Disziplinarstrafgewalt schwäche in einem Milizheere die Autorität der nicht mit einer Strafbefugnis ausgerüsteten Unteroffiziere und Soldaten. Auch der Entwurf der Disziplinarstraforduung von 1894 (Art. 13 ff.) hielt grundsätzlich am System der Strafbefugnis aller Vorgesetzten und Höhern fest, dagegen sah er gegenüber dem geltenden Recht eine starke Beschränkung in der Strafgewalt der untern Chargen vor. -- Die Stimmen, die eine völlige Abkehr von diesem System forderten, sind aber nie verstummt, und es ist überaus charakteristisch, dass im Laufe der Zeit, insbesondere seit der Mobilisation von 1914, sich bei der Truppe mehr und mehr die Praxis ausgebildet hat, den untern Vorgesetzten die Strafgewalt zu entziehen und sie erst beim Einheitskommandanten (Kompagniechef) beginnen zu lassen. Das bestimmt schon das Kavalleriereglement von 1904 (S. 9. Abs. 4) und besonders deutlich eine Instruktion des Generals vom 1. Juni 1916 für die Ausbildung der nachrekrutierten Mannschaft, ferner ein vom Kommandanten der :'. Division am 19. September 1916 erlassener Befehl.

-- Alles das läuft offensichtlich den klaren Vorschriften des MStGB zuwider. Aber man hat es im Interesse der militärischen Ordnuutr stillschweigend hingenommen. Das neue Militärstrafrecht bietet jetzt die Gelegenheit, das Strafgesetz mit diesem gewohnheitsmässig abgeänderten Recht wiederum in Einklang zu bringen.

Zur Rechtfertigung der Neuordnung sei noch darauf hingewiesen, dass die Nicht'verleihung der Strafbefugnis mit der Gefährdung der Vorgesetztenautorität im entferntesten nichts zu tun hat. Hinge die Autorität jedes einzelnen Unteroffiziers und jedes Leutnannts an seiner Strafgewalt, dann stände es schlimm mit einer Armee. Die Furcht vor einer Schwächung der Autorität durch die Beschränkung oder den Entzug der Strafgewalt ist eine Einbildung, die man nicht energisch genug bekämpfen kann.

Nach diesen grundsätzlichen Betrachtungen erübrigt sich eine ausfuhrliche Erörterung der Art. 195 ff. des Entwurfes. Das Ausrnass, in welchem
den Vorgesetzten vom Hauptmann an aufwärts die Strafbefugnis zugeteilt wird, ergibt sich aus dem Text dieser Bestimmungen. Nur auf die Vorschrift des Art. 200 sei noch hingewiesen. Nach ihr haben Offiziere, die ein höheres Kommando fuhren,,, als ihnen nach ihrem Grade zukommt, die ordentlicherweise mit diesem Kommando verbundenen Strafbefugnisse. Die Strafgewalt ist ein Teil der Kommandogewalt. Sie muss sich (iaher auch im Umfange nach ihr richten.

394 4. Das Disziplinarverfahren.

Wenn wir in einem frühern Zusammenhang das Disziplinarverfahren mit dem Strafprozess verglichen haben, so ist hier noch besonders deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass sich eine Disziplinarstrafordnung weitläufiger und komplizierter Verfahrensregeln zu enthalten hat. Es ist nie zu vergessen, dass es regelmässig nicht Juristen sind, die das Disziplinarverfahren durchzuführen haben, und namentlich, dass eines der wichtigsten Gebote die rasche Erledigung eines Disziplinarr'alles sein muss. Weitläufige Verhandlungen und unnötiges Schreibwerk sind zu vermeiden.

Auf der andern Seite ist aber doch eine deutliche Ordnung des Verfahrens notwendig. Sie bedeutet nicht zuletzt für den eines Disziplinarfehlers Beschuldigten eine starke Garantie. Das geltende MStGB versagt nach dieser Richtung völlig, und die Vorschriften in Ziffer 36 ff. des Dienstreglementes über die Erledigung von Disziplinarfehlern sind ebenfalls unzureichend.

Der Entwurf befasst sich in Art. 201 zunächst mit der F e s t s t e l l u n g des T a t b e s t a n d e s . Es handelt sich um die Sammlung der Beweise und Akten, aus denen sich der zu beurteilende Tatbestand ergibt. Freilich fehlt hier die dem Strafprozess eigene Gliederung in ein Untersuchungssladium und ein Haupt verfahren.

Inquirent und Richter sind regelmässig ein und dieselbe Person, und das ,,Urteil11 wird gefällt, sobald der Tatbestand genügend klargestellt ist, Eines muss bei der Aufstellung dieser Verfahrensregeln besonders betont werden: der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör, sein Verteidigungsrecht (Abs. 2 des Art. 201 ").

Ergibt sich von vornherein oder vielleicht auch erst auf Grund der Untersuchung, dass einem Vorgesetzten oder einer Behörde zur Ahndung eines Disziplinarfehlers die Zuständigkeit fehlt oder dass ihre Strafbefugnisse (siehe Art. 195 ff.) nicht ausreichen, so hat M e l d u n g an d i e z u s t ä n d i g e S t e l l e zu erfolgen (Art. 202). Zum Teil damit im Zusammenhang steht Art. 203 -- v o r l ä u f i g e F e s t n a h m e . Jeder Vorgesetzte und Höhere und jede militärische Behörde muss dazu berechtigt sein, auch dann, wenn ihnen eine Strafgewalt nicht zukommt.

Die M i t t e i l u n g der g e t r o f f e n e n S t r a f V e r f ü g u n g muss jedenfalls auf den Disziplinarfehler, der die Strafe nach
sich zog, ausdrücklich hinweisen. Für schwerere Fälle ist eine schriftliche, mit Gründen versehene Ausfertigung des Entscheides vorgesehen (Art. 204). Diese Vorschrift nötigt den Strafenden zur Selbstbesinnung und zur Selbstkontrolle. Es muss ausgeschlossen sein, dass ein disziplinarisch Bestrafter nicht einmal über- den Grund seiner Bestrafung im klaren ist.

Art. 205 bestimmt über die Möglichkeit der S tra f ä n d e r u n g, und zwar ohne dass ein Rechtsmittel zur Geltung gebracht wird.

Das ist eine Besonderheit des Disziplinarrechts gegenüber dem

395 eigentlichen Strafprozess. · Die juristische Begründung liegt darin, dass der Inhaber der Disziplinarstrafgewalt nicht Richter im tech nischen Sinn, sondern Verwaltungsorgan ist. Im geltenden Recht ist die Strafänderung in Ziff. 42/43 des Dienstreglementes geordnet.

Was dort über den vollständigen Erlass einer verhängten Strafe durch den Vorgesetzten gesagt wird, ist zu beherzigen: ,,Nur wo ausnahmsweise Verhältnisse es rechtfertigen, darf eine verhängte Strafe nachgelassen werden.a -- Ausgeschlossen ist eine nachträgliche Strafänderung durch den Strafenden selbst. Es kann nichts schaden, das nach dem Vorbild des Entwurfes von 1894 {Art. 20, c Abs. 2) ausdrücklich im Gesetz zu sagen.

5. Die Disziplinarbeschwerde.

Die Beschwerde empfängt hier ihre Regelung, nur soweit sie das Rechtsmittel gegenüber disziplinaren Strafverfügungen darstellt.

Die ,,Beschwerde" spielt aber im Militärrecht noch in andern Bereichen eine Rolle, in denen die Ausgestaltung des Beschwerderechts teilweise anders als im Disziplinarstrafrecht sein muss. -- Eine deutliche Unterscheidung der einzelnen militärrechtlichen Beschwerdearten, die heute fehlt, ist notwendig. Im geltenden Recht enthalten zunächst die Art. 196/197 des MStGB -- ganz unzureichende -- Vorschriften über die Beschwerde gegenüber Disziplinarstrafen. Daneben handeln die Ziffern 47 ff. des Dienstreglementes allgemein von den Beschwerden. Aus der Ziffer 48 kann man drei Beschwerdearten herauslesen : ,, B e s c h w e r d e n a l l g e m e i n e r N a t u r " , d.h. wohl Beschwerden, die sich nicht direkt gegen Befehle und Verfügungen eines bestimmten Vorgesetzten richten, sondern Reklamationen .allgemeiner Art darstellen, z. B. über die Verpflegung, über die Handhabung des Sanitätsdienstes, auch über Schikanen, die einem Soldaten durch seine Kameraden zuteil werden; ,,Beschwerden ü b e r e i n e n V o r g e s e t z t e n g e g e a S t r a f v e r f ü g u n g e n " (strafrechtliche Beschwerde); ,,Beschwerden über einen Vorgesetzten wegen a n d e r e r V o r k o m m n i s s e " , z.B. wegen unwürdiger Behandlung.

Das Dienstreglement (Ziff. 47--51) und der als Ergänzung dazu gedachte Erlass des Generals vom 20. Januar 1916 über die Handhabung des Beschwerderechts wollen die Beschwerde im ganzen Umfang ordnen. Bei der Neugestaltung des Militärstrafgesetzes sollte dagegen die Beschwerde als R e c h t s m i t t e l gegen D i s z i p l i n a r s t r a f e n t s c h e i d e eine gesonderte und teilweise vom allgemeinen Beschwerderecht abweichende Gestaltung empfangen. Die Folge einer solchen Regelung wird dann sein, dass dem Dienstreglement nur noch die Bestimmungen über die zwei

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andern Beschwerdearten verbleiben. Wieweit auch bei ihnen eine Änderung des geltenden Rechtszustandes sich empfiehlt, ist nicht hier zu untersuchen.

Wie das ganze Disziplinarverfahren muss auch der Beschwerdegang möglichst einfach gestaltet werden. Insbesondere ist ein Zuviel von prozessualen Regeln zu vermeiden. Aus den Art. 207 bis 212 des Entwurfes heben wir folgende Grundgedanken heraus: Die Beschwerde, die ausser gegenüber einer vom Oberbefehlshaber der Armee oder vom eidgenössischen Militärdepartement ausgesprochenen Strafe gegen jede Strafverfügung zulässig ist, geht -- das sind die Hauptfälle -- an den nächsthöhern, im Dienst befindlichen Vorgesetzten desjenigen, der bestraft hat. ,,Ist kein höherer Vorgesetzter im Dienst, so geht die Beschwerde an das eidgenössische Militärdepartement." Dieser Satz (Art. 208, Abs. 2) ist die konsequente Weiterführung der aus Art. 193 sich ergebenden Regel, wonach nur der im Dienste befindliche Vorgesetzte strafen kann. Nur er soll daher auch in der Lage sein, als Beschwerdeinstanz zu amten -- Art. 208, Abs. 2 ordnet den Instanzengang innerhalb der militärischen Behörden. Als Beschwerdeinstanz gegenüber Strafverfolgungen eines Territorialkommandos, einer kantonalen Militärdirektion und eines Abteilungschefs des eidgenössischen Militärdepartementes wird dieses Departement bezeichnet. Der Entwurf schliesst hier an die bundesrätliche Verordnung vom 3. November 1916 betreffend Disziplinarkompetenzen gegenüber Zivilpersonen (Eidg. Gesetzsammlung XXXII, S. 471) und -- hinsichtlich des Instanzenzuges: kantonale Militärdirektionen -- eidgenössischesDepartement -- an die Praxis an ; man vergleiche z. B. Bundesblatt 1905, I, S. 2 und IV, S. 526, auch Entscheidungen des Bundesgerichtes XXV, 1. Teil, S. 8 f. -- Im Schlussabsatz des Art. 208 ist bestimmt, dass die Beschwerdeinstanz endgültig entscheidet.

Schon Ziffer 51 des Dienstreglementes schliesst im geltenden Recht eine mehrmalige Weiterziehung aus. Es besteht keine genügende Veranlassung, im neuen Recht von dieser Vorschrift abzugehen.

Der Art. 209 verlangt für die Disziplinarbeschwerde s c h r i f t l i c h e F o r m . Bei den andern Beschwerdearten (Dienstreglement Ziff. 47 ff.) ist es durchaus richtig, auch eine bloss mündliche Beschwerdeführung zuzulassen. Die strafrechtliche Beschwerde dagegen leitet ein
Rechtsmittelverfahren ein, für das die schriftliche Fixierung der Beschwerde wünschenswert ist. Schriftliche Form bedeutet naturlich nicht die Forderung eines kunstvollen juristischen Schriftsatzes. Nur darum handelt es sich, dass ein Schriftstück zu den Akten gelangt. Es braucht weder eine Wiedergabe des in Frage stehenden Tatbestandes, noch eine Beschwerdebegründung, noch die Formulierung bestimmter Anträge zu enthalten. -- Dass, wenn ein Soldat Beschwerde führt, die Einreichung der Beschwerde regelmässig unter Benutzung des Dienstweges erfolgen wird, braucht nicht besonders hervorgehoben nu werden.

397 Wichtig und teilweise neu ist die Bestimmung des Art. 210 üher die A u s s e t z u n g des S t r a f v o l l z u g e s . Weil es zum Wesen des Disziplinarrechts gehört, dass der Vollzug der Verhängung einer disziplinaren Strafe auf dem Fusse nachzufolgen ·hat, muss zwar der Grundsatz vorangestellt werden, dass die Erhebung der Beschwerde dea Vollzug der Strafe nicht hemmt.

Dagegen ist die Möglichkeit einer solchen Aussetzung zu eröffnen, und zwar soll sie nicht nur der Beschwerdeinstanz gegeben sein, die vielleicht erst nach einer langera Zeitspanne i a den Besitz ·der Beschwerde gelangt. Notwendig ist unter Umständen, duK.s -die Aussetzung des Vollzuges sofort verfügt wird. Das Recht zum Erlass einer solchen Verfügung ist daher auch dem Kommandanten der Einheit oder des Stabes, dem der Bestrafte angehört, einzuräumen. Gegenüber einer offenkundig unbegründeten Beschwerde wird er von diesem Recht natürlich keinen Gebrauch machen.

Für das V e r f a h r e n in der Beschwerdeinstanz (Art. 211) braucht es wenig Vorschriften. Zu unterscheiden ist zwischen dem Fall, da die Beschwerde von einem im Dienst befindlichen Vorgesetzten zu erledigen ist, und dem andern Fall, da eine militärische Behörde Beschwerdeinstanz ist. -- Im erstem Fall wird eine mündliche Vernehmung der beteiligten Personen ge wohnlich leicht möglich sein. Sie sollte zur Regel werden. Ist dagegen das eidgenössische Militärdepartemeiit Beschwerdeinstanz, so kommt nur schriftliche Berichterstattung in Frage. -- Eine Ergänzung der Garantien für die zuverlässige Durchführung eines Beschwerde Verfahrens stellen gewisse Bestimmungen des materiellen Militärstrafrechts dar: Nach Art. 69 des Entwurfes sind die Unterdrückung und die unwahre Begutachtung einer Beschwerde als Missbrauch der Dienstgewalt strafbar. Unkorrekte Behandlung von Beschwerden kano den Tatbestand der Nichtbefolgung von Dienstvorschriften (Art. 72) erfüllen. Endlich verleiht die Bestimmung über die Nötigung (Art. 149) die Mittel, strafrechtlich gegenüber demjenigen vorzugehen, der durch unerlaubte Beeinflussung das Beschwerderecht schmälert und seine Geltendmachung verhindert.

Nach Art. 212 soll der Besehwerdeentscheid den Beteiligten schriftlich unter Angabe der Gründe mitgeteilt werden.

Bei der Erörterung des Beschwerderechts ist endlich noch zu der im Militärrecht
viel erörterten Frage Stellung zu nehmen, ob im Gesetz für die u n g e r e c h t f e r t i g t e B e s c h w e r d e f ü h r u n g Rechtsfolgen vorgesehen werden sollen. Das geltende MStGB erklärt in Art. 197 : ,,Ist die erhobene Beschwerde unbegründet, so kann die Strafe, gegen welche reklamiert worden, verschärft werden." Andere Gesetze, z. B. das deutsche MStGB in § 152, stellen einen eigentlichen Vergehenstatbestand : Missbrauch des Beschwerderechts, auf. -- Beide Lösungen sind aber abzulehnen, denn durch derartige Bestimmungen, wie das geltende schweize-

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rische und das deutsche Rocht sie enthalten, wird leicht auch auf.

denjenigen ein Druck ausgeübt, der wirklich Grund zur Beschwerde hat. Die richtige Lösung liegt im Hinweis auf die Möglichkeit, den Tatbestand der Nichtbefolgeng von Dienstvorschriften (Art. 72 des Entwurfes) anzuwenden, wenn eine ungerechtfertigte, unwahre, auf unehrenhafte Beweggründe zurückzuführende Beschwerde eingelegt wird. Die Möglichkeit einer solchen, je nach der Schwere des Falles kriminellen oder disziplinarischen Bestrafung genügt.

Unter allen Umständen aber muss vermieden werden, dass eine ungerechtfertigte Beschwerdeführung schon an sich eine Bestrafung nach sich zieht. Die Beschwerde ist ein Rechtsmittel, das jeden* Bestraften zusteht, auch wenn die Strafe, die er empfing, gerecht erscheint. Erst im Missbrauch des Beschwerderechts liegt ein strafwürdiges Verhalten.

Die von der sozialdemokratischen Partei ausgehende Militärjustizinitiative stellt die Forderung auf, in die Bundesverfassung den Satz aufzunehmen : ,,Das Beschwerderecht gegen Disziplinarstrafen ist gewährleistet; es dürfen wegen Ausübung dieses Rechtes keinerlei Strafen verhängt werden."

Es ist nicht hier zu untersuchen, ob ein solcher Satz in die Verfassung Aufnahme finden soll. Seinem Inhalt aber stimmen wir zu, und wir glauben, dass die Art. 207 ff. des Entwurfes eine volle Gewährleistung "b des Beschwerderechts darstellen.

Y. Einführung und Anwendung des Gesetzes.

1. Verhältnis des neuen Gesetzes zum bisherigen Recht.

Art. 8, Abs. 3 des Entwurfes stellt den vom Strafrecht unbestritten anerkannten G r u n d s a t z v o m m i l d e r n R e c h t bei einem Wechsel in der Gesetzgebung auf. Art. 8 bestimmt aber nur, der Richter habe, wenn er eine noch unter der Herrschaft des frUhernRechtes verübte Tat beurteile, das mildere Recht -- je nachdem altes oder neues -- anzuwenden. Hier, im Schlusstitel des Gesetzes, ist dieses Prinzip des mildern Gesetzes noch auf eine Anzahl von Fällen auszudehnen, die durch den Art. 8 des Entwurfes nicht erfasst werden.

Erforderlich ist einmal, dass die Frage der V e r j ä h r u n g gelöst wird, wenn der Fristenlauf unter dem alten Gesetz begonnen hat, aber erst unter der Herrschaft des neuen zu Endegeht. Art. 176 des Entwurfes, der dem bürgerlichen Strafgesetzentwurf (Art. 354) nachgebildet ist, regelt hier. Es ist
im Einzelfall festzustellen, ob für den Täter die Verjährungsregeln ausArt. 38--40 des alten MStGB oder die Regeln aus Art. 51--5& des neuen Gesetzes günstiger sind.

399 Weitere Auswirkungen des Grundsatzes vom mildern Recht enthält, ebenfalls in Anlehnung an den bürgerlichen Entwurf (Art.

353), der Art. 214: V o l l z i e h u n g f r ü h e r e r , d. h. auf Grund des bisherigen Gesetzes erlassener Strafurteile. Praktisch wichtig ist, dass die bedingte Entlassung auch auf die Sträflinge anzuwenden ist, die noch unter dem alten Recht verurteilt wurden.

Nach Art. 215 endlich sollen die neuen Bestimmungen über die Rehabilitation (Art. 57 ff. des Entwurfes) auch den nach altem Recht Verurteilten zugute kommen.

2. Gerichtsbarkeit.

Die Neuordnung der rnateriellrechtlichen Bestimmungen über den Bereich des Strafgesetzes durch die Art. 2 ff. des Entwurfes hat zur Folge, dass auch die Bestimmungen über die m i l i t ä r i s c h e G e r i c h t s b a r k e i t teilweise revidiert werden müssen.

Das heute geltende Recht regelt bekanntlich in Art. l ff.

der MStGO nicht nur die prozessualen Verhältnisse der militärgerichtlichen Zuständigkeit, sondern auch die materiellrechtliche Frage nach dem Bereich des Militärstrafrechts. Der Entwurf dagegen hat, gesetzestechniseh richtig, diese Verbindung gelöst und in den Art. 2 ff. zunächst die persönliche und sachliche Geltung des Militärrechts geregelt. Hier, im Schlusstitel, bleibt übrig, noch die Fragen der Gerichtsbarkeit neu zu ordnen. Die Art.

216--221 tun das in vollem Umfange, was zur Folge hat, dass der ganze erste Abschnitt der Militärstrafgerichtsordnung von 1889 dahinfallen kann.

Bei der Betrachtung der Art. 216 ff. ist zunächst der Grundgedanke hervorzuheben, dass, wer dem M i l i t ä r s t r a f r e c h t untersteht, auch der Militärstrafgerichtsbarkeit unt e r w o r f e n s e i n s o l l . Wir haben auf diesen Grundsatz, der dem schweizerischen Militärrecht seit langem eigen ist, schon in frühern Zusammenhängen hingewiesen. Art. 216, Abs. l bringt ihn zum gesetzlichen Ausdruck. Der Absatz 2 dieses Artikels, wonach der schweizerische Richter auch über die im Ausland verübten militärstrafrechtlichen Vergehen urteilt, entspricht der materiellrechtlichen Bestimmung des Art. 6.

Art. 217 -- Zuständigkeit der bürgerlichen Gerichtsbarkeit.

-- ist die prozessuale Ausgestaltung des Art. 7. Hinzugefügt ist, im Anschluss an Art. 6, Abs. 2 der MStGO, dass die Verfolgung einer straf baren Handlung, die mit dem militärischen Dienstverhältnis des Täters im Zusammenhang steht, durch den bürgerlichen Richter nur möglich ist, wenn die Ermächtigung des eidgenössischen Militärdepartementes oder, bei dem Armeekommando unterstellten Personen, des Oberbefehlshabers vorliegt. Es gilt, auch hier im Interesse des Dienstes die militärische Interessen-

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Sphäre zu wahren. -- Vom gleichen Gedanken geht auch der dem Art. 7 der MStGO entsprechende Art. 220 aus: Während der Dauer eines Militärdienstes darf ein bürgerliches Strafverfahren gegen den im Dienst befindlichen Dienstpflichtigen nur mit Ermächtigung des Militärdepartemeules bzw. des Oberbefehlshabers der Armee eingeleitet oder fortgeführt werden. Anders als im Art. 217 h nudelt es sich hier aber um Vergehen, die der Täter vor dem Eintritt in deu Dienst, im bürgerlichen Leben begangen hat.

Im Anschluss an Art. 5 des Entwurfes regelt Art. 218 die Gerichtsbarkeit für den Fall, dass Zivilpersonen licmeinsam mit dem militärischen Recht unterstellten Personen delinquieren. Der materiellrechtlichen Lösung in Art. 5 entsprechend kommen auch die beteiligten Zivilisten vor den militärischen Richter, wenn es sich um ein rein militärisches Vergehen (Art. 62--86 des Entwurfes) oder um ein Vergehen gegen die Landesverteidigung oder die Wehrkraft des Landes (Art. 87--106) handelt. Anders bei den gemeinen Vergehen der Art. 113 ff. Hier wird als Grundsatz die Trennung des Verfahrens aufgestellt. Der Soldat kommt vor den militärischen, der Zivilist vor den bürgerlichen Richter. Doch können in diesem Falle, gleich wie schon Art. 4, Abs. 2 der geltenden MStGO es bestimmt, durch bundesrätlichen Beschluss auch die der militärischen Gerichtsbarkeit unterstehenden Personen dem bürgerlichen Richter überwiesen werden. Dass der bürgerliche Richter auf diese Personen das Militärstrafrecht anzuwenden hat, durfte klar sein.

Einer Ordnung bedürftig ist weiter der Fall, dass eine Militärperson mehrerer Vergehen beschuldigt ist, die teils der militärischen, teils der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterstehen. Ein Soldat hat sich des Ausreissens schuldig gemacht. Er ist aber auch der Kuppelei, des falschen Zeugnisses vor einem bürgerlichen Gericht oder eines andern rein bürgerlichen Vergehens beschuldigt.

Die nächstliegende Lösung ist, dass zwei Verfahren -- eines vor dem militärischen, ein zweites vor dem bürgerlichen Richter -- durchgeführt werden. Eine Vereinigung soll aber, nicht zuletzt im Interesse des Beschuldigten, möglich sein. Der Bundesrat kann nach Art. 219 die ausschliessliche Beurteilung entweder dem militärischen oder dem bürgerlichen Gericht übertragen. Eine grundsätzliche Lösung ist das nicht. Aber der
Art. 219 schafft so die Möglichkeit, in den einzelnen Fällen gemäss ihrer Besonderheil, den zweckmässigen Entscheid zu treffen.

Trotz der sorgfältigen Ausgestaltung der Bestimmungen über das Verhältnis zwischen militärischer und bürgerlicher Gerichtsbarkeit werden Anstände über die Zuständigkeit nicht ganz vermieden werden können. Nach Art. 221, Abs. l liegt in solchen .Fällen die Entscheidung, die endgültig sein soll, beim Bundesrat.

Der Art. 221 geht aber noch weiter. Er gibt dem Bundesrat das

401 Recht, auch bereits gefällte Urteile, die einen Übergriff der einen in die andere Gerichtsbarkeit bedeuten, aufzuheben. Es ist z. B.

vorgekommen, dass dem militärischen Recht unterstehende Personen wegen Körperverletzung von einem bürgerlichen Gericht abgeurteilt wurden, und dass hernach der militärische Richter unter Berufung auf seine Zuständigkeit und unbekümmert um den bereits ergangenen Entscheid noch einmal ein Urteil fällte; man vergleiche den in der Schweiz. Juristenzeitung XI, 8. 18 ff. besprochenen Fall. Derartigen Unstimmigkeiten will der Art. 221 ein Ende machen. Er fügt noch hinzu, dass, solange der Bundesrat ein solches vom unzuständigen Richter gesprochenes Urteil nicht aufgehoben hat, jede neue Strafverfolgung wegen derselben Tat unzulässig ist -- und ferner, dass eine infolge des nachträglich aufgehobenen Urteils erstandene Freiheitsstrafe bei erneuter Verurteilung angerechnet werden muss.

3. Neue prozessuale Bestimmungen.

Unsere Militärstrafgerichtsordnung von 1889 hat sich, namentlich auch bei der erhöhten Beanspruchung der militärischen Gerichtsbarkeit seit 1914, im ganzen sehr gut bewährt. Durchgreifende Änderungen dieses Gesetzes kommen heute nicht in Frage. Dagegen bedingt die Einführung des neuen MStGB einige Neuordnungen, die der Entwurf in Art. 222 und 223 zusammenfasst: Zunächst empfiehlt sich eine Ergänzung des Art. HOMStGO, der die Personen und Stellen nennt, die icn militärrechtlichen Prozess die Voruntersuchung zu verfügen haben. Namentlich seit der Mobilisation der Armee hat man immer wieder beobachten können, wie verschieden von den zuständigen militärischen Stellen die Frage gelöst wird, ob ein Delikt disziplinarisch zu erledigen oder an dus Militärgericht zu überweisen sei. Zum Teil hängt diese Uneinheitlichkeit der Praxis damit zusammen, dass gemäss Art. 110, Zitf. 2 MStGO irn aktiven Dienst jeder Einheitskornmandant darüber entscheidet, ob in einem Straffall die gerichtliche Voruntersuchung anzuheben ist oder nicht. Mit Recht hat man darauf hingewiesen, dass diese für das Verhältnis zwischen dem Vergehens- und dem Disziplinarrecht wichtige Frage regelmässig von einer höhern Stelle als dem Einheitskommaudanten entschieden werden sollte. Der Entwurf bezeichnet daher den Regimentskommandanten als regelmässig zuständig zur Erteilung des Voruntersuchungsbefehles -- und zwar nicht nur in Zeiten eines aktiven Dienstes, sondern auch bei Truppenübungen im Instruktionsdienste.

Ganz neu ist eine als Art. 160 a in die MStGO einzufügende Bestimmung über D i s z i p l i n a r i s c h e B e s t r a f u n g d u r c h Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. V.

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402

d e n R i c h t e r . Sie bedarf näherer Erklärung: Nach dem geltenden Recht sind nur die Vergehen vom Richter zu beurteilen.

Mit den Disziplinarfehlern hat er sich nicht zu befassen. Dagegen k a n n die Entscheidung, ob eine Handlung, die ihm zur Beurteilung vorgelegt wird, bloss disziplinarisch bestraft werden soll, ihm zufallen. Nach Massgabe von Art. 161 B, Ziff. 3 der MStGO kann der Richter, wenn er durch die Hauptverhandlung zu dem Ergebnis gelangt, eine disziplinarische Bestrafung des Tälers sei ausreichend, den Angeklagten freisprechen und ihn zugleich dem militärischen Vorgesetzten zur disziplinarischen Behandlung überweisen. Unter dem neuen Gesetz, das bei zahlreichen Vergehen ,,in leichten Fällen" ausdrucklich disziplinarische Bestrafung vorsieht, müsste dieser Vorgang erhöhte Bedeutung gewinnen. Wir gelangen daher dazu, um in der Erledigung dieser häuften Fälle eine Vereinfachung zu erzielen, den Richter selber die disziplinare Strafe aufsprechen zu lassen, wenn er annimmt, es liege ein leichter Fall vor. Das ist der Hauptinhalt des neuen "Art. 160 a. Die Bestimmung soll dann aber weiter noch Anwendung finden bei Fällen, die man vielleicht gar nicht als ,,leichte" bezeichnen kann, bei denen aber die kriminelle Bestrafung ausgeschlossen ist, weil das Gesetz einen entsprechenden Tatbestand nicht enthält. Zeigt sich dann, dass der Täter jedenfalls gegen die militärische Zucht und Ordnung sich vergangen hat, so ist nach Art. 178 des Entwurfes die Grundlage für eine Disziplinarstrafe gegeben. , Das Gericht soll sie auch in solchen Fällen direkt aussprechen können.

Dieser Gedanke kommt im Art. 160 a mit den Worten des Abs. l ,,oder betrachtet es sonst die Tat als blossen Disziplinarfehler" zum Ausdruck. -- Die so neu geschaffene Erledigung eines Disziplinarfalles durch den Richter ist im einzelnen dahin ausgestaltet, dass das Gericht den Angeklagten wegen des ihm zur Last gelegten Vergehens f r e i s p r i c h t , ihm aber gleichzeitig eine Disziplinarstrafe auferlegt. Das Gericht hat dabei die Möglichkeit, mit Ausnahme der Degradation von Offizieren, auf alle Disziplinarstrafen zu erkennen (Abs. 4). Gegen die gerichtlich verhängte Disziplinarstrafe soll weder eine Kassationsbeschwerde noch eine Disziplinarbeschwerde zulässig sein (Abs. 3). -- Der Entwurf nimmt an, dass diese richterliche
Erledigung von Fällen, in denen erst nach Durchlührung des Hauptverfahrens sich die Möglichkeit disziplinarischer Erledigung zeigt, die Regel werden soll. Ausnahmsweise kann aber auch das Gericht nach altem Muster auf Überweisung an den militärischen Vorgesetzten erkeunen (Art. 160a Abs. l i. f.) -- Der neue Artikel stellt endlich in Abs. 2 noch den notwendigen Grundsatz auf, dass jede disziplinare Bestrafung durch eine andere Instanz ausgeschlossen sein soll, wenn das Gericht einen Angeklagten zu einer Vergehensstrafe verurteilt, selbst

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disziplinarisch bestraft oder ihn ohne Überweisung an den Vorgesetzten freigesprochen hat.

Der Art. 162 der MStGO enthält die sehr nützliche Bestimmung, dass ein wegen Unzurechnungsfähigkeit vom Gericht Freigesprochener vorläufig in Verwahrung genommen und dem Wohnsitzkanton zu weiterer Behandlung überwiesen werden kann. Der Entwurf dehnt diese Bestimmung auf den Falj aus, da der Oberauditor gemäss Art. 122, Abs. 2 MStGO das Verfahren gegen einen unzurechnungsfähig Befundenen einstellt. Die Neuerung entspricht dem Art. 388 des bürgerlichen Strafgesetzentwurfes.

4. Ergänzung der Bestimmungen über den Urteilsvollzug.

Die Vorschriften der MStGO über den Strafvollzug erheischen namentlich eine Ergänzung rles Art. 209. Nach dem heute geltenden Recht sollen alle Freiheitstrafen vom Wohnsitzkanton des Verurteilten vollzogen werden. An die gerade bei militärgerichtlichen Urteilen nicht seltenen P'älle, dass der Verurteilte keinen Wohnsitz in der Schweiz hat -- man denke z. B. an die im Ausland domizilierten Dienstverweigerer -- hat das Gesetz nicht gedacht. Die Praxis hat natürlich hier Auswege gefunden. Das neue Gesetz sollte aber darüber ausdrücklich bestimmen. Der Entwurf sieht daher in eiuem neuen Absatz 2 zu Art. 209 der MStGO vor, dass der Vollzugskanton in solchen Fällen durch das eidgenössische Militärdepartement zu bezeichnen, ist. Hinzugefügt wird, dass ausnahmsweise auch hei Verurteilten mit schweizerischem Wohnsitz ein anderer als der Wohnsitzkanton mit dem Vollzug beauftragt werden kann, was z. B. dann nötig wird, wenn ein Kanton keine entsprechende Anstalt besitzt. Ausdrücklich wird endlich in diesem Zusammenhang noch auf den militärischen Vollzug von Freiheitsstrafen aufmerksam gemacht, der nach Art. 30 des Entwurfes Bundessache ist. -- Nach den durch den Entwurf neugefassten Art. 207 und 209 der MStGO wird allen Fällen die Anordnung des Strafvollzuges in die Hand des Militärdepartementes gelegt. Das ist tatsächlich heute schon Praxis, während das geltende Recht die Anordnung dem Bundesrat überträgt. Das neue Recht konsolidiert hier also lediglich den tatsächlich bereits bestehenden Zustand.

Auch der Art. 208 der MStGO, der über den Vollzug der Bussen bestimmt, ist neu zu ordnen. Da eine Umwandlung unerhältlicher Bussen in Gefängnis nicht mehr Platz greifen soll, entfällt der bisherige
Absatz 2 dieses Artikels. Die Busse kann nach Art. 34 des Entwurfes durch freie Arbeit abverdient werden, sie muss durch Arbeit ubverdient werden, wenn die Bezahlung aus Böswilligkeit, Arbeitsscheu, Liederlichkeit oder Nachlässigkeit unterbleibt. Im Anschluss daran muss in Art. 208 der Strafgerichts-

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Ordnung noch bestimmt werden, daas die Kantone für diese Bussenabverdiuner Arbeitsgelegenheiten einzurichten haben, und dass die Strafvollzugsbehörde die Arbeitsstelle anweisen wird.

5. Strafregister.

Die Ausgestaltung des Strat'registerrechts kann nicht Sache des neuen MStGB sein. Das bürgerliche Strafgesetz musa hier vorgehen, und das neue Militärrecht hat im Anschluss daran nur soweit Bestimmungen aufzunehmen, als eine Regelung in seinen Rahmen gehört.

Über die heutigen Strafregisterverhältnisse und die durch den bürgerlichen Strafgesetzentwurf geplante Ausgestaltung orientiert unsere Botschaft vom 23. Juli 1918 (S. 84 f.). Es ist selbstverständlich, dass diese Registerorganisation gemäss Art. 377 ff. des bürgerlichen Entwurfes, weun sie einmal geltendes Recht geworden sein wird, au< h der Militärgerichtsbarkeit dient. Daneben hat aber das neue MStGB noch über die Besonderheiten zu bestimmen, die sich aus seinem speziellen Wirkungskreis ergeben. Die Art. 224 bis 226 des Entwurfes sollen diese Forderung erfüllen. Dabei ist zu betonen, dass diese Vorschriften auch dann bereits angewendet werden können, wenn beim Inkrafttreten des MStGB das im bürgerJichen Strafgesetz vorgesehene Registerrecht noch nicht zur Geltung gelangt sein sollte.

In Art. 224 ist namentlich die Frage zu lösen, was für Bestrafungen in die Register Aufnahme finden sollen. Klar ist der Ausschluss aller Disziplinarstrafen. Über sie werden lediglich bei den militärischen Stellen Strafkontrollen geführt (Entwurf '206).

Eine Disziplinarstrafe gehört ihrem Wesen nach nicht in die Strafregister, deren Bestimmung es ist, über das k r i m i n e l l e Vorleben eines Menschen Aufschluss zu geben. Ein blosser Ordnungsfehler stellt aber nie ein verbrecherisches Verhalten dar. -- Dagegen sollen alle wegen Vergehen erfolgten militärgerichtlichen Verurteilungen in die Register eingetragen werden -- auch alle Urteile, die auf rein militärische Vergehen lauten. Das Strafregister muss über das gesamte kriminelle Vorleben eines Menschen Auskunft geben, es muss vor allem auch die zuverlässige Grundlage für die Anwendung der Rückfallsbestimmung (Art. 48 des Entwurfes) sein.

Im übrigen schliessen sich die Art. 224--2'26, teilweise wörtlich, au das Registerrecht des bürgerlichen Entwurfes an.

6. Das Rehabilitationsverfahren.

Der Entwurf will im Anschluss an den bürgerlichen Strafgesetzentsvurf das Institut der Rehabilitation weiter entwickeln.

Das geltende Recht kennt nur -- in Art. 215 der MStGO -- die

405 Bestimmung, wonach der in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit Eingestellte nach Verbüssung der Hauptstrafe beim Bundesrate um die ,,Wiedereinsetzung in den bürgerlichen Ehrenstand" nachsuchen kann. Diese Vorschrift der Strafgerichtsordnung wird schon deshalb hinfällig, weil nach dem neuen Recht die Entscheidung über alle Rehabilitationsgesuche in die Hand des Richters gelegt wird. Das sagen die Art. 57 ff. bei der Wiedereinsetzung in die bürgerliche Ehrenfähigkeit und in die Wählbarkeit zu einem Amte und bei der rehabilitationsweisen Urteilslöschung im Strafregister.

Neben diese im ersten Buch des Entwurfes gegebenen materiellrechtlichen Vorschriften soll im Schlusstitel noch die Ordnung des Rehabilitations ver f a h r e n s treten (.Art. 227 -- 231). Dabei fragt es sich vor allem, vor welchem Gericht sich dieses Verfahren abspielen soll.

In der neuern Gesetzgebung ist deutlich die Tendenz zu erkennen, Rehabilitationsgesuche nicht durch das Gericht, das seinerzeit das Urteil sprach, erledigen zu lassen, sondern ein höheres Gericht für zuständig zu erklären, das über alle Gesuche eines grösseren Rechtsgebietes zu entscheiden hat. Der Entwurf gelangt von diesen Gesichtspunkten aus dazu, die Zuständigkeit dem Militärkassationsgericht zu verleihen (Art. 227"). Das liegt um so näher, als im bürgerlichen Strafrecht der Kassationshof des Bundesgerichtes über die Rehabilitation entscheidet, wenn es sich um Urteile handelt, die auf Grund eidgenössischen bürgerlichen Strafrechts ergangen sind (Organisationsgesetz Bundesrechtspflege Art. 145, Ziff. 3 und 4, und eidgenössische StPO von 1851, Art. 178 ff.). -- Das Verfahren selbst, das sich an die Art. 178 ff. der StPO von 1851 anschließen kann, ist möglichst einfach zu gestalten: Schriftlichkeit -- Begutachtung und Antragstellung durch den Oberauditor -- grundsätzlich Kosten!ragung durch den Gesuchsteller.

7. Schlussbestimmungen.

Die Formeln über die Aufhebung geltenden Rechtes (Art. 232) bedürfen keiner weitern Erklärung. Insbesondere das Verhältnis des neuen MStGB zu der Militärstrafgerichtsordnung von 1889 ergibt sich deutlich genug aus den Art. 216--223 des Entwurfes.

Nur über die Vorbehalte des Art. 233 ist erklärend noch einiges zu sagen : Einmal sollen die Bestimmungen des Bundes und eventuell auch der Kantone über die m i l i t ä r p o l i z e i
l i c h e n Ü b e r t r e t u n g e n vom neuen MStGB unberührt bleiben. Sie stellen die militärrechtliche Nebenstrafgesetzgebung dar und können aus der Verbindung mit den verwaltungsrechtlichen Vorschriften, zu deren Schutz sie bestimmt sind, nicht wohl gelöst werden. Es ist auch nicht notwendig, etwa entsprechend Art. 350 des bürgerlichen Straf-

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gesetzentwurfes die Anwendbarkeit der allgemeinen Bestimmungen des MStGB auf diese Nebengesetzgebung auszusprechen. Es handelt sich bei ihr fast ausschliesslich um den strafrechtlichen Ausbau des militärischen Kontrollwesens, und es entspricht keinem Bedürfnis, den ganzen Apparat der allgemeinen Regeln des Strafrechts auf diese Ordnungsvorschriften zu übertragen.

Art. 233, Ziff. 2 behält das D i s z i p l i n a r s t r a f r e c h t der Zoll- und G r e n z w ä c h t e r vor. Die Angehörigen des bewaffneten eidgenössischen Grenzwachtkorps sind nach Art. 2, Ziff. 6 schlechthin dem militärischen Strafrecht unterstellt. Das ist, soweit es sich um die Beurteilung von Vergehen handelt, in vollem Umfang richtig. Dagegen besteht für die Zoll- und Grenzwächter ein besonderes, ihren Verhältnissen angepasstes Disziplinarrecht, das im Reglement für das eidgenössische Grenzwachtkorps, vom 11. November 1911, niedergelegt ist. Dieses Sonderrecht muss weiter in Geltun? bleiben. -- Nicht notwendig ist dagegen, eine entsprechende Vorbehaltsbestimmung auch für das Disziplinarrecht der Beamten, Angestellten und Arbeiter der Militärverwaltung und der öffentlichen Verkehrsanstalten aufzunehmen. Sie sind Zivilpersonen, die unbestritten unter ihrem eigenen disziplinaren Recht stehen. Dagegen kann der Bundesrat nach Art. 3, Ziff. 3 des Entwurfes in Zeiten eines aktiven Dienstes ihre Unterstellung unter das Militärstrafrecht beschliessen, und zwar so, dass er bei einem solchen Besohluss gleichzeitig den Umfang einer solchen Unterstellung bestimmt Der Bundesrat könnte also nach der Formel des Art. 3 auch das militärische Disziplinarrecht auf sie anwendbar erklären. Tut er das nicht, so gilt für sie, ohne dass es in einer Vorbehaltsbestimmung ausdrücklich gesagt zu werden braucht, auch in Zeiten aktiven Dienstes ihr Beamtendisziplinarrecht.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 26. November 1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Calonder.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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{Entwurf.)

Schweizerisches Militärstrafgesetzbuch.

Erstes Buch: Militärstrafrecht Allgemeiner Teil.

Erster Abschnitt.

Der Bereich des Strafgesetzes.

Artikel 1.

Strafbar ist nur, wer eine Tat beseht, die das Gesetz aus- 1.ohne Keine strafe d k u mit Strafe eu P ubedroht.

Gesetz.

drücklich 2.

Dem Militärstrafrecht unterstehen : 2. Persönliche und sachliche 1. Personen, die sich im Militärdienst befinden.

Geltung des Gesetzes.

2. Die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Militär- im allgemeinen Verwaltung des Bundes und der Kantone, wenn sie in Uniform -auftreten.

3. Dienstpflichtige, die ausserhalb des Dienstes in Uniform auftreten.

4. Dienstpflichtige ausserhalb des Dienstes mit Bezug auf ihre militärische Stellung und ihre dienstlichen Pflichten. ·

5. Stellungspflichtige mit Bezug auf ihre Stellungspflicht und während der Dauer des Aushebungsgeschäftes.

6. Die Angehörigen des bewaffneten eidgenössischen Grenzwachtkorps.

3.

In Zeiten eines aktiven Dienstes unterstehen dem Militär- Erweiterte Geistrafrecht überdies: 1. Internierte Militär- und Zivilpersonen.

Dienstes.

2. Zivilpersonen, die bei der Truppe oder zur Bedienung einzelner zum Heere gehöriger Personen angestellt sind.

408

3. Wenn und soweit der Bundesrat ihre Unterstellung unter das Militärstrafrecht beschliesst: a. die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Militärverwaltung des Bundes und der Kantone mit Einschluss der Militäranstalten und Militärwerkstätten, b. die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Eisenbahnen und anderer öffentlicher Verkehrsanstalten.

4. Zivilpersonen, die sich schuldig machen eines Vergehens gegen eine Wache (Art. 66), einer Verräterei (Art. 87, 88, 90), einer feindlichen Unternehmung gegen einen Kriegführenden oder gegen fremde Truppen (Art. 93), der Schwächung der Wehrkraft (Art. 95 bis 98), einer Störung der militärischen Sicherheit (Art. 99 bis 106), der ungetreuen Geschäftsführung (Art. 142), eines Vergehens gegen die Ehre einer im Dienst befindlichen Person mit Bezug auf ihre dienstliche Stellung oder Tätigkeit (Art. 143 bis 147).

4.

Erweiterte Gei-

tung in Kriegszeiten.

In Kriegszeiten unterstehen dem Militärstrafrecht ausserdem : 1. Personen, die dem Heere folgen.

2. Zivilpersonen, die sich schuldig machen der Befehlsanmassung (Art. 70), eines Vergehens gegen die Landesverteidigung oder gegen die Wehrkraft des Landes (Art. 87 bis 106), eines Vergehens gegen das Völkerrecht i m Kriege (Art. 107 bis!12), der Plünderung (Art. 137), des Kriegsraubs (Art. 138), · der Brandstiftung, der Verursachung einer Explosion, der Gefährdung durch Sprengstoffe, der Verursachung einer Überschwemmung oder eines Einsturzes, sofern der Täter dabei dem Heere dienende Sachen zerstört (Art. 158, Ziff. 2, Abs. 3 und Ziff. 4 ; Art. 159, Ziff. l, Abs. 3 und Ziff. 2 ; Art. 160, Abs. 3; Art. 163, Ziff. l, Abs. 3 und Ziff. 2).

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3. Kriegsgefangene, auch für die Vergehen, die sie vor ihrer Gefangennahme während des Krieges gegenüber dem schweizerischen Staat, dem schweizerischen Heer, den Angehörigen des schweizerischen Heeres oder Schweizerbürgern im In- oder Ausland verübt haben.

4. Feindliche Parlamentäre und ihre Begleiter, die ihre Stellung zur Verübung eines Vergehens missbrauchen.

5.

Sind an einem rein militärischen Vergehen (Art. 62 bis 86) Beteiligung TOD · ' ir i_ j' T j \ -jj ZiTilpersonen.

oder an einem Vergehen gegen die Landesverteidigung oder gegen die Wehrkraft des Landes (Art. 87 bis 106) neben Personen, die dem Militärstrafrecht unterstehen, andere Personen beteiligt, so sind diese gleichfalls nach diesem Gesetze strafbar.

Sind an einem gemeinen Vergehen (Art. 113 ff.) neben Personen, die dem Militärstrafrecht unterstehen, auch andere Personen beteiligt, so bleiben diese dem bürgerlichen Strafgesetz unterworfen.

6.

Dieses Gesetz findet auch Anwendung, wenn das Vergehen i i j ..... j im Ausland verübt wird.

Eine wegen des Vergehens im Ausland erstandene Freiheitsstrafe wird angerechnet.

vergehen im Anstände.

7.

Die dem Militärstrafrecht unterstehenden Personen bleiben Geltung des für strafbare Handlungen, die in diesem Gesetze nicht vorgesehen Strafrechts" sind, dem bürgerlichen Strafgesetz unterworfen.

. Nach diesem Gesetze wird beurteilt: wer nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Vergehen verübt, wer nach Inkrafttreten dieses Gesetzes wegen eines Vergehens beurteilt wird, das er früher begangen hat, jedoch nur, wenn dieses Gesetz günstiger für ihn ist, als das Gesetz, das zur Zeit der Tat in Kraft bestand.

3. Zeitliche Geltung des oesefios.

410

Zweiter Abschnitt.

Das Vergehen.

9.

i. zurechnungsfähige

Wer wegen Geisteskrankheit, Blödsinns oder schwerer Störung des Bewusstseins zur Zeit der Tat nicht fähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss seiner Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln, ist nicht strafbar.

10.

vermindert ZuWar der Täter zur Zeit der Tat in seiner geistigen Gesundrechnungsfähige heit oder in seinem Bewusstein beeinträchtigt oder geistig mangelhaft entwickelt, so dass die Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss seiner Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln, herabgesetzt war, so mildert der Richter die Strafe nach freiem Ermessen (Art. 47).

11.

sichernde MassWird der Täter wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen Unzurechnungs- oder unter Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit verurteilt, 80 kann der Richter, sofern es sich um einen Dienstpflichtigen rechnungsfähige handelt, auf Ausschliessung aus dem Heere erkennen.

Der Richter kann den wegen Unzurechnungsfähigkeit Freigesprochenen oder unter Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit Verurteilten der zuständigen bürgerlichen Verwaltungsbehörde zu weiterer Behandlung überweisen.

12.

2. Kinder und Begeht ein Kind unter vierzehn Jahren eine als Vergehen "Binder. *' bedrohte Tat, so wird es nicht strafrechtlich verfolgt.

13.

jugendliche.

Hat der Täter zur Zeit der Tat das vierzehnte aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr zurückgelegt, so kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (Art. 47) oder, wenn andere Massnahmen wirksamer erscheinen, von Strafe absehen.

411

Der Richter überweist einen straflos gelassenen Jugendlichen der zuständigen bürgerlichen Verwaltungsbehörde zu weiterer Behandlung. Einen freigesprochenen Jugendlichen kann der Richter der bürgerlichen Verwaltungsbehörde überweisen.

14.

Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders,' so ist Vorsatz *· Schuld.

und nur strafbar, wer ein Vorgehen vorsätzlich verübt.

Fahrlässigkeit.

Vorsätzlich verübt ein Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt.

Ist die Tat darauf zurückzuführen, dass der Täter die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder nicht berücksichtigt hat, so begeht er das Vergehen fahrlässig. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.

15.

Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den ''"^J1^1"1* Sachverhalt, so beurteilt der Richter die Tat zugunsten des Täters s»chv«rhait.

nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.

Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Verübung der Tat mit Strafe bedroht ist.

16.

Wer ein Vergehen in dem Glauben verübt, er sei zu der Irrtum über die 9C sm 8 Tat berechtigt, kann milder bestraft werden (Art. 46).

" 17.

Wird eine strafbare Handlung auf dienstlichen Befehl begangen, so ist der Vorgesetzte oder der Höhere, der den Befehl erteilt hat, als Täter strafbar.

Der Untergebene ist nur strafbar, wenn er sich darüber klar war, dass er durch die Befolgung des Befehls an einem Vergehen mitwirkt. Der Richter kann die Strafe nach freiem Ermessen mildern (Art. 47).

Handein auf

412

18.

4. Versuch.

Wer ein Vergehen auszuführen versucht und mit der AusnnTOiienaetw führung begonnen hat, wird milder bestraft (Art. 46); führt er Versteh.

^ie strafbare Tätigkeit erfolglos zu Ende, so kann er milder bestraft werden.

19.

Untauglicher Versuch.

Ist das Mittel, womit jemand ein Vergehen auszuführen versucht, oder der Gegenstand, woran er es auszuführen versucht, derart, dass das Vergehen mit einem solchen Mittel oder an einem solchen Gegenstande überhaupt nicht ausgeführt werden könnte, so kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (Art. 47).

Handelt der Täter aus Unverstand, so kann der Richter von einer Bestrafung Umgang nehmen.

20.

Rücktritt nnd tätige Beie.

5. Teilnahme.

Anstiftung.

Oehalfenschaft.

Tritt der Täter aus eigenem Antrieb von dem Versuch zurück, so wird er wegen des Versuches nicht bestraft.

"Wirkt der Täter aus eigenem Antrieb dem Eintritt des Erfolges entgegen, so mildert der Richter die Strafe nach freiem Ermessen (Art. 47).

21.

Wer jemanden zu dem von ihm begangenen Vergehen vorsätzlich bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.

Wer jemanden zu einem Vergehen, das mit dem Tode oder mit Zuchthaus bedroht ist, zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Vergehens bestraft.

22.

Wer zu einem Vergehen vorsätzlich Hülfe leistet, kann milder bestraft werden (Art. 46).

413 23.

Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, die die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter, dem Anstifter und dem Gehiilfen berücksichtigt, bei dem sie vorliegen,

Persönliche

24.

Wer jemanden vorsätzlich veranlasst, eine als Vergehen 8 - veranlassen bedrohte Tat nicht vorsätzlich zu begehen, wird mit der Strafe vorsätzlichen Tatl des vorsätzlichen Vergehens bestraft.

25.

Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit 7'HRanCdYungen!fl* einem Angriff bedroht, 'so ist der Angegriffene und jeder andere Notwehr.

berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.

Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr, so mildert der Richter die Strafe nach freiem Ermessen (Art. 47) ; überschreitet er die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so bleibt er straflos.

26.

1. Die Tat, die jemand begeht, um sein oder eines andern Gut, namentlich Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Vermögen, aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu erretten, ist kein Vergehen, wenn dem Täter den Umständen nach nicht zugemutet werden konnte, das gefährdete Gut preiszugeben ; andernfalls mildert der Richter die Strafe nach freiem Ermessen (Art. 47).

Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn der Täter aus Furcht vor persönlicher Gefahr eine Dienstpflicht verletzt.

2. Die Tat, die ein Vorgesetzter oder ein Höherer im Falle militärischer Gefahr insbesondere bei einer Meuterei oder vor dem Feinde begeht, um die Disziplin zu sichern oder um seinem Befehle Gehorsam zu verschaffen, ist kein Vergehen, wenn allein durch dieses Mittel der notwendige Gehorsam erzwungen werden kann.

Notstand.

414

Dritter Abschnitt.

Strafen und Massnahmen.

1. Die einseinen Strafen und Massnahmen.

27.

i. Todesstrafe.

l. Die Todesstrafe gelangt nur in Kriegszeiten zur Anwendung.

Sie ist durch Brschiessen zu vollstrecken.

2. An Stelle einer in Kriegszeiten ausgesprochenen, aber nicht vollzogenen Todesstrafe tritt nach Beendigung der Kriegszeit lebenslängliches Zuchthaus.

28.

2. Freiheits1. Die Zuchthausstrafe ist die schwerste Freiheitsstrafe. Ihre zcchthausstrafe. kürzeste Dauer ist ein Jahr, die längste Dauer fünfzehn Jahre.

In den Fällen, die das Gesetz besonders bestimmt, ist sie lebenslänglich.

2. Die Verurteilung zu Zuchthaus hat die Ausschliessung aus dem Heere zur Folge.

Der Richter stellt den zu Zuchthaus Verurteilten für zwei bis zehn Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.

Gefängnisstrafe.

29.

Die kürzeste Dauer der Gefängnisstrafe ist acht Tage.

Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist die längste Dauer zwei Jahre.

Der Richter kann den zu Gefängnis Verurteilten für ein bis fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit einstellen. Er kann ihn aus dem Heere ausschliessen.

30.

Militärischer l. Der Bundesrat kann in Zeiten eines aktiven Dienstes GefL^nLtrafe. den militärischen Vollzug der Gefängnisstrafe einführen.

Der militärische Strafvollzug erfolgt in Festungen oder in besonders hierfür eingerichteten Abteilungen von Straf- oder andern Detentionsanstalten.

415

Der Bundesrat erlässt durch Verordnung die nähern Vorschriften über den militärischen Strafvollzug.

2. Der Richter bestimmt nach freiem Ermessen, ob die von ihm.ausgesprochene Gefängnisstrafe militärisch zu vollziehen ist.

31.

1. Hat der Verurteilte zwei Drittel der Strafe und bei Zuchthaus mindestens ein Jahr, bei Gefängnis mindestens acht Monate erstanden und ist er nicht wiederholt rückfällig, so kann ihn das eidgenössische Militärdepartement für den Rest der Strafzeit bedingt entlassen.

Hat ein zu lebenslänglichem Zuchthaus Verurteilter fünfzehn Jahre erstanden, so kann ihn das Militärdepartement für fünf Jahre bedingt entlassen.

Das Militärdepartement hört die Beamten der Anstalt über die bedingte Entlassung eines Sträflings an.

Bedingte

rJüllsssutit*.

2. Das Militärdepartement kann dem bedingt Entlassenen für sein Verhalten während der Probezeit Weisungen erteilen.

3. Missbraucht der bedingt Entlassene die Freiheit, verübt er namentlich ein vorsätzliches Vergehen, so wird er in die Strafanstalt zurückversetzt. Die Zeit der bedingten Entlassung wird ihm nicht angerechnet.

"o^ 4. Bewährt sich der bedingt Entlassene bis zum Ablaufe der Probezeit, so ist er endgültig entlassen.

32.

1. Der Richter kann den Vollzug einer Gefängnisstrafe von ...

, , i_ n,r .

p i · L nicht mehr als sechs Monaten aufschieben, wenn der Verurteilte innerhalb der letzten zehn Jahre vor Verübung der Tat weder in der Schweiz noch im Auslande wegen eines vorsätzlichen Vergehens eine Freiheitsstrafe erlitten hat, wenn überdies sein Vorleben und sein Charakter und, falls es sich um einen Dienstpflichtigen handelt, seine militärische Führung erwarten lassen, er werde durch diese Massuahme von weiteren Vergehen abgehalten,

Bedingte

Verurteilung.

416

wenn er endlich den gerichtlich festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt hat.

Schiebt der Richter den Strafvollzug auf, so bestimmt er dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis zu fünf Jahren.

2. Der Richter stellt den bedingt Verurteilten unter Schutz aufsieht, wenn nicht besondere Umstände eine Ausnahme begründen. Er kann ihm für sein Verhalten während der Probezeibestimmte Weisungen erteilen, z. B. die Weisung, einen Borut zu erlernen, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, sich geistiger Getränke zu enthalten, den Schaden innerhalb bestimmter Frist zu ersetzen. Der Richter kann die Einberufung des bedingt Verurteilten zu einem ausserordentlichen Militärdienst veranlassen.

Die Umstände, die einen Aufschub des Strafvollzugs rechtfertigen, die Gründe, die den Richter bestimmen, den bedingt Verurteilten nicht unter Schutzaufsicht zu stellen und die Weisungen des Richters sind im Urteil festzustellen.

Die Aufsicht über bedingt verurteilte Dienstpflichtige während des Dienstes wird durch eine Verordnung des Bundesrates geregelt.

3. Begeht der bedingt Verurteilte während der Probezeit ein vorsätzliches Vergehen, führt er sich bei der Leistung künftigen Militärdienstes schlecht oder wird er wiederholt zu einer militärischen Disziplinarstrafe verurteilt, entzieht er sich, wenn er unter Schutzaufsicht gestellt ist, beharrlich dieser Aufsicht oder handelt er, trotz förmlicher Mahnung der Schutzaufsichtsbehörde, einer richterlichen Weisung zuwider, so lässt das eidgenössische Militärdepartement die erkannte Strafe vollziehen.

4. Bewährt sich der bedingt Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, so gilt die Verurteilung als nicht geschehen.

5. Bei Strafurteilen gegen Abwesende ist die bedingte Verurteilung ausgeschlossen.

33.

3.^Busse.

1. Der Richter bestimmt den Betrag der Busse je nach den Betrag er us,e. yernä]j;njggen ,jeg Täters so, dass er durch die Einbusse die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist.

Für die Verhältnisse des Täters sind namentlich von Bedeutung sein Einkommen und sein Vermögen, sein Familienstand

417

und seine Familienpflichlen, sein Beruf und Erwerb, sein Alter und seine Gesundheit.

2. Stirbt der Verurteilte, so fällt die Busse weg.

34.

\. Die zuständige Behörde setzt dem Verurteilten eine Frist von vierzehn Tagen bis zu drei Monaten zur Zahlung an. Hat der Verurteilte in der Schweiz keinen festen Wohnsitz, so kann er angehalten werden, die Busse sofort zu bezahlen oder Sicherheit dafür zu leisten.

Die zuständige Behörde kann dem Verurteilten gestatten, die Busse in Teilzahlungen zu entrichten, deren Betrag und Fälligkeit sie nach seinen Verhältnissen bestimmt. Sie kann ihm auch gestatten, die Busse durch freie Arbeit, namentlich für den Staat oder eine Gemeinde, abzuverdienen. Die zuständige Behörde kann in diesen Fällen die Frist von drei Monaten verlängern.

v

°B^dör

2. Bezahlt der Verurteilte die Busse in der bestimmten Zeit nicht und verdient er sie auch nicht ab, so ordnet die zuständige Behörde die Betreibung gegen ihn an, wenn ein Ergebnis davon zu erwarten ist.

Bezahlt der Verurteilte die Busse aus Böswilligkeit, Arbeitsscheu, Liederlichkeit oder Nachlässigkeit nicht, so hat er sie durch Arbeit abzuverdienen.

35.

Liegt einem Vergehen Gewinnsucht des Täters zugrunde, Ve'£^"*dvou so kann ihn der Richter neben der Freiheitsstrafe zu Busse ver- Freiheitsstrafo.

urteilen.

Ist im Gesetz wahlweise Freiheitsstrafe oder Busse angedroht, so kann der Richter in jedem Falle die beiden Strafen verbinden.

36.

Wer bei einer Verurteilung zu Zuchthaus oder zu Gefängnis 44^h11*'TM'"' aus dem Heere ausgeschlossen wird, ist dauernd unfähig zum »us dem Heere.

Dienste in der Armee.

Die Folgen der Ausschliessung treten mit der Rechtskraft des Urteils ein.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. V.

29

418 37.

Degradation.

Hat sich ein Offizier, Unteroffizier oder Gefreiter seines Grades durch ein Vergehen unwürdig gemacht, so entsetzt ihn der Richter des Grades.

Der degradierte Offizier ist von der Erfüllung der Dienstpflicht ausgeschlossen. Er kann in Zeiten eines aktiven Dienstes durch Verfügung des Oberbefehlshabers der Armee wieder in den Dienst eingestellt werden.

Bei einem degradierten Unteroffizier oder Gefreiten outscheidet das eidgenössische Militärdepartement und in Zeiten eines aktiven Dienstes der Oberbefehlshaber der Armee darüber, ob der Verurteilte weiter zu dienen hat.

Die Folgen der Degradation treten mit der Rechtskraft des Urteils ein.

Amt»entsetzung

Hat sich ein diesem Gesetze unterstehender Beamter seines Amtes durch ein Vergehen unwürdig gemacht, so entsetzt ihn der Richter des Amtes und erklärt ihn auf zwei bis zehn Jahre als nicht wählbar zu einem Amte.

Die Folgen der Amtsentsetzung und der Nichtwählbarkeit zu einem Amte treten mit der Rechtskraft des Urteils ein, Ist der Beamte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, so wird die Dauer der Nichtwählbarkeit von dem Tage an gerechnet, da der Verurteilte endgültig entlassen wurde.

38.

Einstellung in der

39.

Wer bei einer Verurteilung zu Zuchthaus oder zu Gefängnis in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt wird, ist unfähig, in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen und zu wählen, und er ist nicht wählbar. Er kann nicht Beamter, Mitglied einer Behörde, Vormund oder Zeuge bei der Aufnahme von Urkunden sein.

Die Folgen der Einstellung treten mit der Rechtskraft des Urteils ein. Die Dauer der Einstellung wird von dem Tage an gerechnet, da der Verurteilte endgültig entlassen wurde.

40.

Lindesverweisung

Der Richter kann den Ausländer, der zu Zuchthaus oder zu Gefängnis verurteilt wird, für drei bis fünfzehn Jahre des Landes verweisen. Die Verweisung wird wirksam, sobald der Verurteilte aus der Strafanstalt endgültig entlassen wird.

419 41.

Der Richter verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zu der Verübung eines Vergehens gedient haben oder bestimmt waren oder durch ein Vergehen hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.

Der Richter kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.

6. Maunahmen.

Einziehung gefährlicher Gegenstände

42.

Geschenke und andere Zuwendungen, die dazu gedient haben, i e 11 ein Vergehen zu veranlassen oder zu belohnen, verfallen dem Bund. Sind sie nicht mehr vorhanden, so schuldet der Empfänger dem Bunde deren Wert.

V

Verfall

von und andern

Geschenken

Zuwendungen.

43.

Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen ,, öffentliche T, · T i · Bekanntmachung Interesse oder im Interesse des Verletzten geboten, so ordnet sie des Urteils.

der Richter auf Kosten des Verurteilten an.

Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Freigesprochenen geboten, so ordnet sie der Richter auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.

Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten oder des freigesprochenen erfolgt auf deren Antrag.

Der Richter lässt das Urteil im Bundesblatt. und in einer oder mehreren Zeitungen veröffentlichen.

II. Das Strafmass.

44.

Der Richter misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu ; er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse und die militärische Führung des Schuldigen.

1. straf-

zumessung.

420 45.

2. Straf Milderung, Mildernde Umstände.

Der Richter kann die Strafe mildem: wenn der Täter das Vergehen begangen hat aus achtungswerten Beweggründen ; auf Veranlassung einer Person, der er Gehorsam schuldigöder von der er abhängig ist; in schwerer Bedrängnis oder unter dem Eindruck schwerer Drohung, soweit nicht das dienstliche Pflichtverhältnis der Berücksichtigung dieser Umstände entgegensteht; wenn Zorn oder grosser Schmerz über eine ungerechte Reizung oder Kränkung den Täter zu dem Vergehen hingerissen hat; wenn er aufrichtige Reue über das Vergehen betätigt, namentlich den Schaden, soweit es ihm möglich war, gutgemacht hat; . wenn seit der Tat verhältnismässig lange Zeit verstrichen ist und der Täter sich während dieser Zeit wohl verhalten hat.

46.

Strafsätze.

Findet der Richter, die Strafe sei zu mildern, so erkennt er : statt auf Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren ; statt auf Zuchthaus mit besonders bestimmter Mindestdauer auf Zuchthaus ; statt auf Zuchthaus auf Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren; statt auf Gefängnis mit besonders bestimmter Mindestdauer auf Gefängnis.

47.

Strafmilderung nach freiem Ermessen.

Ermächtigt das Gesetz den Richter, die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern, so ist er an die Strafart und das Strafmass, die für das Vergehen angedroht sind, nicht gebunden.

Der Richter ist aber an das gesetzliche Mindestmass der Strafart gebunden.

48.

Strafschärfung Rückfall

Wird jemand zu Freiheitsstrafe verurteilt und sind zur Zeit der Tat noch nicht fünf Jahre vergangen, seit er eine Freiheits-

421

strafe ganz oder teilweise erstanden hat, oder seit sie ihm ganz oder teilweise erlassen worden ist, so erhöht der Richter die Dauer der Strafe. Er ist an das höchste Mass der angedrohten Strafe nicht gebunden, darf aber die höchste gesetzliche Dauer der Strafart nicht überschreiten.

Eine Bestrafung im Auslande begründet Rückfall, wenn sie wegen eines Vergehens erfolgt ist, für das nach schweizerischem Recht die Auslieferung bewilligt werden könnte.

"

49.

1. Hat jemand durch eine oder mehrere Handlungen mehrere S^rt55_" Freiheitsstrafen verwirkt, so verurteilt ihn der Richter zu der barer Handlungen Strafe des schwersten Vergehens und erhöht deren Dauer an- straftestiT-1 ronngen.

gemessen. Er kann jedoch das höchste Mass der angedrohten Strafe nicht um mehr als um die Hälfte erhöhen. Dabei ist er an die gesetzliche Dauer der Strafart gebunden.

Hat der Täter mehrere Bussen verwirkt, so verurteilt ihn der Richter zu der Busse, die seinem Verschulden angemessen ist.

Nebenstrafen und Massnahmen können verhängt werden, auch wenn sie nur für eine der mehreren strafbaren Handlungen oder nur in einer der mehreren Straf bestimmungen angedroht sind.

2. Hat der Richter eine mit Freiheitsstrafe bedrohte Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, so bestimmt der Richter die Strafe so, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die mehreren strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären.

. Ist das frühere Urteil von einem bürgerlichen Gericht ausgefällt, so erkennt der Richter auf eine Zusatzstrafe.

Der Richter kann dem Verurteilten die Untersuchungshaft ganz oder teilweise auf die Freiheitsstrafe anrechnen. Das Kassationsgericht kann diese Anrechnung auch dann vornehmen, wenn es die Kassationsbeschwerde abweist.

Lautet das Urteil nur auf Busse, so. kann der Richter die Dauer der Untersuchungshaft in angemessener Weise berücksichtigen.

Als Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs- und Sicherheitshaft, anzusehen.

4. Anrechnung der Untersuchvngshaft.

422 III. Die Verjährung.

1. VerfolgungsVerjährung.

Verjährungfristen.

51.

Ein Vergehen verjährt in zwanzig Jahren, wenn es mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht ist; in zehn Jahren, wenn es mit Zuchthaus, sei es einzig oder wahlweise mit einer andern Strafe, bedroht ist.

in fünf Jahren, wenn es mit einer andern Strafe bedroht ist.

52.

Beginn der Verjährung.

Ruhen und Unterbrecht] ng der Verjährung

Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt ; wenn er die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tage, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt ; wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tage, an dem dieses Verhalten aufhört; bei rein militärischen Vergehen (Art. 62 bis 86) mit der Beendigung des Instruktion- oder aktiven Dienstes, während dessen das Vergehen verübt wurde.

53.

Die Verjährung ruht, solange der Täter im Auslande eine Freiheitsstrafe ersteht.

Die Verjährung wird unterbrochen durch jede Einvernahme des Beschuldigten in der Voruntersuchung, durch die Vorladung hierzu und durch die Vorladung vor das Gericht.

Das Vergehen ist in jedem Falle verjährt, wenn die ordentlich Verjährungsfrist um die Hälfte überschritten ist.

54.

2. VollstreckungsVerjährung Verjährungsfristen.

Die Strafen verjähren : Todesstrafe und lebenslängliche Zuchthausstrafe in dreissig Jahren ; Zuchthausstrafe von zehn oder mehr Jahren in fünfundzwanzig Jahren ;

423 Zuchthausstrafe von fünf bis zu zehn Jahren in zwanzig Jahren j Zuchthausstrafe von weniger als fünf Jahren in fünfzehn Jahren ; Gefängnis von mehr als einem Jahr in zehn Jahren; jede andere Strafe in fünf -Jahren.

55.

« Die Verjährung beginnt mit der Rechtskraft des Urteils, bei bedingter Verurteilung mit dem Ablauf der Probezeit.

dar

" rung

56.

Die Verjährung wird unterbrochen durch den Vollzug und Unterbrechung durch jede auf Vollstreckung der Strafe gerichtete Handlung der der Verjährung.

Behörde, der die Vollstreckung obliegt.

Die Strafe ist in jedem Falle verjährt, wenn die ordentliche Verjährungsfrist um die Hälfte überschritten ist.

IV. Die Rehabilitation 57.

Ist der Täter in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt wiedereisetzung worden und ist das Urteil seit mindestens drei Jahren vollzogen, so kann der Richter ihn auf sein Gesuch in die bürgerliche Ehrenfähigkeit wieder einsetzen, wenn sein Verhalten dies rechtfertigt und wenn er den gerichtlich festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt hat.

58.

Ist der Täter zu Amtsentsetzung verurteilt worden und ist wiedereisetzung das Urteil seit mindestens drei Jahren vollzogen, so kann der in der Wählbarkeit Richter ihn auf sein Gesuch zu einem Amte wieder wählbar zu einem Amteerklären, wenn sein Verhalten dies rechtfertigt und wenn er den gerichtlich festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt hat.

424 59.

Lockung de» ist der Täter zu einer Freiheitsstrafe oder zu einer Busse Strafregister verurteilt worden und sind seit Vollzug des Urteils bei Zuchthausstrafe mindestens fünfzehn Jahre, bei andern Strafen mindestens zehn Jahre verflossen, so kann der Richter auf Gesuch des Verurteilten die Löschung des Urteils im Strafregister verfügen, wenn das Verhalten des Verurteilten dies rechtfertigt und wenn er den gerichtlich festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt hat.

60.

Gemeinsame Der Erstehung der Strafe wird der Erlass durch Begnadigung Bestimmung.

gleichgestellt.

Erklärung gesetzlicher Ausdrücke.

61.

Für den Sprachgebrauch dieses Gesetzes gilt: 1. A k t i v e r D i e n s t ist der Dienst zur Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes gegen aussen oder zur Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern.

2. K r i e g s z e i t e n sind, wenn die Schweiz sich im Kriege befindet oder wenn der" Bundesrat bei Kriegsgefahr erklärt, das» die für Kriegszeiten aufgestellten Bestimmungen anzuwenden sind.

3. Eine Truppe steht vor d e m F e i n d e , wenn in Erwartung eines Zusammentreffens mit dem Feinde der Sicherheitsdienst begonnen hat.

4. H ö h e r e r ist jeder, der einen Grad bekleidet, gegenüber dem im Grad Nachstehenden und gegenüber dem Soldaten.

- V o r g e s e t z t e r ist jeder, dem Befehlsgewalt über einen andern zusteht. Vorgesetzte sind auch die höchsten Militärbehörden des Bundes und der Kantone, soweit sie berechtigt sind, einem Dienst- oder Stellungspflichtigen Befehle zu erteilen.

Besonderer Teil.

Erster Abschnitt.

Vergehen gegen die Pflicht der militärischen Unterordnung.

Ungehorsam

62.

1.. Wer einem an ihn oder an seine Truppe gerichteten Befehl in Dienstsachen nicht gehorcht, wird mit Gefängnis bestraft.

425 In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

2. In Kriegszeiten kann auf Zuchthaus erkannt werden. Auf Todesstrafe oder auf lebenslängliches Zuchthaus kann erkannt werden, wenn der Ungehorsam vor dem Feind erfolgt.

63.

1. Wer einen Vorgesetzten oder einen Höhern tätlich angreift oder bedroht, wer sich gegenüber einem Vorgesetzten oder der Verleumdung, der üblen Nachrede oder der schuldig macht, wird mit Zuchthans bis 7,u fünf Jahren oder bestraft.

' 2. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische

ïa

£rohnnff?"'

iMaiaignng.

einem Hohem · Beschimpfung mit Gefängnis Bestrafung.

64.

1. Wenn mehrere in gemeinsamem Vorgehen einem Befehl in Dienstsachen nicht gehorchen, einen Vorgesetzten oder einen Höhern tätlich angreifen oder bedrohen, wenn mehrere sich zusammenrotten, um einem Befehl in Dienstsachen nicht zu gehorchen, einen Vorgesetzten oder Höhern tätlich anzugreifen oder zu bedrohen, so wird jeder an der Meuterei Beteiligte mit Zuchthaus oder mit Gefängnis bestraft.

Die Rädelsführer werden schwerer bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung. Disziplinarische Bestrafung der Rädelsführer ist ausgeschlossen.

2. Wird die Meuterei vor dem Feinde begangen, so kann gegen die Rädelsführer auf Todesstrafe oder auf lebenslängliches Zuchthaus erkannt werden.

MenteTM.

65.

Die Verabredung zur Meuterei wird, wenn die Meuterei ^"jj^t"^ nicht ausgebrochen ist, mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

In Kriegszeiten kann auf Zuchthaus erkannt werden. ·

426 66.

Vergehen gegen eine Wache.

Ungehorsam, Tätlichkeiten, Drohungen, Beschimpfungen oder Meuterei, die sich gegen eine militärische Wache richten, werden gleich bestraft, wie wenn die Handlung gegenüber einem Vorgesetzten oder einem Höhern begangen worden wäre.

Zweiter Abschnitt.

Missbrauch der Dienstgewalt.

67.

Missbrau gew

Wer die ihm zustehende Befehlsgewalt über erneu Untergebenen zu Befehlen oder zu Begehren missbraucht, die in keiner Beziehung zum Dienste stehen, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

68.

Überschreitung Wer die ihm zustehende Disziplinarstrafgewalt über einen er trafgewal . Untergebenen überschreitet, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

69.

Unterdrückung

einer Beschwerde.

1. Wer eine von einem Untergebenen eingereichte Beschwerde , ,,.

,» .

, , . , , , , .. , , , oder eine Strafanzeige, in der Absicht, sie zu unterdrücken, zurückbehält oder beseitigt, wer über eine Beschwerde wissentlich einen unwahren Bericht erstattet, wird mit Gefängnis bestraft.

2. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

A

70.

Befehlsanmassung.

Wer, ohne Befehls- oder Strafgewalt zu besitzen, sich eine Gewalt anmasst, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

solche

427 71.

1. Wer einen Untergebenen tätlich angreift oder bedroht, Tätlichkeiten, Drohung wer sich gegenüber einem Untergebenen der Verleumdung, Beleidigung.

der üblen Nachrede oder der Beschimpfung schuldig macht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Dritter Abschnitt.

Dienstverletzungen.

'72.

Wer ein Reglement oder eine andere allgemeine Dienst- Nichtbefolgung Vorschrift nicht befolgt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Mo- Vorschriften.

naten bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

, In Kriegszeiten kann auf Zuchthaus erkannt werden.

73.

1. Wer Waffen, Munition, Ausrüstungsgegenstände, Pferde, Missbräuchliche Fuhrwerke oder andere ihm dienstlich anvertraute oder überlassene vonMaterial Sachen missbräuchlich verwendet, veräussert, verpfändet, beiseiteschafft, im Stiche lässt, vorsätzlich oder fahrlässig beschädigt oder zugrunde gehen lässt, wer solche ihm zugängliche Sachen missbräuchlich verwendet, wird, sofern keine andere Strafbestimmung zutrifft, mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

2. In Kriegszeiten kann auf Zuchthaus erkannt werden.

74.

Wer vor dem Feinde aus Furcht vor persönlicher Gefahr sich versteckt hält, flieht oder eigenmächtig seinen Posten verlässt, wird mit dem Tode oder mit Zuchthaus bestraft.

Feigheit,

75.

1. Wer sich vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit ausserstand Wachtvergehen.

setzt, seine Dienstpflichten als Wache zu erfüllen.

425

wer eigenmächtig seinen Wachtposten verlässt oder sonst den Vorschriften über den Wachtdienst zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

2. In Kriegszeiten kann auf Zuchthaus erkannt werden.

Auf Todesstrafe oder auf lebenslängliches Zuchthaus kann erkannt werden, wenn das Vergehen vor dem Feinde erfolgt.

76.

Gefährdung des Wer ohne genügende dienstliche Veranlassung und gewissenlos untergebenen, das Leben eines Untergebenen gefährdet, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

77.

Verletzung des Wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in dienstlicher oder ""niìfsefl6"" amtlicher Eigenschaft anvertraut wird, oder das er in seiner dienstlichen oder amtlichen Stellung wahrnimmt, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Die Offenbarung mit Einwilligung des Vorgesetzten ist nicht strafbar.

78.

Fälschung 1. Wer ein Aktenstück, das dienstliche Bedeutung hat. fälscht dienstlicher j «.. » i .

' Aktenstacke, oder verfälscht, wer ein solches von einem Dritten gefälschtes oder verfälschtes Aktenstück zur Täuschung gebraucht, wer ein solches Aktenstück unbefugt unterdrückt, wird mit Gefängnis bestraft.

2. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

7».

vo^vtrÄ

61 votl

em

^ ' ^ Vorhaben einer Meuterei (Art. 64), eines Ausreissens (Art. 84) oder einer Verräterei (Art. 87 bis 92) zu einer Zeit, da das Vergehen verhütet oder unschädlich gemacht werden kann, Kenntnis erhält und die Erstattung einer Anzeige unterlagst, wird, wenn das Vergehen ausgeführt oder versucht wurde, mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Steht der Täter in so nahen Beziehungen zu dem Begünstigten, dass sein Verhalten entschuldbar ist, so bleibt er straflos.

429 80.

1. Wer in selbstverschuldeter Trunkenheit öffentliches Ärgernis erregt, wer infolge selbstverschuldeter Trunkenheit u nzurechnungsfähig ist und in diesem Zustand eine als Vergehen bedrohte Tat verübt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.

2. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Trunkenheit.

81.

Mit dem Tode oder mit Zuchthaus wird bestraft: der Kommandant einer Festung oder eines andern befestigten Platzes, der kapituliert, ohne zuvor alle Verteidigungsmittel erschöpft zu haben; der Kommandant einer Truppe, der im Kampf seinen Posten verlässt oder sich mit seiner Truppe ergibt, ohne zuvor alles getan zu haben, was die Erfüllung seiner Dienstpflichten von ihm erforderte.

Kapitulat ion.

Vierter Abschnitt.

Vergehen gegen die Dienstpflicht.

82.

Wer, in der Absicht, sich der Dienstpflicht zu entziehen, einem Aufgebot nicht gehorcht, wird mit Gefängnis bestraft.

In Zeiten eines aktiven Dienstes kann auf Zuchthaus erkannt werden.

Stellt sich der Täter aus eigenem Antrieb zum Dienst, so kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (Art. 47).

Dienstig erung

83.

Wer. ohne die Absicht, sich der Dienstpflicht zu entziehen, . l , . , i i , · /-, .· ' einem Aufgebot nicht gehorcht, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

In Zeiten eines aktiven Dienstes kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden.

Dienst-

Versäumnis.

430 84.

Auäreisäen.

Uuorlaiibt« Entfernung.

Unerlaubtes Wegbleiben.

Wer, in der Absicht, sich der Dienstpflicht zu entziehen, eigenmächtig seine Truppe oder seine Dienststellung verlässt, oder nach einer rechtmässigen Abwesenheit nicht mehr zurückkehrt, wird mit Gefängnis bestraft.

Erfolgt das Ausreissen in Zeiten eines aktiven Dienstes, so kann auf Zuchthaus erkannt werden.

Geht der Ausreisser zum Feinde über, so wird er mit dem Tode bestraft.

85.

Wer, ohne die Absicht, sich der Dienstpflicht zu entziehen, sich eigenmächtig von seiner Truppe oder aus seiner Dienststellung entfernt, oder einen ihm erteilten Urlaub überschreitet, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

In Zeiten eines aktiven Dienstes kann auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren erkannt werden.

86.

Wer es in Kriegszeiten unterlässt, sich der Truppe, von welcher er abgekommen ist, oder der nächsten Truppe wiederanzuschliessen, wer es unterlässt, nach beendigter Kriegsgefangenschaft sich unverzüglich bei einem Truppenteile oder bei einer militärischen Stelle zu melden, wird mit Gefängnis bestraft.

Fünfter Abschnitt.

Vergehen gegen die Landesverteidigung und gegen die Wehrkraft des Landes.

87.

1. Wer Tatsachen, Vorkehren oder Gegenstände, die mit Rücksicht auf die Landesverteidigung geheim gehalten werden, ausspäht, um sie einem fremden Staate, dessen Agenten oder der Gehuimnigse. Öffentlichkeit bekannt oder zugänglich zu machen,

1. Verraterei.

LandeaverrSterische Verletzung militärischer

431 wer vorsätzlich Tatsachen, Vorkehren oder Gegenstände, die mit Rücksicht auf die Landesverteidigung geheim gehalten werden, einem fremden Staate, dessen Agenten oder dor Öffentlichkeit bekannt oder zugänglich macht, wird mit Zuchthaus bestraft.

2. Werden diese Handlungen in Zeiten eines aktiven Dienstes verübt, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter drei Jahren. Stört oder gefährdet der Täter durch diese Handlungen die Unternehmungen des schweizerischen Heeres, so kann auf Todesstrafe oder auf lebenslängliches Zuchthaus erkannt werden.

3. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

88.

1. Wer vorsätzlich in Zeiten eines aktiven Dienstes die Unternehmungen des schweizerischen Heeres unmittelbar stört oder gefährdet, wer insbesondere die dem Heere dienenden Verkehrs- oder Nachrichtenmittel, Anlagen oder Sachen beschädigt oder vernichtet, oder den Betrieb von Anstalten, die dem Heere dienen, hindert oder stört, wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

2. Wer vorsätzlich in Zeiten eines aktiven Dienstes die Unternehmungen des schweizerischen Heeres mittelbar stört oder gefährdet, wer insbesondere die öffentliche Ordnung stört oder Betriebe, die für die Allgemeinheit oder die Heeresverwaltungwichtig sind, hindert oder stört, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

3. In schweren Fällen kann auf Todesstrafe oder auf lebenslängliches Zuchthaus erkannt werden.

4. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

Militärischer Landesverrat.

89.

Wer in Kriegszeiten Feindseligkeiten gegen das schweizerische Franktireur.

Heer unternimmt, ohne zu der von der Schweiz anerkannten bewaffneten Macht des Gegners zu gehören, wird mit dem Tode ' oder mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

90.

Wer vorsätzlich in Zeiten eines aktiven Dienstes die Unter- ,,Jjjjj^f"].

nehmungen des schweizerischen Heeres durch Verbreitung un- Nachrichtonverbreitnng.

432 wahrer Nachrichten stört oder gefährdet, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter zwei Monaten bestraft.

Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

91.

Landesverräterische

Waffenhülfe

er

D Schweizer, der, ohne dazu gezwungen zu sein, in einem Kriege die Waffen gegen die Eidgenossenschaft trägt oder in ein feindliches Heer eintritt, wird mit dem Tode oder mit Zuchthaus bestraft.

92.

Laudes1. Wer Gegenstände, die der Landesverteidigung dienen, dem Begünstigung Feinde überliefert, wer durch Dienstleistungen oder Lieferungen den Feind begünstigt, wer bei einer Anleihe eines feindlichen Staates mitwirkt oder auf sie zeichnet, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

2. In schweren Fällen kann auf Todesstrafe oder auf lebenslängliches Zuchthaus erkannt werden.

93.

2. NeutralitätsWer vom neutralen Gebiet der Schweiz aus Feindseligverletzungen Feindliche Unter- keiten gegen einen Kriegführenden unternimmt oder unterstützt, hmungen gegen einen Krieg wer Feindseligkeiten gegen in die Schweiz zugelassene fremde f ührenden oder gegen fremde Truppen unternimmt, Truppen wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis bestraft.

94.

Nachrichten1. Wer im Gebiet der Schweiz für einen fremden Staat zum fremde gegen Staatenn Nachteil eines fremden Staates militärischen Nachrichtendienst betreibt, wer solchem Nachrichtendienste Vorschub leistet, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

2. In schweren Fällen kann auf Zuchthaus erkannt werden.

3. Die Korrespondenz und das Material werden eingezogen.

433

95.

Wer einen Schweizer für fremden Militärdienst anwirbt 3. Schwächung der Wehrkraft «der ihn zum Zweck der Anwerbung einem Werber zuführt, wird mit Falschwerbung Gefängnis nicht unter einem Monat und mit Busse bestraft.

In Kriegszeiten ist die Strafe Zuchthaus.

96.

1. Wer sich durch Verstümmelung oder auf andere Weise Verstümmelung, zur Erfüllung der Militärdienstpflicht bleibend oder zeitweise, ganz oder zum Teil, untauglich macht oder untauglich machen lässt, wen einen andern, mit dessen Einwilligung, durch Verstümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Militärdienstpflicht bleibend oder zeitweise, ganz oder zum Teil, untauglich macht, wird mit Gefängnis bestraft.

2. In Kriegszeiten kann auf Zuchthaus erkannt werden.

97.

Wer in der Absicht, sich oder einen andern der Erfüllung der Militärdienstpflicht bleibend oder zeitweise zu entziehen, gegenüber den zuständigen militärischen oder bürgerlichen Behörden oder Stellen auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Dienstpflichtbetrung

98.

1. Wer vorsätzlich in Zeiten eines aktiven Dienstes einen Vertrag über die Lieferung von Heeresbedürfnissen nicht oder nicht gehörig erfüllt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

Liegt der Nichterfüllung Fahrlässigkeit zugrunde, so ist die Strafe Gefängnis.

2. Dieselben Strafen treffen Unterlieferanten, Vermittler oder Angestellte, die die Verletzung des Vertrags verschulden.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. V.

30

von

434

99.

4

* Störung der 1. Wer öffentlich zum Ungehorsam gegen militärische Bcsicherheit. fehle, zur Dienstverletzung, zur Dienstverweigerung oder zum Ausreissen auffordert, militärischen wer einen Dienstpflichtigen zu einem Vergehen verleitet.

Vergehen.

, · i i ·A A -i das durch die Militärgerichte zu beurteilen ist, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Geht die Aufforderung auf Meuterei oder wird zu Meuterei verleitet, so ist die Strafe Zuchthaus oder Gefängnis.

3. Erfolgt die Aufforderung oder die Verleitung vor dem Feinde, so wird der Täter mit Zuchthaus bestraft.

100.

Störung des Militärdienstes W i Z eines aktiven Dienstes eine Militärperson in der Ausübung des Dienstes hindert oder stört, eine Militärperson, ohne dass sie dazu Anlass gibt, öffentlich beschimpft, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

er

n

eiten

101.

Veröffentlichung Wer in Zeiten eines aktiven Dienstes unwahre Darstellungen Darstellungen über Zustände oder Vorgänge im Heere veröffentlicht oder sonstwie über das Heer. verbreitet durch welche das Ansehen des Heeres geschädigt wird, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

102.

Verleitung von Wer einen Internierten oder einen Kriegsgefangenen zum Internierten und .

.

,, ,, · Kriegsgefangenen Ungehorsam gegen militärische Befehle oder zu einer Dienstungehorsam.

verleitet, wird mit Gefängnis bestraft.

zum verletzung Wer einen Internierten oder einen Kriegsgefangenen zu Meuterei verleitet, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis bestraft.

103.

Befreiung von 1. Wer mit Gewalt, Drohung oder List einen Internierten Internierten und Kriegsgefangenen. oder einen Kriegsgefangenen befreit oder ihm zur Flucht behülflich ist, wird mit Gefängnis bestraft.

435

2. Wird das Vergehen von einem zusammengerotteten Haufen begangen, so wird jeder, der an der Zusammenrottung teilnimmt, mit Gefängnis bestraft.

Der Teilnehmer, der Gewalt an Personen oder Sachen verübt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

104.

Wer vorsätzlich Gegenstände, die mit Rücksicht auf die militärischer ??S,8t?nî* ° ' Landesverteidigung geheim gehalten werden, widerrechtlich an Geheimnis», · sich nimmt, abbildet oder vervielfältigt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

In Kriegszeiten ist die Strafe Zuchthaus.

Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

105.

Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit in Zeiten eines u°g*iOIes£TMB aktiven Dienstes den vom Bundesrat, vom eidgenössischen Militär- Anordnungen, département, von eidgenössischen Kommissären, von kantonalen Regierungen oder Militärbehörden, vom Armeekommando, von den Territorialkommandanten oder von andern zuständigen militärischen Stellen zur Wahrung der militärischen Interessen oder der Neutralität oder in Ausübung der ihnen zustehenden Polizeigewalt erlassenen, öffentlich bekanntgemachten allgemeinen Befehlen oder Verordnungen zuwiderhandelt, wird, sofern keine andere Strafbestimmung zutrifft, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

106.

Wer in Zeiten eines aktiven Dienstes den von einer mili- ^'^SJonS, tärischen Stelle oder Militärperson in Ausübung der ihnen zu- Anordnungen, stehenden Dienst- oder Polizeigewalt erlassenen besondern Anordnungen oder Weisungen zuwiderhandelt, wird, sofern keine andere Straf bestimmung zutrifft, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

436

Sechster Abschnitt.

Vergehen gegen das Völkerrecht im Kriege.

107.

WVerwendung unzulässiger Wer dem Feinde gegenüber Kampfmittel oder Kampfweise Kampfmittel, anwendet oder anwenden lässt, die im schweizerischen Heere ausdrücklich verboten sind, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft.

108.

Wer das Zeichen oder den Schutz des Roten Kreuzes zur Koten Kreuzes.

-» t · » t Vorbereitung oder zur Ausführung von Feindseligkeiten missbraucht, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft.

109.

Feindseligkeiten Wer gegen Personen, die unter dem Schutz des Roten Rote Kreuz. Kreuzes stehen, Feindseligkeiten verübt, wer Material, das unter dem Schutz des Roten Kreuzes steht, bei Anlass von Feindseligkeiten zerstört oder beschädigt, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Missbrauch des

Verletzung

völkerrechtlicher

.

110.

Wer einen Feind,' der die Waffen streckt oder sich sonst -

Pflichten gegen- nicht mehr zur Wehr setzt, tötet oder verwundet, wer e über wehrlosen und toten Feinden inen toten Feindverstümmelt, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft.

111.

Brach des Wer die Feindseligkeiten fortsetzt, nachdem er amtliche eines "waffen- Kenntnis vom Abschluss des Friedens oder eines Waffenstillstillstandes standes erhalten hat, wer sonstwie die ihm amtlich bekanntgegebenen Bedingungen eines Waffenstillstandes verletzt, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft.

112.

Vorgehen gegen einen

Wer einen feindlichen Parlamentär oder einen seiner BeParlamentär. gleiter misshandelt, beschimpft oder ohne Grund zurückhält, wird mit Gefängnis bestraft.

437

Siebenter Abschnitt.

Vergehen gegen Leib und Leben.

113.

Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.

114.

Tötet der Täter aus Mordlust, aus Habgier, um die Verübung eines andern Vergehens zu verdecken oder zu erleichtern, mit besonderer Grausamkeit, heimtückisch, durch Feuer, Sprengstoff oder andere Mittel, die geeignet sind, Leib und Leben vieler Menschen zu gefährden, so wird er mit lebenslänglichem Zuchthaus, in Kriegszeiten mit dem Tode bestraft.

115.

Tötet der Täter in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung, so wird er mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren bestraft..

vonKSuS» Tötung.

Mord.

Totschlag.

116.

Wer einen Menschen auf sein dringendes und ernstliches Verlangen tötet, wird mit Gefängnis bestraft.

Tötung au/ Verlangen.

117.

Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbst- Verleitung und mord verleitet oder ihm dazu Hülfe leistet, wird, wenn der Selbst- seibstmorf.

mord ausgeführt oder versucht wurde, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

118.

Wer den Tod eines Menschen fahrlässig verursacht, wird mit Gefängnis bestraft.

Verletzt der Täter durch die Fahrlässigkeit eine Pflicht, die ihm durch seine dienstliche Stellung, sein Amt, seinen Beruf oder sein Gewerbe auferlegt ist, so ist die Strafe Gefängnis von einem Monat bis zu fünf Jahren. Neben der Gefängnisstrafe kann der Richter auf Busse erkennen.

falirlilsüige Tötung.

438

119.

2. Körperverletzung Schwere Körperverletzung.

1. Wer vorsätzlich einen Menschen lebensgefährlich verletzt, vorsätzlich einen Körperteil, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, siech oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt, wer vorsätzlich eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

wer

2. Stirbt der Verletzte an den Folgen der Körperverletzung und konnte der Täter diesen Erfolg voraussehen, so ist die Strafe Zuchthaus.

120.

Einfache Körper1. Wer vorsätzlich gegen einen Menschen tätlich wird oder ver e tzung ihn an Körper oder Gesundheit schädigt, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

2. Hat der Täter eine schwere Körperverletzung verursacht und konnte er diesen Erfolg voraussehen, so wird er mit Gefängnis von zwei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

3. Stirbt der Verletzte an den Folgen der Körperverletzung und konnte der Täter diesen Erfolg voraussehen, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren.

121.

Bringe Folgen Hat der Täter die schwere Folge, dio er verursacht, weder einer Körperverletzung. verursachen wollen noch voraussehen können, so gilt für ihn die Strafe der Körperverletzung, die er verursachen wollte.

122.

Fahrlässige Körperverletzung. mit

1. Wer eine Körperverletzung fahrlässig verursacht, wird Gefängnis

bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

439 2. Ist die Körperverletzung schwer, oder verletzt der Täter durch die Fahrlässigkeit eine Pflicht, die ihm durch seine dienstliche Stellung, sein Amt, seinen Beruf oder sein Gewerbe auferlegt ist, so ist die Strafe Gefängnis von einem Monat bis zu fünf Jahren. Neben der Gefängnisstrafe kann der Richter auf Busse erkennen.

123.

1. Wer jemanden zum Zweikampf mit Waffen herausfordert, 3. Gefährdung von Leib und Leben.

wer eine solche Herausforderung annimmt, Herausforderung zum Zweikampf wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

2. Der Täter, der das Zustandekommen des Zweikampfes verhindert, bleibt straflos.

124.

Wer jemanden zum Zweikampf mit einem andern aufreizt, Aufreizung zum Zweika wird mit Gefängnis bestraft.

125.

1. Der Zweikampf mit Waffen wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft.

Die Strafe ist Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren, wenn nach der Verabredung der Zweikampf den Tod eines der Kämpfenden herbeiführen soll.

2. Wer den Regeln des Zweikampfes wissentlich zuwiderhandelt und seinen Gegner infolgedessen tötet oder verletzt, wird wegen Tötung oder Körperverletzung bestraft.

3. Strafbar wegen Teilnahme am Zweikampf sind Sekundanten, Zeugen, Ärzte und andere Teilnehmer nur, wenn sie zum Zweikampf aufgereizt haben.

126.

Wer sich an einem Raufhandel beteiligt und nicht bloss abwehrt oder scheidet, wird wegen dieser Beteiligung mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Zweikampf

Kaufhandel.

440

Achter Abschnitt.

Vergehen gegen das Vermögen.

i. vergehen Eigentum?

Pietotuhi.

R««*1-

127.

1. Wer eine fremde bewegliche Sache jemandem wegnimmt.

um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Der Dieb wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft, wenn er einen Vorgesetzten oder Höheren, einen Untergebenen oder einen Kameraden bestiehlt, wenn er den Diebstahl in einem Räume begeht, zu dem er infolge Kantonierung oder Einquartierung erleichterten Zutritt hat.

3. Der Dieb wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft, · wenn er den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, wenn er das Stehlen gewerbsmässig betreibt, wenn der Diebstahl auf andere Weise die besondere Gefährlichkeit des Täters offenbart.

4. Entwendet der Täter eine Sache von geringem Wert aus Not, Leichtsinn oder zur Befriedigung eines Gelüstes, so kann disziplinarische Bestrafung- erfolgen.

128.

1. Wer in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, oder wer, auf einem Diebstahl betreten, an einer P°erson Gewalt verübt, sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Loben bedroht oder sie in anderer Weise zum Widerstand unfähig macht, wird mit Zuchthaus bestraft.

2. Der Räuber wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft, wenn er jemanden mit dem Tode bedroht, oder wenn er eine schwere Körperverletzung verübt, wenn er den Raub als Mitglied einer Bande ausführt, wenn der Raub auf andere Weise die besondere Gefährlichkeit des Täters offenbart.

Auf lebenslängliches Zuchthaus und in Kriegszeiten auf Todesstrafe kann erkannt werden, wenn der Täter gegen eine Perso» mit besonderer Grausamkeit handelt.

441

129.

1. Wer sich eine ihm anvertraute Iremde bewegliche Sache Veruntreuung.

aneignet, um sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet, wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft.

2. Der Täter kann mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft werden, wenn er die Veruntreuung gegenüber einem Vorgesetzten oder Höheren oder einem Kameraden, gegenüber seinem Quartiergeber oder einer zu dessen Hausstand gehörigen Person begeht, wenn er eine ihm dienstlich anvertraute Sache veruntreut.

3. Veruntreut der Täter eine Sache von geringem Wert aus'Not, Leichtsinn oder zur Befriedigung eines Gelüstes, so kann disziplinarische Bestrafung erfolgen.

130.

1. Wer, um sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, ^"a^f^**' eine fremde bewegliche Sache, die ihm durch Naturgevvalt, schUgung.

Irrtum, Zufall oder sonst ohne seinen Willen zugekommen ist, oder ein fremdes Tier, das in seinen Gewahrsam geraten ist, sich aneignet, eine fremde bewegliche Sache, die er gefunden hai, sidi aneignet, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

2. Wenn der Eigentümer der gefundenen Sache nicht ermittelt werden kann, so verfällt die Sache oder deren Wert dem Bund.

131.

Wer ohne ßereicherungsabsicht eine bewegliche Sache dem Berechtigten entzieht und ihn dadurch schädigt, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

132.

Wer eine Sache, von der er weiss oder annehmen muss, dass sie durch eine strafbare Handlung erlangt worden ist, er-

Sacll

»«*zi«i»i" g-

HehleTM,

442

wirbt, sich schenken lässt, zum Pfände nimmt, verheimlicht oder absetzen hilft, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Der Täter wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er die Hehlerei gewerbsmässig betreibt.

Sach-

beschadigung.

133.

Wer eine fremde Sache beschädigt, zerstört oder unbrauchi bar macht, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Verursacht der Täter aus gemeiner Gesinnung einen grossen Schaden, oder verwüstet er in Kriegszeiten aus Bosheit oder Mutwillen fremdes Eigentum, so ist die Strafe Zuchthaus.

134.

2. Vergehen Wer, in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmiissig 'ermvgensrechte zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung Db Betnigpt' von Tatsachen arglistig irreführt oder den Irrtum eines andern arglistig benutzt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, durch das dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

Der Täter kann mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft werden, wenn er den Betrug gegenüber einem Vorgesetzten, einem Untergebenen oder Kameraden, gegenüber seinem Quartiergeber oder einer zu dessen Hausstand gehörigen Person begeht.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Der Betrüger wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er den Betrug gewerbsmässig betreibt.

Erpressung.

135.

1. Wer jemanden durch Gewalt oder schwere Drohung, oder nachdem er ihn auf andere Weise zum Widerstand unfähig gemacht hat, nötigt, ihm oder einem andern einen unrechtmässigen Vermögensvorteil zu gewähren, wer jemanden durch die Ankündigung, er werde etwas bekanntmachen, anzeigen oder verraten, was ihm oder einer ihm

443

nahestehenden Person nachteilig ist, veranlagst, sein Schweigen durch Vermögensleistungen zu erkaufen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Der Täter wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er die Erpressung gewerbsmässig betreibt oder wenn er die Erpressung gegen die nämliche Person fortgesetzt verübt.

136.

Wer im Krieg eigenmächtig und ohne genügende Recht- 3. Miroda und fertigung Nahrungsmittel, Kleidungsstücke oder andere GegenMarca""8' stände wegnimmt, um sie zu gebrauchen, wird mit Gefängnis bestraft.

In. leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

137.

1. Wer im Kriege plündert, insbesondere unter Benützung Plünderung, des Kriegsschreckens fremdes Gut wegnimmt oder jemandem abnötigt oder Gewalt an fremdem Gute verübt, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter zwei Monaten bestraft.

Dieselbe Strafe trifft den Vorgesetzten, der seinen Untergebenen die Plünderung erlaubt oder gegen die Plünderung nicht einschreitet.

2. Verübt der Täter. Gewalt gegen eine Person, bedroht er sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben oder macht er sie io anderer Weise zum Widerstand ' unfähig, so wird er mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.

Auf Todesstrafe kann erkannt werden, wenn der Täter gegen eine Person mit besonderer Grausamkeit handelt.

138.

Wer sich auf dem Schlachtfeld in diebischer Absicht an einem im Kampfe Verwundeten oder Gefallenen vergreift, wird mit Zuchthaus bestraft.

Auf Todesstrafe kann erkannt werden, wenn der Täter gegen einen Verwundeten Gewalt verübt oder einen Toten verstümmelt.

Kriegsr»«!).

444

Neunter Abschnitt.

Bestechung und ungetreue Geschäftsführung.

139.

Sich bestechen l lassen

Bestechung.

Wer für eine Handlung, die eine Verletzung seiner militärischen oder amtlichen Pflichten enthält, ein Geschenk oder einen andern, ihm nicht gebührenden Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft. Mit der Freiheitsstrafe ist Busse zu verbinden.

Hat der Täter infolge der Bestechung eine militärische oder amtliche Pflicht verletzt, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Gefängnis nicht unter einem Monat.

140.

Wer einem Angehörigen des Heeres ein Geschenk oder einen andern Vorteil anbietet, verspricht, gibt oder zukommen lässt, damit er seine Dienstpflicht verletze, wird mit Gefängnis bestraft, womit Busse verbunden werden kann.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

141.

er

ür 6 ne

Annahme von Geschenken.

1. W f ' künftige, nicht pflichtwidrige dienstliche oder amtliche Handlung ein Geschenk oder einen andern ihm nicht gebührenden Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, wer von Lieferanten für Heeresbedürfnisse ein Geschenk oder einen andern ihm nicht gebührenden Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, wird mit Gefängnis bestraft.

2. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

3. Die Zuwendung, die der Täter empfangen hat. odor deren Wert verfällt dem Bund.

142.

Ungetreue Geschäftsführung.

1. Wer bei einem Geschäft der militärischen Verwaltung die Interessen, für die er zu sorgen hat, schädigt, insbesondere bei der Berechnung, Austeilung oder sonstigen Verwendung von Sold, Lebens- oder Futtermitteln, Munition oder andern Gegenständen des militärischen Bedarfs, wird mit Gefängnis bestraft.

44S

Handelt der, Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis. Mit der Freiheitsstrafe Jet Busse zu verbinden.

2. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Zehnter Abschnitt.

Vergehen gegen die Ehre.

143.

1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern Verleumdung.

eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung wider besseres Wissen verbreitet, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter einem Monat.

144.

1. Wer jemanden leichtfertig und nicht der Wahrheit gemäss üble Nachrede, bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung leichtfertig weiter verbreitet, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Zieht der Täter das, was er gesagt hat, vor dem Richter als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. Der Richter stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus.

2. Wer jemanden bei einem andern, zwar°der Wahrheit gemäss, aber ohne begründete Veranlassung und nur um ihm Übles vorzuwerfen, eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wird disziplinarisch bestraft.

446

145.

Der mündlichen Verleumdung und Nachrede ist die Äusseru durch Schrift, Bild, Gebärde oder durch andere Mittel gleichgestellt.

Gemeinsame Bestimmung.

146.

erleumdung u Richtet sich die Verleumdung oder üble Nachrede gegen Üble Nachrede r · gegen einen einen Verstorbenen, so bleibt der Täter straflos, wenn zur Zeit verstorbenen. der Tat mehr als dreissig Jahre seit dorn Tode des Verstorbenen verflossen sind.

V

nd

Beschimpfung.

147.

1. Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

2. Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann der Richter den Täter von Strafe befreien.

Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfungöder Tätlichkeit erwidert worden, so kann der Richter einen Täter oder beide von Strafe befreien.

Elfter Abschnitt.

Vergehen gegen die Freiheit.

Drohung.

Nötigung.

148.

Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

149.

Wer jemanden durch Gewalt oder schwere Drohung, oder nachdem er ihn auf andere Weise zum Widerstand unfähig gemacht hat, nötigt, etwas zu tun, zu .unterlassen oder zu dulden, w ir mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

447

150.

1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Der Täter wird mit Zuchthaus bestraft, wenn er der Person die Freiheit entzieht, um sie zur Unzucht zu misshrauchen oder der Unzucht zu überliefern, wenn er die Person grausam behandelt oder ihr über einen Monat die Freiheit entzieht.

151.

Wer in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Freiheitsberaubung.

Hausfriedensbruch.

Zwölfter Abschnitt.

Vergehen gegen die Sittlichkeit.

152.

Wer eine Frau mit Gewalt oder durch schwere Drohung zur Duldung des ausserehelichen Beischlafs zwingt, wird mit Zuchthaus bestraft.

Wer mit einer Frau den ausserehelichen Beischlaf vollzieht, nachdem er sie zu diesem Zwecke bewusstlos oder zum Widerstand unfähig gemacht hat, wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

Notzucht.

153.

Wer eine Person mit Gewalt oder durch schwere Drohung Nötigung zu einer O UBZUCntijf6tt oder nachdem er sie auf andere Weise zum Widerstand unfähig Handlung.

gemacht hat, zur Duldung oder zur Vornahme einer andern unzüchtigen Handlung zwingt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

448

154.

Schändung.

Unzucht mit Kindern.

Wer mit einer blödsinnigen oder geisteskranken oder mit einer bewusstlosen oder zum Widerstand unfähigen Frau, in Kenntnis ihres Zustandes, den ausserehelichen Beischlaf vollzieht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.

Wer mit einer blödsinnigen oder geisteskranken oder mit einer bewusstlosen oder zum Widerstand unfähigen Person, in Kenntnis ihres Zustandes, eine andere unzüchtige Handlung vonnimmt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Ge, fängnis bestraft.

155.

1. Wer ein Kind unter sechzehn Jahren zum Beischlaf oder zu einer ähnlichen Handlung missbraucht, wird mit Zuchthaus bestraft.

2. Wer mit einem Kinde unter sechzehn Jahren eine andere unzüchtige Handlung vornimmt, wer ein solches Kind zu einer unzüchtigen Handlung verleitet, wer eine unzüchtige Handlung vor einem solchen Kinde vornimmt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

156.

Gemeinsame Bestimmungen-

Öffentliche

H»n*iCimgfn.

Für diese Vergehen (Art. 152 bis 155) gelten folgende Bestimmungen : Stirbt die Person infolge der Tat und konnte der Täter diese Fo!ge voraussehen, so wird er mit Zuchthaus .nicht -unter fünf Jahren bestraft ; wird die Gesundheit der Person infolge der Tat schwer geschädigt und konnte der Täter diesen Erfolg voraussehen oder handelt der Täter unter Verübung von Grausamkeit, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter drei Jahren.

157.

Wer öffentlich eine unzüchtige Handlung begeht, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

449

Dreizehnter Abschnitt.

Gemeingefährliche Vergehen.

158.

1. Wer vorsätzlich eine Feuersbrunst verursacht, wird mit Brandstiftung.

Zuchthaus bestraft.

2. Der Täter wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft, wenn er durch die Brandstiftung wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr bringt, wenn er in Kriegszeiten durch die Brandstiftung dem Heere dienende Sachen zerstört.

3. Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Gefängnis erkannt werden.

4. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

159.

1. Wer vorsätzlich eine Explosion von Gas, Benzin, Petro- ^""E^Ì* leum oder ähnlichen Stoffen verursacht und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Zuchthaus bestraft.

Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Gefängois erkannt werden.

Zerstört der Täter in Kriegszeiten dem Heere dienende Sachen, so wird er mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

160.

Wer vorsätzlich und in verbrecherischer Absicht Spreng- Gefährdung durch stoffe gebraucht und dadurch wissentlich Leib und Leben von ' prengä Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Zuchthaus -bestraft.

Gebraucht der Täter Sprengbomben, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter fünf Jahren.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. V.

31

450 Zerstört der Täter in Kriegszeiten dem Heere dienende Sachen, so wird er mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestral't.

161.

Herstellen, ver1 Wer Sprengstoffe oder Sprengbomben herstellt, die, wie beigen und .

d L u · i n Weiterschaffen er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauch von Sprengstoffe... bestimmt sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

2. Wer Sprengstoffe oder Stoffe, die zu deren Herstellung geeignet sind, oder Sprengbomben sich verschafft, einem andern übergibt, von einem andern übernimmt, aufbewahrt, verbirgt oder weiterschafft, wird, wenn er weiss oder annehmen muss, dass sie zu verbrecherischem Gebrauch bestimmt sind, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

3. Wer jemandem, der, wie er weiss oder annehmen muss, einen verbrecherischen Gebrauch von Sprengstoffen oder Sprengbomben plant, zu der Herstellung von Sprengstoffen oder Sprengbomben Anleitung gibt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft. .

162.

Fahrlässige OeWer fahrlässig durch Sprengstoffe oder Sprengbomben Leib fährung durch t · i Sprengstoffe, und Leben von »> Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Gefängnis von einem Monat bis zu fünf Jahren bestraft.

163.

Verursachung l. Wer vorsätzlich eine Überschwemmung oder den Einsturz schwemmung oder eines Bauwerkes oder von Erd- oder Felsmassen verursacht und eines Einsturzes. dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Zuchthaus bestraft.

Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Gefängnis erkannt werden.

Zerstört der Täter in Kriegszeiten dem Heere dienende Sachen, so wird er mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

451

164.

1. Wer vorsätzlich . , . .

elektrische Anlagen, Wasserbauten, namentlich Dämme, Wehre, Deiche, Schleusen, Schutzvorrichtungen gegen Naturereignisse, so gegen Bergstürz oder Lawinen, zerstört oder beschädigt und dadurch wissentlich Leib uud Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Zuchthaus bestraft.

Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Gefängnis erkannt werden.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Beschädigung Anlagen, von · ,,^To^schntzVorrichtungen,

von elektrischen

165.

1. Wer vorsätzlich eine gefährliche übertragbare menschliche Verbreiten Krankheit verbreitet, wird mit Gefängnis von einem Monat, bis gefährlicher zu fünf Jahren bestraft.

' Krankheiten, Hat der Täter aus gemeiner Gesinnung gehandelt, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

166.

1. Wer vorsätzlich eine Seuche unter Haustieren verbreitet, Verleiten einer wird mit Gefängnis bestraft.

Viehseuche.

Hat der Täter aus gemeiner Gesinnung einen grossen Schaden verursacht, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

167.

Wer vorsätzlich das Trinkwasser für Menschen oder Haus- ^TMTM££$TMeg tiere mit gesundheitsschädlichen Stoffen verunreinigt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

452 168.

Störung des Wer vorsätzlich den Eisenbahnverkehr hindert oder stört Yerkeiìrs!" und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, namentlich wer die Gefahr einer Entgleisung oder eines Zusammenstosses herbeiführt, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

169.

Störung von 1. Wer vorsätzlich den Betrieb einer öffentlichen Verkehrsa ^Allgemeinheit anstatt, namentlich den Eisenbahn-, Post-, Telegraphen- oder Teledienen.

phonbetrieb hindert oder stört, wer vorsätzlich den Betrieb einer zur allgemeinen Versorgung mit Wasser, Licht, Kraft oder Wärme dienenden Anstalt oder Anlage hindert oder stört, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Vierzehnter Abschnitt.

Urkundenfälschung.

Urkundenmischiine.

170.

l. Wer, um iemanden am Vermögen oder an anderà Rechten , , .

, . , i · i · i , zu schädigen oder um sich oder einem andern einen unrechtmassigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde fälscht oder verfälscht oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unwahren Urkunde benützt, wer eine von einem Dritten hergestellte Urkunde dieser Art zur Täuschung gebraucht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Betrifft die Fälschung oder der Missbrauch ein öffentliches Register, eine öffentliche Urkunde, eine eigenhändige letztwillige Verfügung, ein Emissionspapier, einen Wechsel oder ein anderes Orderpapier, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten.

453 171.

Wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Vorgesetzter, ein einer Erschleichung falschen n i · -ce il- L m u Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlichu Beurkundung, erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, wer eine so erschlichene Urkunde gebraucht, um einen andern über die darin beurkundete Tatsache zu täuschen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

172.

Wer eine Urkunde vernichtet, beschädigt, beiseiteschafft oder Unterdrückung von , , i ,-. i Urkunden.

entwendet, um jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder um sich oder einem andern einen unrechtmassigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

173.

U r k u n d e n sind Schriften, die bestimmt oder geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen.

Ö f f e n t l i c h e U r k u n d e n sind die von einer Behörde, die von einem Beamten kraft seines Amtes und die von einer Person öffentlichen Glaubens in dieser Eigenschaft ausgestellten Urkunden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Schriftstücke, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlichrechtlicher Verbände in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt worden sind.

Gemeinsame Bestimmung.

Fünfzehnter Abschnitt.

Vergehen gegen die Rechtspflege.

174.

Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzuge oder Begünstigung, dem Vollzuge einer andern strafrichterlichen Massnahme entzieht, wird mit Gefängnis bestraft.

In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.

Steht der Täter in so nahen Beziehungen zu dem Begünstigten, dass sein Verhalten entschuldbar ist, so bleibt er straflos. .

454 Befreiung von · Gefangenen.

Falsche

Anschuldigung.

175.

1. Wer mit Gewalt, Drohung oder List einen Arrestanten, einen Verhafteten oder einen Gefangenen befreit, oder ihm zur Flucht behülflich ist, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Wird das Vergehen von einem zusammengerotteten Haufen begangen, so wird jeder, der an der Zusammenrottung teilnimmt, mit Gefängnis bestraft.

Der Teilnehmer, der Gewalt an Personen oder Sachen verübt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

176.

Wer einen Nichtschuldigen wider . besseres Wissen bei .

_r , , , .

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_,, ,.

eraem Vorgesetzten oder einer andern militärischen Stelle eines Vergehens beschuldigt, um eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen, wer in anderer Weise arglistige Veranstaltungen trifft, um eine Strafverfolgung gegen einen Nichtschuldigen herbeizuführen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft. Der Täter wird in jedem Falle in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt.

177.

Falsches zeugma, i. \\rer in einem militärgerichtlichen Verfahren als Zeuge, achten, falsche Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch Übersetzung. augsägt) ejnen faischen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis, nicht unter drei Monaten bestraft.

Bezieht sich die falsche Äussernng auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Gefängnis bis zu sechs Monaten.

2. Beschuldigt ein Zeuge durch sein Zeugnis den Angeschul^ digten wider besseres Wissen eines Vergehens, so wird er mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft. Der Täter wird in jedem Fall in der bürgerlichen Ehrenfäbigkeit eingestellt.

3. Berichtigt der Täter seine falsche Äusserung aus freiem Antrieb und bevor durch sie ein Rechtsnachteil für einen andern entstanden ist, so kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (Art. 47) oder von einer Bestrafung Umgang nehmen.

455

Zweites Buch: Disziplinarstrafordnung.

Erster Abschnitt, Allgemeine Bestimmungen.

178.

Einen Disziplinarfehler begeht, wer den Befehlen der Vor- Diszipiinarfehier.

gesetzten, den allgemeinen Dienstvorschriften oder überhaupt der militärischen Zucht und Ordnung zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht als Vergehen strafbar ist.

179.

Strafbar ist nur, wer schuldhaft handelt. Auch bei blosser Fahrlässigkeit kann Bestrafung eintreten.

180.

Soweit eine Person dem Militärstrafrecht untersteht, ist sie auch der Disziplinarstrafordnung unterworfen.

Zivilpersonen, die bei der Truppe oder zur Bedienungeinzelner zum Heere gehöriger Personen angestellt sind, unterstehen auch während eines Instruktionsdienstes der Disziplinarstrafordnung.

181.

1. Ein Djsziplinarfehler verjährt sich in sechs Monaten.

Findet wegen der Tat ein gerichtliches Verfahren statt, so ruht während seiner Dauer die Verjährung.

2. Die wegen eines Disziplinarfehlers ausgesprochenen Strafen verjähren in sechs Monaten.

3. Eine Unterbrechung der Verjährung findet nicht statt.

schuia.

Persönliche e uns '

Verjährung.

Zweiter Abschnitt.

Disziplinarstrafen und Massnahmen.

/. Die einseinen Strafen und Massnahmen.

182.

Der Verweis als Disziplinarstrafe wird schriftlich oder in Gegenwart von mindestens zwei im Grade gleichen oder höhern Militärpersonen erteilt.

'· v«'««1*-

456

183.

2. FreiheitsDer einfache Arrest besteht in der Einschliessung des BeEintacher Arrest, straften in einem als Arrestlokal bezeichneten besonderen Raum, der nicht für den Vollzug des scharfen Arrestes verwendet wird.

Der Arrestant leistet den Dienst.

Die kürzeste Dauer der Strafe ist ein Tag, die längste Dauer zehn Tage.

Die Überwachung und die Sorge für den Unterhalt des Arrestanten liegt der Wache ob.

Offiziere sitzen den einfachen Arrest im Zimmer ab. Sie dürfen keine Besuche empfangen. Unteroffiziere und Gefreite sitzen den Arrest in einem vom Arrestlokal der Soldaten getrennten Raum ab.

184.

scharfer Arrest.

Der scharfe Arrest ist Einzelhaft in einem besonders bezeichneten Raum. Der Vollzug der Strafe in einer Anstalt der bürgerlichen Behörden, in der Untersuchungs- oder Strafgefangene in Haft gehalten werden, ist unzulässig. Der Arrestant ist von der Leistung des Dienstes ausgeschlossen.

Die kürzeste Dauer der Strafe ist drei Tage, die längste Dauer zwanzig Tage.

Die Überwachung und die Sorge für den Unterhalt des Arrestanten liegt der Wache ob.

Offiziere sitzen den scharfen Arrest im Zimmer ab. Sie dürfen keine Besuche empfangen. Die Aufstellung einer Schildwache vor dem Zimmer kann angeordnet werden.

Der versäumte Dienst ist bei Instruktionsdienst nach Massgabe der über Dienstnachholung bestehenden Vorschriften, im aktiven Dienst nur auf Verfügung des Oberbefehlshabers der Armee nachzuholen.

185.

Vollzog der

Die Arreststrafen sind womöglich sofort und ohne Unterbrechung zu vollziehen. Es ist unzulässig, zur Erschwerung der Strafe den Vollzug auf die Zeit nach dem Dienst zu verschieben.

Lassen sich für den Vollzug des Arrestes keine geeigneten Räume finden, so haben Unteroffiziere, Gefreite und Soldaten den Arrest auf einer Wache abzusitzen.

Für den Marsch trifft der Vorgesetzte die erforderlichen Anordnungen.

457 186.

Auf allen Waffenplätzen müssen die nötigen Arrestlokale vorhanden sein.

Alle Arrestlokale sollen trocken sein, genügend Luft und Licht haben und überhaupt gesundheitspolizeilichen Anforderungen entsprechen.

Arrestlokale.

187.

Der Arrestant bezieht, auch wenn er Arrest ausserhalb des Sold, Notunterstützung, Militär Dienstes absitzt, Sold und Verpflegung.

versicherung Er ist gegen die Folgen von Krankheiten und Unfällen versichert nach Massgabe der Bestimmungen über die Militärversicherung.

Seine Angehörigen sind, wenn sie infolge des Vollzugs der Arreststrafe in Not geraten, gemäss Art. 22 ff. MO zu unterstützen.

188.

Hat sich ein Offizier, Unteroffizier oder Gefreiter seines Grades durch einen Disziplinarfehler unwürdig gemacht, so wird er neben oder anstatt einer andern Disziplinarstrafe des Grades entsetzt.

Der degradierte Offizier ist von der Erfüllung der Dienstpflicht ausgeschlossen. Er kann in Zeiten eines aktiven Dienstes durch Verfügung des Oberbefehlshabers der Armee wieder in den Dienst eingestellt werden.

Bei einem degradierten Unteroffizier oder Gefreiten entscheidet das eidgenössische Militärdepartement und in Zeiten eines aktiven Dienstes der Oberbefehlshaber der Armee darüber, ob der Degradierte weiter zu dienen hat.

3>

Degradtion.

189.

Zivilpersonen können, soweit sie der Disziplinarstrafordung 4. Disziplinarstrafen gegen unterstehen, mit Arrest oder mit Busse bis zu hundert Franken, Zivilpersonen, im Wiederholungsfälle bis zu zweihundert Franken, bestraft werden.

Gegenüber Internierten, Personen, die in Kriegszeiten dem Heere folgen, sowie gegenüber den bei der Truppe oder zur Bedienung einzelner zum Heere gehöriger Personen angestellten Zivilpersonen ist nur Arrest anwendbar.

458

190.

5. Bestimmungen Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Vollzug der Über Bussen, Einir n M -i i /-« Ziehung und Ver- Busse, die Verbindung von Busse und Freiheitsstrafe, (Art. 34

fall von Geschenken und 35), über die Einziehung (Art. 41) und den Verfall von Geschenken und andern Zuwendungen (Art. 42) finden entsprechende Anwendung.

191.

6. Ausschluss anAndere Disziplinarstrafen, als dieser Abschnitt sie vorsieht, derer Strafen.

, ,.. « · ,. · und 0Strafverschärfungen sind unzulässig.

//. Strafmass.

Strafzumessung.

192.

Die Art und "das Mass der Strafe sind nach dem Verschulden des Fehlbaren zu bestimmen. Dabei sind seine Beweggründe, sein Charakter, seine bisherige Führung und das verletzte Dienstinteresse zu berücksichtigen.

Dritter Abschnitt.

Zuständigkeit und Strafbefugnisse.

193.

t. Zuständigkeit.

Die Disziplinarstrafgewalt steht im Dienst den Vorgesetzten gegenüber ihren militärischen Untergebenen zu. Ebenso steht die Disziplinarstrafgewalt den Vorgesetzten zu gegenüber Personen, die einem bestimmten Kommando unterstellt sind (Internierte ; Personen, die in Kriegszeiten dem Heere folgen ; Kriegsgefangene), sowie gegenüber den bei der Truppe oder zur Bedienung einzelner zum Heere gehöriger Personen angestellten Zivilpersonen.

Für ausserhalb des Dienstes begangene Disziplinarfehler steht die Disziplinarstrafgewalt dem eidgenössischen Militärdepartement, seinen Abteilungschefs und den kantonalen Militärdirektionen zu.

In allen übrigen Fällen ist das eidgenössische Militärdepartement zuständig. In Zeiten eines aktiven Dienstes kann es seine Disziplinarstrafgewalt gegenüber Zivilpersonen ganz oder teilweise den Territorialkommanden übertragen.

459

194.

Bei Anständen über die Zuständigkeit bezeichnet das eid- Anstände über die Zuständigkeit e genössische Militärdepartement die zuständige Stelle, wenn der Anstand nicht durch einen gemeinsamen Vorgesetzten erledigt werden kann.

195.

Der Hauptmann kann verhängen :

2. Strafbefugniss

Verweis,

Hauptmann.

einfachen Arrest bis zu fünf Tagen.

196.

Der Major kann verhängen: Verweis, einfachen Arrest bis zu zehn Tagen, scharfen Arrest bis zu fünf Tagen.

Major.

197.

Der Oberstlieutenant kann verhängen:

Oberstlieutenant.

Verweis, einfachen oder scharfen Arrest bis zu zehn Tagen.

198.

Der Oberst kann verhängen: Verweis, einfachen Arrest bis zu zehn Tagen, scharfen Arrest bis zu fünfzehn Tagen.

Oberst

-

199.

1. Der Oberbefehlshaber der Armee, der Generalstabschef Oberste Kommandostellen und der Armee und die Kommandanten der Heereseinheiten, Militärbehörden.

das eidgenössische Militärdepartement und seine Abteilungschefs, die kantonalen Militärdirektionen können auf alle Disziplinarstrafen erkennen.

2. Die Degradation eines Offiziers kann jedoch nur durch das eidgenössische Militärdepartement und durch den Oberbefehlshaber der Armee ausgesprochen werden.

460

200.

Strafbefugnis nach dem KOM Offiziere, die ein höheres Kommando führen, als ihnen nach mando ihrem Grade zukommt, haben die ordentlicherweise mit dem Kommando verbundenen Strafbefugnisse.

Vierter Abschnitt.

Das Disziplinarverfahren.

201.

Feststellung des Ist dem Inhaber der Strafgewalt der Disziplinarfehler nicht Verteidigungs- aus eigener Wahrnehmung bekannt oder bestehen sonst Zweifel r echt des Beschuldigten über den Tatbestand, so hat eine Aufklärung durch mündliche Verhandlungen oder schriftliche Erkundigungen zu erfolgen.

Dem Beschuldigten ist Gelegenheit zu geben, seine Handlungsweise und die Beweggründe seines Verhaltens wenn möglich mündlich darzulegen.

In schweren und in zweifelhaften Fällen ist über die Feststellung des Tatbestandes ein Protokoll aufzunehmen. Der Inhaber der Strafgewalt unterzeichnet das Protokoll, der Beschuldigte seine Aussagen.

Meldung an

Ist ein Vorgesetzter

202.

oder eine militärische Behörde zur

zu an ge te e. Ahndung eines Disziplinarfehlers nicht zuständig oder reichen ihre Strafbefugnisse hierzu nicht aus, so ist der zuständigen Stelle unverzüglich Meldung zu erstatten.

203.

vorläufige Festnahme.

Wenn die Umstände es erfordern, kann jeder Vorgesetzte Höhere und jede militärische Behörde einen Fehlbaren vorläufig festnehmen lassen.

oder

204.

Mitteilung der Die Strafverfügung ist dem Beschuldigten mündlich oder ra ver ügung. schriftlich unter Hinweis auf den begangenen Disziplinarfehler mitzuteilen. Lautet die Verfügung auf zehn Tage scharfen Arrestes oder mehr oder auf Degradation, so ist sie dem Bestraften schriftlich unter Angabe der Gründe mitzuteilen.

461

205.

Eine Änderung der ausgesprochenen Strafe durch den Strafenden strafanderang.

selbst ist unzulässig.

Findet ein Vorgesetzter des Strafenden, dass die Strafverfolgung nicht angemessen sei, so kann er sie ändern oder aufheben.

206.

Bei jedem Stabe, jeder Einheit, in jeder Schule, jedem Kurs, bei den militärischen Behörden des Bundes und der Kantone sind Strafkontrollen zu führen.

Der Bundesrat regelt durch Verordnung die Einrichtung und Führung der Kontrollen und die Mitteilung der Eintragungen.

strafko

»trollen,

Fünfter Abschnitt.

Die Disziplinarbeschwerde.

207.

Gegen Verfügungen, durch die eine Disziplinarstrafe verhängt Zniässigkeie.

wird, kann vom Bestraften Beschwerde geführt werden.

Gegenüber einer vom eidgenössischen Militärdepartement oder vom Oberbefehlshaber der Armee ausgesprochenen Strafe ist keine Beschwerde zulässig.

208.

Die Beschwerde gegen die Strafverfügung des Vorgesetzten geht an den nächsthöhern Vorgesetzten im Dienst. Ist kein höherer Vorgesetzter im Dienst, so geht die Beschwerde an das eidgenössische Militärdepartement.

Die Beschwerde gegen die Straf Verfügung eines Territorialkommandanten, einer kantonalen Militärdirektion oder eines Abteilungsehefs des eidgenössischen Militärdepartements geht an dieses Departement.

Gegen den Entscheid über eine Beschwerde findet keine Weiterziehung statt.

209.

Die Beschwerde ist schriftlich einzureichen.

^^"f6"

· Form.

462

Absetzung des Strafvollzuges

210.

Die Erhebung der Beschwerde hemmt den Vollzug der strafe nicht

Die Beschwerdeinstanz ist jedoch befugt, den Vollzug der Strafe bis zur Fällung ihres Entscheides auszusetzen.

Diese Befugnis steht im Dienst auch dem Kommandanten der Einheit oder des Stabes, dem der Bestrafte angehört, zu.

211.

er

zur

Verfahren in der BeschwerdeD Entscheidung der Beschwerde zuständige Vorgesetzte Instanz.

gibt dem Untergebenen, dessen Strafverfügung angefochten ist, Gelegenheit, sich zu äussern. Er kann auch den Beschwerdeführer einvernehmen.

Ist das eidgenössische Militärdepartement Beschwerdeinstanz, so lässt es sich von der Stelle, deren Strafverfügung angefochten ist, schriftlich Bericht erstatten.

212.

M

itteilung des Entscheides

er

esc

D B hwerdeentscheid ist den Beteiligten schriftlich unter Angabe der Gründe mitzuteilen.

463

Drittes Buch : Einführung und Anwendung des Gesetzes.

Erster Abschnitt.

Verhältnis dieses Gesetzes zum bisherigen Recht.

213.

Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Verfolgungs- Verjährung.

und Vollstreckungsverjährung finden auch Anwendung, wenn vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Tat begangen oder eine Strafe erkannt worden ist, jedoch nur, wenn dieses Gesetz für den Täter günstiger ist als das frühere Gesetz.

Der vor Inkrafttreten dieses Gesetzes abgelaufene Zeitraum wird angerechnet.

214.

Für die Vollziehung von Strafurteilen, die auf Grund des ^"(fbäTM6 bisherigen Strafgesetzes ergangen sind, gilt: Strafurteile.

1. Ein Todesurteil darf nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr vollstreckt werden, wenn die Tat, für welche die Verurteilung erfolgt ist, nicht mehr mit Todesstrafe bedroht ist. An Stelle der Todesstrafe tritt in diesem Falle lebenslängliches Zuchthaus.

2. Die 'Bestimmungen dieses Gesetzes über die bedingte Entlassung finden auch auf Sträflinge Anwendung, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verurteilt wordeu sind.

215.

Die Rehabilitation richtet sich auch bei Urteilen, die nach Rehabilitation.

dem bisherigen Strafgesetz ausgefällt worden sind, nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.

Zweiter Abschnitt.

Gerichtsbarkeit. Verfahren. Urteilsvollzug. Strafregister.

I. Die Gerichtsbarkeit.

216.

Soweit eine Person dem Militärstrafrecht untersteht, ist sie Unterwerfung auch der Militärstrafgerichtsbarkeit unterworfen.

MilitärDas gilt auch, wenn das Vergehen im Ausland verübt wird. Gerichtsbarkeit.

464

217.

Zuständigkeit Die dem Militärstrafrecht unterstehenden Personen bleiben der bürgerlichen ,, ,,, ,, ,. .

,.

.

. , .

i Gerichtsbarkeit, für strafbare Handlungen, die in diesem Gesetze nicht vorgesehen sind, der bürgerlichen Strafgerichtsbarkeit unterworfen.

Steht die strafbare Handlung mit dem militärischen Dienstverhältnis des Täters im Zusammenhang, so kann die Verfolgung nur mit Ermächtigung des eidgenössischen Militärdepartementes erfolgen. Ist ein Oberbefehlshaber der Armee ernannt worden, so ist die Ermächtigung zur Verfolgung von diesem zu erteilen, wenn der Täter dem Armeekommaudo untersteht.

218.

Gerichtsbarkeit l. Sind an einem rein militärischen Vergehen (Art. 62 bis 86) bei Beteiligung , .

,, , i- T , · i von oder an einem Vergehen gegen die Landesverteidigung oder gegen Zivilpersonen. die Wehrkraft des Landes (Art. 87 bis 106) neben Personen, die dem Militärstrafrecht unterstehen, andere Personen beteiligt, so ist die Militärstrafgerichtsbarkeit für alle Beteiligten zuständig.

2. Sind an einem gemeinen Vergehen (Art. 113 ff.) neben Personen, die dem Militärstrafrecht unterstehen, auch andere Personen beteiligt, so bleiben diese der bürgerlichen Strafgerichtsbarkeit unterworfen.

Durch Beschluss des Bundesrates können in diesem Falle die der Militärstrafgerichtsbarkeit unterworfenen Personen ebenfalls dem bürgerlichen Strafgericht unterstellt werden. Der bürgerliche Richter hat auf diese Personen das Militärstrafrecht anzuwenden.

219.

Gerichtsbarkeit ist jemand mehrerer Vergehen beschuldigt, die teils der mehrerer militärischen, teils der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterstehen, so kann der B un desrat deren ausschliessliche Beurteilung dem bestimmungen. bürgerlichen oder dem militärischen Gericht übertragen.

220.

Bürgerliches Während der Dauer des Militärdienstes darf ein bürgerliches Dienst Strafverfahren gegen einen Dienstpflichtigen nur mit Ermächtigung des eidgenössischen Militärdepartementes eingeleitet oder tortgeführt werden.

Ist ein Oberbefehlshaber der Armee ernannt worden, so ist die Ermächtigung zur Einleitung oder Fortführung des Verfahrens von diesem zu erteilen, wenn der Täter dem Armeekommando unterstellt.

465

221.

Anstände überdieZuständigkeitder militärischen und der bürger- f"6^^^" liehen Gerichtsbarkeit werden vom Bundesrat endgültig entschieden.

keit.

Der Bundesrat hebt Urteile auf, die einen Übergriff der bürgerlichen in die militärische Gerichtsbarkeit, oder der militärischen in die bürgerliche Gerichtsbarkeit enthalten. Solange eine solche Aufhebung nicht erfolgt ist, ist jede neue Strafverfolgung wegen derselben Tat unzulässig.

Eine infolge des aufgehobenen Urteils erstandene Freiheitsstrafe wird bei erneuter Verurteilung angerechnet.

II. Bestimmungen über dasa Verfahren.

222.

Die Militärstrafgerichtsordnung vom 28. Juni 1889 wird mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeändert wie folgt: Art. 110: Die Voruntersuchung wird verfügt: 1. im Instruktionsdienste durch die Schul- oder Kurskommandanteo, bei Truppenübungen durch den Regimentskommandanten bzw. den Kommandanten des Stabes und bei kleinern, selbständig im Dienst befindlichen Truppenabteilungen durch deren Truppenkommandanten ; 2. im aktiven Dienste durch den Regimentskommandanten bzw. den Kommandanten des Stabes und bei kleinern, selbständig im Dienst befindlichen Truppenabteilungen durch deren Kommandanten ; 3. in den Fällen, welche der Beurteilung eines ausserordentlichen Militärgerichts unterliegen, durch den Bundesrat; 4. in allen übrigen Fällen durch das eidgenössische Militardepartemcnt oder durch den Oberbefehlshaber der Armee, wenn ein solcher ernannt worden ist und der Täter dem Armeekomniando untersteht.

Art. 160a: Nimmt das Gericht bei einem Vergehen, bei dem nach dem Militärstrafgesetzbuch in leichten Fällen disziplinarische Bestrafung erfolgt, einen solchen leichten Fall an oder betrachtet es sonst die Tat als blossen Disziplinarfehler, so verhängt es unter Freisprechung des Angeklagten selber die Disziplinarstrafe.

Ausnahmsweise überweist es ihn an den militärischen Vorgesetzten zur Verhängung der Disziplinarstrafe.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. V.

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466

Hat das Gericht den Angeklagten verurteilt, ohne Überweisung freigesprochen oder ihn selbst disziplinarisch bestraft, so darf wegen der gleichen Tat keine Disziplinarstrafe mehr über ihn verhängt werden.

Gegen die durch das Gericht verhängte Disziplinarstrafe ist weder die Kassationsbeschwerde noch die Disziplinarbeschwerdezulässig.

Das Gericht kann, mit Ausnahme der Degradation von Offizieren, alle Disziplinarstrafen aussprechen.

Art. 161 B, Ziff. 3 : eventuell : die disziplinarische Bestrafung durch das Gericht oder die Überweisung an den militärischen Vorgesetzten zur disziplinarischen Bestrafung.

Letzter Absatz: aufgehoben.

Art. 162, zweiter Absatz: Die gleiche Verfügung kann der Oberauditor treffen, wenn er das Verfahren gegen einen Beschuldigten wegen Unzurechnungsfähigkeit eingestellt hat.

111. Bestimmungen über den Urteilsvollzug.

223.

Die Militärstrafgerichtsordnung vom 28. Juni 1889 wird mit dem Inkraftreten dieses Gesetzes weiter abgeändert wie folgt: Art. 207 : Im Falle der Verurteilung wird die Ausfertigung des Urteils durch Vermittlung des eidgenössischen Militärdepartementes der Regierung des Vollszugskantons mitgeteilt.

Art. 208: Der Vollzug der Bussen, die Einziehung gefährlicher Gegenstände und die Einziehung von Geschenken und andern Zuwendungen (Militärstrafgesetzbuch, Art. 34, 41 und 42) erfolgt durch die kantonalen Behörden. Der Ertrag ist der eidgenössischen Staatskasse abzuliefern.

Die Kantone richten Arbeitsgelegenheiten für solche ein, die eine Busse durch Arbeit abverdienen. Die Strafvollzugsbehörde weist die Arbeitsstelle an.

Zweiter und dritter Absatz : aufgehoben.

Art. 209 : Zuchthaus- nnd Gefängnisstrafen werden, wenn, nicht der militärische Vollzug der Freiheitsstrafen Platz greift (Militärstrafgesetzbuch, Art. 30), in der Kegel von demjenigen Kanton vollzogen, in dem der Verurteilte seinen "Wohnsitz hat.

467

Das eidgenössische Militärdepartement kann ausnahmsweise den Vollzug einem andern Kanton übertragen. Es bestimmt den · Vollzugskanton, wenn der Verurteilte keinen Wohnsitz in der Schweiz hat.

Der Verurteilte wird der zuständigen Polizeibehörde des ò Kantons zugeführt.

IV. Strafregister.

224.

In die beim schweizerischen Zentralpolizeibureau und den Kantonen geführten Strafregister sind aufzunehmen: 1. 'die militärgerichtlichen Verurteilungen wegen Vergehen; 2. die Tatsache, dass eine Verurteilung bedingt erfolgt ist; 3. die wesentlichen Tatsachen betreffend den Vollzug des Urteils ; 4. die Tatsachen, die eine Änderung erfolgter Eintragungen herbeiführen.

Disziplinarische Bestrafungen dürfen nicht in die Strafregister aufgenommen werden.

i»ii»it

225.

1. In den Strafregistern sind zu löschen: 0

Michung und

Entfernung TOB

Eintragungen, deren Löschung der Richter verfügt hat Eintragungen.

(Art. 59).

2. Aus den Strafregistern sind zu entfernen: Eintragungen bedingter Verurteilungen, wenn die Verurteilung infolge Bewährung während der Probezeit als nicht geschehen zu betrachten ist; Eintragungen über gelöschte Strafen, wenn seit der Löschung wenigstens fünf Jahre verflossen sind und keine neue Verurteilung erfolgt ist.

226.

An Privatpersonen dürfen keine Registerauszüge abgegeben Mitteilung dur werden.

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Eine gelöschte Vorstrafe darf nur Untersuchungsämtern und Strafgerichten unter Hinweis auf die Löschung mitgeteilt werden, und wenn die Person, über die Auskunft verlangt wird, in dem Strafverfahren Beschuldigter ist.

468

Dritter Abschnitt.

·

Rehabilitation.

Zuständigkeit.

Hehabilitationsgesuoli.

Verfahren.

Mitteilung und Veröftontliclmng-.

Kostentra^ung.

227.

Die Rehabilitation wird durch das Militärkassationsgericht ausgesprochen.

228.

Das Rehabilitationsgesuch ist dem Vorsitzenden des Kassationsgerichtes einzureichen. Die Ausweise darüber, dass der Gesuchsteller sich wohl verhalten hat und den gerichtlich festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt hat, sind beizulegen.

229.

Der Vorsitzende des Kassationsgerichtes übermittelt das Gesuch dem Oberauditor zur Begutachtung und Antragstellung. Das Kassationsgericht entscheidet auf Grund der Akten und der vom Gesuchsteller beigebrachten Ausweise.

Weist das Gericht das Gesuch ab, so kann es verfügen, dass das Gesuch binnen einer Frist, die zwei Jahre nicht übersteigen soll, nicht erneuert werden darf.

230.

Der Beschluss des Kassationsgerichtes ist dem Oberauditor und dem Gesuchsteller schriftlich mitzuteilen.

Spricht das Gericht die Rehabilitation aus, so wird, der Beschluss auch der Regierung des Wohnsitzkantons des Gesuchstellers mitgeteilt. Der Beschluss wird auf Verlangen des Gesuchstellers im Bundesblatt und in einer oder mehreren Zeitungen bekanntgemacht.

231.

Der Gesuchsteller hat die Kosten zu tragen. Sie können ihm, wenn er seine Bedürftigkeit bescheinigt, erlassen werden.

Vierter Abschnitt.

Schlussbestimmungen.

Aufhebung e Keohts6n

232.

Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes sind die damit in Widerspruch stehenden Bestimmungen aufgehoben.

469

Insbesondere sind aufgehoben: 1. das Militärstrafgesetz vom 27. August 1851 und das Bundesgesetz vom 23. Juni 1904 betreffend die Ergänzung des Militärstrafgesetzes ; 2. die Art. l bis 8, 109 Abs. 2 und 215 der Militärntrafgerichtsordnung vom 28. Juni 1889.

. 233.

Vorbehalten bleiben: 1. die Art. 53 ff. der bundesrätlichen Verordnung vom 18. Oktober 1909 über das militärische Kontrollwesen; Art. l des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz und andere Bestimmungen des militärpolizeilichen Übertretungsrechts; 2. das Disziplinarstrafrecht der Zoll- und Grenzwächter.

234.

Dieses Gesetz tritt mit dem

Vorbehalt geltenden Rechts.

·_ ir ,,fi Inkrafttreten m Arati, dieses Gesetze

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Gesetzesentwurf enthaltend das schweizerische Militärstrafgesetzbuch. (Vom 26. November 1918.)

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1918

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11.12.1918

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