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N o .

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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung.

70. Jahrgang.

Bern, den 30. Januar 1918.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis lü Franken im Jahr, 6 Pranken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- and Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 16 Eappen die Zeile oder deren Raum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli

846 # S T #

& Cie in Bern

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Aufnahme eines Artikels 41bis in die Bundesverfassung und Abänderung des Artikels 42, lit. f derselben (Einführung der direkten Bundessteuer).

(Vom 25. Januar 1918.)

Am 17. Juli 1917 ist uns durch die Geschäftsleitung der sozialdemokratischen Partei ein von 116,185 Schweizerbürgern unterzeichnetes Volksbegehren übergeben worden, in welchem durch Aufnahme eines Art. 41bis in die Bundesverfassung und durch Abänderung von Art. 42, lit. f derselben die Einführung einer direkten Bundessteuer verlangt wird. Das Initiativbegehren hat folgenden Wortlaut: ,, 1. Die Bundesverfassung wird durch folgenden Artikel ergänzt : Art. 41bis : Der Bund erhebt jährlich eine direkte progressive Steuer auf Vermögen und Einkommen der natürlichen Personen. Steuerfrei sind Reinvermögen unter Fr. 20,000, sowie Einkommen, einschlieeslich des Vermögensertrages, unter Fr. 5000. Der Nachlass der Bundessteuerpflichtigen unterliegt der amtlichen Inventarisation.

Der Bund erhebt ferner jährlich eine direkte Steuer von juristischen Personen. Steuerfrei sind alle öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Betriebe, soweit deren Vermögen und Ertrag öffentlichen Zwecken dienen ; ferner die übrigen Körperschaften und Anstalten, soweit deren Vermögen und Ertrag Kultus- oder Unterrichtszwecken oder der Fürsorge für Kranke und Arme dienen.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. I.

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Die Aufstellung der näheren Bestimmungen über den Umfang der Steuerpflicht, die Anlage der Steuer und der Steuersätze für natürliche und juristische Personen, sowie über das Steuerverfahren ist Sache der Bundesgesetzgebung. Der Steuerbezug liegt den Kantonen ob. Die Kosten des Verfahrens und des Steuerbezuges trägt der Bund. Ein Zehntel des Bruttosteuerertrages verbleibt den Kantonen.

2. Art. 42, lit. f der Bundesverfassung lautend : ,,. . . Aus den Beiträgen der Kantone, deren nähere Regulierung, vorzugsweise nach Massgabe der Steuerkraft derselben, der Bundesgesetzgebung vorbehalten ist", wird aufgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt : ,,. . . Aus dem der Bundeskasse zufliessenden Ertrag der direkten Bundessteuer nach Massgabe von Art. 41bis.a Vom Zustandekommen dieses Volksbegehrens haben wir Sie in unserem Bericht vom 24. September 1917 in Kenntnis gesetzt.

Darauf beauftragten uns Ihre Räte, und zwar der Ständerat am 2. Oktober, der Nationalrat am 6. Dezember 1917, über die Einführung direkter Bundessteuern materiell Bericht zu erstatten.

Da wir uns sagen müssen, dass an der Durchführung unseres Finanzprogrammes nicht mit Erfolg weiter gearbeitet werden kann, ehe das Parlament sowie das Volk und die Stände sich zur Frage der direkten Bundessteuer ausgesprochen haben, liegt uns daran, dass das Begehren möglichst rasch vor Ihre Räte sowie vor das Volk und die Stände gebracht werde. Wir beehren uns daher, in der vorliegenden Botschaft Ihnen unsere Stellungnahme in dieser Frage kundzutun. Grundsätzlich haben wir uns zu derselben zwar schon in unserer Botschaft vom 2. März 1917 betreffend die Tabakbesteuerung geäussert, in der wir Ihnen unser Finanzprogramm darlegten. Wir haben dort die hauptsächlichsten Momente, die für und wider die Einführung einer direkten Bundessteuer sprechen, kurz erwähnt und sind zum Schluss gekommen, dass die unbestreitbaren Vorteile dieser Steuer die Nachteile niclit auszugleichen vermögen. Wir stehen heute noch auf dem gleichen Standpunkt, den wir im nachstehenden näher begründen werden.

Der vorliegende Bericht teilt sich in drei Hauptteile: Der e r s t e T e i l umfasst die Darlegung unserer p r i n z i p i e l l e n Bedenken gegen bleibende direkte Bundessteuern. Der z w e i t e T e i l ist h i s t o r i s c h - k r i t i s c h e r Natur und gibt einen Überblick der finanzpolitischen Entwicklung, welche in anderen Bundes-

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Staaten, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und im Deutschen Reich zur direkten Bundessteuer führte. Der d r i t t e T e i l endlich fasst unter dem Titel: Schlussbetrachtungen kurz die E r g e b n i s s e der vorangehenden prinzipiellen und historischen Erörterungen für das Problem der direkten Bundessteuer zusammen.

Grundsätzliches zur Frage direkter Bandessteuern.

Die Pfeiler, auf welchen ein den Anforderungen der Gerechtigkeit entsprechendes Steuersystem aufgebaut sein muss, sind das P r i n z i p der A l l g e m e i n h e i t der Steuer und das Prinzip der B e s t e u e r u n g nach der Leistungsf ä h i g k e i t des S t e u e r z a h l e r s . Das Prinzip der Allgemeinheit der Steuer besagt, dass jeder Staatsbürger ohne Unterschied beizutragen hat zur Deckung der notwendigen Staatsausgaben.

Über die Höhe der Beitragsleistung sagt es nichts aus. Diese wird bestimmt gemäss dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Denn, während j e d e r zur Leistung herangezogen werden soll, können doch nicht alle in gleichem Masse verpflichtet werden, sondern es hat ein jeder beizutragen nach seiner individuellen Leistungsfähigkeit, nach seiner wirtschaftlichen Kraft. Diese aber kommt zum Ausdruck in den Vermögens- und Einkommens Verhältnissen des Steuerpflichtigen.

Anerkennt man diese Grundsätze der Besteuerung als richtig und daher massgebend, so wird man von einem guten Steuersystem verlangen, dass es sie in möglichst vollkommener Weise verwirkliche, d. h. dass die einzelnen Steuern eines Systems in der Weise zusammenwirken, dass ein j e d e r und ein j e d e r n a c h s e i n e r L e i s t u n g s f ä h i g k e i t zur Steuerleistung herangezogen werde, und man wird das Steuersystem als das zweckmässigste bezeichnen, das diesen Anforderungen am vollkommensten gerecht wird.

Welches sind nun die Steuerarten, durch welche die Grundsätze gerechter Besteuerung verwirklicht werden?

Die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen bekundet sich vor allem in seinen Einkommens- und Vermögensverhältnisseu.

Grosses Vermögen und hohes Einkommen sind ein Zeichen. besonderer Leistungsfähigkeit. Grundlage für die Bemessung der Steuerleistung ist daher die Grosse von Vermögen und Einkommen, und es ergeben sich aus dem Prinzip der Besteuerung nach der

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Leistungsfähigkeit somit Steuern auf Vermögen, sowie auf fundiertem und unfundiertem Einkommen, als Hauptarten : die Vermögens- und Einkommenssteuer.

Die Forderung der Allgemeinheit der Steuer vermögen diese Steuern indessen nicht zu erfüllen, da es immer Staatsbürger geben wird, deren Vermögen und Einkommen so klein ist, dass die Erhebung von ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen direkten Steuern irrationell wird, d. h. einen so hohen Aufwand an Verwaltungsarbeit bedingen würde, dass der Steuerertrag dadurch aufgezehrt würde.

Der Grundsatz der Allgemeinheit der Steuerleistung wird am zweckmässigsten durch niedrige Abgaben auf allen entbehrlichen Gegenständen des Massenluxusbedarfes verwirklicht, dabei liegt der Gedanke zugrunde, dass sich bei jeder Befriedigung eines Luxusbedürfnisses eine gewisse die Notdurft übersteigende Leistungsfähigkeit äussert, die zum Gegenstand der Besteuerung wird.

Diese indirekten Steuern können zu dem, dass sie alle treffen, sich der Leistungsfähigkeit eines jeden anpassen, sofern die Steuer veredelt wird, d. h. wenn die Steuersätze nach der Qualität der steuerpflichtigen Waren abgestuft werden. Während die indirekte Steuer vor allem geeignet ist, das Prinzip der Allgemeinheit der Steuerleistung in praxi durchzuführen, dazu aber auch, wenn sie richtig ausgestaltet ist,
Da die zwei Steuerarten, die direkte und die indirekte Steuer die Aufgabe haben, im Steuersystem die Hauptgrundsätze der Besteuerung zum Ausdruck und zur Anwendung zu bringen, so wird ein nach den Gesichtspunkten der Gerechtigkeit und der Zweekmässigkeit ausgebautes Steuersystem beide, direkte und indirekte Steuer, als wesentliche Bestandteile enthalten müssen.

Man kann nun sagen, w e n n man die W i r k u n g i n d i r e k t e r S t e u e r n g e s o n d e r t b e t r a c h e t , dass indirekte Steuern, sofern sie nicht sozial ausgestaltet sind, d. h. nach der Qualität des Steuerobjektes abgestul'te Sätze aufweisen, die weniger leistungsfähigen Volksschichten mehr belasten. Damit aber ist über die G e s a m t s t e u e r b e l a s t u n g der minderbemittelten Volksschichten
nichts gesagt; denn wenn auch der Minderbemittelte speziell durch die indirekte Steuer verhältnismässig mehr belastet wird, so heisst dies noch nicht, dass er endgültig, im Verhältnia zu seiner Leistungsfähigkeit, mehr Steuerlast trage, als der An-

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gehörige der Volksklassen, die zu den indirekten Steuern die Lasten der direkten Steuern zu tragen haben. Vergleichbar ist aur die Gesamtbelastung einer Einkommensklasse mit der Gesamtbelastung einer ändern Einkommensklasse, da die Steuerpolitik nur durch das Z u s a m m e n w i r k e n aller Besteuerungsformen eine gerechte Verteilung der Lasten erreichen kann.

Wie werden die genannten Grundsätze der Besteuerung in der Schweiz verwirklicht?

Die historische Entwicklung der Schweiz : der Zusammenschluss der autonomen Kantone zum Bundesstaat, der in der Wirtschaftsgeschichte unseres Landes zum Ausdruck gelangte in der Bildung eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes dem Auslande gegenüber, brachte es mit sich, dass gerade die Einnahmen, die den Kantonen zugefallen waren, solange sie wirtschaftliche Absonderungspolitik getrieben hatten, nämlich die Zölle, zugleich mit ihrer Verlegung von der Kantons- zur Landesgrenze als Einnahmequelle des Bundes bezeichnet wurden. Damit war tatsächlich die bedeutendste indirekte Steuer Haupteinnahmequelle des Bundes geworden, und die Kantone bauten in Konsequenz; dieser historisch ohne weiteres Verständlichen Tatsache die direkten Steuern aus. Da aber dem Bund, dem man de f a c t o den wesentlichsten Teil der indirekten Steuern, die Zölle überlassen hatte, nicht auch de l e g e , durch die Verfassung, das Recht zur Erhebung anderer indirekter Steuern zugestanden wurde -- wie dies die Verfassungen anderer Bundesstaaten, so der Vereinigten Staaten und des Deutschen Reiches taten --, da der Bund somit kein System indirekter Steuern ausbauen konnte, wozu anfänglich auch das Bedürfnis und die Notwendigkeit nicht bestand, anderseits aber die Kantone, deren Aufgaben und Ausgaben rasch sich mehrten, die direkten Steuern stets mehr zur Deckung ihres Bedarfes heranzogen, so resultierte aus dieser Sachlage eine einseitig starke Betonung der direkten Steuern durch die Steuersysteme der Kantone, während das Prinzip der Allgemeinheit der Steuer, da es nicht durch eine Bundes-Steuergesetzgebung verwirklicht werden konnte, stark vernachlässigt wurde.

Soll die heute bestehende einseitige Ausgestaltung der Steuerbelastung ausgeglichen werden, sollen kantonale und Bundessteuern durch s y s t e m a t i s c h e s Z u s a m m e n w i r k e n ein« der Zweckmässigkeit und der Gerechtigkeit entsprechende Besteuerung erreichen, so muss heute der Bund die indirekten Steuern ausbauen.

178 Indessen vermöchte diese historisch bedingte Kompetenzenscheidung nach der Formel: ,,die direkten Steuern den Kantonen, die indirekten dem Bunde", allein das Fortbestehen dieser finanzpolitischen Arbeitsteilung nicht zu begründen. Für das Fortbestehen des historisch gewordenen Zustandes spricht vielmehr auch die gegenwärtige Finanzlage von Bund und Kantonen. Nicht bloss die Vergangenheit, die Gegenwart weist diesen allein gangbaren Weg. Gegen die Aufhebung des heute massgebenden Trennungsprinzips sprechen unter anderm folgende Gründe: 1. Verfassungspolitische Gründe. Die heute bestehende Teilung der Finanzgewalt zwischen Bund und Kantonen ist in erster Linie das Resultat der geschichtlichen Entwicklung. Man könnte darüber streiten, ob dieselbe nicht schon im Wesen des Bundesstaates begründet sei. Bejaht man die Frage, so wird damit die Teilung zur eigentlichen Lebensbedingung des Bundesstaates. Es ist nicht unsere Absicht, über diesen politisch ausserordentlich wichtigen und delikaten Punkt eine bestimmte Meinungsäusserung abzugeben. Sicher ist aber, dass jede Schwächung der Finanzgewalt der Kantone eine Rückwirkung auf ihre politische Stellung als Gliedstaaten im Bunde nach sich ziehen tnuss. Die S t e u e r h o h e i t i s t e b e n e i n A t t r i b u t d e r S o u v e r ä n i t ä t , und.

eine Teilung dieses Hoheitsrechtes bedeutet infolgedessen eine Teilung der Souveränität selbst. Ohne dringende Not soll daher das bestehende, geschichtlich gewordene Verhältnis zwischen dem Bunde und den Kantonen nicht durch Finanzmassnahmen dauernden Charakters verschoben oder geändert werden.

2. Eine zweite Gruppe von Gründen, die gegen die Einführung dauernder direkter Bundessteuern sprechen, sind finanzpolitischer und steuertechnischer Art. Angenommen, es beständen keine Bedenken verfassungspolitischer Natur: der Bund erhebe direkte Steuern neben den kantonalen und kommunalen Steuern, die Kantone erhalten, was sie auf Grund ihres Steuerkapitals der vergangenen Jahre erhalten können ; dem Bund fliesse zu, was dem A n w a c h s e n des Steuerkapitals entspreche. Der Bund würde also direkte Steuern erheben, ohne den bisherigen Einnahmestand der Kantone zu berühren. Was wäre die Folge dieser Stabilisierung der kantonalen Einnahmen? Gelingt es den Kantonen nicht, sich andere Einnahmequellen zu eröffnen,
so werden sie keine neuen Ausgaben bewilligen können; sie werden, wenn ihr Steuerkapital infolge der direkten Bundessteuer zurückgeht, die zurzeit übernommenen Aufgaben weniger gut, vielleicht gar

179

nicht mehr erfüllen können. Die direkte Bundessteuer bedeutet in diesem Falle Gefährdung des wirtschaftlichen und kulturellen Fortschrittes.

Was der Entzug auch nur eines Teiles des Steuerrechtes der Kantone für deren Finanzhaushalt bedeuten würde, davon kann man sich ein Bild machen, wenn man die in den letzten Jahren eingetretene Erhöhung der Steuern in Kanton und Gemeinde in Betracht zieht *) : 1890 haben erst 6 Gemeinden des Kantons Zürich einen Vermögenssteuersatz von über 12 °/oo, 1911 dagegen sind es deren schon 143 5 1890 haben 85, 1911 dagegen nur noch sieben Gemeinden einen Steuersatz von 0,5 °/oo ; 230 Zürcher Gemeinden haben 1890 Steuersätze von 5--8,5 %o, 1911 sind es solcher nur noch 67.

Auch die auf den Kopf der Bevölkerung berechneten gesamtschweizerischen Einnahmen aus direkten Steuern zeigen die Tendenz zur Steigerung. Sie betrugen 2) : 1900 . . . . F r . 10.83 1913 . . . .

,,16.40 1916 . . . . ,, 16.83 Soviel zur S t e i g e r u n g der Steuersätze; auf die H ö h e der Belastung werden wir noch zu sprechen kommen.

. Wenn aber die Kantone -- dies ist die andere Möglichkeit -- ihre kulturellen und sozialpolitischen Pflichten erfüllen wollen, die Schaffung der nötigen Deckung für ihre Ausgaben infolge des Bestehens von direkten Bundessteuern ihnen aber erschwert oder gar verunmöglicht ist, so werden sie, sofern sie nicht den öffentlichen Kredit in Anspruch nehmen wollen, an den Bund, der aus ihren Quellen schöpft, sich wenden und dieser wird sich der Verpflichtung nicht entziehen können, seinen Bundesgliedern, deren finanzielle Leistungsfähigkeit er selbst geschwächt hat, beizustehen, d. h. er wird dann nicht eines, sondern 25 Finanzprobleme zu lösen haben; er wird, was er mit der einen Hand genommen, mit der ändern zurückerstatten müssen. Voraussichtlich wird er mehr geben müssen, als er selbst empfangen hat.

Ein solches Übertragen von Einnahmen und Ausgaben vom Konto der Kantone auf das des Bundes bedeutet aber keine Sanierung der Bundesflnanzen.

Dass den Kantonen die Einnahmen und Einnahmemöglichkciten durch direkte Bundessteuern geschmälert würden, beweist ') Die folgenden Angaben sind entnommen : Obrecht, Die Möglichkeiteu auf dem Gebiete einer direkten Bundessteuer, Solothurn 1917, Seite 13 ff.

2 ) Finanzjahrbuch der Schweiz.

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die Stellung, welche die direkten Steuern im kantonalen Steuersystem einnehmen. Es betrugen die direkten Steuern in Prozent aller Steuereinnahmen in den Kantonen :

1913 68,5% 1914 71,5% 1915 71,3% 1916 73,3% Diese Zahlen zeigen die Bedeutung der Einnahmen aus direkten Steuern für die kantonalen Finanzhaushalte.

Wenn nun der Bund aus dieser bedeutendsten Einnahmequelle der Kantone mitschöpft und die Kantone dadurch ihre finanzielle Leistungsfähigkeit teilweise verlieren, so dass der Bund ihnen in ihrer finanziellen Bedrängnis beistehen muss, so verliert er seinerseits die freie Verfügungsmöglichkeit über seine Einnahmen und bringt damit ein gefährliches Moment der Unsicherheit in den Bundeshaushalt.

Unter Hinweis auf die grosse Verschiedenheit der kantonalen Steuergesetze, auf deren ungleiche und zum Teil ungerechte Wirkung, mag man geltend machen, dass direkte Bundessteuern jedenfalls in sozialer Hinsicht günstig wirken würden, da sie eine Vereinheitlichung der Steuersysteme und damit Gleichheit der Steuerveranlagung und Steuerbelastung bringen würden. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn direkte Bundessteuern an S t e l l e der kantonalen gesetzt, oder wenn wenigstens eine einheitliche eidgenössische K o d i f i z i e r u n g der G r u n d s ä t z e , nach welchen die Kantone direkte Steuern erheben dürfen, stattfinden, nicht aber, wenn die Bundessteuer einfach n e b e n den kantonalen direkten Steuern und ohne Rücksicht auf dieselben eingeführt würde. In diesem Falle würden die U n g l e i c h h e i t e n nur auf die S p i t z e getrieben und die U n g e r e c h t i g k e i t e n um so h ä r t e r e m p f u n d e n , je höher der S t e u e r s a t z wäre.

Direkten Bundessteuern, welche die heute bestehenden Übel steuerlicher Art noch vergrössern, kann man, da sie überdies eine Reihe anderer Missstände mit sich bringen, nicht zustimmen. Es scheint uns hier nur die Wahl zu sein zwischen dem kleinern und grössern Übel : Fortbestehen der Ungleichheit der steuerlichen Belastung Ton Kanton zu Kanton -- aber ohne Verschärfung dieser Übelstände durch direkte Bundessteuern -- oder Beeinträchtigung der finanzpolitischen Souveränität der Kantone und für viele von ihnen eine Verlangsamung des kulturellen und wirtschaftlichen Fortschrittes.

181 H ö h e der S t e u e r b e l a s t u n g . Dass die Einführung voa direkten Bundessteuern neben kantonalen und kommunalen Steuern ein Ü b e r s p a n n e n des G e d a n k e n s der d i r e k t e n S t e u e r bedeuten würde, zeigt ein nur flüchtiger Blick auf die heute bestehende Belastung von Vermögen und Einkommen durch Kanton und Gemeinden. Aus der nebenstehenden Tabelle geht*) die hohe Belastung fundierten und unfundierten Einkommens, wie sie etwa in den Städten Chur, Zürich, Herisau, Bern, St. Gallen, Bellinzona besteht, deutlich hervor. Die Gesamtsteuerlast für un f u n d i e r t e s E i n k o m m e n (Arbeitseinkommen) steigt in Chur (bei Einkommen von Fr. 40,000) bis auf 23 %· Sie beträgt im Mittel zirka 10 °/o. In Zürich wurde nach dem bis 1918 in Kraft stehenden Steuergesetz unfundiertes Einkommen mit 12,6%, durchschnittlich mit 7,5 °/o belastet. F u n d i e r t e s Einkommen (Vermögenseinkommen) wird beispielsweise in Herisau und Bellinzona bis zu 26,6 °/o, in St. Gallen bis zu 21 °/» belastet. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass hier für dauernde direkte Bundessteuern neben kantonalen und kommunalen direkten Steuern schlechterdings kein Spielraum mehr ist, dass sie eine unerträgliche Last für den Steuerpflichtigen bedeuten würden.

Sie lassen klar voraussehen, was die Folge v e r m e h r t e r Belastung sein müsste. Für den Erfahrungssatz: Je höher die Steuersätze desto grösser die Steuerdefraudation, gibt der Kanton Zürich in einer Schrift zur kantonalen Volksabstimmung vom 25. November 1917 über' das neue Steuergesetz beweisende Zahlen. Die bei der eidgenössischen Kriegssteuer durchgeführte Einschätzung zeigte, dass die Annahme, es werde an Staatssteuern allgemein genommen etwa die Hälfte des Vermögens- und 40 bis 45 °/o des Erwerbseinkommens tatsächlich versteuert, nicht richtig ist. Im Gegenteil betragen die Staatssteuern 30 °/o, 20 °/o und in sehr vielen Fällen weniger als 10 °/o dessen, was auf Grund der Kriegssteuertaxation bezahlt wurde. Die genannte Schrift enthält eine Aufstellung von Steuerfällen, in welchen die kantonale Taxation sich zwischen 0,a % un d 9 °/o des Ergebnisses der Kriegssteuereinsehäteung bewegte.

Es betrug das Verhältnis der Staatssteuer- zur Kriegssteuereinschätzung in zehn Gemeinden des Kantons Zürich zwischen 31,4 °/o und 59,8 °/o, irn Durchschnitt
der zehn Gemeinden 42,
*) ,,Die Höherbelastung fundierter Bezüge durch direkte Staatsteuern unter besonderer Berücksichtigung der einzelnen Kantone der Schweiz", von Walter Eichhorn, Jena 1910. Die Tabellen sind nach dieser Arbeit zusammengestellt.

Belastung von fundiertem und unfundiertem Einkommen durch Kantons- und Gemeindesteuern.

Einkommen Fr. 800

Kanton

fundiert (Vermögen Fr. 20,000)

unfundiert Fr.

1

Zürich (Stadt) ) . .

Bern (Stadt)2) Luzern (Stadt) Uri (Altdorf)3) Schwyz (Schwyz) *) Obwalden (Samen)5) 8 Nidwaiden (Stans) ) 7 Glarus (Glarus) ) 8 Zug (Stadt) ) .

Fribourg (Stadt)9).

5.10 13.50



.

. . .

. . .

10

Solothurn (Stadt) ) Basel-Stadt Basel-Land (Liestal) . Schaffhausen (Stadt) ll) Appenzell A.-Rh. (Herisau) . . .

Appenzell I.-Rh. (Appenzell) . . .

St. Gallen (Stadt) ia) .

.

lt Graubüuden (Chur) ) . . .

14 Aargau (Aarau) ) J5

0,62

K52.50 Î)0.-- 'f8. 75 K)5.-- 10. -- i»5. -- t>4.-- 8Ì6.-- K)2.-- i )5.-- lì 6.-- 1] 9. {>3. 60 ] 6.-- 6Ì5. 20 e 5.-- lì 8.50 i] 5.-- u 8. -- IC 0.-- £ 4. -- E 6.-- £ 0.-- S 0. -- 12 2.75 7 2.-- 5 6.-- 12 0. -- 90.-- 100.-- 2 1.50 17.50

1,69

2.16

0,27

9.84 14.--

10.-- 17.50

Thurgau (Frauenfel d) )

2.70

Tessin (Bellinzona)l6) .

Vaud (Lausanne) **) .

8.25 17.92

18

Fi

1,18 0,12

3.05

.

.

.

.

%

9.45 1.75

6.30 21.84

Einkommen Fr. 4000

a.

6.

f

0,78 2,73

a.

b.

0,38 1,23 1,75

1,29 2,18 0,33

o.

b.

a.

6.

1,03 2,34

Valais (Sitten) ) .

22.80

2,85

Neuchâtel (Stadt) Genève (Stadt)19) . . . .

14.40

1,80

a.

6.

o.

b.

a.

6.

fundiert (Vermögen Fr. 100,000)

unfundiert 7»

20,30 11,25 9,84 13,12

8,75

Fr.

141.-- 229. 50

%

Fr.

3,52

867. 75 450. -- 438. 75 525.-- 380.-- 475.-- 283. 50 430.-- 585.-- 475.-- 580. -- 595: -- 423 60 199. 50 506.-- 413. 62 977. 50 575.-- 740. -- 575.-- 483. -- 308. -- 450. -- 495. -- 714. 75 457. 50 415. -- 600. -- 450. -- 500. -- 148. 50 192. --

5,74

126.-- 69.30

1,72

71.28

1,78

o.

b.

3,15

11,87

6,75 10,75 12,75 11,87 14,50

147.-- 163. 80

3,67 4,09

14,87

6,95 2,00 10,65 8,12

22,3i

118.47 82.-- 84.150. 68 102.--

a.

b.

2,95 2,05

2.10 3,76 2,55

14,37 18,50 12,50 10,50

118. 20 227. 50 129. 50

2,95 5,68 3,23

7,00 11,25 11,25 15,34

9,00 7,oo 15,oo 11,25 12,50

2,69 2,19

107. 10 107.25 127. 65

143.-- 129.60 42.--

2,67

a.

b.

a.

b.

2,68 3,19 3,07

a.

b.

a.

b.

3,24 1,05

a.

6.

% 21,67 11,25

Einkommen Fr. 20,000 i fundiert (Vermögen unfundiert Fr. 500,000) Fr.

°/o

2149.-- 1309. 50

10,79

6,55

10,96

13,H 9,50

750.-- 675. 50

3,75

450. 22

2,25

3,37

11,87

7,08 10,75 14,61 11,87 14,50

1228. 50 955. 50

6,14 4,7,

14,87 10,59

4,98 12,60 10,34 24,44

957. 28 870.-- 680.-- 866. 25 1700. --

4,78 i

4,35 3,40 4,33 8,50

14,37 18,50 14,37 12,07

1862. -- 4057. 50 788. 42

9,31 20,28

3,94

7,70 11,!5

1309. 50

6,54

12,36 17,86 11,44

1257. 25 958.-- >

6,28 4,79

10,38

15,00

651. --

3,25

11,25 12,50

3,71 4,80

705. 60 890.--

3,52 4,45

Einkommen Fr. 40,000 fundiert (Vermögen Fr. 1,000,000)

unfundiert

Fr.

%

4797. 75 a. 2250.-- b. 2238. 75 2825. -- 2250. -- 2375. -- 1579. 50 2150. -- 3368. -- 2625. -- a. 2900.-- b. 2975.-- 2778. 80 2035. -- 3330. -- 2287. 12 5312. 50 2875. -- 3940. -- 4225. -- a. 2793.-- b. 1750.-- a. 2250.-- 6. 4050.-- 4694. 75 o. 2937.50 6. 3135.-- a. 3000.-- 6. 2250. 2500. -- a. 1202.50 b. 1700.--

23,98 11,25

Fr.

5049. -- 2659. 50

%

Fr.

12,62

9922. 75 a. 4500.-- b. 4488. 75 6150. -- 4500. -- 4750. -- 3375. -- 4300. -- 7263. -- 5500. -- a. 5800.-- 6. 6950.-- 5908. 80 4865. -- 6960. -- 4724. 37 10,625. -- 5,750. -- 8,480. -- 9,225. -- a. 5,586.-- 6. 3,724.-- a. 4,500. -- b. 9,000.-- 10,594. 75 a. 6,037. 50 6. 6,955. -- a. 6,000.-- b. 4,500.-- 5,000. -- a. 2,917.50 b. 4,005.--

6,64

11,19 14,12 11,25

1500.-- 1375. 50

3,43

970. 40

2,42

3,75

11,87

7,89 10,75 16,84 13,12 14,50

2488. 50 1911.--

6,22

2157. 57 2200.-- 1360. 1806. 12 3400.--

5,39

4,7,

14,87 13,89 10,17 16,65 11,43 26,56

5,50 3,40 4,51 8,50

14,37 19,70 21,12 13,96

3822.-- 9257. 50 1667. 40

9,55

23,14 4,16

8,75 11,25

2659. 50

6,64

20,25 23,47 14,69

3519. 75 2142. --

5,35

1311.--

3,28

8,79

15,67

15,00 11,25 12,50

6,01 8,50

1425. 60 1780. --

3,57 4,45

'/· 2V 11,25 11,22 15,87 11,25 11,87

8,43 10,75 18,16 13,75 14,50 14,87 14,77 12,16 16,65 11,81 26,56 14,37 21,20

23,06 13,96

9,31 11,25 22,50 26,49 15,09' 17,40

15,00 11,25 12,50

7,29

10,01

') Nicht berücksichtigt ist die kommunale Liegenschafts- , Armen · und Kirche isteuer.

Zugrunde liegt die Einkommenssteuer I. Klasse, a. Gribt die Beiast ung au 3 Liegenschaft sbesitz und grundversicherteri Kapitalien, b aus K àpitalbesitz an .

Inbegriffen sind die kommunalen Armen- und Schulste uern.

Inbegriffen ist eine Bezirkssteuer von 0,75 °/o°Der Berechnung der Steuerbeträge für fundiertes Eink ommen wurde eine heträge sind n ach den Sätzen von 1909 beirechnet, Einschliesslich kommunaler Schul-, Kirchen-, Armen- und Bez irksste uern.

) Einschliesslich kommunaler Schul-, Kirchen-, Armen- und Ort ssteuei·n.

*) Nicht 'Berücksichtigt ist die Belastung durch Handels- und Wi rtspate nte. E inschliesslich kommu: lale Kirchen- und Anmensteuern.

9 ) Für das unfundierte Einkommen ist die Lohn- und Bes oldungs äteuer berück äichtigt. Beim Steuer aetrag auf fun iiertem Einkommen is t die k Eintonale und rommuriale Steuer TOIa Einkc mmen des Haiidei s und Gewerbe nicht berücksichtigt, a. Gibt die Belastimg des Einko um eus aus Liegeusch iftsbetn eb, 6. aus Ka litalbes tz an.

10 ) Der Pflichtige darf nur unfundiertes oder nur fundiertes Eink Dramen verste lern. Nicht t erücksi chtigt ist die tommutlale Gebäudest euer, u ) Der Pflichtige darf nur fundiertes oder unfundiertes E inkomm in zu versteiu;rn haben. D e Steue rbeträge treffen nicht zu für Erwer bseinko mmen aus lan iwirtsd laftlichem Bet rieb.

12 ) Bei Berechnung der Steuerbeträge für fundiertes Eink Dmmea vurde eine 4 ° /o-Vermögensv erzinsuiig angenomme a. Ein schliesslich de r komm unalen Schuls ;euer.

ls ) Der Pflichtige muss gleichzeitig mindestens Fr. 5000 \rermögei 1 ZU V ersteuer n haben.

14 ) Bei Berechnung der Steuerbeträge für fundiertes Eink(>mmen · ffurde eine 4^ /o-Vermögensv erzinsuiig angenomme D. Ein schliesslich de r komm unalen Schulsl euer, 16 ) a. Belastung aus Liegenschaftsbesitz. b. Belastung au
17 ) a. Gibt die Belastung des Einkommens aus unbeweglic hem, 6. aus b eweglic lern Vermögen an.

la ) Als unfundiertes Einkommen gelten steuerpflichtige Ge tiälter n nd Peiisionen. a. Gibt die Belastu ng
aus Liegens chaftsb esitz mit AUSE ahme c er Gebäude, b. aus iapitalbesitz aii.

19 ) a. Belastung aus unbeweglichem, b. Belastung aus bevireglichei i Veriaögen. Die Steuer vc m unfu ndierten Eink«j rumen bezieht sich a if die 1communale Steuer aui Gehälter und Pensionen.

8 ) 3 ) 4 ) 5 ) 6 ) T

182 Ähnliche Zustände finden sich, wie die Kriegssteuereinschätzung ergeben hat, auch in ändern Kantonen. Unter solchen Umständen trete nun zu den direkten Steuern der Kantone eine direkte Bundessteuer auf Vermögen und Einkommen physischer Personen : Entweder es erfolgt dann die Steuerveranlagung auf Grund der kantonalen Einschätzung, die Steuerhinterziehung kann weiterbestehen, auch dem Bund gegenüber eintreten und der Ertrag der Steuer wird ein geringer sein. Oder aber man sorgt für gleichmässige, den Tatsachen entsprechende Einschätzung. Dann wird der Steuerpflichtige in doppelter Weise sich getroffen finden : Einmal wird der Kanton -- dies ist nicht zu umgehen -- sich das Wissen der Steuerbehörden des Bundes über die tatsächlichen Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Pflichtigen zunutze machen und die kantonalen Steuern gemäss diesem Vermögen und Einkommen veranlagen, wobei in vielen Kantonen Sätze zur Anwendung kommen, die mit der Verheimlichung grosser Teile des Einkommens rechnen. Zu dieser für den Pflichtigen fast unerträglich gewordenen Last kantonaler und kommunaler Steuern tritt nun die Bundessteuer. Die Aussicht auf diese zweifache Erhöhung der Steuerlast wird dazu führen, dass der Pflichtige kein Mittel unversucht lässt, den Steuerbehörden sein wirkliches Einkommen und Vermögen zu verheimlichen ; noch weitergehendere Steuerhinterziehung wird die Folge sein und der Mehrertrag wird in keinem rationellen Verhältnis zur Erhöhung der Belastung sein.

Glaubt man dem Ausbleiben des erwarteten Mehrertrages durch Verschärfung des Einschätzungsverfahrens und durch drakonische Strafbestimmungen abhelfen zu können, so wird man sich in den Erwartungen erst recht getäuscht sehen.

Die Gegner jeder indirekten Besteuerung werden der aufgestellten These gegenüber, dass das Prinzip der Allgemeinheit der Steuer durch indirekte Steuern zu verwirklichen sei, die Ansicht vertreten, dass auch die direkte Steuer (etwa in Form einer Kopfsteuer fftr die untern Einkommensklassen) den Grundsatz der Allgemeinheit erfüllen könne. Eine solche Steuer, für welche ausser ihrer Allgemeinheit die verhältnismässig niedern Verwaltungskosten zu sprechen scheinen, wirkt aber viel roher als gut ausgebildete indirekte Steuern auf Luxusgegenständen, die in sehr einfacher Weise ohne viel Kosten erhoben werden können. Anlässlich
der Diskussion der direkten Bundeseinkommenssteuer im Deutschen Reiche wurde die Notwendigkeit der Heranziehung aller Bevölkerungsschichten selbst von sozialistischer Seite betont. Der Sozialist Calwer schrieb damals (Soziale Monatshefte Juli 1908): .,Das ist natürlich ausgeschlossen, dass die breiten Massen der

183 Bevölkerung bei einer Verallgemeinerung der Einkommenssteuer ausser Betracht bleiben könnten. Aus den höhern Einkommen allein kann ein moderner Staat seinen Einkommensbedarf nicht mehr decken. Das Einkommen a l l e r Schichten der Bevölkerung muss vielmehr die Einnahmequelle bilden." Wenn der Grundsatz, dass alle Einkommen zur Steuerleistung herangezogen werden sollen, im Deutschen Reich Berücksichtigung verlangen durfte, wieviel mehr in unserer Demokratie. Aber nicht allein das demokratische Prinzip, auch volkswirtschaftliche Bedenken ° sprechen gegen die Einführung einer Sondersteuer. Abgesehen davon, dass eine Sondersteuer der Reichen Bedenken der Willkür ruft, die um so schwerwiegender sind, je kleiner die Minderheit ist, auf der die Steuer lastet, hat die Klassenbesteuerung immer auch Konsumtionsverschiebungen zur Folge, die auf weite Kreise der Volkswirtschaft wirken. Nicht die Reichen, die sich einen Abbruch an Luxus werden gefallen lassen müssen, sind die Meistbetroffenen, sondern die, deren Kunden sie bisher waren. Ganze Gruppen von Erwerbstreibenden werden, wenn auch erst indirekt, so doch härter getroffen als die Steuerzahler selbst. Das Kapital will man treffen und man wird die Arbeit schlagen. Dass solche Experimente vor allem in Kriegs- und Krisenzeiten der Volkswirtschaft nicht ratsam sind, ist ohne weiteres klar.

Dass aber die direkte Bundessteuer der physischen Personen in der Form, wie das Initiativbegehren sie vorschlägt, eine undemokratische Klassensteuer sein würde, beweisen die Zahlen der Tabelle 2 : die Steuerpflichtigen der direkten Bundessteuer auf Seiten 184 u. 185 hiernach. Auf Grund der Klasseneinteilung, wie sie anlässlich der eidg. Kriegssteuer erfolgte, ist die Zahl der Steuerpflichtigen mit einem Vermögen von mehr als Fr. 20,000, ebenso die Zahl der Kriegssteuerpflichtigen mit einem Erwerb von -mehr als Fr. 5000 in den Kantonen bestimmt worden. Nach dieser Aufstellung unterständen einer Bundesvermögenssteuer in der Schweiz 3,6 % der Wohnbevölkerung oder 8 °/o aller erwachsenen Erwerbstätigen.

Erwerbssteuerpflichtig würden nur 0,64 °/o der Wohnbevölkerung, oder l,« °/o aller erwachsenen Erwerbstätigen. Diese Quoten für die gesamte Schweiz schwanken stark innerhalb der einzelnen Kantone. Vermögenssteuerpflichtig würden im Maximum (Kt. Schaffhausen) 12 °/o der
Erwerbstätigen, im Kt. Uri dagegen nur 3,» °/o.

Die Erwerbssteuer würde im Höchstfalle (Basel-Stadt) 4,7 % der Erwerbstätigen, meist aber nur etwa \ °/o der erwerbstätigen Bevölkerung eines Kantons erfassen. In den meisten Landkantonen : Uri, Schwyz, Unterwaiden, Appenzell I.-Rh., Appenzell A.-Rh., Graubünden, Wallis und Thurgau würden nicht einmal l °/o aller

184 Die Steuerpflichtigen Kricgssteuer- ; Pflichtige Wohnbevölherung 1915

Kanton

Zürich Bern Luzern Uri . .

Schwyz; .

Obwalden Nidwaiden . .'

Glarus ZuaFreiburg Solothurn Basel-Stadt . .

Basel-Land Schaffhausen .

Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh.

St. Gallen Graubiinden Aargau Thurgau Tessin . . . . .

Waadt Wallis . . .

Neuenburg Genf

. . .

.

.

. .

. . .

.

. . .

. . .

.

i 538,340 665,390 172,870 22,850 59,340 17,740 14,010 33,610 29,090 143,650 122,740 141,930 78,930 47,970 59,100 14,910 305,070 120,520 238,030 140,870 161,790 323,940 131,140 133,390 163,280

3,880,500

in °/o der Wohnbevölkerung

in °/o dar erwachsenen Erwerbstätigen

2

B

10,38

22,30

9,95

23,90

,17

19,67

6,24

15,59

7,74

17,37

7,73

18,95

7,35

18,, 6

9,71

18,53

8,77

20,40

7,84

18,33

7,90

18,74

7,40

25,ii 16,«

11,19

24,84

6,58

13,08

10,81

8,04

15,60

7,47

15,40

,40

16,43

8,50

18,84

8,59

18,«

5,48

11,18

10,20

23,14

6,31

14,20

8,05

19,47

15,70

32,35

9,,.-,

20,30

185 der direkten Bundessteuer.

Steuerpflichtige mit Vermögen voii Fr. 20,000 und darüber

absolut

4

17,518 29,057 5,978

-

327 2,107 433 353 1,266 1,104

in % der Wohnbevölkerung 5

3,26

in % der erwachsenen Erwerbstätigen 6

7,0l

4,37

10,49

3,45

8,38

1,«

3,67

3,55

7,96

2,44

5,98

2,51

6,22

3,76

7,19

3,79

8,83

4,923

3,42

8,56

3,614

2,94

6,98

3,87

8,99

5,502 2,408

2,610 1,328 459 6,404 4,300 9,232 3,898 3,383 17,344 2,702 4,860 9,253 140,363

3,05

6,72

5,44

12,08

2,24

4,50.

3,07

5,08

2,08

4,8Î

3,86

6,98

3,87

8,69

2,78

5,96

2,09

4,27

5,35

12,04

2,08 3,S4

4,84 o 8,20

5,06

11,88

3,61

3,04

Steuerpflichtige mit einem Erwerb von Fr. 5000 und darüber

absolut

in °/o der in °/o der erwachWohnsenen bevölke- Erwerbsrung tätigen

7 .

3

2,750

0,51

1,10

0,84

2,08

0,42

1,08

0,10

0,26

0,39

0,89

0,05

0,18

0,27

0,69

0,83

1,60

0,45

1,06

0,38

0,8»

5,601 729 24 235 10 39 281 132 476 772 2,912 419 272 221 17 1,860 458 1,126 413 700 1,526 263 1,159 2,731 25,126

9

0,6ä

1,49

2,05

4,76

0,53

1,17

0,66

1,26

0,37

0,7D

0,ii

0,22

0,60

1,26

0,38

0,74

0,47

1,04

0,29

0,68

0,43

0,88

0,4,

1,06

0,20

0,45

0,86

1,98

1,87

3,45

0,64

1,43

186 Erwerbstätigen der Steuer unterstellt werden. Durch eino solche Steuer würde, wie erwähnt, nicht nur die Volkswirtschaft ungünstig beeinflusst, sondern auch das Gerechtigkeitspostulat, dessen Erfüllung die Demokratie anstrebt, verletzt werden.

Bei Erörterung der finanzpolitischen Zweckmässigkeit direkter Bundessteuern hatten wir Gelegenheit auch auf die sozialpolitischen, Yolkswirtschaftlichen und allgemein kulturellen Folgen der Einführung direkter Bundessteuern hinzuweisen. Es stehen die finanzpolitischen und sozialpolitischen Fragen in engem Zusammenhang, da ohne sichere finanzpolitische Grundlage Sozialpolitik undurchführbar ist. Weil aber letzten Endes nicht nur verfassungs- und finanzpolitische sondern auch sozial- und kulturpolitische Gründe gegen die Einführung direkter Bundessteuern sprechen, soll auf sie hingewiesen werden.

3. Sozialpolitische Gründe. Geht den Kantonen infolge Einführung dauernder direkter Bundessteuern ihr finanzielles Selbstbestimmungsrecht verloren oder werden sie zum mindesten auf den Rand des ihnen ursprünglich ganz zur Verfügung stehenden Steuergebietes hinausgedrängt, so müssen sie in weitgehendem Masse Verzicht leisten auf Kultur- und Sozialpolitik. Es ist die wirtschaftliche, den Stand der Kultur mitbestimmende Entwicklung, welche die Kantone zur Erweiterung ihres Aufgabenkreises drängte. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung steigen die Anforderungen des einzelnen in Bezug auf Lebenshaltung und Anteilnahme an den Gütern der Kultur. Die Gründung und Erweiterung gewerblicher und wissenschaftlicher Bildungsanstalten ist daher eine unbedingte Notwendigkeit, soll nicht die Entwicklung der Volkswirtschaft hintangehalten werden. Mit der allgemeinen kulturellen Entwicklung wachsen die Ausgaben für Erziehung und Unterricht, die Auslagen für Wohlfahrtszwecke. Die industrielle Entwicklung, die meist ein Steigen der Arbeitslöhne und ein Sinken des Geldwertes zur Folge hat, bringt dem Staate wirtschafts- und sozialpolitische Aufgaben. In seiner Rolle als Arbeitgeber muss der Staat Löhne und Gehälter dem durch die vermehrte Nachfrage der Arbeiterklasse und durch die Geldentwertung gestiegenen Preisniveau aller Gegenstände des täglichen Bedarfes anpassen ; seine Ausgaben werden somit allein durch die Tatsache des wirtschaftlichen Fortschrittes automatisch in die Höhe
getrieben, selbst wenn er nicht zur Lösung n e u e r Aufgaben schreitet.

Haben infolge der wirtschaftlichen Entwicklung im Laufe der Jahrzehnte die Kosten der Lebenshaltung bedeutende Verschiebungen erfahren, so müssen auch die Existenzminima der

187

Steuergesetze erhöht werden. Daraus resultiert bei gleichbleibendem Steuersatz und stationärem Steuerkapital eine Einnahmeverminderung. Nehme man auch an, das Steuerkapital vermehre sich, so wird dadurch bestenfalls der Ausfall, der durch die Erhöhung des Existenzminimums entsteht, gedeckt. All diese Faktoren hätten auch o h n e die Weltkriegskrisis ein Anwachsen der kantonalen Ausgaben gebracht ; sie bedingen die durchaus reguläre Ausgabenmehrung infolge des kulturellen Fortschrittes. Dazu treten die ausserordentlichen Kriegsausgaben der Kantone (Teuerungszulagen, Notstandsunterstützungen usw), die sich nach dem Kriege teilweise in ordentliche Ausgaben wandeln werden (Besoldungserhöhungen). Den Kantonen in dieser Lage die Möglichkeit der Steigerung ihrer Einnahmen aus direkten Steuern nehmen, dadurch dass man diesen Steuern direkte Bundessteuern hinzufügt, hiesse sie von ihren wichtigen wirtschaftlichen und kulturellen Aufgaben zurückhalten. Der Bund aber schneidet sich selbst die Entwicklungsmöglichkeiten ab, wenn seine Gliedstaaten nicht die Mittel zur Erfüllung der von ihnen übernommenen Aufgaben haben.

4. Volkswirtschaftliche Gründe. Doch nicht allein vom Standpunkt der kantonalen Finanzhaushalte aus betrachtet, auch im Hinblick auf die g e s a m t e s c h w e i z e r i s c h e V o l k s w i r t schaft bedeuten dauernde direkte Bundessteuern in gewissem Sinne eine Gefahr.

Es ist ohne weiteres klar, dass dauernde direkte Steuern durchaus andere Wirkungen auf die Volkswirtschaft ausüben müssen als einmalige oder nur während einer bestimmten Zeitperiode erhobene, vorübergehenden Charakter tragende Steuern. Letztere werden als ausserordcntliche Ausgaben vom Steuerzahler getragen und wirken meist nicht über den Kreis der Steuerzahler hinaus.

Handelt es sich dagegen um Steuern, die bleibenden Charakter haben, so wird sie der Steuerzahler nicht mehr als ausserordentliche Ausgaben betrachten können, sondern sie als ordentliche Auslagen in seine Geschäfts- oder sonstigen Wirtschaftsunkosten einbeziehen.

Damit wirkt diese Steuerbelastung auch auf d i e Schichten der Bevölkerung, welche zu treffen nicht beabsichtigt war. Wird unsere industrielle Produktion a u f d i e D a u e r durch hohe direkte Steuern belastet, so muss sie suchen, die Steuerlast auf Handel und Konsum ab/.uwäl/.en. Auch der Arbeiter
wird einen Teil der Steuer im Preisaufschlag der Produkte bezahlen müssen. Diese Abwälzung der direkten Steuern trifft den Steuerpflichtigen härter als indirekte Steuern, da sie sich nicht auf Gegenstände des entbehrlichen Luxusbedarfes beschränkt. Dazu wird sich der Arbeiter

188 auch als Produzent getroffen sehen, wenn die Preiserhöhung Exportprodukte betrifft, deren Herstellung zurückgeht, sobald die Preiserhöhung die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt gefährdet. Zur Preiserhöhung der Produkte durch hohe Steuern tritt leicht Mangel an Arbeitsgelegenheit in den Exportindustrien.

Dauernde direkte Bundessteuern würden also, da sie im Laufe der Zeit abgewälzt werden können, auf indirektem Wege gerade d i e Schichten der Bevölkerung am schwersten treffen, welche das Initiativbegehren von der Bundessteuer befreit wissen will und die auch unseres Erachtens in der jetzigen Zeit nicht noch mehr zur Steuerleistung herangezogen werden können. Diese Schichten würden die Steuerbelastung des Kapitals in erhöhten Produktenpreisen oder, wenn die Produktion zurückgeht, in Lohnreduktionen und Verminderung der Arbeitsgelegenheit zu spüren bekommen.

Endlich kann eine Verminderung oder Verlangsamung der Kapitalbildung, d. h. der Bildung neuer Produktionsmittel, vor allem in der industriellen Produktion die Folge hoher dauernder Steuerbelastung durch Bundessteuern für die schweizerische Volkswirtschaft sein. Der von den industriellen Erwerbswirtschaften zu bezahlende Steuerbetrag kann nicht unmittelbar zur Ausdehnung der Produktion oder zur Vermehrung des Lohnkapitals benutzt werden. Andere Erwerbswirtschaften, die wohl Kapital bilden, dieses aber nicht im eigenen Betriebe arbeiten lassen, sehen ihre Gewinne und Ersparnisse durch die Steuer aufgezehrt und können der Volkswirtschaft kein Geldkapital mehr zur Verfügungsteilen. Das Angebot auf dem Kapitalmarkt geht daher zurück und der Zinsfuss wird eine steigende Tendenz aufweisen. Verminderung oder doch Verlangsamung der Kapitalbildung sowie alle Erscheinungen, die damit in Zusammenhang stehen, wie Einschränkung der industriellen Produktion, Rückgang des Exportes und deren soziale Begleiterscheinungen werden sich als Folgen dauernder direkter Bundessteuern einstellen und unsere Volkswirtschaft schädigen.

II. Zur Geschichte der direkten Bundesstener in den Bundesstaaten.

Ein kurzer Überblick über die wirtschaftshistorisch- und finanzpolitische Entwicklung, die in ändern Bundesstaaten zur Einführung direkter Bundessteuern führte, ist für uns von Interesse.

189

da er uns zeigt, dass nicht allein die durch Geschichte und Verfassung bedingten Ä h n l i c h k e i t e n innerhalb der einzelnen Bundesstaaten es sind, welche gleichartige Entwicklungen -- hier die Einführung direkter Bundessteuern -- zu erklären vermögen, ·dass es nicht sowohl das G e m e i n s a m e als vielmehr die für das betreffende Land t y p i s c h e politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung es war, welche die Gestaltung der Steuersysteme bestimmte. Daraus ergibt sich, dass geschichtliche Entwicklungen sich in keine Schablone zwingen lassen, dass keine Regel für historisches Geschehen sich aufstellen lässt. Ä h n l i c h e Voraussetzungen m ü s s e n nicht zu gleichem geschichtlichem und gesetzgeberischem Resultat führen, und gleiche oder ähnliche geschichtliche Tatsachen sind aus ganz verschiedenen Gedankenund Tatsachenreihen heraus entstanden. Die Einführung der direkten Bundessteuer in den Vereinigten Staaten und im Deutschen Reich beruht zum Teil auf Voraussetzungen, die für die Schweiz nicht .zutreffen, war die Folge politischer Gruppierungen, wirtschaftlicher Umstände und sozialer Verhältnisse, welche die Schweiz nicht kennt. Damit ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Schweiz von ändern Grundlagen ausgehend zur direkten Bundessteuer kommen könnte. Aber gerade die Betrachtung der Art und Weise, wie andere Staaten mit ähnlicher konstitutioneller Grundlage das Problem, das sich heute uns stellt, gelöst haben, ist nützlich, zur O r i e n t i e r u n g in der Frage der direkten Bundessteuer, zeigt uns, in welcher Richtung die Entwicklung zu lenken gerade für unser Land und seine einzigartigen Verhältnisse zweckmässig sei, und wird uns vor schablonenhafter Übertragung von Institutionen, die für andere Länder sich eignen mögen, bewahren.

Die wirtschaftshistorische Entwicklung bedingte bis in die letzten Jahrzehnte und hinauf zur Gegenwart das Steuersystem der Bundesstaaten in der Weise, dass die indirekten Steuern dem Bunde, die direkten Steuern den Gliedstaaten und deren lokalen Verbänden zugewiesen waren. Erst die jüngste Entwicklung der Steuergesetzgebung zeigt Abweichungen vom traditionellen, bundesstaatlichen Steuersystem : 1906 wird dem Deutschen Reich mit der Einführung einer Reichserbschafts- und einer Tantiemensteuer das Gebiet der direkten Steuern
erschlossen ; 1909 genehmigen die Vereinigten Staaten von Nordamerika eine direkte, die Aktiengesellschaften treffende Steuer und bauen 1913 durch Einführung der Einkommenssteuer für physische Personen ihr System direkter Steuern aus.

·

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. I.

14

190

1. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Die E n t w i c k l u n g der Idee der direkten Bundessteuer in den Vereinigten Staaten und die Gründe ihrer Einführung.

Wenn die Bundeseinkommenssteuer, welche die Bundesverfassung der Union vorsieht, weder gleich nach Gründung des Staates, noch im Laufe des vergangenen Jahrhunderts als dauernde Institution eingeführt wurde, so sind die Gründe folgende : Einmal besteuerten bei Inkrafttreten der Bundesverfassung die Mehrzahl der Gliedstaaten Einkommen und Vermögen, sodann genügten dem neugegründeten Staate in der Folgezeit seine Haupteinnahmen : die Zölle und Verbrauchsabgaben den Staatsbedarf zu decken.

Eine Bundessteuer kam daher in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht in Frage. Der ausserordentliche Geldbedarf, den der Bürgerkrieg brachte, wurde in den Einzelstaaten wie auch vom Bund durch Einkommensbesteuerung aufgebracht. Die in den Jahren 1861/65 entstandenen Einkommenssteuergesetze des Bundes sind daher als ausserordentliche Kriegsmassnahmen aufzufassen, deren Abbau erfolgt durch die Steuergesetze der folgenden Jahre. Da sich der Bund nach den Kriegen wieder mit seinen ordentlichen Einnahmen begnügen wollte, so wurde für das Jahr 1871 ein Aufhören dieser Bundessteuern vorgesehen. Angesichts dieser Tatsache und im Hinblick auf das unerfreuliche Bild, das die einnzelstaatliche Besteuerung bot, fehlte es schon damals nicht an Anregungen, die bundesstaatliche Einkommenssteuer als das in den Händen der Zentralgewalt weit wirksamere Finanzmittel beizubehalten. Doch fehlte den Vorschlägen zur Einführung allgemeiner Bundeseinkommenssteuern, die zu Anfang der 80er Jahre gemacht wurden, bei der damaligen politischen und finanziellen Lage der Union die Durchschlagskraft: bei dem grossartigen wirtschaftlichen Aufschwung, den die Vereinigten Staaten nach dem Bürgerkrieg erlebten, bei dem herrschenden Schutzzollsystem, das dem Staate mehr als die notwendigen Mittel gewährte, war die befürwortete Umgestaltung des Finanzwesens keine Notwendigkeit. Erst 10 Jahre später, zu Anfang der 90er Jahre, kam mit dem Sieg der Demokraten, den Trägern des Freihandelgedankens, die Bewegung in Fluss. Der Entwurf eines ersten Einkommenssteuergesetzes, das eine Besteuerung von 4 °/o für alle Einkommen von mehr als £. 4000 auf die Dauer von 5 Jahren vorsah, fiel durch den Entscheid des Bundesgerichtshofes, der seine Verfassungswidrigkeit erklärte. (Nach der Verfassung konnte der Bund nur Steuern

191 erheben, sofern sie den Bevölkerungszahlen der Einzelstaaten proportional waren ; in der Not der Bürgerkriege hatte dieser Artikel offenbar keine Wirkungskraft gehabt.) So verlief die Bewegung der 90er Jahre im Sande. Erst durch die Krisis der Jahre 1907 auf 1908 und die ihr folgende Depressionsperiode erfuhr die Freihandelsbewegung und damit der Gedanke der Einkommenssteuer starke Förderung. Auf Antrag der demokratischen Partei sollte die Bundesverfassung dahin abgeändert werden, dass der Kongress ermächtigt würde, eine Steuer auf Einkommen natürlicher und juristischer Personen zu erheben. So kam Juli 1909 ein Amendement zur Verfassung zustande, das dem Kongress die Vollmacht erceilte, Einkommen aus jeder Quelle, ohne Rücksicht auf die Bevölkerungszahl der Einzelstaaten zu besteuern. Da nun keine staatsrechtlichen Hindernisse mehr 'entgegenstanden, schritt man sofort zur Steuergesetzgebung. Im August 1909 wurde das Gesetz betreffend die Besteuerung der Aktiengesellschaften geschaffen; es erscheint als Paragraph des Zolltarifs in Übereinstimmung mit der einen Begründung der direkten Steuer : Ersatz der Zolleinnahmen. Das Gesetz vom 3. Oktober 1913 brachte dann die Einkommenssteuerpflicht für physische Personen.

Verfolgt man die finanzwissenschaftliche und parlamentarische Diskussion, so erkennt man leicht zwei Motivenreihen, die zur Einführung der Bundessteuer geführt haben : 1. Die demokratisch-freihändlerische Partei, deren Ziel der Übergang der Vereinigten Staaten zum Freihandel ist, betrachtet die Einkommenssteuer als Mittel zum Zweck. Sie erstrebt die völlige Abschaffung der Zölle und hofft, ihr Ziel durch Einführung direkter Bundessteuern zu erreichen. Das Projekt der Einkommenssteuer ist für sie daher aufs innigste mit den Fragen der Handelspolitik verbunden. Der Hauptakzent liegt für diese Partei nicht auf der B u n d e s Steuer, sondern auf der d i r e k t e n Steuer, im Gegensatz zu den indirekten in Form der Zölle. Diese prinzipielle Stellungnahme für direkte Steuern und gegen Zölle begründet sie fiskalisch damit, dass direkte Bundessteuern einen reichlichen Ersatz für die versiegenden Zolleinnahmen sein werden. Der innere Zusammenhang von Handels- und Steuerpolitik wird auch äusserlich dokumentiert durch die Form des Steuergesetzes als Teil des Zolltarifs.

2. Doch sind es nicht
handelspolitische Erwägungen, die schliesslich ausschlaggebend sind ; mehr als diese ist es der G e d a n k e des s o z i a l e n A u s g l e i c h e s . Der Zweck der Bundes-

192 Steuer wird klar nicht als finanzpolitischer, sondern als sozialpolitischer in dem Verfassungszusatz von 1909 dargelegt, wenn es heisst : ,,Die Steuer wird erhoben zu dem Zwecke, dass der Reichtum seinen angemessenen Teil der Lasten trage.14 Die Steuer soll somit einen Ausgleich in der Steuerlast zwischen den wohlhabenden und unbemittelten Volkskreisen bringen. Ihr E n t s t e h u n g s g r u a d ist n i c h t der B u n d e s b e d a r f ; ihr Zweck aber die D u r c h f ü h r u n g einer g e r e c h t e n V e r t e i l u n g derfinanziellenLasten. .

Gewiss, diese Steuer war in den Vereinigten Staaten, da sie eingeführt wurde, der Ausdruck des Willens der Mehrheit.

Die zwei grossen Volksparteien befürworteten sie : die Republikaner verlangten sie als Mittel zur Erreichung eines sozialpolitischen Ausgleichs in der fiskalischen Belastung; die Demokraten erwarteten von ihr einen Sieg des Freihandelsgedankens. Die Regierung endlich, die ihre Einnahmen aus Zöllen gefährdet sah, begrüsste sie als Finanzmittel. Doch bedeutet die fast allgemeine Zustimmung, welche diese Steuer bei ihrer Einführung fand, nichts für die Dauer ihres Bestehens. Man erwartet von ihr soziale Wirkungen. Wird man in den gehegten Erwartungen getäuscht, oder aber wird sich, was nicht unmöglich ist, die Union wieder dem Hochschutzzoll zuwenden, so kann die Einkommenssteuer wieder fallen gelassen werden, jedenfalls ist es eine Frage der Zweckmässigkeit und nicht eine Prinzipienfrage, ob man sie weiter bestehen Inssen will. Erweist sie sich als unpopulär, so kann das Versprechen einer im Wahlkampf siegenden Partei, genügen sie abzuschaffen.

2. D.is Deutsche Reich.

Die Entwicklung der Reichsfinanzen und der Kampf um die direkte Bundessteuer.

Das Recht des Deutschen Reiches zur Erhebung direkter Steuern wird durch die Verfassung ausgesprochen. Diese sagt darüber: ,,Zur Bestreitung aller gemeinsamen Ausgaben dienen zunächst die etwaigen Überschüsse der Vorjahre, sowie die aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen Verbrauchs s t e u e r n und aus dem Post- und Telegraphenwesen fliessenden gemeinsamen Einnahmen. Insoweit dieselben durch die Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie, solange Reichssteuern n i c h t e i n g e f ü h r t sind, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Massgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche bis zur Höhe des budgetmässigen Betrages durch den Reichskanzler ausgeschrieben werden."

193 Trotzdem direkte Steuern somit verfassungsmässig vorgesehen sind, werden während der ersten 30--40 Jahre des Bestehens des Reichs doch keine solchen eingeführt; sondern der Finanzhaushalt wird mit Einnahmen aus Zöllen, Verbrauchsabgaben und Beitragsleistungen der Einzelstaaten (Matrikularbeitrage) geführt.

Bismarck sucht von Ende der 70er Jahre an durch Ausbau der indirekten Steuern die Reichsfinanzen zu verselbständigen und zu konsolidieren. Doch scheitert sein grosszügig angelegter Finanzpian zum grossen Teil am "Widerstand des Reichstags. Zustande kommen nur die Tabaksteuer und Zollerhöhungen. Zudem sollten die Z o l l e i n n a h m e n des Reiches, soweit sie jährlich 130 Mili. Mark übersteigen, den Gliedstaaten überwiesen werden (Klausula Frankenstein). Diese ihrerseits waren nach wie vor zur Leistung von Matrikularbeiträgen verpflichtet. Diese zwei Bestimmungen: Die Verpflichtung der Gliedstaaten zu Beitragsleistungen an das Reich, die Verpflichtung des Reichs zur Verteilung der Zolleinnahmen führte zu der finanzpolitisch und finanztechnisch unerfreulichen undunzweckrnässigen sogenannten Ü b e r w e i s u n g s wirtschaft, die sich als Hemmschuh einer geordneten Entwicklung des Finanzwesens von Reich und Gliedstaaten erwies.

Die durch die Zollerhöhungen der 80er Jahre beträchtlich sich mehrenden Einnahmen musste das seinen Aufgabenkreis und damit seine Ausgaben rasch vergrössernde Reich durch seine Kassen hindurch den Einzelstaaten zuleiten und sah sich bei wachsendem Finanzbedarf besonders für militärische Zwecke ° ausserstande, seine Einnahmequellen den Ausgaben entsprechend zu mehren. Die Einzelstaaten ihrerseits konnten bei der schwankenden Grosse ihrer Einnahmen -- sie wussten weder was sie dem Reiche in Form von Matrikularbeiträgen zu bezahlen, noch was sie von diesen bekommen würden -- keinen geregelten Finanzhaushalt führen. Da zudem während einer langen Periode (1879 bis 1892) das Reich ihnen weit mehr zu überweisen hatte, als sie an Beiträgen ihm leisteten, waren sie nur allzu geneigt, diese Einnahmen als ordentliche und stets steigende zu betrachten, und richteten danach ihre Ausgabewirtschaft ein. Ihre mehr als ausreichenden Mittel erlaubten ihnen, die direkten Steuern zu erniedrigen und reichlich Kulturarbeit zu tun, während das Reich, besonders nachdem die grossen Reformpläne
der 80er Jahre (1882 Tabakmonopol, 1886 Branntweinmonopol) gescheitert waren, zu weiterm A u s b a u der Z ö l l e und zur S c h u l d e n w i r t s c h a f t genötigt war. Da bei der verfassungsrechtlichen Stellung des Reichs den Gliedstaaten gegenüber es möglich war.

194 dass der Reichstag Ausgaben bewilligte, ohne zugleich verpflichtet zu sein, die entsprechenden Einnahmequellen zu bezeichnen, so musste das Reich, um seine ordentlichen Ausgaben zu decken, zur A n l e i h e greifen. Daher der Zustand, dass zur Zeit der höchsten Überweisungen des Reichs an die Staaten (1886 auf 1891) die Reichsschuld von 440 auf 1317,8 Mili. Mark, also fast um eine Milliarde stieg. Die Reformen der 90er Jahre suchen auf dem Wege indirekter Steuern (Wein-, Tabak-, Branntwein-, Schaumweinsteuer und Erhebung von Stempelabgaben) eine Sanierung der Reicbsflnauzen herbeizuführen. Doch wächst der Widerstand des demokratisch und sozialpolitisch orientierten Reichstages gegen indirekte Steuern von Jahr zu Jahr. Noch scheut man sich aber vor einem Einbruch in das Gebiet der direkten Steuer, das bisher den Gliedstaaten allein offen gestanden war.

Mit 1900 beginnt eine wesentlich sozialpolitisch orientierte Finanzpolitik. Bis zu diesem Zeitpunkte waren sozialpolitische Anschauungen nicht in die Finanzgesetzgebung eingedrungen.

Jetzt muss die Steuergesetzgebung des Reiches dem Gedanken eines Ausgleiches in der Belastung der wohlhabenden und minderbemittelten Schichten zugänglich gemacht werden. Die Auffassung der Steuer als eines Mittels der Sozialpolitik führt zur Ablehnung indirekter Steuern und zur Forderung direkter Reichssteuern.

Die Finanzreform von 1906 bringt daher ausser den Erhöhungen bestehender indirekter Steuern und der Erweiterung der Reichsstempelabgaben die ersten direkten Steuern : eine im Vergleich zum Entwurf allerdings stark beschnittene Reichserbschaftssteuer , und die, weil in Form einer indirekten Steuer erhobene, auch-den Gegnern genehme Tantiemensteuor.

Durch Erbschafts- und Tantiemensteuer war der Anfang zu einem sozialpolitischen Ausgleich gemacht worden. In der Zeit von 1906 auf 1909 findet der Gedanke der direkten Reichssteuer in mannigfachen Projekten Befürworter und in der R e f o r m v o r l a g e von 1909 werden die neuen sozialpolitischen Grundsätze auch von Seiten der Regierung anerkannt. Die Besitzenden sollten mittels einer Nachlasssteuer stärker herangezogen werden, und das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wurde durch Abstufung der Steuersätze bei Tabak usw. auf die indirekte Besteuerung übertragen. Nach Ablehnung der Nachlasssteuer,
die der ganzen Vorlage einen sozialpolitischen Charakter verliehen hatte, entbrennt der Kampf für und wider direkte Bundessteuern nur um so heftiger. Soweit es sich hierbei um p r i n z i p i e l l e Fragen handelt, werden sie im folgenden kurz.

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erörtert. Das Ergebnis des jahrelangen Kampfes: die F i n a n z g e s e t z g e b u n g kann nur erwähnt werden.

Der f i n a n z p o l i t i s c h e Gedanke, dass das Reich zur Führung seines Finanzhaushaltes neuer Mittel bedürfe und der s o z i a l e Gedanke, dass, da die Steuerkraft durch indirekte Steuern schon stark angespannt sei, direkte Reichsstcuern, die einen Ausgleich in der Belastung ermöglichen, einzuführen seien, bilden die grossen Leitmotive der Diskussion. Daneben wird die verfassungsrechtliche Seite des Problems besprochen. Doch ist hier darauf nicht einzutreten, da diese Frage stets von Fall zu Fall entschieden werden muss; übrigens im Deutschen Reich durch die Bestimmungen der Verfassung schon beantwortet war, was die Sache dort zum vornherein bedeutend vereinfachte.

Es ist somit hauptsächlich die sozialpolitische und die finanzpolitisch-steuertechnische Seite des Problems, auf di>i hingewiesen werden muss.

Sozialpolitisch lautet die Frage: Darf das Reich von seinem unzweifelhaften Recht der Steuererhebung Gebrauch machen, bedeuten nicht direkte Reichssteuern eine unerträgliche Last für weite Kreise der schon einzelstaatlicher Besteuerung unterstellten Steuerpflichtigen? Man kann sagen, diese Belastungsfrage, die eine der schwierigsten Aufgaben der Sozialstatistik darstellt, sei bis heute nicht gelöst worden ; denn so einfach es ist, die Verteilung des Steuerertrages auf den Kopf der Bevölkerung auszurechnen, so schwierig ist es nachzuweisen, wie die Steuerlast auf die einzelnen Schichten der Bevölkerung sich verteilt.

Was die finanzpolitisch-steuertechnische Frage betrifft, so handelt es sich darum, unter den direkten Steuern diejenige zu wählen, die am zweckmässigsten ist, d. h. die genügende Erträge abwirft, ohne zugleich zu einer Lahmlegung einzelstaatlicher Steuerpolitik zu führen. Spricht man allgemein von direkten Steuern, so denkt man dabei meist an Vermögens- und Einkommenssteuer.

Es stand somit in erster Linie die R e i c h s e i n k o m m e n ssteuer zur Diskussion. Man konnte sich nicht verhehlen, dass bei der einzelstaatlichen, besonders auch der ungleichen kommunalen Belastung'die bestehenden Ungleichheiten auf die Spitze getrieben würden, wenn die Gesamtlast an direkten Steuern noch erheblich gesteigert würde durch Erhebung einer Reichseinkommenssteuer oder
durch staatliche Einkommenssteuern mit Reichszuschlägen ; da diese eben gerade durch ihre eigene Gleichmässigkeit die Ungleichmässigkeit der Gesamtsteuerlast verschärfen würden.

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Was die Form der Einkommenssteuer betrifft, so boten sich hier d r e i M ö g l i c h k e i t e n : 1. R e i c h s k o d i f i z i e r u n g und Reichszuschläge.. Ein Reichseinkommenssteuergesetz würde einheitliche Grundsätze für die Besteuerung festsetzen, nach welchen auch die Einzelstaaten ihre Steuergesetze umzubilden hätten. Der Bedarf des Reichs würde durch Zuschläge zu den Steuern der Gliedstaaten erhoben. Dieser Form standen staatsrechtliche Bedenken entgegen : es sollte nur die Tatsache verschleiert werden, dass die Einzelstaaten ihr Finanzhoheitsrecht zum Opfer bringen sollten; denn wenn die Grundsätze der Besteuerung, wenn Veranlagungsart, Steuerstufen und Steuerbefreiungen reichsgesetzlich geregelt waren, so blieb dem Einzelstaat nur noch übrig, die Höhe des Steuersatzes zu bestimmen, eine rein rechnungsmässige Aufgabe. Von einem unbeschränkten finanziellen Selbstbestimmungsrecht konnte nicht die Rede sein.

2. Reichseinkommenssteuer, u n a b h ä n g i g von e i n z e l staatlicher Gesetzgebung. Ein zweites Projekt ging dahin,, das Reich möge ohne Rücksicht auf die einzelstaatliche Steuergesetzgebung neben dieser seine Einkommenssteuer erheben.

Abgesehen davon, dass dieses System finanziell unergiebig ist, erschien es auch verwaltungstechnisch unbrauchbar, da unökonomisch und unbequem für den Steuerzahler.

3. R e i c h s e i n k o m m e n s s t e u e r als Ersatz einzelstaatlicher d i r e k t e r Steuern. Das Projekt ging auf die Aufhebung aller direkten Steuern der Einzelstaaten und ihren Ersatz durch eine einheitlich geregelte Reichssteuer. Vom Ertrag dieser Steuer sollten die Staaten eine Quote zugewiesen bekommen und auch ermächtigt sein, Zuschläge zur Reichssteuer zu erheben. Die Gefahr dieser Normieiung -- abgesehen von den entgegenstehenden verfassungspolitischen Bedenken -- lag in der willkürlichen Festsetzung der Höhe der Zuschläge, die von den Einzelstaaten erhoben werden konnten.

Geringere Schwierigkeiten schien auf den ersten Blick die Einführung einer R e i c h s v e r m ö g e n s s t e u e r zu bereiten. Einmal, weil die Besteuerung des Vermögens nicht stark entwickelt war -- einzelne Staaten kannten überhaupt noch keine Vermögenssteuer -- sodann weil da, wo Vermögenssteuern bestanden, sie gewisse Gleichmässigkeiten aufwiesen, die im Wesen dieser Steuer begründet sind. Nur in wenigen Staaten hatte die Vermögenssteuer als Ergänzungssteuer eine Ausgestaltung erfahren.

197 Es erschien auch nicht als ein Hindernis, dass das Reich das Vermögen, die Staaten das Einkommen erfassen würden. Es sprachen weniger finanzielle und technische, als vielmehr prinzipielle Bedenken gegen sie. Die Vermögenssteuer, so wurde argumentiert, wird aus dem Einkommen bezahlt, sie ist eine Ergänzungssteuer zur Einkommenssteuer. Wird die Zusatzbelastung des Einkommens, die sie anstrebt, verselbständigt, so wird die Vermögenssteuer aus ihrer natürlichen Kombination herausgerissen, und die Erfassung des Einkommens wird dadurch erschwert werden.

Eine andere Frage ist die, ob die Vermögenssteuer dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entspreche. Auch wo der steuerbare Wert zweier Vermögensobjekte gleich gross erscheint, ist das Vermögenseinkommen oft verschieden; es ist bedingt durch die Art des Vermögens. Es entspricht nicht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wenn ein in Immobilien angelegtes Vermögen, das im Steuerjahr keinen Ertrag abwirft, besteuert wird, wie ein hohe Dividende abwerfendes, in Wertpapieren angelegtes Kapital.

Die Vermögenssteuer berücksichtigt ferner auch nicht die s u b j e k t i v e Natur des Vermögenswertes. Die Höhe des Vermögeuseinkommens ist ausser von der Art des Vermögens abhängig vom Besitzer des Vermögensobjektes, d. h. von seiner persönlichen Tüchtigkeit. Nicht das Vermögen, sondern was sein Besitzer aus ihm macht und mit seiner Hülfe erreicht, bestimmt die wirtschaftliehe Leistungsfähigkeit des Besitzers.

. Wie gestaltet sich nun die F i n a n z g e s e t z g e b u n g nach den vielfachen Auseinandersetzungen in Presse und Parlament? Das Reich wurde zur direkten Bundessteuer als dem einzigen Ausweg aus der Finanznot hingedrängt: die Matrikularbeiträge der Staaten waren ein anerkannt schlechtes Finanzmittel.

Der Monopolweg und der Weg indirekter Steuern war nach den Erfahrungen, die man 1909 gemacht hatte, nicht gangbar.

Das Intestater brecht des Staates, das bei der Reform von 1909 der Stein des Anstosses gewesen war, konnte, da man den Zwist der bürgerlichen Parteien vermeiden wollte, nicht in Frage kommen. Es blieb somit nur die von der herrschenden Stimmung sozial als gerecht anerkannte H e r a n z i e h u n g des B e s i t z e s im Wege der direkten Steuer, und die Regierungen machten den Vorschlag, den
einmaligen Bedarf durch eine e i n m a l i g e ausserordentliche d i r e k t e Steuer zudecken. Diese einmalige ausserordentliche Vermögensabgabe ist der W e h r b e i t r a g v o n 1913. Das Versprechen seiner Nicht Wiederholung konnte um so

198 leichter gehalten werden, als dasselbe Jahr 1913 die seit 1909 erwartete ordentliche direkte Reichsabgabe, die V e r m ö g e n s z u w a c h s s t e u e r brachte. Diese Steuer trägt, wie der Wehrbeitrag, ausgesprochenen Besitzsteuercharakter ; während beim Wehrbeitrag das Vermögen, so ist hier der Vermögenszuwachs Steuerobjekt.

Der dritte wesentliche Bestandteil des Finanzprogrammes von 1913, ausser Wehrbeitrag und Vermögenszuwachssteuer ist das I n t e s t a t e r b r e c h t des S t a a t e s . Der Gedanke, das gesetzliche Erbrecht der Blutsverwandten zugunsten des Staates zu beschränken, war bei der Reform des Jahres 1909 fallen gelassen worden. Er wurde jetzt, nachdem er auch im Zusammenhang mit der Wehrvorlage erwogen worden war, dort ausgeschieden und mit dem Vermögenszuwachs-Steuergesetz in Zusammenhang gebracht. Vermögenserwerb auf Grund von Rechtstiteln, die dem Erbrecht angehören, wird nun im Rahmen des VermögenszuwachsSteuergesetzes erfasst.

Der vorstehende Rückblick zeigt, dass die Vereinigten Staaten von Nordamerika eine eigentliche Einkommenssteuer des Bundes kennen, deren Fortbestand allerdings nicht gesichert erseheint, dass das Deutsche Reich zwar wohl verschiedene in das Gebiet der direkten Steuern gehörende Abgaben eingeführt hat, jedoch weder zur eigentlichen Vermögenssteuer noch zur Einkommenssteuer gekommen ist.

Damit ist über Wert oder Unwert dieser Steuer für die Schweiz nichts gesagt.

In der folgenden Schlussbetrachtung fassen wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen prinzipieller sowie historisch-kritischer Natur zusammen und gehen kurz auf die einzelnen Vorschläge des Initiativbegehrens ein.

III. Schlussfoetrachtungen.

Bei aller Gleichartigkeit der Verfassung und der innerpolitischen Struktur der Bundesstaaten sind doch die trennenden Momente wirtschaftlicher, sozialer und anderer Natur zwischen den einzelnen Staaten sehr zahlreich und auch die vortrefflichste Gesetzgebung des einen Staates kann daher für den ändern Staat nicht massgebend, selten nur richtunggebend sein.

199 Deshalb ist es angezeigt, auf die Voraussetzungen hinzuweisen, von denen die Bundesstaaten, welche direkte Steuern der Zentralgewalt einführten, ausgegangen sind.

In den V e r e i n i g t e n Staaten war es vor allem der Ged a n k e des sozialen Ausgleiches, der als Triebfeder der Entwicklung wirkte. Auch im D e u t s c h e n Keich war es in zw'eiter Linie -- neben dem Finanzbedarf, -- die Notwendigkeit, das G l e i c h g e w i c h t zwischen d i r e k t e n und i n d i r e k t e n S t e u e r n im System wieder herzustellen, der zu der getroffenen Entscheidung geführt hat. Für die S c h w e i z dagegen ist vom Standpunkt aus, von dem wir die Sache beurteilen, die Frage der direkten Bundessteuer vor allem ein f i n a n z p o l i t i s c h e s P r o b l e m , eine Zweckmässigkeitsfrage und nicht in erster Linie eine Frage sozialen Ausgleiches. Die Verteilung des Volkseinkommens in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten kann nicht in Parallele gestellt werden. Und selbst wenn auch bei uns eine andere Einkommensverteilung erwünscht wäre, so halten wir dafür, dass sie nicht mit den Mitteln der Finanzpolitik zu erreichen ist. Der Zweck aller Finanzmassnahmen ist in erster Linie ein finanzieller: die Deckung des Finanzbedarfes. Erwägungen sozialpolitischer Natur können in zweiter Linie bei der Durchführung von Finanzmassnahmen in Betracht kommen : man wird suchen, die Last so zu verteilen, dass sie sich der Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers anpasst. Die Auffassung, die dem vorliegenden Initiativbegehren zugrunde liegt, und die in der Steuer ein Mittel zu sozialpolitischem Zweck erblickt, kann nicht gutgeheissen werden. Es ist hauptsächlich unsere Finanzlage, die Frage, wie wir unsern Finanzbedarf am zweckmässigsten decken, die unsere Erwägungen in dieser Sache leiten soll. Und dies ist der einzige Punkt, in dem unsere Situation mit der des Deutschen Reiches zu vergleichen ist. Der F i n a n z b e d a r f des Reiches und der Stand 'seiner Schulden machte diese Steuer zu einer finanzpolitischen Notwendigkeit. G r u n d v e r s c h i e d e n aber ist unsere Situation, was die D e c k u n g s m ö g l i c h k e i t e n dieses Finanzbedarfes anbelangt. Im Deutschen Reich hatte die Belastung des Konsums durch indirekte Steuern seine äusserste Grenze erreicht.

Weder die Finanzwissenschaft noch die
Finanzpolitik konnten einer weitern Belastung durch Verbrauchsabgaben das Wort reden. Für uns liegt keine Notwendigkeit vor, in das Gebiet der direkten Steuern, das mit Ausnahme der Militärpflichtersatzsteuer bisher ausschliesslich den Kantonen geöffnet war, einzudringen. Solange uns andere Finanzmittel zur Verfügung stehen, solange das Gebiet der indirekten Steuern noch fast gänzlich

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unbebaut daliegt, ist die Rücksichtnahme auf die klaren Grundprinzipien unserer Verfassung eine Pflicht, und es kann sich in keiner Weise rechtfertigen, die Kantone zur Aufgabe ihres finanziellen Selbstbestimmungsrechtes und zur Aufgabe oder Einschränkung ihrer Wirtschafts- und Kulturpolitik zu veranlassen. Wir können nicht zugeben, dass unsere F i n a n z r e f o r m mit Massnahrnen, die einen offensichtlich politisch wie fina'nziell d e s t r u k t i v e n Charakter tragen, durchgeführt werde; denn die politische und finanzielle Existenzmöglichkeit der Kantone gefährden, heisst die Grundlagen unseres Bundesstaates erschüttern.

Was diese Stellungnahme zum Initiativbegehren betrifft, so wissen wir uns hierin mit den Kantonen einig. Wir haben mit Kreisschreiben vom 13. Oktober 1917 die Kantone aufgefordert, sich zum vorliegenden Initiativbegehren zu äussern. Die grosse Mehrzahl der Antwortschreiben bekundete die durchaus ablehnende Haltung der kantonalen Regierungen gegenüber dauernden direkten Bundessteuern.

Berücksichtigen wir einerseits diese Stellungnahme der Kantone zur Frage dauernder direkter Bundessteuern und die Möglichkeit, die für uns besteht, unsern Finanzbedarf teilweise durch indirekte Steuern zu decken, erwägen wir andererseits die im vorangehenden besprochenen unüberwindlichen Schwierigkeiten, die sich bei Einführung von direkten Bundessteuern ergeben würden, so kommen wir zum Schlüsse, das Volksbegehren betreffend die Einführung von dauernden direkten Bundessteueru sei aus verfassungspolitischen, finanzpolitischen, sozialpolitischen u n d allgemein v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n u n d k u l t u r e l l e n G r ü n d e n , die wir hier kurz resümieren, abzuweisen: 1. Verfassungspolitisch ist die Einführung von dauernden direkten Bundessteuern in irgendeiner Form nicht zu empfehlen > weil damit die p o l i t i s c h e S t e l l u n g der Kantone im Bundesstaate in empfindlicher Weise beeinträchtigt würde.

2. F i n a n z p o l i t i s c h erscheinen im Hinblick auf die bestehenden direkten Steuern der Kantone direkte Bundessteuern nicht zweckmässig. Sie würden zu übermässiger Anspannung der Steuerkraft, zu vermehrter Steuerhinterziehung als Folge hoher Steueransprüche oder zu Kapitalflucht führen und die Kantone in zu starke finanzielle Abhängigkeit vom Bunde bringen.
3. S o z i a l p o l i t i s c h würden dauernde direkte Bundessteuern, die neben den kantonalen und kommunalen direkten Steuern erhoben würden, dem Postulat der Steuergerechtigkeit

201 nicht vollkommen entsprechen, sondern die heute von Kauton zu Kanton bestehende Ungleichmässigkeit der Steuerbelastung verschärfen und auf die Spitze treiben.

4. Dauernde direkte Bundessteuern müssten endlich zu einer Schädigung der V o l k s w i r t s c h a f t lie h en E n t w i c k l u n g der Kantone und ihrer Kulturpolitik führen. Nicht nur würden den Kantonen die Finanzmittel, deren sie zur Erfüllung wirtschaftsund kulturpolitischer Aufgaben bedürfen, entzogen, sondern es würde auch die Kapitalbildung der ganzen schweizerischen Volkswirtschaft beeinträchtigt werden.

Genügen die eben auseinandergesetzten p r i n z i p i e l l e n Bedenken allein schon, unsern Antrag auf Ablehnung des Initiativbegehrens zu begründen, so sehen wir uns in unserer Stellungnahme noch bestärkt, wenn wir die F o r m der direkten Bundessteuer, die das Initiativbegehren vorschlägt, in Erwägung ziehen. Wir wollen hier nur kurz auf einige der wesentlichsten Punkte eintreten: Wir haben bereits im ersten Teile der Botschaft darauf hingewiesen und unsere Ansicht dort mit statistischen Angaben begründet, dass die direkte Bundessteuer der physischen Personen in der vorgeschlagenen Form eine ausgesprochene K l a s s e n Steuer sein würde. Als solche widerspricht sie um so mehr dem Postulat der Gerechtigkeit, je kleiner die Minorität ist, die sie zu tragen hätte. Eine Vermögenssteuer, die, wie erwähnt, im Durchschnitt der meisten Kantone ca. 3,r, % der Wohnbevölkerung und 8 °/o aller erwachsenen Erwerbstätigen erfasst, eine Einkommenssteuer, die wie die vorgeschlagene 0,C4 °/o der Wohnbevölkerung und 1,43 °/o der Erwerbstätigen zur Steuerleistung heranzieht, ist mit den Prinzipien der Demokratie, welche gleiches Recht und gleiche Pflichten für alle verlangen, schlechterdings unvereinbar.

Demselben Vorwurf muss der Vorschlag des Initiativbegehrens begegnen, der Nachlass der Bundessteuerpflichtigen solle der a m t l i c h e n I n v e n t a r i s a t i on unterstellt werden. Ohne hier auf den Wert oder Unwert dieses Mittels der amtlichen Inventarisation eintreten zu wollen, erschiene es uns einfach unzulässig, dasselbe bloss auf den kleinen Prozentsatz der Bevölkerung, welcher nach dem Initiativbegehren der Bundessteuerpflicht unterworfen wäre, anzuwenden ; eine solche différentielle Behandlung von Staatsbürgern verbietet schon das Prinzip der Gleichheit aller vor dem Gesetz.

202 Was endlich die vorgeschlagene B e s t e u e r u n g der j u r i s t i s c h e n P e r s o n e n durch den Bund betrifft, so sprechen dagegen ähnliche Bedenken wie gegen die Besteuerung von Vermögen und Einkommen physischer Personen. ' Eine einheitlich geregelte, durch den Bund erfolgende Besteuerung juristischer und natürlicher Personen hätte rein theoretisch unzweifelhaft ihre grossen Vorteile : Sie würde technischen und sozialen Forderungen hesser Rechnung tragen als die Besteuerung im Rahmen der verschiedenartigsten kantonalen Steuersysteme, sie würde eine gerechtere Steuereinschätzung und eine der Billigkeit entsprechendere Verteilung der Steuerlasten gewährleisten. Doch erheben sich gegen die Bundesbesteuerung juristischer Personen, besonders der Aktiengesellschaften, Bedenken. Da auch die Mehrzahl der Kantone, die nicht wie Basel-Stadt und St. Gallen Spezialgesetze für die Besteuerung der Aktiengesellschaften kennen, diese doch im Rahmen ihrer kantonalen Steuersysteme zur Steuerleistung heranziehen -- (so Genf, Wallis, Freiburg und Appenzell I. Rh. im Rahmen eines Ertragssteuersystems, die Mehrzahl der ändern Kantone im Rahmen eines Personalsteuergesetzes), so ist für eine hinzutretende Bundessteuer kaum Spielraum mehr übrig. Hier wie bei der Steuer physischer Personen erhebt sich daher die Frage, ob die Kantone gewillt sind, einen Teil ihrer Finanzhoheit zugunsten des Bundes aufzugeben, d. h. dem Bunde einzig das Recht zur Besteuerungjuristischer Personen zuerkennen wollen. Können und wollen die Kantone dieses Opfer nicht bringen und tritt zur Besteuerung der Aktiengesellschaften durch die Kantone diejenige durch den Bund, so wird in einzelnen Kantonen die Gesamtsteuerlast eine unerträgliche werden. Mit dem Wachsen der Steuerlast aber wächst auch die Empfindlichkeit des Steuerpflichtigen für die von Kanton zu Kanton bestehenden Ungleichheiten in der Besteuerung, wächst zugleich die Tendenz des Kapitales, Kantone mit verhältnismässig niedrigen Steuersätzen aufzusuchen.

In Konsequenz unserer Auffassung, dass dauernde direkte Bundessteuern nicht einzuführen sind, müssen wir auch den Teil des Initiativbegehrens, der die A u f h e b u n g von A r t . 42 lit. f der Bundesverfassung verlangt, ablehnen; denn die Aufhebung dieses Artikels, der dem Bunde das Recht zur Erhebungkantonaler Beiträge
einräumt, hat nur Sinn, wenn dem Bunde das Recht zugesprochen wird, selbst dauernd direkte Steuern zu erheben. Da wir aber dauernde direkte Bundessteuern ablehnen, so müssen wir für die Beibehaltung dieses Artikels uns aussprechen.

Trotzdem wir somit dauernden direkten Bundessteuern aus prinzipiellen und materiellen Gründen unsere Zustimmung ver-

203 sagen müssen, so können wir uns doch mit dem sozialpolitischen Prinzip, das ja auch den Vorschlägen der Initianten zugrunde liegt: Vermehrte Heranziehung der Leistungsfähigen zur Tragung fiskalischer Lasten, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit einer raschen Tilgung . unserer Mobilisationsschuld, einverstanden erklären. Dieses Prinzip, das, wie wir ausführten, sowohl durch direkte wie durch indirekte Steuern sich verwirklichen lässt, kann gerade durch die Finanzmassnahme, die wir bei der'weitern Durchführung unseres Finanzprogramms in erste Linie stellen, nämlich : durch eine zweite und eventuell durch eine dritte Kriegssteuer, erfüllt werden, wie es auch erfüllt wird durch die eidgenössische Kriegsgewinnsteuer und die eidgenössische Sterm pelsteuer, welche am 1. April 1918 in Kraft treten wird. Alle drei Steuern, die Kriegssteuer, die Kriegsgewinnsteuer und die Stempelsteuer treffen in erster Linie und hauptsächlich den Besitz und erfüllen deshalb durchaus die Forderung, welche dem vorliegenden Initiativbegehren zugrunde liegt. Neben diesen bereits verwirklichten Punkten sieht unser Finanzprogramm bekanntlich noch vor : 1. Die Ausdehnung des Alkoholmonopols auf die Sorten gebrannter Wasser, deren Fabrikation und Verkauf bisher von der gesetzgeberischen Befugnis des Bundes ausgenommen waren ; 2. die Einführung einer Tabaksteuer; 3. die Umgestaltung der Militärpflichtersatzsteuer.

Wir glauben, dass eine objektive und gerechte Beurteilung dieses unseres Finanzprogramms ihm die Anerkennung nicht wird versagen können, dass es eine der Gerechtigkeit und der Billigkeit entsprechende Verteilung der durch den vermehrten Finanzbedarf des Bundes bedingten Lasten auf die Schultern der Schweizerbürger in sich schliesst. Wir haben auch die Überzeugung, dass die neuen Mittel, die dem Bunde durch die Verwirklichung dieses Finanzprogramms zugeführt werden, ausreichen, um die Finanzen des Bundes zu rekonstruieren und das Gleichgewicht im Budget wieder herzustellen. Dies unter der Voraussetzung allerdings,
Wir haben uns noch kurz darüber zu äussern, ob zum Initiativbegehren, das wir abzulehnen beantragen, ein G e g e n v o r s c h l a g gemacht werden soll. Wir verneinen die Frage; ein Gegenvorschlag könnte nur in einem ändern Steuerprojekte bestehen, denn neuer Finanzmittel bedarf ja der Bund, werde das Initiativbegehren angenommen oder nicht. Nun besteht aber,

204 wie wir soeben erinnert haben, ein Programm des Bundesrates für die Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichtes im Bundeshaushalt, das eine ganze Reihe von Finanzmassnahmen vorsieht, mittels deren die Finanzen des Bundes rekonstruiert werden sollen. Verschiedene Massnahmen dieses Programms, auf die wir in diesem Bericht nicht näher glauben eintreten zu sollen, sind bereits verwirklicht, andere sind vorbereitet. Es empfiehlt sich nun nicht, eines oder mehrere dieser noch zu realisierenden Projekte aus dem Finanzprogramm herauszugreifen und sie dem Initiativbegehren als Gegenvorschlag gegenüberzustellen, es ist unseres Brachtens vielmehr besser und richtiger, dass über das Volksbegehren betreffend die direkte Bundeasteuer gesondert abgestimmt werde und dass jede Beeinflussung durch einen Gegenvorschlag unterbleibe. Wird das Volksbegehren angenommen, so wird das Finanzprogramm des Bundesrates zu revidieren, d.h.

es wird zu untersuchen sein, ob die darin vorgesehenen Massnahmen dann noch nötig sind und eventuell welche; wird das Volksbegehren verworfen, so wird ohne weiteres und sofort an die weitere Durchführung des bereits festgestellten Finanzprogrammes gegangen werden müssen. Die nötigen Vorbereitungen hierzu werden von unserm Finanzdepartement getroffen, damit dies ohne Verzug ge3chehen kann.

Wenn es somit unsere Überzeugung ist, dass eine dauernde direkte Bundessteuer nicht zu den Massnahmen gehört, die sich empfehlen zur Sanierung unseres Finanzwesens und zur Durchführung unserer Finanzpolitik, so bietet diese unsere Auffassung doch keine Gewähr dafür, dass wir nicht d u r c h den S t a n d u n s e r e r F i n a n z e n g e z w u n g e n , in die Lage kommen könnten, uns dieses Mittels als einer u l t i m a r a t i o . z u r Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichtes im Bundeshaushalt' und zur weitern Verfolgung unserer Finanzpolitik bedienen zu müssen. Dauernde direkte Bundessteuern sind unseres Erachtens ein unzweckmässiges Finanzmittel ; nichts aber bürgt uns dafür, dass die Entwicklung der Bundesfinanzen sich nicht so ungünstig gestalten könnte, dass wir zu diesem letzten Mittel greifen müssten. Die Notwendigkeit geht der Zweckmässigkeit vor.

Unsere Stellung ist somit klargelegt: Wenn wir uns auch nie der Einsicht verschlossen haben, dass vieles zugunsten direkter
Bundessteuern spricht, dass besonders die Steuerverhältnisse in den Kantonen durch eine Zentralisation des Steuerwesens auf einzelnen Gebieten verbessert werden könnten, so glauben wir doch, dass diese Vorteile direkter Bundessteuern, die durchaus

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nicht bestritten werden sollen, in gar keinem Verhältnis sind zu den Nachteilen und dass wir daher dieser Steuern uns nur bedienen d ü r f e n , wenn der Bund zur W i e d e r h e r s t e l l u n g seiner Finanzen über keine ä n d e r n , der Zweckmässigkeit u n d Billigkeit b e s s e r entsprechenden Finanzmittel m e h r verfügt.

Aus diesen Gründen beantragen wir: Sie möchten in Anwendung des Art. 8 ff. des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung beschliessen, das Initiativbegehren betreffend Aufnahme eines Art. 41bis in die Bundesverfassung und Abänderung des Art. 42, lit. f derselben (Einführung der direkten Bundessteuer), 'sei abzulehnen und mit dem Antrag auf Verwerfung ohne einen Gegenentwurf der Bundesversammlung der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 25. Januar

1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Calonder.

Der Kanaler der Eidgenossenschaft : Schatzmann.

--e-

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. I.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Aufnahme eines Artikels 41bis in die Bundesverfassung und Abänderung des Artikels 42, lit. f derselben (Einführung der direkten Bundessteuer). (Vom 25. Januar 1918.)

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