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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 21. August 1918.)

Die Bundeskanzlei wird beauftragt, folgendes Schreiben an den schweizerischen Bäcker- und Konditorenverband (Zentralpräsident Herr E. Dolder, in Zürich) zu richten : Mit Eingabe vom 6. Juli abhin geben Sie uns von folgender Resolution Ihrer Delegiertenversammlung Kenntnis: ,,Die Delegiertenversammlung des schweizerischen Bäckerund Konditorenverbandes vom 18. Juni 1918 in Aarau protestiert gegen die weitere Aufrechterhaltung der Vorschrift des zweitägigen Brotes und gegen die tägliche Backkontrolle, die für die Lebensmittelversorgung nicht von Bedeutung sind und von der Bäckerschaft als bureaukratische Schikanen empfunden werden."

Die Delegiertenversammlung stellt dabei das Begehren, es sei die Vorschrift, nur vorgestriges Brot zu verkaufen, aufzuheben und ebenso die tägliche Backkontrolle, weil diese angesichts der Vorschrift der täglichen Kontrolle der Brotmarken eine überflüssige Doppelkontrolle und für die Bäckerschaft nutzlos sei und zudem viel Arbeit verursache, ohne der Brotversorgung des Landes irgendwie zu dienen.

Nach Einholung des Berichtes des schweizerischen Militärdepartementes und nach eingehender Prüfung sämtlicher in Betracht fallender Punkte müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass Ihrem Ansuchen nicht entsprochen werden kann, und zwar aus folgenden Erwägungen : Die auf 1. Februar 1917 erfolgte Verschärfung des U-Bootkrieges veranlasste uns, Massnahmen zur weitern Einschränkung des Verbrauches der wichtigsten, vom Auslande zu beziehenden Lebensmittel zu ergreifen. So wurde u. a. durch den, Bundesratsbeschluss vom 2. Februar 1917 das Verbot aufgestellt, Brot und Kleinbrot an dem Tage in den Verkehr oder zum Verkauf oder überhaupt zur Abgabe zu bringen, an dem es gebacken wurde.

Dieses Verbot wurde gestützt auf die praktische Erfahrung und allgemein als richtig anerkannte Tatsache erlassen, dass altbackenes Brot im Verbrauche viel ergiebiger ist als frisches Brot. Die Führung einer Backkontrolle war in diesem Beschlüsse aus dem einfachen Grunde nicht vorgesehen, weil es ohne dieses Hülfsmittel möglich ist, zu unterscheiden und einwandfrei festzustellen, ob das in den Verkehr gebrachte Brot heutig oder entsprechend den Vorschriften mindestens gestrig ist.

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Die mit dem gestrigen Brote gemachten Erfahrungen gaben nun bei der Verschärfung der Zufuhrschwierigkeiten Veranlassung, einen Schritt weiter zu gehen und das Frischbrotverbot in der Weise auszubauen, dass inskünftig an Stelle desselben nur noch vorgestriges Brot in den Verkehr gebracht werden durfte. Diese Bestimmung wurde niedergelegt im Bundesratsbeschlusse vom 18. Juni 1917 betreffend das Verbot des Verkaufes von frischem Brot. Vor der Beschlussfassung wurde die Frage nach allen Seiten gründlich geprüft. Allgemein begrüsste man den weitern Ausbau des Frischbrotverbotes als geeignete Massnahme zur Einschränkung des Brotverbrauches. Das schweizerische Gesundheitsamt äusserte sich auf unsere Anfrage hin wie folgt: ,,Wie wir schon in unserer Zuschrift vom 29. Dezember 1916 hervorgehoben haben, ist altbackenes Brot l e i c h t e r v e r d a u l i c h und d a m i t z u t r ä g l i c h e r als f r i s c h e s Brot. Nach der gegenwärtigen Vorschrift kann Brot schon acht Stunden nach dem Backen, also in noch frischem Zustande verkauft werden. Als altgebacken wäre es aber erst am folgenden Tage anzusehen.

Sobald also weitere Sparmassnahmen notwendig werden, sollte unseres Erachtens in erster Linie vorgeschrieben werden, dass kein jüngeres als vorgestriges (am vorletzten Tage hergestelltes) Brot verkauft werden dürfe und dass die verschiedenen Tagesproduktionen getrennt aufzubewahren seien. Der Umstand, dass nach dieser Vorschrift in den Bäckereien je weilen noch alles gestrige Brot vorhanden sein müsste, würde namentlich auch die Kontrolle erleichtern. Allerdings würde die Durchführung dieser Bestimmung auch mehr Platz als bisher erfordern, indem warmes Brot unter keinen Umständen aufeinander geschichtet werden darf.

Die Bäcker müssten sich also durch Aufschichten des abgekühlten Brotes und nötigenfalls auch noch durch Beiziehung anderer Räume zu behelfen suchen. Keinesfalls aber dürfte nach unserem Dafürhalten die Platzfrage als unüberwindliches Hindernis angesehen werden."

Die weitere Ausdehnung des Frischbrotverbotes hatte nun zur Folge, dass ein anderes Kontrollmittel gesucht werden müsste, da gestriges und vorgestriges Brot nach dem A u s s e h e n weniger gut unterschieden werden kann, als heutiges und gestriges. Als einziges taugliches Mittel erwies sich die Führung einer Backkontrolle, welche
in Art. 3 des mehrerwähnten Bundesratsbeschlusses vom 18. Juni 1917 vorgesehen ist. Gemäss dieser Bestimmung sind die Bäcker verpflichtet, eine Kontrolle zu führen, in welcher angegeben sein muss, an welchem Tage und zu welcher Stunde gebacken, welche Quantitäten Mehl verbacken und wieviel

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Brot daraus erzielt wurde. Die Führung dieser Kontrolle bietet nun zweifellos keine besondern Schwierigkeiten ; sie ist so denkbar einfach wie nur möglich, um den an sie gestellten Anforderungen zu genügen, und nimmt übrigens nur wenig Zeit in Anspruch.

Dass sie täglich nachgeführt werden muss, ist unbedingt erforderlich, denn nur bei einer täglichen Naehführung ist es den Kontrollorganen möglich, festzustellen, ob frisches Brot abgegeben worden sei oder nicht. Wir sind überzeugt, dass sie nicht nur als Kontrollmittel tauglich ist, sondern auch demjenigen Bäcker, der auf eine geordnete Führung seines Betriebes sieht und jederzeit wissen möchte, wie er steht, wertvolle Dienste leistet.

Nachdem Ihnen vom eidgenössischen Brotamt, III. Abteilung, Oberkriegskommissariat und schweizerischen Militärdepartement auf Ihre frühern Eingaben die Gründe, warum an dem Frischbrotverbot und der damit verbundenen Backkontrolle festgehalten werden muss, auseinandergesetzt worden sind, können wir heute nur die in diesen Antworten niedergelegten Tatsachen bestätigen.

Die schwierigen Zufuhrverhältnisse, die uns zum Erlasse des mehrerwähnten Bundesratsbeschlusses vom 18. Juni 1917 gezwungen haben, haben sich seither noch bedeutend verschlechtert.

Ihrer Einwendung, dass durch die Einführung der Brotkarte das Frischbrotverbot überflüssig und hinfällig geworden sei, indem jede Person Anrecht auf ein bestimmtes Quantum Brot im Tag habe und es für die Sicherung der Brotversorgung des Landes absolut unerheblich sei, ob diese Ration nun in frischem oder altbackenem Zustande gegessen werde, können wir nicht beipflichten. Auf das Irrtümliche dieser Begründung sind Sie nun schon verschiedene Male aufmerksam gemacht worden. S c h e i n b a r ist Ihr Standpunkt richtig. Erwägungen, die sich auf die praktischen Erfahrungen stutzen, sprechen aber unzweideutig gegen Ihr Postulat. Es ist leider Tatsache, .dass die gegenwärtige Brotration hauptsächlich wegen des Fehlens anderer Nahrungsmittel in vielen Fällen zu klein ist. Es gibt in der ganzen Schweiz Leute, die schon am 15. oder 20. des Monats ohne Brot sind, weil sie in den ersten Tagen des Monats mehr Brot gegessen hatten, als sie gemäss der Rationierung berechtigt gewesen wären. Wenn aber heute schon unter dem Regime des harten, ergiebigen, zweitägigen Brotes die Ration in
tausenden von Fällen nicht genügt, so kann man sich denken, wohin eine Aufhebung des Frischbrotverbotes oder auch nur eine Einschränkung desselben auf gestriges statt vorgestriges Brot führen müsste, namentlich jetzt, wo das Brot wegen vermehrter Beigabe von amerikanischem Mehl viel weisser wird, als es bis anhin war. Es ist vorauszusehen, dass nach der

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Aufhebung des Frischbrotverbotes viele Personen ihre ganze Tagesration in frischem Zustande mühelos zum Frühstück verzehren würden und dass ein grosser Teil der Bevölkerung von der Mitte eines Monats an ohne Brot wäre. Wir wagen nicht, an die Folgen eines derartigen Zustandes zu denken. Die Begehren um Erhöhung der Brotration und die Klagen über das Nichtgenügen derselben würden derart an Zahl zunehmen, dass ihnen kaum mehr mit Erfolg entgegengetreten worden könnte; man müsste nachgeben, um Massenausschreitungen momentan zu verhüten, und eine Brotration bewilligen, die in keinem Verhältnis zu den Zufuhrmöglichkeiten und zur eigenen Produktion des Landes stünde.

Damit würden wir uns raschen Schrittes dem Augenblicke nähern, wo mangels Vorrat an Getreide überhaupt kein Brot mehr gebacken werden könnte. Wäre damit der Bäckerschaft gegenüber den jetzigen Zuständen besser gedient?

Wir verkennen gewiss die Schwierigkeiten, mit denen das Bäckergewerbe gegenwärtig zu kämpfen hat, in keiner Weise.

Davon aber, ihm durch die Folgeerscheinung der Aufhebung des Frischbrotverbotes vorübergehende Erleichterungen zu verschaffen, kann nach dem vorstehend Gesagten keine Rede sein. Dies hat nun aber zur Folge, dass auch eine Abschaffung der vorgeschriebenen Backkontrolle nicht in Betracht kommen kann. Wie wir bereits erwähnt haben, bildet diese Kontrolle das einzige zuverlässige Kontrollmittel über die Innehaltung des Frischbrotverbotes und wird entgegen Ihrer Behauptung durch die in Art. 24 des Bundesratsbeschlusses vom 21. August 1917 über die Brotversorgung des Landes etc. vorgesehene Brotmarkenkontrolle in keiner Weise ersetzt.

Ihre Annahme, dass durch die Führung der Couponskontrolle die Backkontrolle gegenstandslos geworden sei, ist falsch. Diese beiden Kontrollen ergänzen sich gegenseitig. Die eine (Backkontrolle) gibt über die Menge des verwendeten Mehles und des daraus erzielten Brotes (Eingang) Aufschluss und die Couponskontrolle weist die tägliche Einnahme an Brotkartenabschnitten, somit- den Verkauf des Brotes (Ausgang) aus.

Es verbleiben uns noch einzelne spezielle Punkte der vorliegenden Eingabe zur etwas eingehenderen Erörterung: Vorerst möchten wir doch feststellen, dass nie die Meinung vertreten wurde, durch die Beibehaltung des zweitägigen Brotes werde auch seit Einführung der Rationierung eine
d i r e k t e Ersparnis erzielt. Über die Gründe, welche für die Beibehaltung des Frischbrotverbotes in der gegenwärtigen, strengen Form sprechen, geben unsere vorstehenden Ausführungen Aufschluss.

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Mit der Behauptung, zweitägiges Brot sei schlechter (dieses Wort muss sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen in erster Linie auf den Nährwert, die Verdaulichkeit und die Zuträglichkeit und erst in letzter Linie auf den Geschmacksinn beziehen/ als Frischbrot, ist in Anbetracht des eingangs erwähnten Gutachtens des schweizerischen Gesundheitsamtes nicht aufzukommen.

Es ist zum mindesten stark übertrieben, wenn behauptet wird, der g e s a m t e n schweizerischen Bäckerschaft seien die Vorschriften betreffend das Verbot des Verkaufes von frischem Brot und die Führung der Backkontrolle unverständlich. Die Organe des Brotamtes III haben auf ihren Kontrollreisen oft verständige Bäcker gefunden, die von der Notwendigkeit des Frischbrotverbotes überzeugt waren.

Wird den bestehenden Vorschriften nachgelebt, so besteht auch die Gefahr, dass durch Lagerung in ungeeigneten Räumlichkeiten Brot der Verderbnis ausgesetzt wird, nicht. Absatz 2 des Art. 2 des mehrerwähnten Bundesratsbeschlusses vom 18. Juni 1917 verpflichtet die Gemeinden zur Beschaffung der nötigen g e e i g n e t e n Lokalitäten zur Lagerung des Brotes.

Das vereinzelte Auftreten der Brotkrankheit rechtfertigt ein Eintreten auf Ihr Gesuch ebenfalls nicht, nachdem feststeht, dass durch geeignete Massnahmen, richtige Lagerung des Mehles, Sauerteigtriebführung, scharfes Ausbacken und rasches, gehöriges Abkühlen des Brotes, dem Auftreten der Brotkrankheit vorgebeugt werden kann.

Wir hoffen gerne, die schweizerische Bäckerschaft werde sich allen Ernstes bestreben, sich den von uns als notwendig befundenen Massnahmen zur Einschränkung des Brotverbrauches zu unterziehen, selbst wenn ihr im Interesse der Allgemeinheit etwelche Opfer zugemutet werden müssen.

(Vom 30. August 1918.)

Der Bundesrat hat beschlossen, ein neues Mobilisationsanleihen von 100 Millionen Franken aufzunehmen zu folgenden Bedingungen : Zinsfuss 5 °/o, Emissionskurs 99,s %i Rückzahlung in sechs Jahren. Die Anleihenstitel gelten bei der Entrichtung der Kriegssteuer als Zahlung.

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"Wahlen.

(Vom 30. August 1918.)

Politisches Departement.

Abteilung für Auswärtiges.

Kanzler des schweizerischen Konsulats in New York : Dr. rer. pol.

Häfliger, Anselm, von Ruswil (Luzern), zurzeit Direktionssekretär der schweizerischen Kreditanstalt in Luzern.

Internationales Telegraphenbureau.

Vizedirektor für die radiotelegraphische Abteilung : Schwill, Franz, aus Strassburg, zurzeit Sekretär der genannten Abteilung.

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Bekanntmachungen von

Departementen und ändern Verwaltungsstellen des Bundes.

Kreisschreiben des

schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements an die Kantonsregierungen betreffend die Versorgung des Landes mit Felderzeugnissen und Gemüse.

(Vom 28. August 1918.)

Hochgeachtete Herren !

In der Anlage übermitteln wir Ihnen den Bundesratsbeschluss vom 21. August 1918 betreffend die Versorgung des Landes mit Felderzeugnissen und Gemüse, sowie die sich hierauf stützende Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 27. gleichen Monats.

Die Frage, ob die Versorgung mit Felderzeugnissen und Gemüse durch besondere eidgenössische Vorschriften zu regeln sei, wurde hierorts schon vor längerer Zeit erörtert. Die Meinungen hierüber gingen auseinander, neigten aber mehrheitlich der Auffassung zu, es könne von einer eidgenössischen Intervention in Sachen Umgang genommen werden. Von dem Grundsatze aus-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

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04.09.1918

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