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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung,

70. Jahrgang.

Bern, den 7. August 1918.

Band IV.

Erscheint wöchentlich. Preis 12 Franken im Jahr, 6 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 15 Rappen die Zelle oder deren Baum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli £ de. in Bern.

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Botschaft

des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Gesetzesentwurf enthaltend das schweizerische Strafgesetzbuch.

(Vom 23. Juli 1918.)

1. Entstehungsgeschichte.

Durch die Verfassungsrevision vom 13. November 1898 ist dem Bunde das Recht zur Gesetzgebung auf dem Gebiete des Strafrechts übertragen worden (Bundesverfassung Art. 64bis). Die Zahl der bejahender und verneinenden Stimmen war in den Kantonen folgende: .Zürich 49,142 Ja 12,177 Nein Bern 43,495 ,, 8,610 ,, Luzern 8,223 ,, 5,333 Uri 710 ,, 2,592 ,, Schwyz 2,472 ,, 3,074 ,, Obwalden 530 ,, 787 ,, Nidwaiden 730 ,, 873 ,, Glarus 3,620 ,, 860 ,, Zug 1,768 ,, 588 ,, Freiburg 5,521 ,, 10,856 ,, Solothurn 12,336 ,, 2,264 ,, Basel-Stadt 6,092 ,, 292 " Basel-Land 4,830 " 1,634 ,, Schaffhausen . . . . 5,890 ,, 737 " Appenzell A.-Rh.. . . 6,374 2,122 Appenzell I.-Rh. . . .

519 ,, 1,808 ,, St. Gallen 28,205 ,, 10,942 ,, Graubünden . . . . 9,039 ,, 5,694 " Aargau 25,309 ,, 10,149 ,, Thurgau 12,380 " 2,584 ,, Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

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Tessin 5,178 Ja 3,792 Nein Waadt 17,653 ,, 2,135 ,, Wallis 4,583 ,, 9,338 ,, Neuenburg 4,872 ,, 1,003 ,, Genf 7,139 ,, 1,536 ,, Im ganzen wurden also abgegeben 266,610 bejahende und 101,780 verneinende Einzelstimmen, ferner 15 ganze und 3 halbe Standesstimmen für die Annahme, 4 ganze und 3 halbe Standesstimmen für die Verwerfung der Verfassungsrevision.

Wir haben in unserer Botschaft vom 28. November 1896 (Bundesbl. 1896, IV, 733) betreffend die Revision der Bundesverfassung 7MY Einführung der Rechtseinheit die Geschichte der auf Herbeiführung der Strafrechtseinheit gerichteten Bestrebungen eiulässlich dargelegt und Bericht erstattet über die Vorarbeiten zu dieser Rechtsvereinheitliehung, die Herrn Prof. Carl Stooss, damals in Bern, übertragen worden waren. Diese Arbeiten fanden ihren vorläufigen Abschluss in dem ,,Vorentwurf eines schweizerischenStrafgesetzbuches nach den Beschlüssen der Expertenkommission",, der mit einem Vorwort des Vorstehers des Justiz- und Polizeidepartements im Jahre 1896 veröffentlicht wurde.

In der Ausführung der Verfassungsrevision vom 13. November 1898 erhielt das Zivilrecht den Vorrang. Daneben wurde aber auch am Vorentwurf des Strafgesetzbuches weiter gearbeitet, und zwar durch eine vom Justiz- und Polizeidepartement am 12. Juli 1901 ernannte kleine Expertenkommission, die unter dem Vorsitze von Herrn Bundesanwalt Kronauer tagte und der auch Herr Prof.

Stooss angehörte. Eine erste Umarbeitung gelangte als ,,Vorentwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch und zu einem Bundesgesetz betreffend Einführung des schweizerischen Strafgesetzbuches Juni 1903a mit einem Geleitwort des Departementsvorstehers zur Veröffentlichung. Die Arbeiten der genannten kleinen Expertenkommission fanden ihren Abschluss in dem ,,Vorentwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch, neue Fassung der Expertenkommission, April d908IA, der ebenfalls durch das Justiz- und Polizeidepartement der Öffentlichkeit übergeben wurde.

Nachdem die Beratung des schweizerischen Zivilgesetzbuches in den Räten zu einem glücklichen Ende gekommen und auch die zahlreichen Anordnungen zur Einführung und Durchführung dieses Gesetzeswerkes getroffen worden waren, hielt das Justiz- und Polizeidepartement im Juni 1911 den Zeitpunkt gekommen, die Arbeiten am Strafrecht wieder aufzunehmen und auch diesen Teil der
vom Schweizervolk beschlossenen Rechtseinheit der Verwirklichung entgegenzuführen. Im November 1911 wurde eine zweite (grosse} Expertenkommission ernannt mit folgender Zusammensetzung.

Mitglieder der Kommission die Herren: Heinrich Bolli, Ständerat und ßechtsanwalt, in Schaffhausen.

Anton Büeler, Nationalrat und Staatsanwalt, in Schwyz.

C. Christoph Burckhardt, Nationalrat und Regierungsrat, in Basel.

Albert Calarne, Staatsrat, in Neuenburg.

Camille Decoppet, Nationalrat und Staatsrat, in Lausanne; an dessen Stelle im Verlaufe Alphonse Dubuis, Nationalrat und Staatsrat, in Lausaune, trat.

Eugène Deschenaux, Nationalrat und Staatsrat, in Freiburg.

Georges Favey, Bundesrichter, in Lausanne.

Stefano Gabuzzi, Ständerat und Rechtsanwalt, in Bellinzona.

Alfred Gautier, Professor der Universität Genf, in Genf.

Joh. Geel, Ständerat und Kantonsgerichtspräsident, in St. Gallen.

Ernst Haf'ter, Professor der Universität Zürich, in Zürich.

Josef Hildebrand, Ständerat und Regierungsrat, in Zug.

Werner Kaiser, Abteilungschef für Gesetzgebung und Rechtspflege, in Bern.

Otto Kronauer, Bundesanwalt, in Bern.

Josef Kuntschen, Nationalrat und Staatsrat, in Sitten.

Adrien Lachenal, Ständerat und Rechtsanwalt, in Genf.

Otto Lang, Oberrichter, in Zürich.

Emil Lohnet, Nationalrat und Regierungsrat, in Bern.

Kaspar Müller, Oberrichter, in Luzern.

Alfred v. Planta, Nationalrat und Rechtsanwalt, in Reichenau.

Alexander Reichel, Bundesrichter, in Lausanne.

Hans Rohr, Oberrichter, in Aarau.

Friedrich Studer, Nationalrat und Rechtsanwalt, m Winterthur.

Philipp Thormann, Professor der Universität Bern, in Bern.

Leo Weber, Oberauditor, in Bern; an dessen Stelle späterhin Max Huber, Professor, in Zürich, trat.

Oskar Wettstein, Redaktor, jetzt Regierungsrat, in Zürich.

Emil Zürcher, Professor der Universität Zürich, in Zürich.

Spezialexperten : A. Silbernagel, Zivilgerichtspräsident, in Basel, für Kinderschutz.

C. Hartmann, Strafanstaltsdirektor, in St. Gallen, für Strafvollzug und Gefängniswesen.

Sekretariat: Ernst Delaquis, Privatdozent, in Charlottenburg-Westend, seither Professor in Frankfurt a. M.

R. Kaeslin, I. Adjunkt der Justizabteilung, in Bern.

Albert Krentel, Fürsprecher, in Bern.

Den Beratungen wurde zugrunde gelegt die Fassung des Vorentwurfs vom April 1908, ins Französische übersetzt von Prof.

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A. Gautier und ins Italienische von Ständerat Gabuzzi. Zu diesem Entwurfe wurden im Auftrage des Departements Erläuterungen von Prof. Zürcher ver/asst und von Prof. Gautier übersetzt, ebenso die Vorlage des dritten Buches des Strafgesetzes : Einführung und Anwendung des Gesetzes, mit Erläuterungen. Die zahlreichen Besprechungen der Vorentwürfe sind in einer Bibliographie registriert worden, bis 1898 von Prof. Teichmann (Basel) und sodann 1898 bis 1907 und 1908 bis 1911 von Prof. Hafter.

Diese zweite Expertenkommission hat unter dem Vorsitze des Vorstehers des Justiz- und Polizeidepartements in neun Sessionen 1912--1916 ihre Arbeiten durchgeführt. Nach jeder Session wurden die Beschlüsse durch eine Redaktionskommission bereinigt.

Über die Verhandlungen der Kommission wurden einlässliche Protokolle geführt, die in neun Bänden und zwei Beilagebänden dem Buchhandel übergeben worden sind. Endlich ist auch der ^Vorentwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch, Fassung der zweiten Expertenkommission, Oktober 1916" mit Vorbemerkung des Justiz- und Polizeidepartements veröffentlicht worden, auch diesmal mit der Einladung an Sachverständige und weitere Kreise 'zur Einreichung von Wünschen und Bemerkungen.

Der Vorlage des Werkes an den Bundesrat vorgängig, hat der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements dasselbe unter Beiziehung von Prof. Stooss (Wien), dem Verfasser des ersten Entwurfes, einer nochmaligen Durchsicht unterworfen und dabei zu einigen Beschlüssen der Kommission Stellung genommen.

2. Die Überwindung der kantonalen Gegensätze.

Wie bei andern Werken der R e c h t s v e r e i n h e i t l i c h u n g hat auch bei dem vorliegenden vorausgehend eine nähere Untersuchung stattgefunden, in welchen Punkten die bestehenden kantonalen Gesetzgebungen Verschiedenheiten aufweisen, weil daraus auf Verschiedenheiten in den sittlichen und rechtlichen Anschauungen des Volkes in den verschiedenen Landesteilen geschlossen werden kann. Allerdings ist dieser Schluss kein ganz sicherer, die Verschiedenheiten können auch davon herrühren, dass der eine Kanton in der Entwicklung seiner Gesetzgebung vorausgeeilt, der andere zurückgeblieben ist, dass im einen Kanton die Mehrheitspartei der einen, in einem andern Kanton einer andern Welt- und Rechtsanschauung huldigt und dies gerade in der Strafgesetzgebung zum Ausdruck gebracht hat. Bei dieser Untersuchung zeigte es sich, dass der Ausgleich im Strafrecht schon recht weit gediehen war.

Insbesondere war und ist ein Unterschied zwischen den westschweizerischen Strafgesetzbüchern und den andern kaum zu erkennen. Die besondern Eigentümlichkeiten des französischen Code pénal, wie die Behandlung des Versuchs (C. P. Art. 3), sowie der Anstiftung und der Gehülfenschaft (C. P. Art. 59), dann die verschiedene Behandlung von Mann und Frau beim Ehebruch

(G. P. Art. 336--339) usw. sind von den westschweizerischen Gesetzgebungen teils gar nie übernommen, teils wieder abgestossen worden. In der Einreihung der Brandstiftung unter die Verbrechen gegen das Vermögen sind eine Reihe von deutschschweizerischen Strafgesetzbüchern dem französischen Rechte gefolgt, während gerade die neuern Strafgesetzbücher von Genf und Neuenburg sich der deutschen Auffassung der Brandstiftung als eines gemeingefährlichen Verbrechens angeschlossen haben.

3. Die Strafrechtsreform.

Neben diese eine Aufgabe der Vereinheitlichung des Strafrechtes stellte sich eine zweite ein, die R e f o r m d e s g e g e n w ä r t i g e n Strafrechts. Angeregt durch die Forschungen der italienischen positivistischen Schule Lombroso-Ferri-Garofalo, hatte sich eine über das ganze Erdenrund verzweigte Verbindung von Theoretikern und Praktikern des Strafrechts und der Strafverfolgung gebildet mit dem Zwecke, nicht nur die Lehre weiter auszubauen, sondern die gewonnenen Ergebnisse in die Gesetzgebung aller Länder überzuführen. Das Endziel, das Strafrecht zu einer möglichst wirksamen Waffe im Kampfe gegen das Verbrechertum zu gestalten, muss vorab dem praktischen Sinne des Schweizervolkes einleuchten. Vom ersten Vorentwurf an haben denn auch die Forderungen der Reformbewegung Aufnahme gefunden, und zwar verarbeitet in einer Weise, wie sie sich am besten unseren Verhältnissen und unseren Anschauungen anpassten. Aber auch so noch stiessen die vorgeschlagenen Neuerungen in vielen Kreisen zunächst auf Widerstand und Ablehnung. Seither haben aber diese Neuerungen gerade in der Formulierung unserer Vorentwürfe nicht nur Eingang gefunden in die Entwürfe des deutschen und österreichischen Strafgesetzbuches, sondern sie sind auch von der kantonalen Gesetzgebung vielfach aufgenommen worden. Es betrifft dies insbesondere die Ausscheidung der Behandlung der Kinder und der Jugendlichen aus dem Strafrecht für Erwachsene, den bedingten Strafaufschub für erstmalig Verurteilte einerseits und die langzeitige Verwahrung vielfach Rückfälliger anderseits, endlich den verstärkten Schutz der Gesellschaft gegenüber Schadenstiftern, die wir nicht strafen können oder bei denen die Strafe wirkungslos, zum mindesten von sehr schwacher Wirkung ist (sichernde Massnahmen). Eine weitere Verwirklichung durch die Gesetzgebung haben diese Reformgedanken offensichtlich deswegen noch nicht erhalten, weil viele Kantone vor der Umarbeitung ihrer Strafgesetzgebung zurückschreckten zu einer Zeit, da der Bundesgesetzgeber sich anschickte, die Aufgabe zu übernehmen. Für diesen aber waren die Erfahrungen der andern Kantone wegleitend und förderlich.

4. Die äussere Begrenzung der Aufgabe.

Nach dem Wortlaute von Art. 64bi> der Bundesverfassung ist die Gesetzgebung im Gebiete des Strafrechtes ohne irgendwelche Einschränkung und ohne irgendeinen Vorbehalt an den Bund übergegangen. Der Bundesgesetzgeber ist daher befugt, Strafvorschriften nicht nur zum Schutze von Buudesnormen und Bundeseinrichtungen zu erlassen, sondern auch solche zum Schutze von Normen und Einrichtungen der Kantone; er kann Vergehens(Verbrechens-) Tatbestände aufstellen wie auch Übertretungen mit Strafe bedrohen. Indessen zeigte es sich als notwendig, zugunsten des kantonalen Polizei-, Verwaltungs- und Prozessrechtes gewisse Vorbehalte zu machen (Art. 352"). In der Verfassung selber ist den Kantonen die Beibehaltung des Rechtes, ihre Gerichtsverfassung und das Verfahren zu ordnen, zugesichert, ebenso die Rechtsprechung durch die kantonalen Gerichte, wie bisanhin. In der Tat macht die Vorlage den Kantonen nirgends Vorschriften Über Abänderung ihrer Gerichtsverfassung, die Eingriffe in das Verfahren beschränken sich auf das Allernotwendigste und sind gering an Zahl; die Rechtsprechung der kantonalen Gerichte erhält eher ein weiteres Feld der Tätigkeit als bisher, während allerdings das Rechtsmittel der Kassation in einem grössern Umfang zur Anwendung kommen wird, ohne das» dadurch die Tätigkeit der kantonalen Gerichte eingeschränkt wird.

Auch der Strafvollzug bleibt den Kantonen. Die Abgrenzung gegenüber dem Strafrecht ist nicht leicht zu ziehen; sicher ist, dass dem Strafgesetzgeber zukommt, den Inhalt der Strafe, ihre Rechtswirkungen und Rechtsfolgen zu bestimmen. Das geschieht denn auch in der Vorlage, · indem alles, was die Verfassung und Verwaltung des Gefängniswcsens anbetrifft, den Kantonen anheimgestellt wird. Damit die Kantone den Anforderungen des Strafgesetzes in ihren Verwaltungsvorschrif'ten sich leichter anpassen können, hat die Bundesverfassung auch Bundesbeiträge in gewissem Umfange in Aussicht genommen.

Wenn endlich die Vorlage eine Reihe von sichernden und erzieherischen Massnahmen neben oder an Stelle der Strafe eintreten lässt und damit eine der Hauptiiuforderun°-en der Strafrechtsreform erfüllt, so hat der Verfassungsartikel ihr auch hierfür den Weg dadurch eröffnet, dass er gestattet, Bundesbeiträge an Arbeits- und Besserungsanstalten und an Einrichtungen
zum Schutze verwahrloster Kinder zu bewilligen.

Im übrigen finden sich die nähern Auseinandersetzungen zwischen Recht und Befugnissen des Bundes und Recht und Befugnissen der Kantone im dritten Buche des Strafgesetzentwurfes.

5. Einteilung.

Der vorliegende Entwurf eines Strafgesetzbuches zerfällt in drei Bücher: Erstes Buch: Von den Vergehen; Zweites Buch : Von den Übertretungen ; Drittes Buch : Einführung und Anwendung .des Gesetzes.

Die französisch-deutsche Dreiteilung der strafbaren Handlungen in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen ist also aufgegeben.

Wirklich durchgeführt war sie nur im Strafgesetzbuch des Kantons Freiburg, das dann eben vielfach dieselben Tatbestände unter die Verbrechen und unter die Vergehen einreihen musste, je nach der Art der Begehung oder dem Betrage des entstandenen Schadens. Die Strafgesetzgeber hatten denn auch als einziges Unterscheidungsmerkmal die Schwere der Strafandrohung, so dass meist die mit Zuchthaus bedrohten Handlungen Verbrechen, die mit leichtern Strafen bedrohten Handlungen Vergehen bzw. Übertretungen genannt wurden. Nun hat aber die Zusammenfassung der mit Zuchthaus bedrohten Straftaten unter einem besondern Namen keinerlei Vorteile, da für sie sonst keinerlei andere gemeinsame Vorschriften bestanden haben. Zugegeben, dass zwischen dem schwersten der Verbrechen und dem leichtesten der Vergehen, ein auffälliger Unterschied lag, aber es war doch mehr ein quantitativer als ein qualitativer Unterschied. Diesem Unterschied entspricht der Sprachgebrauch des täglichen Lebens; aber in diesem Sprachgebrauch irgendwelche Anhaltspunkte für die Abgrenzung zwischen Verbrechen und Vergehen zu finden, ist unmöglich; der Sprachgebrauch gestattet lediglich jedem, sein persönliches Urteil über ein Verhalten seines Nebenmenscheu zum Ausdruck zu bringen.

Die Rücksichtnahme auf den gemeinen Sprachgebrauch hat bisher auch diejenigen Gesetzgeber deutscher Zunge, welche die Dreiteilung aufgegeben hatten, veranlasst, für die strafbaren Handlungen, die nicht als Übertretungen behandelt werden sollten, die beiden Ausdrücke, Verbrechen und Vergehen als rechtlich gleichbedeutend zu behandeln und sie demgemäss mit einer gewissen Rücksicht auf den allgemeinen Sprachgebrauch zu verwenden. So das Strafgesetzbuch des Kantons Zürich. Für das schweizerische Strafgesetzbuch wird der Leitsatz durchgeführt werden, dass dieselbe Vorschrift und derselbe Begriff stets in der gleichen Formulierung und in demselben Worte ausgedrückt werden.

Frühere Vorentvvürfe haben in Übereinstimmung mit der deutschen Lehre
die Bezeichnung ,,Verbrechen" gewählt, die zweite grosse Expertenkommission hat sich für ,,Vergehen"1 entschieden. Wir legen der Benennung keine grosse Bedeutung bei, obgleich eine gewisse Gefühlsbetonung bei der Entscheidung mitwirkt. Immer-

hin erzielen wir durch die Wahl des Wortes ,,Vergehen" eine vollständige Übereinstimmung mit dem französischen Text, da die französische Rechtssprache den entsprechenden Ausdruck ,,délit" als gemeinsame Bezeichnung für ,,crimes" und ,,délits" braucht, was schon in der Bundesstrafprozessordnung von 1851, Art. 4, 5 usw. befolgt wurde. Das Strafgesetzbuch des Kantons Tessin verfährt mit den Ausdrücken crimine und delitto, wie das zürcherische Strafgesetzbuch, während das neuere italienische Strafgesetzbuch die strafbaren Handlungen (reati) nur noch in delitti (Vergehen) und contravvenzioni (Übertretungen) einteilt. Den einen Nachteil hat die Bezeichnung ,,Vergehen" gegenüber der von ,,Verbrechen", dass sich davon weder ein Verbalsubstantivum, wie Verbrecher, noch ein Adjektivum, wie verbrecherisch, bilden lässt.

Erstes Buch: Von den Vergehen.

Allgemeiner Teil.

1. Bereich des Strafgesetzes.

An die Spitze des Strafgesetzentwurfes ist nach dem Vorgange der geltenden kantonalen Strafgesetzbücher und der Strafgesetzbücher des Auslandes der Satz gestellt: K e i n e S t r a f e o h n e ein Gesetz. Das geltende Bundesrecht hat ihn in die Bundesstrafprozessordnung vom 27. August 1851, Art. l, aufgenommen in der Form : Keine Strafe kann anders als durch die kompetente Behörde, in Anwendung eines Gesetzes und nach den gesetzlichen Formen auferlegt werden. Die Rechtssprechung, insbesondere diejenige des Bundesgerichtes hat bei jeder Gelegenheit sich dahin ausgesprochen, dass als Gesetz auch jede von der verfassungsmässig zuständigen Behörde festgesetzte Strafbestimmung anzusehen sei, daher auch eine Strafandrohung, die von einer Vollziehungs- oder Verwaltungsbehörde in eine Verordnung oder allgemeine Anordnung aufgenommen worden ist. Daher hat die Ausdehnung des Grundsatzes auch auf das Gebiet, das im übrigen der Gesetzgebung der Kantone überlassen wird, keinerlei Störungen im Rechtsleben zur Folge. Willkürliche Bestrafung, ohne einen Rechtssatz, der die Strafe androht, widerspricht übrigens schon dem Art. 4 der Bundesverfassung.

Das Strafgesetzbuch soll Anwendung finden auf jeden Täter, der in der Schweiz ein Vergehen verübt, auf denjenigen, der im Auslande ein Vergehen gegen unsern Staat und unsere Landesverteidigung oder gegen einen Schweizer verübt, endlich auf den Schweizer, der im Auslande ein Vergehen verübt hat und dessen

9 Auslieferung nachgesucht wurde. Damit niemand doppelte Strafe erleide, soll die im Ausland erstandene Strafe an der hierorts verhängten abgerechnet werden, soweit wir die Strafgewalt unter Umständen für uns in Anspruch nehmen möchten, während in andern Fällen unser Gesetz überhaupt nur dann zur Anwendung kommen soll, wenn die Strafverfolgung im Auslande ganz ausgeblieben ist.

2. Das Yergehen.

Das Gesetz scheidet zunächst diejenigen Personen aus, die nicht als strafrechtlich handlungsfähig anzusehen und daher nicht strafbar sind; im zweiten Abschnitt die u n z u r e c h n u n g s f ä h i g e n Erwachsenen (Art. 10, 13), im vierten Abschnitt (Art. 80--96) die Täter im Kindesalter und im jugendlichen Alter. Mit der Freisprechung oder dem Ausser-Verfolgung-Setzen des unzurechnungsfähigen Urhebers einer Schädigung oder einer Gefährdung ist noch recht wenig erreicht. Die Gesellschaft muss in den meisten Fällen einen starken Schutz des Staates verlangen, während in andern Fällen mehr die Hülflosigkeit des Täters zutage tritt, der sich in der Wirklichkeit des Lebens nicht zurechtzufinden vermag und daher überall anstösst. Darüber, dass in beiden Fällen das Gemeinwesen einschreiten muss, kann kein Streit herrschen, es war nur die Frage, ob die sichernden Massnahmen der Verwahrung oder der Behandlung oder Versorgung des Unzurechnungsfähigen in einer Heil- oder Pflegeanstalt der Selbsttätigkeit einer Polizei- oder Gemeindebehörde zu überlassen sei. Die Gründe, die Entscheidung dem Gericht oder der Behörde, die über die Einstellung des Verfahrens beschliesst (Art. 388), zu übertragen, sind zwingend : Die Straf behörden haben sich mit der Person des Angeschuldigten eingehend beschäftigt und alle Erhebungen gemacht; es ist nicht nur ein Gebot der Kräfteersparnis, wenn man ihnen gleich auch noch die Verfügung über das Weitere zuweisen möchte. Diese Verfügungen sind folgenschwere, sie werden daher richtiger nicht in die Hand einer Verwaltungsbehörde, sondern in die des Richters gelegt. Nur der Befehl des Richters sichert die Durchführung der Massnahme: lassen wir sie abhängig sein vom Antrag der Armengemeinde oder von ihrem guten Willen die Kosten zu bestreiten oder wenigstens vorzuschiessen, so ist diese Sicherheit nicht gegeben. Daher sind auch die Bestimmungen über die Kostentragung (Art. 389) aufgenommen worden und insbesondere wird (in Art. 15) bestimmt, dass keine solche Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt wieder aufgehoben werden darf, ehe nicht der Richter bzw. die Einstellungsbehörde davon überzeugt worden ist, dass der Grund der Massnahme weggefallen sei. Ganz besonders ist aber von einer solchen Vereinigung der Strafe und der sichernden

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Massnahme ein günstiger Einfluss auf den Ernst und Wert der Verhandlungen zu erwarten, weil der Richter nicht mehr zu befürchten braucht, die Sicherheit der Gesellschaft zu gefährden, wenn er einem Gutachten folgt, das auf Unzurechnungsfähigkeit lautet, und weil anderseits weder der Angeschuldigte noch der Verteidiger sich leichtsinnig hinter die Einrede der Unzurechnungsfähigkeit verschanzen werden.

Dafür sollen die Anstalten in den Stand gesetzt werden, eine wirksame Sicherung durchzuführen (Art. 412).

Die Aufnahme sichernder'Massnahtnen hat es dann auch dem Gesetzgeber erst möglich gemacht, dem Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit Rechnung zu tragen. Das geschieht zunächst durch eine weitgehende Milderung der Strafe. Nun gehören aber viele dieser vermindert Zurechnungsfähigen, meist Nervenkranke, zu den allergefährlichsten Elementen der Gesellschaft, in der sie sich noch einigermassen zu bewegen und vor der sie ihre Anlagen und Neigungen zu verdecken wissen. Es müssen daher zum Gesellschaftsschutze sichernde Massnahmen hinzutreten, die der Richter, unter einstweiligem Aufschub der Strafe, nach dem Gutachten der Sachverständigen in gleicher Weise anordnet, wie gegenüber dem Unzurechnungsfähigen. Der Aufenthalt in der Anstalt wird aber nicht ohne weiteres an der Dauer der Freiheitsstrafe angerechnet, sondern der Richter hat bei der Aufhebung der Einweisung neuerdings zu erkennen, ob und inwieweit die Strafe noch zu vollstrecken sei.

Die Tat des.völlig Zurechnungsfähigen soll am Täter nur dann bestraft werden, wenn er ein V e r s c h u l d e n am Erfolge trägt, sei es Vorsatz, sei es Fahrlässigkeit. Es sollte dem Entwurf als Vorzug angerechnet werden, dass er den Grundsatz der Haftung für das Verschulden, mit Ausschluss einer Haftung für den zufälligen Erfolg, weit reiner durchgeführt hat, als irgendeines der bestehenden Gesetzbücher. So in den Normen über die Strafzumessung (Art. 60) und über Körperverletzung (Art. 108 bis 111). Nach dem gleichen Grundsatze wird dann aber auch der Richter angewiesen, strenge einzuschreiten, wo zwar der vorgesetzte Erfolg zufälligerweise ausgeblieben aber der Täter doch die ganze Gefährlichkeit seines verbrecherischen Willens an den Tag gelegt, so beim vollendeten Versuch und in gewissen Fällen des untauglichen Versuchs. Zugleich bedeutet es einen verstärkten
Gesellschaftsschutz, dass der Täter gleich ergriffen werden darf, ehe er Gelegenheit findet, den misslungenen Versuch zu erneuern.

In den Vorschriften über die Bestrafung derjenigen, die zu einem Vergehen zusammengewirkt haben, ist das Ermessen des Richters erweitert worden. Sodann wird das, was von den Ge-

11 dchten schon allgemein angenommen worden ist, zum Gesetze «rhoben, dass nämlich derjenige, der einen Unzurechnungsfähigen ·für sich handeln lässt, als Selbsttäter behandelt werden soll.

Etwas abweichend davon gestaltet sich die Verantwortlichkeit für P r e s s v e r g e h e n , Abweichungen, welche einerseits zur Wahrung der Anonymität der Presse, anderseits zum Schutze des Angegriffenen wegen dieser Anonymität erforderlich sind. Ausgangspunkt ist, dass der Verfasser als Täter behandelt und nach seinem Verschulden bestraft werden soll. Kann dies geschehen, so bleibt ·er allein haftbar, weder Redaktor noch Drucker oder Verbreiter dürfen als Teilnehmer mitbestraft werden, damit sie nicht der Verbreitung neuer Gedanken aus Furcht ihre Hülfe versagen. Nun kann aber auch der Redaktor tatsächlich die Verantwortlichkeit übernehmen, indem er die Anonymität des Verfassers durch Weigerung der Angabe seines Namens deckt. In diesem Falle darf weder gegen ihn, noch gegen die kaufmännische Unternehmung, noch die Ersteller oder Verbreiter der Zeitung ein Zwang zur Namensnennung, weder Zeugnis- noch Durchsuchungszwang, angewendet werden. Wo allerdings ein höheres Interesse des Staates in Frage steht, müssen diese Rücksichten zurücktreten ; das Gesetz zählt diese Ausnahmsfälle auf. Wird dem Angegriffenen auf diese oder auf eine andere Weise der schuldige Urheber entzogen, so kann er sich an den Redaktor halten. Der Entwurf schlägt sodann eine etwas andere Regulierung der Verantwortlichkeit bei nicht periodischen Druckschriften und für den Inseratenteil der Zeitungen vor, indem hier der Verleger und vorkommendenfalls der Drucker aushülfsweise zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit herangezogen werden. Endlich soll die Abkürzung der Verjährungsfrist dem Umstände Rechnung tragen, dass die Wirkungen der Pressäusserungen, insbesondere der Äusserungen der Zeitungen, zwar sehr starke, aber wenig nachhaltige sind.

Eine ausführliche Behandlung ist dem A n t r a g s r e c h t des Geschädigten zuteil geworden, insbesondere ist in gewissen Schranken der Übergang desselben beim Tode des Berechtigten auf dessen Angehörige festgestellt. Neben den Vergehen gegen die Ehre sind namentlich eine grössere Zahl leichterer Vergehen und Übertretungen gegen das Vermögen, insbesondere gegen immaterielle Güterrechte, als Antragsvergehen,
ihre Verfolgung also vom Antrag des Geschädigten abhängig erklärt worden.

Notwehr und Notstand begründen die S t r a f l ö s i g k e i t d e s E i n g r i f f e s in f r e m d e R e c h t s g ü t e r , beim Notstand nur soweit dem Täter nicht zuzumuten war, sein eigenes Gut preiszugeben.

Die Entschuldigung des Notstandes kaun unter diesem Vorbehalt in recht vielen Fällen zugelassen werden, da ja stets die Schaden-

12 ersatzpflicht regulierend eingreift. Neben Notwehr und Notstand gibt es aber noch andere Fälle strafloser Eingriffe. Es ist richtig,, wenn ein Srafgesetzbuch diese Fälle erwähnt, wie das nun in Art. 31 geschieht. Neben dem Gebote des Gesetzes und der Amtspflicht, man denke nur an die Zwangsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden, fallen auch Berufspflichten in Betracht. Dahin zählt etwa die Berechtigung auch des privaten Irrenarztes, die persönliche Freiheit des seiner Pflege anvertrauten Kranken zu beschränken.

Auch der operative Eingriff des Arztes könnte hier einbezogen werden, wenn nicht die Operation als Heilverfahren schon deutlich sich unterscheidet von den schädigenden Eingriffen in einen menschlichen Leib. Zu heilen ist allerdings des Arztes schöne Berufspflicht.

Über die erlaubte, weil zur Rettung der Mutter notwendige Abtreibung der Leibesfrucht spricht sich Art. 107 aus.

3. Strafen und sichernde Massnahmen.

A. Strafen.

Bei Aufstellung der Strafarten war zuerst die Frage der Aufnahme oder Nichtaufnahme der T o d e s s t r a f e zu beantworten.

Die Todesstrafe war in frühern Jahren die Strafe für beinahe alle Verbrechen bis zu den grossen Reformen am Ende des 18. Jahrhunderts, die an ihrer Stelle die Freiheitsstrafen itì den Mittelpunkt des Strafensystems setzten. Aber auch seither ist sie weiter zurückgegangen, nicht nur dass ihre Anwendung überall auf ganz wenige Verbrechen (Mord, vielleicht noch Hochverrat) beschränkt wurde; eine ganze Reihe von Staaten haben sie ganz abgeschafft. So Rumänien (seit 1864), Portugal (1867), die Niederlande (1870), Italien (1889), Norwegen (1902) und Russland (mehrmals, neuerdings 1917). In der Schweiz war die Todesstrafe von einzelnen Kantonen abgeschafft worden, nämlich von Freiburg (1848--1868% Neuenburg (1864), Zürich (1869), Tessin (1871), Genf (1871), Basel-Stadt (1872), Basel-Land (1873) und Solothurn (1874). Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 brachte dann in Art. 65 das Verbot der Todesstrafe, wogegen die Revision vom 18. Mai 1879 auf den Art. 54 der Bundesverfassung von 1848 zurückging: wegen politischer Vergehen darf kein Todesurteil gefällt werden.

Die Annahme dieses Verfassungsartikels erfolgte mit 13*/a Standesstimmen gegen 62/a und 200,485 gegen 181,588 Aktivbürgerstimmen.

Im Verlaufe wurde die Todesstrafe wieder eingeführt 1880 in den Kantonen Uri, Obwalden und Appenzell I.-Rh.. 1881 in Sehwyz, 1882 in Zug und St. Gallen, 1883 in Luzern und Wallis, 1893 in Schaff hausen, 1894 in Freiburg, so dass sie zurzeit besteht in 8 Kantonen und 2 Halbkantonen, die zusammen (1910) 924,889 Einwohner zählten, was 24,66 °/o der schweizerischen Gesamtbevölkerung ausmacht.

13 Für den Ausschluss, wie auch für die Zulassung der Todesstrafe lassen sich gute Gründe anführen. Zwingende Bedeutung kann aber weder der einen noch der andern Gruppe von Argumenten zuerkannt werden. Bestimmend für die Stellungnahme zur Frage der Todesstrafe sind im wesentlichen nicht verstandesmässige Überlegungen, sondern Überzeugungen, Werturteile und Gefühlsmomente. Wir lehnen die Todesstrafe ab, weil sie eine rohe, ein feineres Empfinden verletzende Strafart ist, weil mit ihrem Vollzug nicht nur ein Verbrecher, sondern unter Umständen auch ein besserungsfähiger Mensch vernichtet wird, weil sie dem Erziehungszweck der Strafe nicht Rechnung trägt und weil sie kein unentbehrliches Mittel in der Verbrechensbekämpfung ist.

Zu diesen allgemeinen Betrachtungen treten solche, die in unseren besonderen Verhältnissen begründet sind. Schon der Umstand, dass die Todesstrafe im weitaus grössten Teil der Schweiz abgeschafft geblieben ist, 'verbot es, die Todesstrafe in das schweizerische Strafgesetzbuch aufzunehmen. Auch lagen keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit dafür vor; diese hatte in ·den Kantonen ohne Todesstrafe keineswegs gelitten. Zudem werden die in Aussicht genommenen Verbesserungen im Strafvollzug die Sicherung der Gesellschaft vor dem gefährlichen Verbrecher noch weiter verstärken. In den Kantonen mit Todesstrafe ist deren Handhabung allen Zufälligkeiten des Begnadigungsverfahrens ausgesetzt und somit weder folgerichtig noch gerecht. Dazu kommt noch die Abneigung der Geschworenen, die Verantwortlichkeit für ein Todesurteil zu übernehmen.

Allerdings ist nicht zu verkennen, dass in einzelnen Landesteilen die Abschaffung der Todesstrafe auf starken Widerspruch stossen dürfte. Es lag daher nahe, die Lösung der Frage den Kantonen zu überlassen; allein, abgesehen von den gesetzestechnischen Schwierigkeiten, die gleiche Gesetzesvorlage beiden Möglichkeiten anzupassen, war die Betrachtung durchschlagend, dass die in der Bundesverfassung versprochene Rechtseinheit nicht als durchgeführt betrachtet werden kann, wenn gerade die schwerste Strafe der kantonalen Regelung unterstellt bleibt.

AnFreiheitsstrafenunterscheidetdieVorlageZuchthausstrafe, Gefängnisstrafe und Haftstrafe (die als Vergehensstrafe allerdings nuv im Falle von Strafmilderung und von Art. 114 und 116 eintritt, im übrigen
Übertretungsstrafe ist) und zeichnet in grossen Zügen die Art und Weise der Vollstreckung. Für die Zuchthausstrafe und die Gefängnisstrafe, soweit letztere die Dauer von drei Monaten übersteigt, wird der progressive Strafvollzug, d. h. eine stufenweise Gewährung grösserer Bewegungsfreiheit zur Wiedereinführung in die Freiheit des bürgerlichen Lebens vorgeschrieben. Der Sträfling auf der ersten Stufe wird durchaus in Einzelhaft gehalten, auf der zweiten Stufe

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arbeitet er in Gemeinschaft mit andern und die dritte Stufe umfasst die bedingte Entlassung. In der Anstalt ist die Erziehung zur Arbeit das Hauptmittel, den Sträfling auf den guten Weg zurückzufuhren und ihn instand zu setzen, den Weg auch weiter zu verfolgen.

Diese Behandlungsmethode hat sich in unsern grössern Strafanstalten bereits eingelebt und bewährt. Neu ist eigentlich nur die Vorschrift, dass dem bedingt zu Entlassenden nähere Weisungen erteilt werden sollen, dass eine Schutzaufsicht in allen Fällen zu bestellen sei und dass sie nicht einer Polizeibehörde übertragen werden dürfe (401).

Der progressive Strafvollzug ist auch bei Verurteilung zu Zuchthaus auf Lebenszeit in Aussicht genommen; selbst da soll nicht jede Hoffnung abgeschnitten sein, sondern nach 15 Jahren Wohl Verhaltens eine bedingte Entlassung auf 5 Jahre eintreten können. Bei nur ganz kurzzeitigen Freiheitsstrafen ist der progressive Strafvollzug unmöglich, dagegen soll auch hier Arbeitszwang die schlimmen Folgen des Müssiggangs ausschliessen und Einzelhaft den Ansteckungsgefahren vorbeugen.

Wir erhoffen von einem richtigen Vollzug der Freiheitsstrafe» die Besserung des Verurteilten durch Erziehung zur Arbeit und durch moralische Einwirkungen jeder Art von seilen der Anstaltsleitung.

Je kürzer die Dauer der Strafe, desto weniger können sich diese Wirkungen entfalten ; desto mehr treten schädliche Nebenwirkungen ein. Wer einmal eine Freiheitsstrafe erlitten, hat an Selbstachtung und Achtung anderer eingebüsst, seine moralische Spannkraft ist vermindert, zumal die Strafe, wenn sie nicht ihren ganzen Ernst gezeigt hat, ihm nur die Furcht vor der Gefangenenzelle benommen hat. Kurzzeitige Gefängnisstrafen sind deshalb möglichst zu vermeiden. Deshalb ist denn auch die Mindestdauer der Gefängnisstrafe auf acht Tage angesetzt; wo der Richter eine Warnungsstrafe leichtester Art für ausreichend hält, soll er auf Busse allein erkennen; das Gesetz gewährt ihm diese Möglichkeit ja bei fast allen leichtern Vergehen und Übertretungen.

Zur Verminderung der Zahl kurzer Freiheitsstrafen wird insbesondere die Einführung der b e d i n g t e n V e r u r t e i l u n g beitragen. Sie ist ein Ausfluss des englisch-amerikanischen Erprobungssystems. Dem erstmalig zu einer kurzern Freiheitsstrafe Verurteilten soll Gelegenheit geboten werden, statt
durch Strafe durch Selbstzucht besser und gegenüber der Versuchung widerstandsfähiger zu werden und den Nachweis, dass er der Strafe nicht bedürfe, zu erbringen dadurch, dass er sich während der ihm angesetzten Erprobungszeit bewährt. Diese Möglichkeit ist einzuräumen, wenn vorausgesetzt werden kann, dass der Verurteilte sie benutze. Aber nicht nur die Voraussetzungen sind, wenn man nicht

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bittere Erfahrungen machen will, schärfer zu fassen, als dies in einigen Gesetzgebungen des europäischen Festlandes geschieht.

Es ist auch notwendig, dass durch die Aufstellung bestimmter Vorschriften für das Verhalten während der angesetzten Zeit diese auch zur wirklichen Erprobungszeit werde; es soll nicht genügen, dass der auf Probe Gestellte kein neues vorsätzliches Vergehen begangen habe. Die bedingte Verurteilung, oder der bedingte Strafaufschub, wie sie ebenfalls genannt wird, hat bereit* 1892--1914 in den kantonalen Strafgesetzgebungen Eingang gefunden, nämlich in Genf, Waadt, Obwalden, Wallis, Tessin,.

Freiburg, Neuenburg, -St. Gallen, Baselstadt, Bern, Baselland, Graubünden, Schaff hausen, Luzern, Solothurn und Appenzell A.-Rh.

Durch die Motion Thélin ist der Bundesrat am 24. September 1907 eingeladen worden, zu prüfen, ob nicht der bedingte Strafnachlass schon in das bestehende Bundesstrafrecht einzuführen sei, was sich allerdings als untunlich zeigte. Dagegen ist die bedingte Verurteilung in den Entwurf eines Militärstrafgesetzbuches aufgenommen worden.

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B. Sichernde Massnahmen.

Den Freiheitsstrafen reiht der Entwurf sichernde Massnahmeo an, die ebenfalls in Anstaltsbehandlung bestehen: Die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern (Art. 40), die Erziehung Liederlicher und Arbeitsscheuer zur Arbeit (Art. 41) und die Behandlung von Gewohnheitstrinkern (Art. 42). Unter den aufgezählten Personen werden sich gewiss viele befinden, deren Verstandeskräfte und Charakter recht schwach sind, aber es handelt sich nicht darum, sie als vermindert Zurechnungsfähige milder zu bestrafen, sondern darum, im Interesse des Gesellschaftsschutzes, die Wirkung der gewöhnlichen Strafe, gegen die sie sich unempfindlich erweisen, durch besondere Massnahmen üu ergänzen und zu verstärken. Das nähere Verhältnis zwischen Strafe und sichernder Massnahrne ergibt sich dann aus der besondern Art derselben.

Zunächst erfolgt überall der Schuldspruch des Richters und die Verurteilung zu einer Freiheitssrafe nach Massgabe der Bestimmungen des besonderen Teils. Alsdann kann der Gewohnheitsverbrecher unter den näheren Voraussetzungen des Art. 40 in eine Verwahrungsanstalt eingewiesen werden. Der Vollzug der Verwahrung und die Folgen (Art. 48) stimmen so sehr mit der» Vollzug einer Freiheitsstrafe überein und ihre Dauer ist unter keinen Umständen kürzer als die der ausgesprochenen Freiheitsstrafe, so dass die Massnahme sehr wohl an Stelle der Strafe treten kann. Umgekehrt hat die Massnahme der Einweisung in eine Trinkerheilanstalt ein Heilverfahren zur Folge, das in keiner

16 Weise an ein Strafverfahren erinnert, es wäre denn dadurch, dass damit ein zwangsweiser teilweiser Freiheitsentzug verbunden ist. So kommt man dazu, trotz entgegenstehender ärztlicher Bedenken, zuerst den Vollzug der Freiheitsstrafe und dann erst den der Einweisung eintreten zu lassen. Die Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt endlich führt zu einer Anstaltsbehandlung, die sich dem Vollzuge einer Freiheitsstrafe nähert, insbesondere wird die Strenge der Disziplin so ziemlich dieselbe sein. Wenn daher der Vollzug der ausgesprochenen Freiheitsstrafe vorerst aufgeschoben wird und nur dann eintreten soll, wenn die Erziehung zur Arbeit sich als ergebnislos erweist, so hat das keine Bedenken, während anderseits die Androhung des Strafvollzugs für den Verurteilten ein mächtiger Ansporn sein wird, sich durch sein Verhalten als besserungsfähig zu erweisen.

Zur Begründung der Notwendigkeit der einzelnen Massnah men sei in Kürze folgendes angeführt.

1. Die Behandlung der vielfach Rückfälligen, die einet» Hang zu Vergehen oder zu Liederlichkeit oder Arbeitsscheu bekunden.

Die sich mehrende Zahl der Verurteilten mit Vorstrafen zeigt die Unwirksamkeit der gewöhnlichen, nach den Strafandrohungen des besonderen Teils abgemessenen Freiheitsstrafen, auch dann, wenn der Rückfall als Schärfungsgrund in Betracht gezogen wird.

Gegenüber den Gewohnheitsverbrechern, die sich der angestrengten ehrlichen Arbeit entziehen, um auf Kosten ihrer Mitmenschen ein Parasitenleben zu führen, müssen andere Massnah men ergriffen werden. Meist sind es nicht gerade gefährliche Urheber sehr schwerer Taten, die ohnehin eine langzeitige Einsperrung nach sich ziehen, was die Möglichkeit vielfacher Rückfälle ausschliesst, sondern vielmehr Leute schwachen Charakters, die jeder Tatkraft ernsten Strebens bar, keiner Versuchung zu widerstehen vermögen und dadurch, dass sie immer und immer wieder vor den Strafrichter kommen, ein Spiel mit der Strafrechtspflege spielen, das sie ihres Ernstes zu entkleiden droht. Und es gehören auch dazu jene widerspenstigen Elemente, die jeglicher Zucht und Ordnung Hohn sprechen. In vorbildlicher Weise hat das französische Gesetz gegen die Rückfälligen vom 27. Mai 1885 dadurch, dass es unter gewissen Voraussetzungen dem Richter gestattet, nach Vollstreckung ' der Strafe oder an Stelle der Strafe die
Verbringung des Verurteilten auf Lebenszeit in eine Strafkolonie anzuordnen, die Möglichkeit gegeben, das Land und insbesondere die grossen Städte von Gewohnheitsverbrechern zu säubern. Wir müssen diesen Zweck zu erreichen suchen durch Anstaltsverwahrung, die hinsichtlich ihrer Dauer unabhängig ist von der Bedeutung der einzelnen begangenen Tat. Immerhin wird auch hier die entfernte Mög-

17 lichkeit einer Besserung noch berücksichtigt und nach mindestens 5 Jahren eine probeweise Entlassung auf 3 Jahre gestattet. Besteht der Entlassene die Probe nicht, so wird er neuerdings auf 5 Jahre eingezogen.

2. Erziehung Liederlicher und Arbeitsscheuer zur Arbeit.

Während die Verwahrungaanstalt bestimmt ist, die aller Wahrscheinlichkeit nach für das Leben verlorenen Leute aufzunehmen, die dem Hange zu Vergehen, zu Liederlichkeit und Arbeitsscheu bereits erlegen sind, sollen in dieser Anstalt solche aufgenommen werden, die erst gefährdet sind durch ihre unglücklichen Neigungen; dort in der Hauptsache die altern, hier die Jüngern Elemente der Verbrecherwelt. In den Kantonen bestehen vielfach Zwangsarbeitsanstalten oder Korrektionsanstalten, in welchen auf Antrag der Gemeindebehörden (Vormundschaftsoder Armenbehörden) Leute aufgenommen werden, die durch Trunksucht und Liederlichkeit sich zugrunde gerichtet und daher selber und für ihre Familie der öffentlichen Wohltätigkeit zur Last gefallen sind oder zu fallen drohen. Die Ergebnisse der Arbeitserziehung in diesen Anstalten sind recht klägliche, trotz einer meist trefflichen Leitung; die Insassen sind eben zu spät eingewiesen worden, zu einer Zeit, da sich das Übel schon zu tief eingefressen hatte und auch ihr Alter die Möglichkeit einer Erziehung ausscbloss. Man hat daher nach der Reform dieser Anstalten gerufen, insbesondere in der Richtung, dass die Korrektionsbedürftigen von den Unverbesserlichen getrennt würden und auf möglichst frühzeitige Einweisung Bedacht genommen werden sollte. Solche Anstalten setzt der Entwurf voraus, er schafft auch gewisse Garantien des Erfolges der Arbeitserziehung dadurch, dass nur Arbeitsfähige und solche, die noch keine Zuchthausstrafe erlitten, aufgenommen und solche, die sich als nicht erziehuogefahig erweisen, im Verlaufe wieder abgestossen werden sollen. Da es sich immerhin um eine für den Betroffenen schwere Massnahme handelt, darf sie nur dann verhängt werden, wenn der Täter durch sein Verhalten sich eine Gefängnisstrafe zugezogen hat. Immerhin ist die Einweisung auch zulässig, wenn der Täter im Wiederholungsfalle wegen Landstreicherei und Bettel zu Haft verurteilt wird (Art. 332), wie zurzeit schon in Bern, Waadt und Neuenburg wegen Bettels, Landstreicherei und Nichterfüllung der Familienpflichten der
Richter die Einweisung in ein Arbeitshaus verfügen kann. Bei den besserungsfähigen Zöglingen einer solchen Anstalt hat die Möglichkeit der Entlassung auf Probe ganz besondern Wert, sie wird dem Eingewiesenen schon in der Anstalt ein Ansporn sein, durch Fleiss und gutes Verhalten den Erziehungszweck zu fördern, wie ja die ganze Zeit des AufentBundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

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balta in der Anstalt und der probeweisen Entlassung ein Stellen auf Probe bedeutet; bewährt sich der Verurteilte, so erlangt er damit den Erlass der Gefängnisstrafe.

Die kantonalen Vorschriften über die Einweisung Liederlicher und Arbeitsscheuer in Arbeitsanstalten auf dem Verwaltungswege können sehr wohl neben der Vorschrift des Strafgesetzes weiter bestehen, die Verwaltungsbehörde kann die Einweisung auch dann anordnen, wenn der Richter von dieser Massnahme Umgang genommen hat. Hat er aber die Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt angeordnet, so ist diese Einweisung jedenfalls zuerst zu vollziehen.

3. Die Behandlung von Gewohnheitstrinkern.

Trunkenheit und Trunksucht führen in häufigen Fällen zur Begehung von strafbaren Handlungen, sie verursachen solche geradezu oder sie veranlassen oder fördern sie. Die Bekämpfung des Alkoholismus wird daher mit Recht als ein wichtiger Teil der Verbrechensbekämpfung angesehen. Die Stellung des Entwurfs zu diesen Fragen ist folgende: a. Trunkenheit kann unter Umständen die Unzurechnungsfähigkeit oder die verminderte Zurechnungsfähigkeit des Täters herbeigeführt haben. Auf solche Täter finden die allgemeinen Bestimmungen der Art. 10 und 11 Anwendung. Dass überall da, wo der Täter in nüchternem Zustande die Tat überlegt und beschlossen und sich hernach, um sich die Verübung zu erleichtern, in einen Zustand der Trunkenheit versetzt hat, die volle Strafbarkeit der Tat bleibt, gilt auch unter der Herrschaft dieses Gesetzes. Ähnliches ist von der Verantwortlichkeit für fahrlässige Handlungen und Unterlassungen zu sagen. Mag auch die Trunkenheit im entscheidenden Augenblick die Möglichkeit der Vorsicht oder Umsicht aufgehoben oder vermindert haben, so kann eine strafbare Fahrlässigkeit darin gefunden werden, dass derjenige, der wusste, es werde der nächste Moment von ihm die Anspannung der Aufmerksamkeit erfordern, sich betrunken hat.

An sich ist also das Sichbetrinken keine strafbare Handlung ; es wird eine Übertretung (Art. 331), wenn in der Trunkenheit öffentliche Sitte und Anstand in grober Weise verletzt werden.

b. Trunksucht ist nach neuerer Auffassung ein krankhafter Zustand, dem der Gewohnheitstrinker verfallen ist. Dieser Zustand erfordert eine ähnliche Behandlung wie Liederlichkeit und Arbeitsscheu oder der Hang zum Verbrechen; es ist durch ein Heilverfahren mit erzieherischem Charakter dessen Unterdrückung herbeizuführen.

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Wenn es sich daher herausstellt, dass der Täter eines Vergehens ein Gewohnheitstrinker ist und dass sein Vergehen damit im Zusammenhang steht, so kann der Richter anordnen, dass der Verurteilte nach Vollzug 'der Strafe in eine Trinkerheilanstalt aufgenommen werde. Das ist nun eine recht einschneidende Massnahme, die nur in Verbindung mit der Verhängung einer Gefängnisstrafe verbunden werden soll. Bei Übertretungen ist sie einzig in dem bereits erwähnten Falle zulässig (Art. 290, 331).

Anderseits scheint sie da, wo die Strafe in Zuchthaus besteht, also stets von längerer Dauer ist, nicht mehr notwendig. Übrigens bestehen auch Bedenken, schwerere Verbrecher in diesen offenen Anstalten, deren Insassen nicht voneinander isoliert werden können, zu halten.

Wenn sodann ein Gewohnheitstrinker wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen oder aus diesem Grund das Verfahren gegen ihn eingestellt werden muss, so ist es lediglich eine Anwendung des Grundsatzes von Art. 13, dass er der Trinkerheilanstalt überwiesen werden soll.

Die bedingte Entlassung aus der Trinkerheilanstalt soll mit der Weisung verbunden werden, sich während einer bestimmten Zeit der Enthaltsamkeit zu befleissen. Diese Aufforderung zur Selbsterziehung geht in der Richtung der Ideen, die dem englischen Pollard-System zugrunde liegen. Sie wird zur Anwendung gebracht auch in den andern Fällen bedingter Entlassung aus einer Anstalt (Art. 36, 40, 41, 91) und insbesondere bei der bedingten Verurteilung (Art. 39, 93). Weiter zu gehen und auch hier dem Richter die Möglichkeit zu geben, die Einweisung bedingt zu verhängen, schien nicht ratsam. Handelt es sich doch um die Sicherung gegen Gewohnheitstrinker, die in ihrem Zustande bereits strafbare Handlungen begangen haben, nicht darum, den Anfängen des Übels zu wehren. Dagegen dürften die Verwaltungsbehörden mit Erfolg frühzeitige ernste Verwarnungen ergehen lassen, was wohl auch schon geschieht.

Endlich sei in diesem Zusammenhange noch erwähnt, dass Kinder und Jugendliche durch Art. 297 einen Strafschutz gegen die Verführung zum Alkoholgenuss erhalten sollen.

C. Gemeinsame Bestimmungen fllr alle Freiheitsentziehungen.

G e m e i n s a m für beiderlei Freiheitsentziehungen, die strafweisen wie die als Sicherungsmassnahmen gedachten, ist das Gebot der Geschlechtertrennung in den Anstalten und das
Verbot der Verabreichung alkoholischer Getränke an die Insassen. Die Bestimmungen über den Vollzug der Freiheitsstrafen und Einweisungen finden ihre Ergänzung im 8. Abschnitt des dritten Buches,

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wo insbesondere vom Arbeitsverdienstanteil der Insassen die Rede ist. Ebenso sind dort weitere Bestimmungen über die Schutzaufsicht enthalten, während Art. 44 nur deren Aufgaben allgemein umschreibt. Nach den vorausgehenden Bestimmungen hat sie einzugreifen in Fällen der bedingten Verurteilung (39) wie bei bedingter Entlassung (36, 40, 41, 42) und sodann zugunsten Jugendlicher in ähnlichen Fällen (91, 93).

D. Busse.

Die Vorschriften über die Busse, die Geldstrafe des deutschen Rechtes, bedeuten eine gründliche Umgestaltung dieses Strafraittels.

Seine Beliebtheit beruhte bisher nicht nur darauf, dass es dem Staate nur Einnahmen und keine Kosten verursacht, sondern auch auf dem Umstände, dass es den Verurteilten in seinem Familienund Erwerbsleben belässt und ihn zu erneuter Kraftanstrengung in der Arbeit veranlasst. Es ist auch ein. guter Ersatz für die als bedenklich angesehenen kurzen Freiheitsstrafen und gewinnt dadurch an Bedeutung.

Dem Nachteil der Busse, dass sie dem Begüterten wenig fühlbar ist, den Unbemittelten dagegen schwer trifft, sind kantonale Strafgesetze jetzt schon entgegengetreten durch die Vorschrift, dass bei Ausmessung der Busse die ökonomische Lage des 'Straffälligen zu berücksichtigen sei. (Zürich 23, Schwyz 14, Glarus 13: Berücksichtigung der drückenden Armut des Schuldigen, Zug 12, Solothurn 15, Appenzell A.-Rh. 18, St. Gallen 19, Neuenburg 27). Dieser Grundsatz, der seither im Strafgesetzbuch von Norwegen (27) und im deutschen und österreichischen Entwurf aufgenommen worden ist, kommt in der Vorlage in der allerschärfsten Weise zum Ausdruck. Deshalb ist denn auch die übliche Beschränkung der Geldstrafe nach Mindestmass und Höchstmass unterlassen worden.

Der andere Übelstand, der mit der Busse verbunden ist, liegt in der Vorschrift der Umwandlung der nicht erhältlichen Busse in eine Freiheitsstrafe. So sind im Jahre 1915 in der Schweiz wegen Nichtbezahlung der Busse nicht weniger als 3665 Personen einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe unterworfen worden, die nach dem Willen des Gesetzgebers von einer solchen hätten verschont bleiben sollen. Nach den neuen Bestimmungen sollte es nicht mehr vorkommen, dass jemand zu einer Busse verurteilt wird, die er wirklich nicht bezahlen kann, insbesondere auch, da gegenüber demjenigen, der sie nicht aus seinem Vermögen schöpfen kann, sondern mit seiner Hände Arbeit erwerben muss, besondere Nachsicht geübt werden soll. Wo aber aus Böswilligkeit, Arbeitsscheu,

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Liederlichkeit oder Nachlässigkeit die Zahlung unterbleibt, wird Bestrafung geraäss Art. 346 eintreten. Mit alledem sollte die Umwandlung .der nichtbezahlten Busse in eine Freiheitsstrafe entbehrlich werden, wie Genf schon jetzt davon absieht.

E. Nebenstrafen.

Die Nebenstrafen sind Strafen, welche nur in Verbindung mit einer Hauptstrafe, einzeln oder mehrere zugleich, verhängt werden dürfen, weil sie für sieh allein auf manche Täter nicht den erforderlich starken Eindruck machen würden. Ihre Anwendung ist hier geregelt, sie dürfen also verhängt werden, ohne für die einzelne strafbare Handlung besonders angedroht worden zu sein.

Die E i n s t e l l u n g in der b ü r g e r l i eben Ehr enfähigk e i t , der zivilrechtlichen und der öffentlich-rechtlichen (Art. 48) und die Amtsentsetzung, mit Verlust der Wählbarkeit zu einem Amte (Art. 49), sind Strafarten, die in der geltenden Gesetzgebung fast überall wiederkehren.

Die E n t z i e h u n g der e l t e r l i c h e n Gewalt und der V o r m u n d s c h a f t (Art.. 50), die allerdings nach dem Zivilgesetzbuch, Art. 285 bis 288, auch ausserhalb des Strafprozesses von andern Behörden ausgesprochen werden kann, wird als Nebenstrafe dem Kinderschutz sehr förderlich sein.

Zu dieser Gruppe des Entzuges der Fähigkeit, einzelne Rechte auszuüben, gehört auch das V e r b o t , e i n e n B e r u f , ein Gewerbe oder ein Handelsgeschäft zu b e t r e i b e n (Art.51), eine durch die ganze Schweiz hindurch sehr verbreitete Nebenstrafe. Beschränkt auf die Fälle, da jemand bei Ausübung dieses Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes ein Vergehen begangen und die Gefahr weitern Missbrauches vorliegt, ist es zugleich eine sichernde Massnahme zum Schutze des Publikums gegen Ausbeutung durch gewissenlose Unternehmer. Berufsverbote können sich übrigens auch aus der Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ergeben, soweit nämlich die Gewerbegesetzgebung und insbesondere die Gesetzgebung über Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten die Berufsausübung an das Erfordernis ungeschmälerter Ehrenfäbigkeit knüpft.

Gewissen Befürchtungen von Redaktoren und Zeitungsberichterstattern will das Gesetz von Anfang an die Spitze brechen.

Die Nebenstrafe der L a n d e s v e r w e i s u n g findet sich in der Strafgesetzgebung aller Kantone, mit Ausnahme von Basel, Tessin und
Neuenburg, die lediglich die polizeiliche Ausweisung kennen.

Es ist klar, dass die einschlägigen Befugnisse der kantonalen Verwaltungsbehörden durch die Bestimmungen des schweizerischen Strafgesetzbuches nicht angetastet werden (Art. 52).

22 Auch das W i r t s h a u s v e r b o t (Art. 53) war früher in der Mehrzahl der schweizerischen Strafgesetzbücher enthalten, und zwar als Ehrenstrafe. In dieser Richtung war diese Strafe insbesondere wirksam durch die Veröffentlichung in den Amtsblättern und durch den Anschlag in allen Wirtschaften. Dann erlitt sie einen Rückgang, weil ihre Durchführung im Getriebe des modernen Lebens, insbesondere in den grössern Städten, sehr erschwert wurde. Erst, der Kampf gegen den Alkoholmissbrauch lenkte die Aufmerksamkeit neuerdings auf dieses Mittel. So fand sie wiederum Eingang in den letzten Strafgesetzbüchern, Neuenburg 1891 (Art. 41), Appenzell I.-Rh. 1899 (Art. 12), Glarus im gleichen Jahre (§ 12) und Luzern (Kriminalstrafgesetz von 1906 (§ 17, lit. c) und Polizeistrafgesetzbuch von 1915 (§ 28) und sie ist vorgesehen im Bundesgesetz über den Militärpflichtersate vom 29. März 1901. Auch im Ausland kommt sie vor, so im Polizeistrafgesetebuch des Nachbarlandes Baden; wir finden sie im deutschen Vorentwurf (§ 43) und im Gegenentwurf .(§ 69).

F. Vorsorgliche und andere Massnahmen.

Die vorsorglichen und andern Massnahmen sind recht verschiedener Art, zum Teil wirken sie ähnlich wie Nebenstrafen, zum Teil sind es Vollstreckungsvorschriften.

In der F r i e d e n s b U r g s c h a f t (Art. 54) wird auf altdeutsches Friedensrecht zurückgegangen. Die Fehde zwischen zwei Familien wurde nach gütlicher Beilegung des Streites für die Folge ausgeschlossen oder erschwert dadurch, dass ein besonderer Friede zwischen den Parteien aufgerichtet wurde, für dessen Beobachtung besondere Sicherstellungen gegeben wurden. Oder bei ausgebrochenem Streit unter Bürgern trat ein dritter Bürger oder Beamter dazwischen, mit der Wirkung, dass der Ungehorsam gegen das Friedgebot und insbesondere jede Tätlichkeit gegen den Friedbieter besonders bestraft werden sollte. Der Ungehorsam gegen das Friedgebot hat sich als strafbarer Tatbestand in einer Anzahl kantonaler Gesetzgebungen bis auf den heutigen Tag erhalten. Das behördliche Einschreiten bei drohenden Rechtsverletzungen zum Zwecke, dem Bedroher eine Sicherstellung aufzulegen, dass er den Frieden halten werde (surety to keep thè peace oder for good behaviour) ist eine in England lebendig gebliebene Rechtseinrichtung. Der Entwurf knüpft an letztere an. Es soll der mit einem Vergehen gegen die Person Drohende durch die Abnahme des Versprechens und die Auflage einer Sicherheit zur Besinnung und zu ruhiger Überlegung gebracht werden, während die Bestrafung allein vielleicht die vorhandene Aufregung noch verstärken würde. So dürfte in

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vielen Fällen die Friedensbürgschaft dem Richter es leichter machen, die Freiheitsstrafe nur bedingt auszusprechen (Art. 39). Sodann ist in Zänkereien zwischen Hausgenoasen oder Nachbarn oder verfeindeten Familien, wenn der Streit in Beschimpfungen und Tätlichkeiten ausgeartet ist, die Auflage, ein Versprechen abzugeben und angemessene Sicherheit zu leisten, geeignet, endlosen und stets sich erneuenden Prozessen doch ein Ende zu machen, da aus dem auferlegten Waffenstillstand von zwei Jahren wohl oft ein dauernder Frieden sich entwickeln wird. In diesem beschränkten Wirkungsgebiet kann die neue Einrichtung manchem Unheil vorbeugen.

Die Beschlagnahme und Einziehung von Gegenständen, die dazu gedient haben, ein Vergehen zu verüben, oder die dazu bestimmt waren, oder die durch ein Vergehen hervorgebracht worden sind, die Waffen des Mörders und die Werkzeuge des Einbrechers einerseits, das falsche Geld, die gefälschten Urkunden anderseits, wird meist .als Nebenstrafe angesehen, und ist es auch, wenn die Einziehung im Urteil gegen den Täter ausgesprochen werden kann.

Oft ist aber der Täter nicht zu ermitteln und doch müssen die der Rechtssicherheit gefährlichen Gegenstände, die Sprengbomben, die gefälschten Banknoten, der Vorrat gesundheitsschädlicher Lebensmittel beseitigt oder in anderer Weise unschädlich gemacht werden. Dann ist die Einziehung lediglich vorsorgliche Massnahme.

Die beiden Fälle auseinander zu halten, schien nicht notwendig, sie werden hier beide berücksichtigt (Art. 55).

Endlich ist (Art. 56) der V e r f a l l von G e s c h e n k e n und a n d e r n Z u w e n d u n g e n , die gegeben oder versprochen werden, um ein Vergehen zu veranlassen oder zu belohnen, dem Strafgesetz von Neuenburg (Art. 40) nachgebildet worden. Die Sachlage ist eine ähnliche wie bei den Bestechungsgeldern und andern, Beamten gemachten Geschenken (Art. 279, 281 und 282); derjenige, der die Gelder empfangen hat, soll sie nicht behalten dürfen, aber ebensowenig kann man sie demjenigen zurückgeben, der durch sie verbrecherische Ziele erreichen wollte.

Die V e r w e n d u n g e n z u g u n s t e n d e s G e s c h ä d i g t e n {Art. 57) gehören zu den Mitteln, seine Mitwirkung zur Durchführung der Untersuchung und des Strafprozesses überhaupt zu gewinnen.

Werden doch viele Geschädigte davon abgehalten, bei
Diebstählen beispielsweise auch nur eine Strafanzeige zu erstatten, weil sie das ihnen Abhandengekommene doch für verloren erachten. Damit ist dem Täter von vornherein Straflösigkeit gesichert. Steht aber dem Geschädigten die nahe Möglichkeit der Erlangung eines Schadenersatzes in Aussicht, so wird er der Strafverfolgungsbehörde an die Hand gehen. Kann dann schliesslich der Täter

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wirklich gezwungen werden, Schadenersatz zu leisten, so wird dadurch die Wirkung der Strafe nicht wenig gesteigert, das Vergehen erscheint von vornherein zwecklos, wenn der Erfolg die Schadloshaltung des Geschädigten ist. Der Entwurf will auf mehreren Wegen darauf hinzielen, dass der Täter sich anstrenge, zu bezahlen, indem eine Reihe von Vergünstigungen und Milderungen an die Bedingung geknüpft wird, dass der Täter sein möglichstes getan, so in Art. 39, Ziff. l, 73, 74, 76, 77. Wenn aber der Täter gänzlich ausserstande ist, Schadenersatz zu leisten und der Geschädigte ist dabei in Not geraten, so soll der Staat zu dessen Gunsten auf Einnahmen verzichten, die ihm aus dem Vergehen zugekommen sind.

Die Veröffentlichung des Urteils (Art. 58) in gegebenen Fällen ist bald eine Verschärfung der Strafe, bald eine Warnung des Publikums, bald eine Ehrenrettung. Keinerlei Strafcharakter dagegen soll die Eintragung der Verurteilungen in ein Strafenregister tragen (Art. 59), dessen nähere Einrichtung die Art. 377--383 beschreiben.

4. Das Strafmass.

Die einzelnen Strafandrohungen des besondern Teiles, gebe» dem Richter den Strafrahmen. Die absolute Strafandrohung des lebenslänglichen Zuchthauses kommt nur bei Mord (Art. 99) vor. Maximalandrohungen sind selten, noch seltener Minimalandrohungen, meist ist der Strafrahmen lediglich durch die Bezeichnung der Strafarten gegeben. Da war es notwendig, dem Richter Grundsätze, vorzuschreiben, nach denen er die Strafe innerhalb des Rahmens zu bemessen habe (Art. 60). Diese Grundsätze weisen ihn darauf hin, die innern und äussern Ursachen der Tat zu erforschen, die Stärke des verbrecherischen Hanges und die Beeinflussbarkeit des Täters durch die Strafe. Diese Feststellungen lassen den Richter dann auch beurteilen, ob und welche Nebenstrafen, sichernde und andere Massnahmen mit der Strafe zu verbinden sind. In derselben Richtung bewegt sich auch die Aufzählung in Art. 61 der mildernden Umstände, die die Überschreitung der untern Grenze der Androhung gestatten. Es sind dies die achtenswerten Beweggründe und die äussere Zwangslage, dann das Verhalten nach der Tat, das erweist, wie der Täter selber an seiner sittlichen Wiederaufrichtung gearbeitet und dadurch einen Teil der Wirkung der Strafe selber erzielt hat. Auch die Zeit übt ihre Wirkung aus auf das Reaktionsbedürfnis der Gesellschaft, das Wohlverhalten während längerer Zeit hat den Täter einigermassen rehabilitiert. Die Herabsetzung der Strafsätze (Art. 62) bei mildernden Umständen hat allerdings bei den weiten

25 Strafrahmen an Bedeutung eingebüsst. Eine Strafmilderung nach freiem Ermessen (Art. 63) hat das Gesetz vorgesehen in den Art.

11, 20, 21. -- Strafschärfungsgrund, der den Richter ermächtigt, die Maximalstrafdrohung noch zu überschreiten, ist einzig der Rückfall, und zwar der allgemeine Ruckfall, begründet durch wiederholte Verurteilung zu Freiheitsstrafe (Art. 64). Daneben sieht Art. 293 noch besondere Folgen des Rückfalls in dieselbe Übertretung vor.

Beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (Realkonkurrenz) oder mehrerer Strafbestimmungen (Idealkonkurrenz) soll der Richter die schwerste verwirkte Strafe ermitteln und sie alsdann erhöhen, so dass allerdings auch das Zusammentreffen von Handlungen oder Strafbestimmungen als Grund einer Verschärfung der schwersten Strafandrohung betrachtet werden kann.

5. Terjährung und Rehabilitation.

Von den Erlöschungsgründen des staatlichen Strafanspruchs werden hier die Verjährung und die Rehabilitation genannt. Selbstverständlich ist es, dass der Tod des Täters Schuld und Strafe desselben tilgt; er wird denn auch in den Gesetzen nur deswegen genannt, um die Vollstreckung von rechtskräftig erkannten Bussen von der Regel auszunehmen; diese Ausnahme soll aber nicht festgehalten werden.

Die Verjährung des Vergehens ist in den Art. 67--69, die Verjährung der " erkannten Strafe in den Art. 70--72 geordnet.

Besondere Verjährungsfristen sind aufgestellt für Pressvergehen (Art. 26), Vergehen im Übergangsalter (Art. 79), Abtreibung (Art.

105, 106), Blutschande (Art. 180), Ehebruch (Art. 181), Übertretungen (Art. 294). Neu ist die Bestimmung für beide Verjährungsarten, dass auch dann, wenn die Verjährung unterbrochen wurde, spätestens nach Ablauf des Anderthalbfachen der ursprünglichen Frist die Sache endgültig verjährt ist.

Während durch die Verjährung der Ablauf einer längern Zeitfrist dem Täter Straflösigkeit bringt, kann er sich die Befreiung von den fortdauernden Wirkungen derjenigen Nebenstrafen, die eine Minderung seiner Rechts- und Handlungsfähigkeit herbeigeführt haben (Art. 48--51), durch gutes Verhalten und tätige Reue (Ersatz des Schadens, soweit es ihm möglich war) erwerben. Dadurch soll der Verurteilte angespornt werden, sich moralisch wiederaufzurichten, der Geschädigte soll sein Recht erhalten und der Gesellschaft ein nützliches Mitglied wiedergewonnen werden.

Aber auch andere Schatten, die die Bestrafungen auf das spätere Leben des Verurteilten wirft, sollen unter gleichen Vor-

26 öussetzuugen zum Verschwinden gebracht werden durch die Löschung des Urteils im Strafregister, allerdings nach Ablauf weit längerer Zeitfristten, die alle Gewähr bieten, dass der Bestrafte dem Vergehen für immer entsagt habe.

6. Torstufen: Übergangsalter, Kinder und Jugendliche.

Das bürgerliche Recht verleiht die Handlungsfähigkeit den Schweizerbürgern, die das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt haben, nicht ohne auch schon vordem dem Urteilsfähigen gewisse Befugnisse zuzuerkennen, die ihn gewissermassen zum Eintritt in die volle Selbstveraatwortlichkeit vorbereiten. Der Strafgesetzgeber muss den Tatsachen, die sich aus der stufenweisen Entwicklung des Kindes zum körperlich und geistig erwachsenen Menschen ergeben, in weitergehender Weise Rechnung tragen.

Das ist dadurch geschehen, dass mehrere Vorstufen zur vollen strafrechtlichen Handlungs- und Verantwortlichkeit überleiten.

Grundsätzlich tritt das strafrechtliche Volljährigkeitsalter mit ·dem zurückgelegten achtzehnten Altersjahr ein. Aber es wird noch ein Ü b e r g a n g s a l t e r ausgeschieden, das sich vom achtzehnten bis zum zwanzigsten Altersjahre erstreckt (Art. 79). Ist doch der junge Mensch auch in diesem Alter noch in höherem Masse beeinflussbar zum Bösen wie zum Guten ; es können daher alle Strafandrohungen des besondern Teils erheblich gemildert werden. Dann ist der Mensch noch immer in voller Entwicklung begriffen, weshalb man ihn in spätem Jahren kaum noch verantwortlich machen kann für das, was er in diesem Alter begangen hat. Daher die Abkürzung aller Verjährungsfristen. Im übrigen steht der Täter, der sich im flbergangsalter befindet, unter allen Vorschriften des Strafgesetzbuches; es können daher auch gegen ihn, wo das Bedürfnis es erheischt, alle sichernden Massnahmen verhängt werden wie gegen einen Volljährigen.

Den Schwerpunkt der Reform aber bildet die Behandlung der K i n d e r und J u g e n d l i c h e n (vierter Abschnitt des allgemeinen Teils).

Für den Gesetzgeber fällt das früheste Lebensalter bis zum sechsten Altersjahre tatsächlich ausser Betracht. Es ist das Alter des allmählichen Erwachens zum Bewusstsein, das Kind ist noch nicht aus dem Elternhause, wofern es ein solches hat, herausgetreten. Indem der Gesetzgeber in Art. 81 die feste Grenze zieht, anerkennt er nicht nur die Wirklichkeit, sondern schneidet auch die Möglichkeit unverständigen behördlichen Übereifers ab.

a. Das K i n d e s a l t e r des Strafgesetzes (80--86). In der bestehenden Gesetzgebung wird eine Altersstufe absoluter Strafun-

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tnündigkeit ausgeschieden, die jede Strafverfolgung ausschliesst.

Das geschieht auch im vorliegenden Entwurfe. Wir haben die obere Altersgrenze auf das zurückgelegte vierzehnte Lebensjahr festgelegt, so dass diese Stufe ungefähr das volksschulpflichtige Alter umfasst ; denn mit diesem Zeitpunkte werden etwa 90 °/o ·der Kinder der Schule entlassen und das Fabrikgesetz gestattet ihren Eintritt in das Erwerbsleben ; die Gefahren der Geschlechtsreife (Pubertät) beginnen sich geltend zu machen.

Anderseits haben schon die bisherigen Gesetzgeber eingesehen, dass man nicht achtlos daran vorbeigehen könne, wenn ein Kind etwas verübt, das beim Erwachsenen als Vergehen geahndet würde. Es sollen vielmehr die Ursachen eines solchen Verhaltens aufgedeckt und dann das im Interesse des Gesellschaftsschutzes wie des Kindes selber Notwendige oder Erspriessliche angeordnet werden. Ist das Kind sittlich verwahrlost oder sittlich verdorben oder gefährdet, so ist das zu seiner Rettung dienliche anzuordnen, also meist Heraushebung des Kindes aus seiner bisherigen Umgebung und Überweisung an eine Erziehungsanstalt oder Übergabe an eine vertrauenswürdige Familie zu beaufsichtigter Erziehung.

Ausnahmsweise kann ein solches Kind der eigenen Familie zurückgegeben werden, seine weitere Erziehung aber wird beaufsichtigt. -- Dann das in seiner Konstitution anormale Kind, das geisteskranke, schwachsinnige, blinde, taubstumme oder epileptische Kind. Wie dort eine verabsäumte oder mangelhafte Erziehung nachzuholen ist, so hat hier eine Heilbehandlung einzutreten, soweit sie möglich ist, oder eine besondere Behandlung, welche die im Kinde noch vorhandenen guten Anlagen weckt und fortbildet, so dass es als Erwachsener seinen Platz in der Gesellschaft einst wird ausfüllen können. Art. 275 des Zivilgesetzbuches legt den Eltern, Art. 405 dem Vormunde die Pflicht auf, auch dem anormalen Kinde die passende Erziehung und Schulung angedeihen zu lassen, so dass es sich auch hier um ein Nachholen handelt, weil eben in manchen Fällen erst die bittere Erfahrung den Eltern den .Zustand ihres Kindes zum Bewusstsein gebracht hat. -- Endlich das Kind, das keiner der vorbenannten Kategorien angehört. Viele ·Gesetze wählen den Ausweg, das Kind der häuslichen Züchtigung :zu überlassen, eine unzweckmässige Anordnung, da je nach dem Temperament der
Erzieher gar nichts geschieht oder eine unvernünftige körperliche Züchtigung vorgenommen wird. Besser ist es, die Behörde einschreiten zu lassen, die dem Kinde einen Verweis erteilt, um ihm seine Verfehlung zum Bewusstsein zu bringen und Reue und gute Vorsätze in ihm zu wecken, oder, wo es erforderlich erscheint, Bestrafung mit Schularrest eintreten lässt. Die Bestrafung mit Schularrest hat zuerst das neuenburgische Gesetz vom 23. Sep-

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tomber 1893 ,,concernant la discipline scolaire et les arrêts de discipline" in vorbildlicher Weise geordnet.

Wo die Eltern eine Mitschuld tragen, soll die Behörde auch diese vermahnen oder verwarnen.

b. Das J u g e n d a l t e r (Art. 87--96), vom vierzehnten bis zum zurückgelegten achtzehnten Altersjahr, entspricht ungefähr der Altersstufe der relativen Zurechnungsfähigkeit in den bisherigen Gesetzen. Das deutsche Reichsstrafgesetz (§ 56) und, durch Gesetz vom 22. Juli 1912, auch der französische Code pénal (Art. 66) haben dieselbe obere Altersgrenze angesetzt, während allerding» der italienische Codice penale diese Vorstufe der strafrechtlichen Handlungsfähigkeit schon auf das neunte bis vierzehnte Altersjahr verlegt hat. Nach der bisherigen Gesetzgebung hat sich der Richter im einzelnen Falle die Frage zu stellen, ob der Angeklagte die zur Erkenntnis der Strafbarkeit der Tat erforderliche Einsicht besessen habe. Schon die Motive des ersten Vorentwurfs von 1893 lehnen diese Fragestellung ab, weil dem noch nicht zur Reife gelangten Jugendlichen in der Regel nicht sowohl die Einsicht, dass sein Verhalten rechtswidrig und strafbar sei, als vielmehr das Vermögen fehlt, dieser Einsicht zu folgen und dem Antriebe zum Schlechten Widerstand zu leisten oder sich zu beherrschen, mit einem Worte die Reife des Charakters. Daher solle der Richter die jugendliche Person auf ihre sittliche und geistige Reife prüfen. Aber auch die Bestrafung derjenigen, welche den normalen Reifegrad eines Vierzehnjährigen erreicht haben, sollte dem jugendlichen Alter des Schuldigen angepasst und anderer Art sein als die Strafe für Erwachsene. Unter diesen Umständen lag es nahe, die Frage der Zurechnungsfähigkeit oder Verantwortlichkeit im einzelnen Falle gänzlich zu beseitigen und, wie bei der Behandlung der Kinder, das Vergehen stets nur als Symptom einer vorhandenen Quelle von Gefahren für die Gesellschaft zu betrachten und die Quelle zum Versiegen zu bringen. Die nähere Betrachtung musste denn in der Tat ergeben, dass auch die Jugend noch eine Welt für sich ist, dass deren Ausschreitungen, die sich zum Vergehen steigern können, andere sind als die der Erwachsenen und andere Beweggründe haben, noch nicht die Not des Lebens oder tief wurzelnde Leidenschaft, sondern den Übermut der Jugend, Prahlsucht und Eitelkeit, Naschsucht,
den Reiz des Ungewohnten, sogar Heimweh, kurzum Beweggründe, die in keinem vernünftigen Verhältnis zur Tat stehen. Noch sind die Leute der Erziehung fähig und der Nachholung derselben bedürftig, und wenn die Strafmittel gegenüber Erwachsenen dem Kinde gegenüber ihre Wirkung versagen, sind sie für den Jugendlichen geradezu gefährlich; gefährlich ist ihm insbesondere die Berührung mit dem gereiften Verbrecher.

29 Daher wird auch hier der Richter augewiesen, festzustellen, auf welche Ursachen das gesetzwidrige Verhalten des Jugendlichen zurückzuführen ist und ihm mit den der Altersstufe des Täters angemessenen Massnahmen entgegenzutreten.

Völlige Übereinstimmung herrscht zwischen den Massnahmen gegenüber dem einer besondern Behandlung bedürftigen anormalen Jugendlichen und dem Kinde derselben Art; insbesondere werden ·es so ziemlich dieselben Anstalten sein, welche beide aufnehmen. -- Die Verwahrlosung ruft der Erziehung in einer Rettungsanstalt «der einer Familienerziehung unter Aufsicht; die beaufsichtigte Erziehung in der eigenen Familie ist bei dem herangewachsenen Jugendlichen kaum mehr angängig. Umgekehrt gibt es Täter, deren Verdorbenheit, insbesondere in geschlechtlicher Beziehung, bei Einweisung in eine Rettungsanstalt eine grosse Gefahr für die andern Zöglinge herbeiführen würde. Diese Verdorbenen sind daher in Korrektionsanstalten abzusondern und einer strengern Zucht und Ordnung zu unterwerfen. Der Richter kann im Verlaufe die eine Massnahme mit der andern vertauschen, ihre Verhängung ist daher gewissermassen stets eine provisorische. -- Für die andern Jugendlichen soll der Verweis zur Anwendung kommen; in ernstem Fällen eine abgesonderte Einschliessung in Gebäuden, die weder als Strafanstalt noch als Arbeitsanstalt für Erwachsene dienen, von drei Tagen bis auf ein Jahr, mit angemessener Beschäftigung.

Das Erprobungssystem, das ursprünglich gerade für die fehlbare Jugend geschaffen wurde, wird denn auch hier zur Anwendung gebracht, und zwar in den beiden Formen, der bedingten Entlassung und der bedingten Verurteilung: Bedingte Entlassung aus einer Rettungsanstalt nach mindestens einjährigem, aus einer Korrektionsanstalt nach mindestens dreijährigem Aufenthalt und Aufschub des Vollzugs der Einschliessung auf sechs Monate bis su einem Jahre. In allen Fällen tritt Schutzaufsicht über den Jugendlichen ein; dem Freigelassenen können bestimmte Weisungen ·erteilt werden, einen Beruf zu erlernen, an einem bestimmten Orte sich aufzuhalten, sich geistiger Getränke zu enthalten. Bewährt sieh der auf Probe Gestellte während der Probezeit, so wird seine Entlassung eine endgültige, bzw. es fällt die Einschliessung dahin ; ·andernfalls wird der bedingt Entlassene in die Anstalt zurückversetzt oder die
Einschliessung wird gegen den auf Probe Gestellten vollzogen.

Ist mit dieser Art der Behandlung des Jugendlichen das Interesse des Gesellschaftsschutzes auch stets genügend gewährt?

Dass eine erfolgreich durchgeführte Erziehung und Ausbildung die Gefährlichkeit des Täters am gründlichsten beseitigt, ist leicht einzusehen. Aber auch da, wo das Übel tief eingewurzelt und

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unausrottbar zu sein scheint, bietet die Einweisung in eine Korrektionsanstalt, die bis auf 12 Jahre ausgedehnt werden kann, eine äussere Sicherheit, die bei Anwendung der gewöhnlichen Strafarten und der üblichen Strafdauer nicht erzielt würde. Bei den Jugendlichen wird die Strafdauer ja stets sehr kurz bemessen ; ist doch für den jetzigen Richter die Jugend des Täters ein Milderungsgrund, so dass diese zulässige Dauer der Verwahrung in einer Anstalt meist d,ie mögliche Strafdauer übersteigen wird. Wenn also die Einweisung in eine Korrektionsanstalt bei schweren Straftaten stets vorgeschrieben wird, so sollte allen Bedenken und Befürchtungen Genüge geleistet sein.

Endlich sei noch darauf hingewiesen, dass auch die Eltern des jugendlichen Täters vermahnt und verwarnt werden können.

Weitere Ausführungen über die Behörden und Richter im Verfahren gegen Jugendliche, über das Verfahren selber und den Vollzug der Massnahmen finden sich im dritten Buche des Gesetzes.

Besonderer Teil.

D e r b e s o n d e r e Teil d e s e r s t e n B u c h e s enthält d i e Tatbestände der einzelnen Vergehen und die daran geknüpften Strafandrohungen. Die Vergehen sind nach dem Schutzobjekt des Tatbestandes in achtzehn Abschnitte gruppiert, und zwar beginnt die Reihenfolge der Abschnitte mit den einfachem und häufigsten Tatbeständen, den Vergehen gegen Leib und Leben und gegen das Vermögen des einzelnen (Abschnitt I, II), dann kommen die Vergehen gegen andere Rechtsgüter einzelner, die Vergehen, welche die öffentliche Sicherheit nach den verschiedenen Richtungen bedrohen und endlich die Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung.

I. Abschnitt.

Vergehen gegen Leib nnd Leben.

(Art. 98--119.)

\. T ö t u n g (Art. 98--100). Gegenüber der in der Mehrzahl der geltenden Gesetze üblichen Zweiteilung der Tötungsvergehen in Mord und Totschlag, stellt der Entwurf einen Grundtatbestand, die vorsätzliche Tötung, auf. Daneben erscheint Mord als ausgezeichneter, Totschlag als milder zu behandelnder Tatbestand.

Mord soll auch im neuen Rechte die Tat eines Menschen bezeichnen, den wir um seiner Gefährlichkeit und um seiner der Menschenwürde baren Gesinnung willen dauernd aus der Ge-

31 Seilschaft ausscheiden wollen. Daher die Androhung lebenslänglichen Zuchthauses. Das deutsche Strafgesetzbuch verwendet als scheidendes Merkmal den Umstand, dass der Täter die Tötung mit Überlegung ausgeführt habe. Ein Teil der schweizerischen Gesetze ist diesem Vorbilde gefolgt, ein Teil spricht statt von Überlegung von Vorbedacht und verlegt den entscheidenden Moment bald in die Entschlussfassung, bald in die Ausführung, bald in beides. Abgesehen von diesen Meinungsverschiedenheiten hat sich das Merkmal der Überlegung oder des Vorbedachtes als schwierig zu handhaben erwiesen; es ist ein rein innerliches Moment, das sich nur selten in äussern Anzeichen verrät. Aber selbst da, wo sein Vorhandensein oder seine Abwesenheit mit Sicherheit festgestellt werden kann, zeigt es sich als wenig geeignet, den wirklich verworfenen und gefährlichen Täter zu kennzeichnen. Der Entwurf schlägt einen andern Weg ein, wozu er ein Vorbild zum Teil im Strafgesetzbuch des Kantons Tessin, und Nachahmung im österreichischen Vorentwurf gefunden. Es wird abgestellt auf den Beweggrund (Mordlust, Habgier, Ermöglichung oder Verdeckung eines andern Verbrechens) und auf die Art der Begehung (mit besonderer Grausamkeit, heimtückisch, durch Feuer, Sprengstoffe und andere gemeingefährliche Mittel). So wird es dem Volksrichter möglich gemacht, den blutdürstigen Täter, den Raubmörder und den Lustmörder stets als Mörder zu behandeln, nicht aber die arme Witwe, die nach langen Seelenkämpfen aus Verzweiflung mit ihrem Einde ins Wasser gegangen ist und noch lebend herausgezogen wird, während das Kind umkam. Gewiss hat auch bisher der Richter nicht anders geurteilt, aber er muaste'es ia vielen Fällen entgegen dem Wortlaut des Gesetzes tun, was eben zeigt, dass das Gesetz kein gutes war und im Widerspruch mit dem richtigen Volksempfinden sich befand. Ebenso unrichtig war es, wenn kantonale Gesetzbücher neben dem Begriff des Mordes nur noch den des Totschlags aufstellten und ihn dahin umschrieben, dass die Tat im Zustande einer bedeutenden Gemütsaufregung geschehen sei. Einmal gibt es sehr viele Fälle, die sich nicht ohne weiteres dem Morde oder dem so umschriebenen Totschlag zuzählen lassen, und es entspricht wiederum dem Volksempfindeo, wenn wir die viel mildere Strafandrohung nur bei demjenigen Täter eintreten lassen, der sich in
einer menschlich begreiflichen und daher entschuldbaren Gemütsaufregung befunden, somit nicht bloss von tierischen Trieben sich überwältigen liess. Daher die eingangs bezeichnete Dreiteilung.

Als besonders milde zu behandelnde Tötung nennt sodann die Vorlage die Tötung auf dringendes und ernstliches Verlangen (Art. 101). Beweggrund ist hier meistens das Mitleid mit dem hülflos Leidenden, der sich nach Beendigung seiner Qualen sehnt.

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Andere Fälle, wie diejenigen, da unglücklich Liebende sich gegenseitig den Tod geben wollten, der eine Teil aber noch gerettet wird, sind im Grunde genommen Fälle gegenseitiger Beihülfe zum Selbstmord; auch dann, wenn nur der eine tötet und ihm dann die Selbsttötung misslingt.

Die Selbsttötung ist im modernen Strafrecht kein Vergehen und es liegt keine Veranlassung vor, etwa aus bevölkerungspolitischen Gesichtspunkten auf das frühere Recht zurückzukommen.

Aber auch die Überredung zum Selbstmord und die Beihülfe bei einem solchen kann eine Freundestat sein, weshalb hier nur die eigennützige Verleitung und Beihülfe mit Strafe bedroht wird, so z. B. die Überredung einer Person zum Selbstmord, die der Täter zu unterstützen hat oder die er zu beerben hofft (Art. 102).

Die Strafe der Kindestötung, begangen durch die Mutter während der Geburt oder solange sie unter dem Einflüsse des Geburtsvorganges steht, ist gegenüber dem geltenden Recht erheblich gemildert. Die Strafmilderung soll auch der ehelichen Mutter zukommen, da auch bei ihr, namentlich wenn sie schon für eine grosse Familie zu sorgen hat, die Angst für ihre und der Kinder Zukunft übermächtig werden kann (Art. 103).

2. A b t r e i b u n g (Art. 105--107). Die einschlägigen Fragen sind eingehend beraten worden. Das Ergebnis war die Milderung der Strafandrohung gegenüber der Schwangeren selber und die Umschreibung der Fälle, in denen die Unterbrechung der Schwangerschaft durch einen anerkannten Arzt erlaubt sein soll. Damit ist die Ausdehnung der Straflösigkeit auf weitere Fälle abgelehnt.

3. Aus den Tatbeständen der Körperverletzung (Art. 108 bis 111) ist die hergebrachte Erfolgshaftung ausgemerzt worden, d. h.

es tritt für den Täter die Strafe derjenigen Körperverletzung ein, die er verursachen wollte oder wenigstens voraussehen konnte; die rein zufällig sich ergebenden Folgen treten nicht in Rechnung.

Statt der üblichen Dreiteilung der Körperverletzung kennt der Entwurf nur zwei Abstufungen, schwere und einfache Körperverletzung.

4. Unter den G e f ä h r d u n g s v e r g e h e n (Art. 112--119) finden wir die Aussetzung, die indessen nicht nur die Aussetzungshandlung, sondern auch das Imstichlassen umfasst. Angrenzend an diesen Tatbestand behandelt Art. 296 die Unterlassung der Nothülfe. -- Die Gefährdung des Lebens wird als solche
natürlich nur da bestraft, wo nicht ein besonderes Gefährdungsvergehen vorliegt, insbesondere sind auch die Fälle der vorsätzlichen Erregung einer gemeinen Gefahr (VII.--IX. Abschnitt) nach den betreffenden Sondervorschriften zu behandeln.

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Besonders hervorzuheben sind die beiden Jugendschutzartikel 118 und 119. Der erste der beiden Artikel soll Leben und Gesundheit des Kindes (die Altersgrenze ist in allen Kinderschutzbestimmungen auf das 16. Altersjahr heraufgesetzt) schützen gegen Angriffe, die ihm von Seiten der Fürsorgepflichtigen drohen, meist unvernünftige Überschreitungen des Züchtigungsrechtes oder grobe Pflichtvergessenheit. Die Strafabstufung richtet sich nach der Schwere der Folgen, die der Täter voraussehen konnte; hatte er die schwereren Folgen gewollt, so greifen die weitergehenden Strafandrohungen der vorsätzlichen Tötungs- und Körperverletzungsvergehen Platz. Der Richter fordert die Vormundschaftsbehörden auf, gemäss Art. 283 Z. G. B. vorzugehen. Der Rahmen des Abschnittes Vergehen gegen Leib und Leben wird etwas überschritten, indem auch die geistige Entwicklung des Kindes gegen seelische Misshandlung oder Vernachlässigung geschützt werden soll. -- Der andere Artikel wendet sich gegen die Ausbeutung der körperlichen und auch der geistigen Kräfte des Kindes durch die Eltern, z. B. in der Hausindustrie, dann aber auch gegen diese Ausbeutung unmündiger Personen und der Frauen überhaupt durch ihre Fürsorger, Lehrmeister oder Arbeitgeber. Der Aufbau der Strafvorschrift ist derselbe wie der der vorhergehenden. Diese Bestimmungen sollen keineswegs die Verbote der Fabrik- und Gewerbegesetzgebung über Kinder- und Frauenarbeit beseitigen, sondern vielmehr sie ergänzen. Dort wird die Übertretung der Vorschrift bestraft, ohne Rücksicht darauf, ob sie von schädlichen Folgen begleitet war, hier wird die schuldhafte Herbeiführung von Schädigungen oder schwerer Gefahr mit Strafe bedroht ohne Rücksicht darauf, dass der Täter eine besondere Bestimmung der Fabrikund Gewerbegesetzgebung übertreten habe.

Die Kinder- und Jugendschutzbestimmungeu erfüllen Anforderungen einer alle Länder erfassenden humanen Bewegung, die von einem starken Gefühl der Verantwortlichkeit der Gegenwart gegenüber den kommenden Geschlechtern getragen ist. Der Entwurf bringt auch noch an andern Orten dahinzielende Bestimmungen, so gegen die Entführung eines Kindes (Art. 160), im Abschnitte der Vergehen gegen die Sittlichkeit und in dem der Vergehen gegen die Familie, dann gegen Gefährdung von Kindern durch Alkohol (Art. 297) und gegen das Ausschicken der Kinder zum Bettel (Art. 332).

II. Abschnitt.

Vergehen gegen das Vermögen.

(Art. 120--149.)

1. Die Abgrenzung der einzelnen V e r g e h e n an S a c h e n schliesst sich der hergebrachten ' an. Immerhin soll, dem VolksBundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

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empfinden entsprechend, nur die Wegnahme einer Sache in Bereicherungsabsicht als Diebstahl bezeichnet werden (Art. 120), was Veranlassung gab, den Entzug beweglicher Sachen ohne Bereicherungsabsicht in einen neuen Tatbestand zu fassen (Art. 124). Veruntreuung ist die Aneignung fremder Sachen oder fremden Gutes, die dem Täter anvertraut waren (Art. 122), Unterschlagung die Aneignung fremder Sachen, die nicht dem Täter anvertraut waren (Art. 123).

Unterschlagung u m fa ss t sowohl die Aneignung gefundener Sachen als diejenige von Sachen, die anderweitig durch Zufall in den Besitz des Täters gekommen sind (vgl. Z. G. B. Art. 725). -- In Art. 127 wird der Entzug von Energie, insbesondere elektrischer Energie, also auch die Ablenkung aus Bosheit, .mit Strafe bedroht; die Aneignuug in gewinnsüchtiger Absicht mit schwererer Strafe. Da sodann die Beschädigung elektrischer Anlagen mit Erregung einer Gemeingefahr in Art. 194, die Störung des Telegraphen- und Telephonbetriebes, sowie der elektrischen Kraftanlagen in Art. 205 strafbar erklärt wird, konnten die betreffenden Strafbestimmungen (Art. 55--59) des Bundesgesetzes betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlageu vom 24. Juni 1902 aufgehoben werden (Art. 422, g).

Die Täuschung über das Mass des erlaubten Verbrauches, etwa durch Ausschaltung der Messvorrichtungen oder Veränderung ait denselben, fällt unzweifelhaft auch fürderhin unter den Betrugsbegriff. -- Endlich werden die Pfandsachen und die Retentionsgegenstände, die in Schuldners Hand geblieben sind, gegen Angriffe seitens des Schuldners, Zerstörung und Aneignung, geschützt (Art. 128).

Gleicherweise werden Zugriffe des Schuldners mit Strafe bedroht, wenn die Pfand- oder Retentionssache im Besitze des Gläubigers sich befindet. Nach beiden Richtungen sind besondere Bestimmungen notwendig, da Unterschlagung oder Diebstahl an der eigenen Sache nicht möglich ist. Hier ist der Schutz des vertraglichen Pfandrechts beziehungsweise des Retentionsrechts nach Art. 895 des Z. G. B.

gemeint; den Schutz des Pfändungspfandrechts, der Gläubigerrechte aus Arrest, Retentionsverzeichnis und Güterverzeichnis bezweckt Art. 146.

Von den meisten dieser Tatbestände sind die geringfügigeren.

Fälle im zweiten Buche (Art. 298--301) als Übertretungen behandelt.

2. Unter der Aufschrift: V e r g e h e n g e
g e n V e r m ö g e n s r e c h t e ü b e r h a u p t , wird zuerst der Betrug als Täuschungsvergehen mit Bereicherungsabsicht behandelt ; die Täuschung einzig in Schädigungsabsicht ist nur Übertretung nach Art. 302. Anderseits sind auch noch weitere Fälle von Täuschung mit Bereicherungsabsicht bei den Übertretungen eingereiht. Hier unter den Vergehen sind besonders hervorgehoben die unwahren Angaben über Aktienge-

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Seilschaften und Genossenschaften, wobei schon die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Wahrheitspflicht die Vollendung des Vergehens herbeiführt und weder eine Bereicherungsabsicht des Täters noch ein Schaden für Gläubiger nachgewiesen zu werden braucht (Art. 130). Die Aufnahme einer solchen Strafbestimmung, ferner des Art. 149, der die Verantwortlichkeiten im Konkurse von Aktiengesellschaften und Genossenschaften, des Art. 311, der die Buchführungspflicht regelt, ferner des Art. 312, Verletzung von Rechtsvorschriften durch die Organträger in Aktiengesellschaften und Genossenschaften, war notwendig, da weder das bestehende Obligationenrecht Strafbestimmungen hat, noch die Aufnahme solcher in das der Umarbeitung unterworfene Gesellschaftsrecht beabsichtigt wird. -- Die Warenfälschung (Art. 13l), das Inverkehrbringen gefälschter Waren (Art. 132) und das Einführen und Lagern gefälschter Waren (Art. 306) sind an sich blosse Vorbereitungshandlungen zum Betrug. j3ie werden um ihrer Gefährlichkeit willen, in Übereinstimmung mit der modernen Gesetzgebung auch der Nachbarstaaten, als selbständige Vergehen behandelt. Die gesundheitsschädliche Warenfälschung wird im VTII.

Abschnitt als Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit bedroht.

Während beim Betrüge das unerlaubte Mittel der Willensbestimmung des Geschädigten die Täuschung ist, ist es bei der Erpressung (Art. 133) die Gewalt oder die Drohung, bei den Wuchertatbeständen die Ausbeutung einer äussern oder innern Schwäche. Der Wucherbegriff des Entwurfes (Art. 134) umfasst nicht nur den Zinswucher oder den Kreditwucher, sondern auch den Sachwucher (Barwucher), also den Geschäftswucher Überhaupt.

Er ist Einzelwucher (Individualwucher); denn zur Strafbarkeit der Überforderung ist der Nachweis erforderlich, dass das einzelne Opfer der Ausbeutung sich in Not oder Abhängigkeit befunden habe, unerfahren, charakterschwach, leichtsinnig gewesen sei. Gegen den Allgemeinwucher oder Sozialwucher, der die allgemeine Notlage ausbeutet, hat der Bundesrat, zuerst am 6. August 1914, Strafbestimmungen erlassen. Ob und in welcher Form solche Bestimmungen dauernd dem Strafrecht einzuverleiben seien, ist in Beratung gezogen worden, ohne dass die Frage eine abschliessende Lösung gefunden hätte. -- Wucherisch ist auch die Ausbeutung durch die Börsenspekulation. Der
Art. 135 kann angesehen werden als ein Teil der Börsenreformbestrebungen, die in kantonalen Gesetzen über den Verkehr mit Wertpapieren ihren Ausdruck finden und wohl dereinst in einem Bundesgesetz über den Börsenverkehr zu einem gewissen "Abschluss gebracht werden. Der vorliegende Tatbestand ist von diesen Bestrebungen insofern unabhängig, als «r nicht nur an der Börse abgeschlossene Geschäfte beschlägt, und

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insbesondere neben der Spekulation in Wertpapieren auch diejenige in Waren umfasst. -- In loserem Zusammenhang mit dem Vorhergehenden steht' das Vergehen der ungetreuen Geschäftsführung, (Art. 136). Die Veruntreuung (Art. 122) bildet einen Sondertatbestand hievon; er ist aber nicht ausreichend, um die oft weit bedeutenderen Schädigungen durch eine ungetreue Führung der Geschäfte seitens eines Fürsorgers zu treffen. Dabei soll indessen nicht das einfache Versehen oder eine gewisse Sorglosigkeit bestraft werden; die Vermögensschädigung ist eine vorsätzliche, ob damit die Absicht eigener Bereicherung beim Täter vorhanden sei oder nicht.

3. Die i m m a t e r i e l l e n G ü t e r r e c h t e , die in den Art. 137 bis 139 geschützt werden sollen, sind der Kredit, die Kundschaft und das Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis. Die Kreditschädigung (Art. 137) wird gelegentlich, unrichtigerweise, bei den Vergehen gegen die Ehre eingereiht; die beiden andern Tatbestände, unlauterer Wettbewerb und Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses sind in Sondergesetzen von einzelnen Kantonen sehr eingehend behandelt worden. Kreditschädigung und unlauterer Wettbewerb können nur durch Verletzung der Wahrheit begangen werden ; die Wahrheit, auch wenn sie den, alsdann eben ungerechtfertigten Kredit schädigt oder das Vertrauen des Kunden erschüttert, ist straflos.

Während Art. 139 das Fabrikations- und Geschäftsgeheimnis schützt, wird das Briefgeheimnis durch Art. 313, das Berufsgeheimnis durch Art. 285, das Amtsgeheimnis durch die Avt. 231, 284, 285, 286, 287, das militärische Geheimnis durch Art. 234 geschützt. -- Andere immaterielle Guten-echte sind die Urheberrechte an Werken der Literatur und Kunst, die Erfinderrechte und andere Rechte des gewerblichen Eigentums; sie sind bereits Gegenstand der Bundesgesetzgebung, die sowohl den zivilrechtlichen als den strafrechtlichen Schutz ordnet. Diese Gesetze bleiben für sich bestehen, die Einbeziehung ihrer Strafbestimmungen in das Strafgesetz ist aus verschiedenen Gründen untunlich.

4. K o n k u r s - und B e t r e i b u n g s v e r g e h e n . Die Einführungsgesetze der Kantone zu dem mit 1. Januar 1892 in Kraft getretenen Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs haben bereits eine weitgehende Übereinstimmung in den Strafbestimmungen gebracht. Die
Hauptaufgabe der Gesetzgebung war damals, unredliche Handlungen im Betreibungsverfahren und leichtfertiges Schuldenmachen von Schuldnern, die nur der Pfändungsbetreibung unterliegen, in ähnlicher Weise zu bekämpfen, wie es ,bis dahin schon gegenüber dem entsprechenden Verhalten des nachgerade in Konkurs gekommenen Schuldners geschehen war; hatte doch das neue Hecht durch die Möglichkeit des Pfändungsanschlusses auch der

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Pfändungsbetreibung gegebenenfalls die Eigenschaft einer Gesamtliquidation zahlungsunfähiger Vermögen verliehen. Die andere Aufgabe war, eine gleiche Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter von Personenverbänden, die zahlungsunfähig geworden, zu begründen, wie für die Vorsteher von Einzelwirtschaften.

Auf dieser Grundlage baut sich der vorliegende Entwurf auf.

Getrennt bleiben die Tatbestände des betrügerischen Konkurses Art. 140, und des Pfändungsbetruges Art. 141, wogegen in Art. 142 leichtsinniger Konkurs und leichtsinnige Verursachung des Vermögensverfalls, letzteres im Falle der Auspfändung, vereinigt sind und ebenso die Bevorzugung eines Gläubigers (Gläubigerbegünstigung), begangen durch den im Verlaufe in Konkurs geratenen oder durch den ausgepfändeten Schuldner (Art. 144). Herausgehoben aus den Konkursvergehen wurde das Vergehen der Unterlassung der Buchführung, während es bisher teils einen Tatbestand des betrüglichen (Beseitigung und Fälschung der Bücher), teils des leichtsinnigen Bankerottes (Vernachlässigung der Buchführung) bildete. Da nach dem Obligationenrecht Eintragungspflicht und Buchführungspflicht zusammenfallen, so kann das Vergehen nur von einem der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner begangen werden; allerdings auch dann, wenn anlässlich einer Steuerbetreibung u. dgl., die nur auf Pfändung geht, die Unterlassung festgestellt wurde. Sodann ist der Schutz des Pfändungspfandrechtes mit dem Schutze der Gläubigerrechte aus einem Güter- oder Retentionsverzeichnis verbunden worden (Art. 146 vgl.

Art, 128 oben).

Vor unredlichen Handlungen' des Schuldners im Verfahren zur Erwirkung einer Nachlassatundung oder zum Abschlüsse eines gerichtlichen Nachlassvertrages sollen die Vorschriften der Art. 145 und 147 schützen. Die Strafbestimmungen gegen Stimmenkauf richten sich übrigens auch gegen den Kauf von Stimmen in der Gläubigerversammlung oder im Gläubigerausschuss.

Eine grössere Reihe von Kantonen knüpft für den Gemeinschuldner an die Tatsache der Auspfändung oder des Konkurses überhaupt oder wenigstens an die nicht unverschuldete Zahlungsunfähigkeit die Folge der Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit. Der Wegfall solcher Folgen ist im Interesse einer strengen Handhabung des Betreibungs- und Konkursstrafrechtes wünschenswert. Gibt man dem Strafrichter die Möglichkeit,
die Einstellung als Nebenstrafe zu verwenden, so dürfte dies die Abschaffung des alten Rechtes wesentlich erleichtern (vgl. Botschaft des Bundesrates vom \. Dez. 1916, Bundesblatt IV 293).

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III. Abschnitt.

Yergehen gegen die Ehre.

(Art. 150--154.)

Der Entwurf ist, nach einigem Schwanken, wiederum zur Dreiteilung zurückgeht, Verleumdung, üble Nachrede und Beschimpfung. Inhaltlich stimmen die beiden ersten Tatbestände miteinander insofern überein, als der Täter die Anschuldigung oder den Verdacht eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen erhebt, die geeignet sind, den Ruf des Angeschuldigten oder Verdächtigten zu schädigen. Verleumdung und üble Nachrede wenden sich an eine dritte, vom Angeschwärzten verschiedene Person. Die Tatbestände grenzen sich voneinander ab dadurch, dass die Verleumdung wissentlich unwahres Vorbringen ist, die üble Nachrede entweder leichtsinniges Verbreiten einer Unwahrheit oder dann das Vorbringen wahrer Tatsachen ohne begründete Veranlassung, aus barer Bosheit. Die Beschimpfung umfasst alle andern Angriffe auf jemandes Ehre, insbesondere also den Vorhalt dem Angegriffenen selber gegenüber, sowie die Bezeugung von Verachtung durch Schimpfworte bei Dritten.

Gegen Verleumdung und üble Nachrede ist das Andenken des Verstorbenen, oder vielmehr die Familienehre, bis auf dreissig Jahre nach dem Tode geschützt.

Die Ehre, als höchstpersönliches Rechtsgut, kann nur einer natürlichen Person zukommen, nicht aber einer Behörde oder einem Personenverband. Selbstverständlich können einzelne, die unter einem Sammelnamen unzweifelhaft bezeichnet worden sind, jeder für sich, Strafantrag stellen.

IV. Abschnitt.

Vergehen gegen die Freiheit.

(Art. 155--161.)

Gegenstand des Strafschutzes ist die individuelle Freiheit des einzelnen, zu tun und zu lassen, was er will, dahin und dorthin zu gehen, wohin er will. Diese Freiheit soll geschützt werden gegen Angriffe von Privaten. Der Schutz ist nicht beschränkt auf die verfassungsmässig garantierten Freiheitsrechte. Die verfassungsmassige Garantie schützt nur gegen die Missachtung durch die Beamten, die unter Umständen als Vergehen gegen die Amtspflicht strafbar ist. Da die verfassungsmässig garantierten Freiheitsrechte aber einen Teil der individuellen Freiheit überhaupt ausmachen,

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so sind sie insoweit auch gegen Angriffe Privater durch die vorliegenden Strafbestimmungen geschützt, als der Angriff in einer der hier unter Strafe gestellten Arten geschieht, z. B. durch Anwendung von Gewalt und schwere Drohung. Den Schutz gegen Beeinträchtigung der freien Ausübung der verfassungsmässigen Freiheitsrechte auf anderm Wege z. B. durch vertragliche Bindung, übernimmt das Zivilrecht, das in den Art. 19 und 20 des Obligationenrechtes Vereinbarungen, die gegen die öffentliche Ordnung und gegen das Recht der Persönlichkeit verstossen, nichtig erklärt.

Die Frage eines weitergehenden Schutzes gegen solche Beeinträchtigung, insbesondere auch durch Missbrauch tatsächlicher Machtverhältnisse, ist anlässlich der Beratung des neuen Fabrikgesetzes aufgeworfen, aber nicht gelöst worden. Damals haben beide Räte ein Postulat beschlossen, wodurch der Bundesrat eingeladen wurde, Bericht und Antrag einzubringen, wie im Entwurfe eines schweizer.

Strafgesetzbuches der Schutz des Vereinsrechtes und anderer Freiheitsrechte zu ordnen sei. Der Expertenkommission hatte die Frage schon früher vorgelegen, aber auch die wiederholte Beratung führte zu keinem befriedigenden Schlüsse, da eben in Kämpfen zwischen Unternehmern und Arbeitern, kurz gesagt, keine der Parteien, darauf verzichten möchte, ihre augenblickliche Machtstellung auszunutzen. Daher fehlt es auch in diesem Entwurfe an einer besondern Bestimmung zum Schut/.e der persönlichen Freiheitsrechte, die durch die Verfassung garantiert sind. Über den Schutz der politischen Freiheitsrechte vergleiche man den XIV. Abschnitt.

Von den hier behandelten Tatbeständen richten sich die beiden ersten gegen die Freiheit der Entschliessung; bei der Nötigung wird die Willensrichtung durch Gewalt oder schwere Drohung bestimmt, ähnlich wie bei der Erpressung (Art. 133). Die schwere Drohung von Art. 155 zielt allerdings nicht auf einen Willensenischluss ab, sondern auf eine Störung des innern Gleichgewichtes, der Seelenruhe, ähnlich wie das Schrecken der Bevölkerung (Art.

224) ein Vergehen gegen den öffentlichen Frieden ist, aber die mittelbare Folge ist eben doch die Authebung des Bewusstseins der Freiheit^durch Angstgefühle und Zwangsvorstellungen.

Bei den andern Vergehenstatbeständen geht der Täter gleich dem Räuber (Art. 121) über einen ihm entgegenstehenden
Willen mit Gewalt hinweg. So insbesondere bei der Freiheitsberaubung, dem widerrechtlichen Gefangenhaltea (Art. 157) und teilweise auch bei der Entführung (Art. 158). Daran schliessen sich zwei weitere Entführungstatbestände, bei denen der Wille der Entführten nicht von rechtlicher Bedeutung ist; das Vergehen richtet sich mehr gegen den Willen der Fürsorgepflichtigen. Dadurch tritt insbe-

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sondere die Entführung eines Kindes (Art. 160) unter Umständen in Konkurrenz mit Art. 186, Entziehen und Vorenthalten von Unmündigen. Anderseits liegt in den Entführungsvergehen meistens, in den Fällen von Art. 159 überall, die Vorbereitungshandlung zu einem,Vergehen gegen die Sittlichkeit. -- Unmittelbare Gewalt übt auch der Hausfriedensbrecher aus ; er stört den äussern Frieden eines andern und beeinträchtigt dessen Freiheit in ähnlicher Weise wie der Drohende. Geschützt wird jemand in seinem Hause wie in seiner Mietwohnung oder im gemieteten Zimmer; im Hause wie in dessen nächster Umgebung, auch im Werkplatz (Art. 161).

V. Abschnitt.

Vergehen gegen die Sittlichkeit.

(Art. 162--179.)

Die Reformen, welche in diesem Abschnitt zutage treten, stehen in Beziehung zu einer geistigen Bewegung, die sich in allen europäischen Staaten Bahn gehrochen. Von England ging der Verband der Abolitionisten aus, gegründet durch Frau Butler, deren Wirken in die Jahre 1864--1906 fällt. Auf dem Festlande entstanden nicht nur Zweigvereine dieses Verbandes, sondern eine lange Reihe anderer Männer- und Frauenvereine zur Hebung der Sittlichkeit, Freunde des jungen Mannes, Freundinnen junger Mädchen usw.; wobei zu bemerken ist, dass insbesondere die Frauenvereine nicht nur Anregungen für den Gesetzgeber zu verbreiten suchen, sondern vorzüglich in werktätiger Weise sich der Gefallenen oder, wie wohl ebenso richtig gesagt wird, der Opfer männlicher Rücksichtslosigkeit, annehmen. Zunächst waren es also Regungen des Mitleids mit menschlichem Elend, die sich verknüpften mit religiös ethischen Anschauungen, dann insbesondere mit den Bestrebungen um die rechtliche Gleichstellung der Frauen mit den Männern und endlich mit dem mächtigen Strom der Kinder-.

Jugend- und Mutterschutzbewegung. Auf dem Gebiete des Zivilrechtes erzielte diese Bewegung entschiedene Erfolge, so insbesondere die Einführung der Vaterschaftsklage auch im französischen Rechtsgebiet. Am weitgehendsten sind die strafrechtlichen Folgerungen gezogen worden im Strafgesetzbuch des Kts. Zürich vom 6. Dezember 1899, das übrigens seine unmittelbare Veranlassung durch die ersten schweizerischen Vorentwürfe erhalten hat. In der Tat zog sich durch alle Beratungen das redliche Bestreben, ein Recht zu schaffen, das durch Einachärfung der Verantwortlichkeit des Mannes in Fällen, in denen bisher die Frau oder das Mädchen sie allein zu tragen hatte, eine ausgleichende Gerechtig-

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keit herbeiführt, das mittelbar und unmittelbar die rasseuhygienischen Interessen im Geschlechtsverkehr wahrt und das insbesondere der Jugend vor den Gefahren des vorzeitigen Geschlechtsverkehrs kräftigen Schutz verleiht.

Die Straftatbestände sind in drei Gruppen eingeteilt: 1. A n g r i f f e auf die g e s c h l e c h t l i c h e Freiheit und E h r e im ausserehlichan Verhältnis. Geschützt wird die Frau gegen den Zwang mittels Gewalt oder schwerer Drohung: Notzucht (Art. 162) und Nötigung zu einer unzüchtigen Handlung (Art. 163), also gegen die Beugung eines vernünftigen Willens.

Sodann wird die blödsinnige und geisteskranke Frau, der die bewusstlose und wehrlose Frau gleichgestellt wird (Schändung Art. 164), sowie die schwachsinnige oder in ihrer geistigen Gesundheit wesentlich beeinträchtigte Frau (Unzucht mit Schwachsinnigen, Art. 165) geschützt. Der Hinblick auf die Folgen des Umgang» mit solchen Personen rechtfertigt es vollauf, vom Manne zu verlangen, dass er sich Rechenschaft gebe, mit wem er verkehrtEndlich erhält das Kind bis zum zurückgelegten sechzehnten Altersjahr einen unbedingten Schutz gegen geschlechtlichen Missbrauch und andere unzüchtige Angriffe. In den Eingaben, hauptsächlich der Frauen vereine, wird die Erstreckung dieses Schutzalters a«f das achtzehnte Altersjahr, das Alter der Heiratsfähigkeit, verlangt, insbesondere mit dem Hinweis auf die verderblichen Folgen der vorzeitigen Mutterschaft, die ja auch den Zivilgesetzgeber zur Erhöhung des Alters der Heiratsfähigkeit geführt haben. Allein wir glaubten am zurückgelegten sechzehnten Altersjahr als Grenzlinie festhalten zu sollen ; für den jungen Mann ist ein weitergehender Schutz jedenfalls nicht notwendig und der Frau gewährt das Gesetz noch weit über dieses Alter hinaus einen relativen, d. h. an gewisse Voraussetzungen geknüpften Schutz.

Diese Fälle weitergehenden Strafschutzes sind: Die unmündige Frau wird geschützt gegen geschlechtliche Angriffe des Fürsorgepflichtigen, wozu auch der Lehrherr und der Dienstherr gerechnet werden (Unzucht mit unmündigen Pflegebefohlenen von mehr als sechzehn Jahren, Art. 167), ohne Rücksicht darauf, ob sie zugestimmt habe oder nicht, ob sie verführt worden sei oder verführt habe; der Gewalthaber soll sich seiner Verantwortlichkeit bewusst sein; die unmündige Frau ist sodann geschützt
gegen Verführung durch Missbrauch ihrer Unerfahrenheit oder ihres Vertrauens (Verführung einer Unmündigen, Art. 171), ein Schutz, der allerdings dann versagt, wenn sie selber die Verführerin gewesen;

42 die unmündige und mündige Frau, die Pflegling einer Kranken-, Armen- oder Versorgungsanstalt oder Gefangene,Verhaftete ist oder sonst in Untersuchung steht, wird geschützt gegen Angriffe des Aufsichtspersonals der Anstalten oder anderer, die über ihre Person Gewalt haben, wiederum ohne Rücksicht darauf, ob sie einer Verführung unterlag oder sonst zustimmte oder nicht (Art. 168); die unmündige oder mündige Frau, die von einem Dritten durch Missbrauch ihrer Notlage oder ihrer durch ein Amts- oder Dienstverhältnis oder auf ähnliche Weise begründeten Abhängigkeit zur Gewährung des Beischlafs gebracht wurde; wiederum ein Schutz, der versagt, wenn die Frau die Verführerin war (Misnbrauch der Notlage oder Abhängigkeit einer Frau, Art. 172); endlich der Schutz gegen homosexuelle Angriffe. Das Kind bis zum sechzehnten Altersjahr steht unter dem Schutze der harten Strafbestimmungen des Art. 166; gerade im Alter von vierzehn bis sechzehn Jahren wird es solchen Angriffen ausgesetzt sein und sie sind alsdann oft folgenschwer. Sodann verbietet Art. 169 (Widernatürliche Unzucht) der mündigen Person an Unmündigen solche Handlungen vorzunehmen. Ferner wird der Missbrauch der Notlage oder eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Erlangung eines homosexuellen Verkehrs unter Strafe gestellt, ohne Rücksicht auf das Alter des Opfers. Die Ärzte, insbesondere die Irrenärzte erklären, dass eine Neigung zum gleichen Geschlecht wirklich vorkomme und mehr ein Fehler der Natur als des Charakters sei; der Gesetzgeber wird daher gut tun, Verborgenem nicht weiter nachforschen zu lassen, sofern nicht ein Dritter darunter zu leiden hat. Aber diejenige Selbstbeherrschung und Rücksichtnahme, die wir von den Menschen mit gesunden Trieben verlangen, können wir auch von den mit dieser Abirrung behafteten fordern. Ganz besonders aber darf die Abirrung nicht zum Gegenstand eines hässlichen Erwerbs gemacht werden, weil die homosexuelle Prostitution noch gefährlicher ist als diejenige unter verschiedenen Geschlechtern.

Der Entwurf, der sich auf die vorstehend besprochenen Tatbestände beschränkt, lehnt damit eine weitergehende Einmischung in das Geschlechtsleben ab. Insbesondere verwirft er die Bestrafung der einfachen Unzucht, des ausserehelichen Beischlafs schlechtweg, wie sie in einigen Kantonen noch besteht. So wie sie gehandhabt wird
und nicht anders gehandhabt werden kann, ist sie eine blosse armenpolizeiliche Massnahme, also ein Standesstrafrecht, dessen ganze Roheit namentlich da zutage tritt, wo die arme, verlassene Mutter, die nun für ein vaterloses Geschöpfchen sorgen sollte, dem Staate eine Busse zu bezahlen hat oder gar mit dem Säugling ins Gefängnis geworfen wird. Das st. gallische Nachtragsgesetz

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Auch die Frage der Strafbarkeit der Prostitution ist geprüft und verneint worden. Die Gefahren der Prostitution für die Volksgesundheit und das Familienleben sind nicht zu leugnen. Aber gegen die Bestrafung der gewerbsmässigen Unzucht ist einzuwenden, dass die Prostitution als Gewerbe selten aus geschlechtlichen Trieben ergriffen wird, sondern dass Mangel und Elend die Frau dazu bringt, und da wäre es besonders ungerecht, sie zu bestrafen, während der männliche Kunde straflos bleibt. Wiegt Liederlichkeit und Arbeitsscheu vor, so kann die Person durch Verwaltungsentscheid einer Arbeitsanstalt überwiesen werden, handelt es sich um eine Unmündige, so kann die Vormundschaftsbehörde, wie nach Art. 317, eine Nacherziehung anordnen. Kurze Freiheitsstrafen sind nur geeignet, die Bestrafte zu entwürdigen und ihre Wiederaufrichtung zu erschweren.

2. B e g ü n s t i g u n g und Au s b e u t u n g der U n z u c h t . -- Als Kuppelei bezeichnet das Gesetz das gewinnsüchtige Vorschubleisten gegenüber der Unzucht, auch dann, wenn diese an sich nicht -strafbar ist. Die Fehltritte im Geschlechtsleben haben meist eine gewisse Entschuldigung in der Stärke natürlicher Triebe, die sich zur Leidenschaft steigern können; der Kuppler, der aus Eigennutz handelt, ist von vornherein verächtlich. Er ist dem Verführer, was
Der Kampf des Strafgesetzgebers richtet sich aber vorzüglich gegen die Begleiterscheinungen der Prostitution, gegen die gewerbsmässige Kuppelei, die Zuhälterei und den Mädchenhandel.

Die gewerbsmässige Kuppelei organisiert gewissermassen den Verkehr mit den Prostituierten, fördert das Angebot und reizt zur Nachfrage und, indem sie in dieser Weise die Prostitution begünstigt, vervielfacht sie die Gefahren derselben, unter gleichzeitiger schändlicher Ausbeutung der Unglücklichen, die der Prostitution verfallen sind. Das alles gilt insbesondere von der
kapitalistischen Unternehmung, dem Bordell, das die niederste Form des Geschlechtsverkehrs bietet, erniedrigend und verderblich besonders auch für die Frau. In diesen Anstalten das Mittel zur Eindämmung der Gefahren für die Gesundheit und den öffentlichen Anstand gefunden zu haben, indem den Inhabern dieser Häuser gewisse Pflichten überbunden wurden, deren Beobachtung der Staat überwachte, hat

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sich als eine arge Täuschung erwiesen; die scheinbare und wirkliche Sicherheit, die dem unzüchtigen Verkehr geboten wurde, vermehrte nur die Zahl der Opfer. Daher soll auch diese Form gewerbsmässiger Kuppelei in allen Fällen strafbar, ihre Duldung durch Staat oder Gemeinden ausgeschlossen sein. Die Bekämpfung der Verbreitung der Geschlechtskrankheiten mag zum Teil an Art. 196; anschliessen, auch Art. 317 ist in diesem Sinne gedacht. Im übrigen ist sie Sache der kantonalen Polizei.

Eine ähnliche Stellung, wie die des Bordellhalters gegenüber einer Mehrzahl von Prostituierten, nimmt der Zuhälter gegenüber einer einzelnen Prostituierten ein ; er zieht aus ihrem unsittlichen Erwerb ganz oder teilweise seinen Lebensunterhalt^ hält sie, indem er ihr Schutz verspricht, in drückendster Abhängigkeit und benutzt die gebotenen Gelegenheiten zu Raub und Erpressung. Solche Vergehen fallen selbstverständlich unter die einschlägigen besondern Strafbestimmungen, nebenher und auch abgesehen hiervon wird er für seine auf Ausbeutung gegründete Lebensführung bestraft, und zwar, gleich dem gewerbsmässigen Kuppler, stets auch mit Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit (Art. 176).

Mädchenhäudler ist, nach der Umschreibung von Art. 177, wer eine weibliche Person anwirbt, verschleppt oder entführt, um sie einem andern zur Unzucht zu überliefern, im Gegensatz zum Entführer (Art. 158, 159) und Verführer (Art. 171 u. a.), die die Befriedigung eigener Lust suchen. Ein anderer Beweggrund, als Gewinnsucht, wird den Mädchenhändler kaum leiten, er brauchte daher auch nicht in den Tatbestand aufgenommen zu werden. Die Bestimmungen dieses Artikels schliessen sich eng an den Wortlaut des internationalen Übereinkommens betreffend die Unterdrückung des Mädchenhandels an, das am 4. Mai 1910 zu Parisabgeschlossen wurde. Der Buiidesrat hat sich damals den Beitritt vorbehalten auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des schweizerischen Strafgesetzbuches, da früher die Durchführung des Abkommens mit grossen Schwierigkeiten verbunden wäre. Immerhin hat der Bundesrat das andere Übereinkommen, das die polizeiliche Unterdrückung des Mädchenhandels zum Gegenstand hat, am 3. Juni 1904 für die Schweiz unterzeichnet.

3. Die V e r l e t z u n g der ö f f e n t l i c h e n S i t t l i c h k e i t muss geahndet werden, einmal weil sie das
Schamgefühl schmerzlich berührt und ebensosehr weil sie schlummernde gefährliche Triebeweckt. Dahin gehört die öffentliche Begehung unzüchtiger Handlungen, auch wenn sie an sich nicht strafbar wären. Können doch auch an sich durchaus befugte Handlungen dadurch unzüchtig werden, dass sie der Öffentlichkeit preisgegeben werden. Dann ist insbesondere die Bekämpfung unsittlicher Veröffentlichungen.

45 in Wort und Bild und Darstellung (z. B. durch den Kinematographen) Aufgabe der Polizei und des Strafgesetzgebers. Ganz besonders ist die Jugend zu schützen; im übrigen erfordert die Anwendung des Strafgesetzes vom Richter Takt und Umsicht, um nicht in eine lästige und hochstehende Interessen verletzende Bevormundung des Bürgers auszuarten. Die Wichtigkeit der Sache hat auch hier zu einem internationalen Übereinkommen geführt, das am 4. Mai 1910 in Paris abgeschlossen und vom Bundesrat unterzeichnet worden ist.

VI. Abschnitt.

Vergehen gegen die Familie.

(Art. 180--186.)

Die Familie beruht wesentlich auf dem ehelichen Treuverhältnis der Ehegatten. Im übrigen ist jeder Geschlechtsverkehr .zwischen den Familienmitgliedern ausgeschlossen. Ob und inwieweit die Nachteile der Inzucht bei diesem Verbote massgebend waren, ist nicht zu untersuchen ; der Abscheu vor der Missachtung des Verbotes, wie sie etwa in sittlich verkommenen und auch äusserlich elenden Verhältnissen vorkommt, ist ein so starker, dass ·wir eine strenge Ahndung verlangen (Blutschande, Art. 180).

Das Treuverhältnis kann erschüttert werden durch den Bruch der ehelichen Treue, seitens des einen oder andern Ehegatten. Es gibt eine sittlichernste Auffassung vom Eheband, derzufolge eder äussere Zwang auszuschliessen wäre, da die reine Sittlichkeit nur in der Freiheit bestehen kann. Wir haben indessen geglaubt, an einer Strafbestimmung gegen Ehebruch (Art. 181) festhalten za. sollen, da Straflösigkeit desselben von einem grossen Teil der Volksgenossen dahin ausgelegt würde, man betrachte den Ehebruch als eine gleichgültige Angelegenheit. -- Neben der einen bestehenden Ehe soll niemand eine zweite eingehen; das Verbot der Bigamie oder Polygamie ist in Art. 182 ausgesprochen. Der mit Bigamie verbundene Ehebruch ist vom Tatbestand derselben mitumfasst, «s braucht aber nicht nachgewiesen zu werden, dass er tatsächlich verübt wurde.

Der Sicherheit der Familienbande, insbesondere des Elternund Kindesverhältnisses dient das Zivilstandsregister. Sein Schutz vor Verfälschungen, sei es durch blosse falsche Angaben des Anzeigepflichtigen, sei es durch tatsächliche Vorkehren, wie Unterschiebung ·eines Kindes, sind daher auch Bestimmungen zum Schutze der Familie. Aus achtenswerten Beweggründen erklären etwa Eltern

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den Sprössling aus einem ausserehelichen Verhältnis als ihr eheliches Kind (Art. 183).

Der Kinder-, Jugend- und Mutterschutz verlangt aber nicht bloss die äussere Anerkennung f'amilienrechtlicher Bande, sondern auch die Erfüllung der daraus sich ergebenden Pflichten, insbesondere der finanziellen, da andere Fürsorgepflichten u. a. durch Art. 118, 119 eingeschärft sind. Die Strafbestimmungen richten sich gegen die Eltern, wie auch gegen solche, welche die elterliche Fürsorgepflicht übernommen haben, gegen den Vater des ehelichen, wie gegen den des unehelichen Kindes. Die Vormundschafts- und Armenbebörden werden an diesen Strafbestimmungen eine wertvolle Handhabe erhalten (Art. 184). Endlich kehrt sich die Vorschrift von Art. 185, Verletzung der Erziehungspflicht, gegen Kinderhandel und missbräuchliche Adoptierungen., Es ist selbstverständlich, dass die Leute, an welche das Kind verhandelt wurde, unter den soeben angeführten Strafbestimmungeu stehen, wenn sie das Kind vernachlässigen oder überanstrengen.

Wo aber ein Kind oder Unmündiger in der Hut der Eltern oder des Vormundes steht, soll es darin geschützt sein (Entziehen und Vorenthalten von Unmündigen, Art. 186).

VII. Abschnitt.

Gemeingefährliche Vergehen.

(Art. 187--195.)

Die Strafbestimmungen dieses Abschnittes haben, wie diejenige» des ersten und zweiten Abschnittes, den Schutz von Leib und Leben und Vermögen zum Zwecke. Was sie aber unterscheidet, ist, dass hier die Erregung einer Gemeingefahr durch Entfesselungvon Naturkräften, Feuer, Explosionskräfte, Wasser, auch der blossen Schwerkraft, vorausgesetzt wird. Überall soll Vorsatz und Fahrlässigkeit strafbar sein.

Der älteste Vergehenstatbestand ist derjenige, der B r a n d s t i f t u n g . An Stelle der üblichen Aufzählung aller Gegenstände, andenen Brandstiftung verübt werden kann -- als ob es sich um den Schutz dieser Gegenstände handeln würde --, wird hier die nächste Wirkung der Handlung bezeichnet, und zwar als Verursachung einer Feuersbrunst. Feuersbrunst aber ist ein Schadenfeuer von einem gewissen Umfang, so, dass der einzelne es nicht mehr in der Gewalt hat; die Zügel des zerstörenden Elementes sind ihm entfallen und man kann nicht mehr sagen, wo die verheerenden Wirkungen ihr Ende finden werden. Dazu kommt, dass die Feuers-

47 bruDst nicht nur Sachen, sondern auch Menschenleben gefährdet,, die Bewohner des brennenden Hauses wie die Feuerwehr und andere. Das Vergehen ist also nicht schon vollendet mit dem Anzünden, sondern erst, wenn die Gefahr der Weiterverbreitung eingetreten ist; die Möglichkeit des Rücktrittes vom Versuch (Art. 21) ist dadurch erweitert. Einen Unterschied zwischen Brandlegung au der eigenen Sache oder an einer fremden zu machen,, hat keine Berechtigung; die Gemeingefahr, deren Erregung der Gesetzgeber entgegentreten will, ist überall dieselbe.

Erst die Neuzeit hat uns eine wirkliche Sprengtechnik gebracht.

Art. 189 behandelt zunächst den Miasbrauch von Stoffen, die wirtschaftlich ganz andern Zwecken dienen, denn als Sprengmittel, aber eben doch Sprengwirkungen haben können, die dann vorsätzlich oder durch nachlässige Behandlung der Stoffe gelöst werden.

Vorsätzliche Sprengungen werden übrigens wohl meistens mit den eigentlichen Sprengstoffen, Stoffen, deren wirtschaftliche Bedeutung, gerade in ihrer Sprengwirkung liegt, verübt werden. Hierher zählen sich die Sprengpulver und dann vorzüglich die Nitroglyzerinpräparate, insbesondere der Dynamit. Das Verbrechen, insbesondere das anarchistische, bemächtigte sich rasch und fast begeistert desneuen Kampfmittels und die Staaten beeilten sich, durch Strafgesetze sich schon gegen die ersten Vorbereitungshandlungen zum verbrecherischen Gebrauch des unheimlichen Stoffes zu schützen.

So entstand unser Bundesgesetz zur Ergänzung des Bundesstrafgesetzbuches, vom 1. April 1894. Der Inhalt der drei ersten Artikel dieses Gesetzes ist in Art. 190--191 wiedergegeben, mit Herabsetzung der Strafandrohungen, gemäss dem System der gegenwärtigen Vorlage. Hinzugefügt wurde die Bedrohung der fahrlässigen Verübung (Art. 192).

Auch die zerstörenden Wirkungen des die Ufer übertretende» Gewässers sind Mittel zur Begehung von Verbrechen. Die Bewirkung von Ü b e r s c h w e m m u n g e n durch Anstauungen u. dgl.

(Art. 193) ist ein Tatbestand der schon geltenden Gesetzgebung.

Von der Entfesselung elektrischer Energie, z. B. durch Bewirkung von Kurzschlüssen, spricht Art. 194, weil das regelmässig durch Zerstörungen an elektrischen Anlagen geschieht, und endlich muss der Gesetzgeber auch die Fälle ins Auge fassen, da die Wirkungen der Schwerkraft entfesselt und E i n s t
ü r z e bewirkt werden (Art. 193)r wozu im Grunde auch die vorsätzliche, meist gewinnsüchtige, und die fahrlässige Ausserachtlassung der Regeln der Baukunst gehören (Art. 195).

Ein Mittel zur Entfesselung der Naturkräfte ist die Beschädigung oder Zerstörung der vorhandenen Schutzvorrichtungen; im Zeitalter der Gewässerkorrektionen und der Anlage von Stauungen

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zur Gewinnung elektrischer Kraft ist die Möglichkeit und Gefährlichkeit solcher, vorsätzlicher oder fahrlässiger Handlungen eine «rhöhte. Daher die Strafbestimmungen gegen Beschädigung von elektrischen Anlagen, von Wasserbauten und von Schutzvorrichtungen (Art. 194).

VIII. Abschnitt.

Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit.

(Art. 196--202.)

Die öffentliche Gesundheitspflege hat in ihren beiden Hauptlichtungen, Bekämpfung der Erkrankungsursachen und Eindämmung der Verbreitung von übertragbaren Krankheiten, während der letzten Jahrzehnte ausserordentlich an Boden gewonnen und schöne Ergebnisse erzielt. Geschütztes Rechtegut ist also die menschliche Gesundheit. Wenn daneben auch die Gefährdung der Gesundheit von Tieren strafbar erklärt wird, so geschieht das um der engen Beziehungen zur menschlichen Gesundheit willen. Man denke nur an die Tuberkulose beim Milchvieh und an die Hundswut. Daneben fallen allerdings auch die hohen wirtschaftlichen Werte in Betracht, die in unserm Viehstand liegen; es sind auch Interessen der Landwirtschaft im Spiele. Diese wirtschaftlichen Interessen überwiegen dann schliesslich beim Verbot der Verbreitung von ·Schädlingen, die der Landwirtschaft oder der Forstwirtschaft gefährlich sind, wenn wir uns auch gerade in den heutigen Zeiten hewusst geworden sind, wie unentbehrlich für das menschliche Wohlbefinden die Erzeugnisse dieser Wirtschaftszweige sind.

1. Die Vorlage bringt zunächst die Strafbestimmungen, welche ·den Kampf gegen die Ve r b r e i t u n g von K r a n k h e i t e n u n t e r M e n s c h e n u n d T i e r e n u n d v o n S c h ä d l i n g e n unterstützen sollen.

a. Schutz gegen die Verbreitung gefährlicher übertragbarer menschlicher Krankheiten (Art. 196). Art. 69 der Bundesverfassung gab dem Bunde die Befugnis, gegen gemeingefährliche Epidemien gesundheitspolizeiliche Verfügungen zu erlassen. Dies ist geschehen in dem Bundesgesetz gegen gemeingefährliche Epidemien vom 2. Juli 1886, das eine Reihe von polizeilichen Strafbestimmungen gegen Nichtbeachtung oder Umgehung der im Gesetze oder durch Anordnung der Behörden vorgeschriebenen Massregeln enthält. Die Anwendung des kantonalen Strafrechts ist dabei ausdrücklich vorbehalten. An Stelle des kantonalen Rechts sollen die vorliegenden Bestimmungen gegen die vorsätzliche und fahrlässige Verbreitung von gefährlichen, übertragbaren Krankheiten treten.

Der Schutz ist ein allgemeiner; er richtet sich auch gegen die

49 Verbreitung von Krankheiten, die im Bundesgesetzo nicht genannt sind; die Straffälligkeit des Täters ist unabhängig davon, ob er eine der Vorschriften des Bundesgesetzes übertreten habe oder nicht. Die Revision des Art. 69 der Bundesverfassung, wie sie in der Abstimmung vom 4. Mai 1913 beschlossen wurde, dehnt den Bereich der Polizeigesetagebung des Bundes auf diesem Gebiete aus; auf die vorliegende Strafbestimmung wird es nach dem Gesagten keinen Binfluss haben, wenn auch der Bund von seiner erweiterten Befugnis gesetzgeberisch Gebrauch gemacht haben wird.

Ebensowenig würde die vorliegende Bestimmung berührt von allfälligen Abänderungen der internationalen Übereinkunft betreffend gemeinsame Schutzmassregeln gegen die Pest vom 3. Dezember 1903, die gar keine Strafbestimmungen enthält.

0. Schutz gegen die vorsätzliche oder fahrlässige Verbreitung von Seuchen unter Haustieren (Art. 197). Auch in dieser Hinsicht hat der Bund, gestützt auf Art. 69 der Bundesverfassung, ein Gesetz erlassen, das Bundesgesetz vom 13. Juni 1917 betreffend die Bekämpfung von Tierseuchen. Das Bundesgesetz schreibt die schützenden Massnahmen gegen die Verbreitung der im Gesetze aufgezählten Tierseuchen vor und bedroht die Übertretung der Vorschriften mit Strafe. Dazu treten die Androhungen des vorliegenden Artikels genau in dasselbe Verhältnis, das soeben geschildert wurde; ihr Umfang ist ein weiterer, auch andere als die im Bundesgesetz genannten Krankheiten fallen in Betracht; die Strafbarkeit des Verhaltens ist nicht abhängig davon, dass in ihm zugleich eine Übertretung der polizeilichen Vorschriften des Gesetzes vom 13. Juni 1917 liegt.

c. Bekämpfung der Verbreitung von Schädlingen, die für die Landwirtschaft oder für die Forstwirtschaft gefährlich sind (Art. 198).

Nachdem die Schweiz schon am 25. April 1882 der (revidierten) internationalen Phylloxeraübereinkunft vom 3. November 1881 beigetreten war, wurde das Bundesgesetz betreffend die Förderung der Landwirtschaft vom 22. Dezember 1893 erlassen, das den Bundesrat (Art. 12) ermächtigte, die Einfuhr, Zirkulation und Ausfuhr von Pflanzen, Stoffen und Produkten, welche Träger der Reblaus oder anderer die Landwirtschaft bedrohender Schädlinge sein könnten, unter Strafandrohung zu verbieten. Das geschah dann in der Vollziehungsverordnung, revidiert am 10. Juli 1894.
Die Straf bestimmung des vorliegenden Entwurfes bezieht den Schutz des Waldes, z. B. gegen vorsätzliche oder fahrlässige Verbreitung der Nonne, ein; selbstverständlich umfasst der Ausdruck ,,Schädling14 auch Schmarotzergewächse ; im übrigen ist, wie im Vorhergehenden, das Verhalten auch dann strafbar, wenn es nicht gegen ein Verbot des Bundesgesetzes oder der Verordnung verstösst.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

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50 2. Die zweite Reihe der Tatbestände dieses Abschnittes wendet sich gegen die B e i m i s c h u n g g e s u n d h e i t s g e f ä h r d e n d e v Stoffe zum Trinkwasser und das Herstellen und Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Nahrungsmittel und a n d e r e r Waren.

a. Die Vergiftung von Brunnen war in frühern Zeiten recht oft Gegenstand der Furcht und Ursache von Aufregungen in der Bevölkerung, was zu den bedauerlichsten Ausschreitungen führte.

Aber auch in der Gegenwart ist die fahrlässige gesundheitsschädliche Verunreinigung des Trinkw assers, beispielsweise durch unvorsichtiges Düngen in Quellgebieten, und die vorsätzliche Einführung von Giftstoffen in Tröge, die zum Tränken von Vieh bestimmt sind, recht gefährlich (Art. 199).

b. Gegen die Fälschung von Waren überhaupt und insbesondere von Lebensmitteln (raten zuerst die kantonalen Gesetzgeber auf.

Nachdem dann aber, am 26. Mars. 1897, durch Einfügung von Art. 69bi> in die Bundesverfassung dem Bunde die Gesetzgebung über den Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln überhaupt und über den Verkehr mit andern Gebrauchs- und .Verbrauchsgegeaständen, soweit solche das Leben oder die Gesundheit gefährden können, übertragen worden war, wurde das Bundesgesetz vom 8. Dezember 1905 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen erlassen.

Die Straftatbestände und Strafandrohungen dieses Bundesgesetzes sind, verallgemeinert auf jede Art von Waren und mit Anpassung an die Grundsätze des vorliegenden Entwurfes über die Formulierung der Strafandrohungen, hinübergenommen worden.

Fälschung, Verfälschung, Wertverringerung von Waren, Inver-.

kehrbringen so behandelter Waren, deren Einfuhr und Lagerung ist in den Art. 131, 132, 306 mit Strafe bedroht (s. oben). Ganz die gleichen Handlungen werden, wenn sie eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit in sich bergen, hier in den Art. 200 und 201 als Vergehen behandelt. Daran schliesst sich als Übertretungstatbestand das Inverkehrbringen verdorbener Lebensmittel und unreifen Essobstes (Art. 324) an. Damit fallen die entsprechenden Strafbestimmungen des Lebensmittelgesetzes dahin; es bleibt daron nur noch die Strafandrohung gegen vorsätzliche oder fahrlässige Übertretung der bundesrätlichen Verordnung bestehen.

c. Endlich wird in Art. 202 gesundheitsschädliches Herstellen oder Behandeln von Futter und Futtermitteln für Haustiere mit Strafe bedroht und dadurch nicht nur dem Landwirt, sonderà jedem Halter von Hanstieren ein Schutz geboten.

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IX. Abschnitt.

Vergehen gegen den öffentlichen Yerkehr.

(Art. 203--205.)

Ausgangspunkt dieser Bestimmungen ist das Bedürfnis gewesen, Leib und Leben von Menschen und erhebliche Sachwerte gegen vorsätzliche und fahrlässige G e f ä h r d u n g im B i s e n b a h n b e t r i e b strafrechtlich besser zu schützen. Die Hinderung oder Störung des Eisenbahnverkehrs (Art. 204) ist gewiss ein sehr gemeingefährliches Vergehen; es darf daher die Strafbarkeit nicht abhängig gemacht werden vom wirklichen Eintritt eines Schadens.

Schien die Eisenbahn eine Zeitlang den ganzen Verkehr und alle drohende Gefahr für Reisende und Frachtgüter an und auf sich gezogen zu haben, so hat sich inzwischen auch die L a n d s t r a s s e wieder belebt durch das Fahrrad und dann durch die verschiedenen Motorfahrzeuge, insbesondere durch das Automobil ; der Verkehr hat sich, namentlich in den Städten, in einem Masse gesteigert, dass jede unvermutet eintretende Hinderung oder Störung des regelmässigen Ablaufs zur Gefahr werden muas. Ist auch der Umfang des Unfalls weniger gross als bei Eisenbahnunfällen, so ist die Möglichkeit, dass ein solcher eintritt, dafür eine weit grössere.

Jedes Fuhrwerk, jeder Reiter, jeder Fussgänger sogar kann eine Gefahr herbeiführen und zugleich Opfer einer solchen werden. So wird also der Schutz, den wir dem öffentlichen Strassenverkehr zuwenden möchten, beispielsweise das Pflichtgefühl des Automobilführers schärfen, anderseits aber auch ihn vor vielen Bosheiten, Streuen von Nägeln und andern Verkehrsbehinderungen, schützen.

Derselbe Art. 203 soll auch den V e r k e h r z u W a s s e r schützen, die Fahrzeuge gegenseitig voreinander, dann aber auch vor andern Behinderungen, Das bisherige Bundesstrafrecht hatte nur die der Beförderung der Post dienenden Schiffe geschützt; seit der Revision vom 5. Juni 1902 sind die Dampfschiffe überhaupt, aber nur diese, Gegenstand des Strafschutzes. Nach den Erörterungen zum vorhergehenden Abschnitt ist es wohl nicht notwendig, das Verhältnis dieser Strafbestimmung zu den kantonalen Schifffahrtsgesetzen und den internationalen Übereinkommen betreffend die Schiffahrt auf dem Lemansee (10. September 1902), auf dem Untersee und Rhein (22. Dezember 1899) und auf dem Bodensee (8. April 1899) hier einlässlich zu besprechen.

Die Technik der L u f t s c h i f f a h r
t hat im Verlaufe des gegenwärtigen Krieges sich stark entwickelt, und es ist vorauszusehen, dass sie in Friedenszeiten in den Dienst des Verkehrs gestellt werden wird. Die Gefahren, welche diesem Verkehr bereitet werden

52 können, auf den Flugplätzen, im Fliegen, beim Landen, sind jetzt schon erkennbar, und die Fassung des Gesetzes passt sich zum voraus jeder Art des verbrecherischen Angriffs an.

Aber auch abgesehen von einer Gemeingefahr, die dabei erregt wird, ist der ungestörte B e t r i e b der ö f f e n t l i c h e n V e r k e h r s a n s t a l t e n als unentbehrlicher Hilfsdienst in unserm gesamten Kultur- und Wirtschaftsleben zu schützen. Das betrifft namentlich den öffentlichen Eisenbahn-, Post-, Telegraphen- und Telephonverkehr. Soweit die Störung oder Behinderung des Verkehrs durch eine Schädigung an Apparaten u. dgl. herbeigeführt wird, könnte die Anwendung der Straf bestini mungen gegen Sachbeschädigung in Frage kommen; aber abgesehen davon, dass der Sachschaden meist eine sehr untergeordnete Bedeutung neben der Verletzung von unabsehbaren Verkehrsinteressen haben wird, ist die Sachbeschädigung keineswegs das unentbehrliche Mittel zur Verübung des Vergehens.

Den öffentlichen Verkehrsanstalten werden hier die Anstalten und Anlagen gleichgestellt, welche der a l l g e m e i n e n Versorgunig m i t Wa s s e r , L i c h t , K r a f t o d e r Wä r m e dienen, also n der Hauptsache Trinkwasserversorgungen und Elektrizitätswerke im umfassendsten Sinne. Ob diese Werke von Staat, Gemeinden oder Aktiengesellschaften und Privaten betrieben werden, fällt nicht in Betracht. Diese Anstalten bedeuten, ähnlich den öffentlichen Verkehrsanstalten, eine Vergesellschaftung der Befriedigung von dringenden Lebensbedürfnissen. Indem sie örtliche Mittelpunkte der Kräfteansammlung und ihrer Verteilung schaffen, geben sie dem Verbrecher die Möglichkeit, von einem Punkte aus eine ganze Bevölkerung unmittelbar und mittelbar aufs empfindlichste zu schädigen. Strafandrohungen sind daher notwendig (Art. 205).

X. Abschnitt.

Fälschung TOH Geld, amtlichen Zeichen, Mass und Gewicht.

( Art. 206--216.)

Münze, Mass und Gewicht sind die Wert- und Mengenmesser im wirtschaftlichen Güterumlauf; erweisen sie sich als gefälscht, so hat die Sicherheit des Warenverkehrs ihr Ende. Die Beunruhigung, die weitere oder engere Kreise alsdann befällt, verleiht diesen Vergehen einen gewissen gemeingefährlichen Charakter. Der verschärfte Strafschutz hat nicht nur die Schädigung im Auge, welche bestimmte einzelne Personen, die das falsche Geld nicht als solches erkannt, Mass, Wage und Gewicht als richtig angesehen hatten, erleiden, sondern vorzüglich die Erschütterung der Sicherheit des

53 Güterumlaufs« Jene Täuschung des Einzelnen stempelt die schädigende Handlung zum Betrug; die Fälschung bildet dazu die Vorbereitungshandlung, aber sie wird als eigene Handlung, durch welche bereits die Gefahr geschaffen ist, mit harter Strafe bedroht, ja es werden schon die Vorbereitungshand l uugen zur Fälschung (Art. 210, 213) als Vergehen erklärt.

Bezüglich der Fälschung, Verfälschung und des Ausgebens, sowie der Einfuhr, des Erwerbs und des Lagerns gefälschten Geldes (Art. 206--210) sind M e t a l l g e l d , P a p i e r g e l d und B a n k n o t e n einander gleichgestellt. Das enthebt den Richter der Notwendigkeit, die nicht immer sichere Unterscheidung zwischen Papiergeld und Banknoten zu treffen. Besprochen wurde, ob auch die Emissionspapiere, die in grösserer Anzahl auf den Markt geworfen werden, einzubeziehen seien. Allein, abgesehen von der Schwierigkeit derUmschveibuug, ist gesagt worden, dass sie eben doch nicht gewöhnliche Zahlungsmittel seien und nicht, wie Geld münzen, Banknoten und Papiergeld, alltäglich von einfachen, wenig geschäftsgewandten Leuten in Zahlung genommen werden müssen, so dass die Strafbestimmungen gegen Urkundenfälschung ausreichend sein dürften. Ebenso wird der im Bundesgesetz über die schweizerische Nationalbank vom 6. Oktober 1905 genannten Gold- und Silberzertifikate keine Erwähnung mehr getan, da diese Bescheinigungen über hinterlegte Barren nach dem Berichte der Bank nicht in zirkulationsfähigen kleinern Abschnitten ausgestellt werden. Die vorliegenden Bestimmungen sollen im übrigen die Straf bestimmungen des bezeichneten Buniesgesetzes ersetzen; nur Art. 72, der · das unbefugte Ausgeben von Banknoten oder anderer gleichartiger Geldzeichen unter Strafe verbietet, also das Banknotenmonopol der Nationalbank schützt, muss bestehen bleiben. Keiner weiteren Begründung bedarf, dass die Müuzverringerung (Art. 209) und das Inumlaufbringen, Einfuhren, Erwerben und Lagern verringerter Münzen (Art. 210) nur an Metallgeld verübt werden kann, das alleita eine wertvolle Stoffunterlage besitzt.

Dem Gelde, insbesondere den Banknoten, stehen am nächsten die a m t l i c h e n W e r t z e i c h e n (Art. 211), obgleich deren Haupt bestimmung nicht ist, als Tauschmittel und Wertmesser zu dienen (abgesehen etwa von der Verwendung von Postmarken zur Bezahlung von Kostenvorschüssen
an die Betreibungsämter, Verordnung des Bundesrates vom 18. Dezember 1891, Art. 3); vielmehr sind es Bescheinigungen über die Vorauezahlung von gewissen Steuern (Stempelsteuer) und allerhand Gebühren. Die wichtigsten dieser Wertzeichen sind die Postmarken, das gebräuchlichste Mittel der Frankierung von Postsendungen. Einen Quittungsvermerk über die bezahlte Postgebühr kann die Postanstalt allerdings auch durch

54 Abstempelung anbringen. Da aber hiebei nur eine verminderte Fälschungsgefahr vorliegt, so ist dieser Stempelaufdruck hier nicht erwähnt.

Neben dem ialändischeii Geld befindet sich bei uns auch ausländisches im Umlauf; unsere Geschäftsleute sind beinahe gezwungen, den Fremden solches abzunehmen, selbst abgesehen von don Verpflichtungen aus der lateinischen Münzunion ; wir müssen daher den Strafschutz auch ausdehnen (Art. 216) auf ausländisches Geld und ebenso auf ausländische Banknoten und ausländische amtliche Wertzeichen.

Eine weitere Ergänzung finden die bis hierher behandelten Tatbestände in den Art. 325--328.

Wesentlich anderer Natur sind die in Art. 212 genannten a m t l i c h e n Z e i c h e n , die nicht zum voraus verkauft werden, um an einem Gegenstande angebracht zu werden, sondern von der Behörde aufgedruckt oder angeklebt werden, Zeichen, die also der Zirkulationsfähigkeit gänzlich ermangeln. Ein verschärfter Strafschutz schien hier angezeigt, da einerseits die Urkundeneigenschaft dieser Zeichen bestritten ist, anderseits die Fälschung der Stempel usw., mit denen die Zeichen hergestellt werden, notwendig unter Strafandrohung gestellt werden muss.

Die Fälschung von M a s s , G e w i c h t und W a g e n durch Fälschung des Eichzeichens oder durch Veränderung an den gesetzlich geeichten Massen, Gewichten und Wagen, ferner der Gebrauch solcher Fälschungen, ist nach Art. 214 strafbar. Dieser Schutz kommt nicht bloss den hergebrachten Massen, Gewichten und Wagen zur Feststellung von Warenmengen zu, sondern auch den im ßundesgesetz über Mass und Gewicht vom 24. Juni 1909 genannten andern Messinstrumenten, den Thermoalkoholometern, Gas- und Wassermessern und elektrischen Messinstrumenten.

XI. Abschnitt.

Urkundenfälschung.

(Art. 217--223.)

Auch der Urkundenfälschung und den weitern hier behandelten Vergehen ist eine gewisse Gemeingefährlichkeit für den geschäftlichen Verkehr eigen, namentlich aber gefährden sie, da der hauptsächlichste Zweck der Urkunde Beweissicherung ist, die Rechtspflege; diese Vergehen sind nicht lediglich gegen das Vermögen gerichtet.

Der Begriff der U r k u n d e ist in Art. 97, Ziff. 5, umschrieben, ebenso der Begriff der öffentlichen Urkunde. Die Tatbestände der eigentlichen Urkundenvergehen sind :

85 a. Die Fälschung und der Gebrauch falscher Urkunden, mit Binschluss des Missbrauchs eines Blanketts (Art. 217, 218). Strafschärfend wirkt der Umstand, dass es sich um eine öffentliche Urkunde handelt. In dieser Richtung sind ihr eine Anzahl besonders schutzbedürftiger Privaturkunden gleichgestellt, darunter die Ernissionspapiere. Anderseits wird die Fälschung von Ausweisschriften, Zeugnissen, Bescheinigungen, öffentlicher oder privater Art, wie herkömmlich, milder bestraft.

6. Die Erschleichung einer falschen Beurkundung (faux immatériel); der Beamte wird getäuscht (Art. 219). Veranlasst der Täter den Beamten zu einer wissentlich unrichtigen Beurkundung, so ist er Anstifter zu dem betreffenden Amtsvergehen (Art. 281).

c. Unterdrückung von Urkunden. Der Täter vernichtet, beschädigt oder beseitigt eine Urkunde, die er im Besitze hat, oder er entwendet dem Besitzer eine Urkunde, alles in der Absicht, jemanden durch Entzug des Beweismittels zu schädigen oder sich oder andere zu bereichern. Die Urkunde kann auch das Eigentum des Täters sein, wenn nur der Dritte einen Anspruch auf Vorlegung hatte. Wer, ohne die Absicht, eine bestimmte Person zu schädigen oder sich zu bereichern, es unterlässt, der Aufbewahrungspflicht zu genügen, kann durch Art. 143 oder 310 getroffen werden.

Die vorliegende Strafbestimmung hat eine grosse Bedeutung für den Schutz von Ansprüchen aus einer letztwilligen Verfügung, sei es, dass der Erblasser die Urkunde bei sich behalten oder in -dritte Hand gelegt hatte.

Nur in einem erweiterten Sinne ist auch der G r e n z s t e i n «ine Urkunde; gewissermassen Privaturkunde, wenn er nur zur Abgrenzung von Privatgrundstücken unter sich oder gegen öffentlichen Grund und Boden dient; öffentliche Urkunde, wenn er politische Grenzen bezeichnet (Art. 222).

Ein besonderer Strafschutz der öffentlichen V e r m e s s u n g s u n d W a s s e r s t a u d s z e i e h e n (Art. 223) ist im Interesse der Landesvermessung zu Ratasterzwecken und, in ähnlicher Richtung, im Interesse der Aufnahme der Wasserkräfte der Schweiz notwendig.

XII. Abschnitt.

Vergehen gegen den öffentlichen Frieden.

(Art, 224--228.)

Die Strafandrohungen dieses Abschnittes wenden sich zunächst gegen die Beunruhigung der Bevölkerung durch Bedrohung mit gewalttätigem Bruche des Rechtsfriedens (Schreckung der Be-

56 völkerung), durch Aufforderung zu solcher Gewalttätigkeit (öffentliche Aufforderung zu Vergehen) und endlich durch wirkliche Verübung von Gewalt (Landfriedensbruch).

Die Schreckung der Bevölkerung, im deutschen Rechte Landzwang geheissen, geht bisweilen vou Banden, bisweilen von Einzelnen aus, uud man hat allen Grund, sich z. B. der Verfasser von Drohbriefen zu versichern, da es meist recht gefährliche Leute sind. Diese Schreckung der Bevölkerung ist vor einigen Jahrzehnten häufig von anarchistischen Gruppen ausgegangen. Zu ihrer Bekämpfung wurde am 1. April 1891 eine Ergänzung des Bundesstrafgesetzbuches vorgenommen, worin mit Strafe bedroht wird, wer, in der Absicht, Schrecken zu verbreiten oder die allgemeine Sicherheit zu erschüttern, zu Verbrechen gegen die Sicherheit von Personen oder Sachen aufmuntert oder dazu Anleitung gibt. Solche Vorkommnisse würden unzweifelhaft unter Art. 224 fallen. -- Wo aber die Aufforderung nicht blosse Form der Drohung ist, sondern als solche ernst gemeint, trifft der Tatbestaud der öffentlichen Aufforderung zu. Die öffentliche Aufforderung kann als eine Art der Anstiftung angesehen werden; sie unterscheidet sich von der letztern dadurch, dass sie sich nicht an den Einzelnen wendet, ihm persönliche Beweggründe der Begehung der Tat zu unterschieben trachtet, sondern an Stimmungen und Triebe der Masse sich wendet, deren Entfesselung von den furchtbarsten Folgen sein kann. Auch diese wirkliche Aufforderung zur Begehung von Verbrechen (schweren Vergehen) war ein Weg zur anarchistischen Propaganda der Tat. Die beiden Räte erliessen daher am 30. März 1906 ein Buudesgesetz, das wegen Anreizung zu anarchistischen Verbrechen den bedrohte, der öffentlich zur Begehung anarchistischer Verbrechen auffordert oder dazu Anleitung gibt oder derartige Verbrechen ' öffentlich in der Absicht verherrlicht, andere zur Begehung solcher Handlungen anzureizen. Der Inhalt dieses Gesetzes wurde als Art. 52*1» dem Bundesstrafgesetzbuch einverleibt. Die Beschränkung auf das anarchistische Verbrechen ist hier fallen gelassen worden. Die beiden andern Tatbestände, die Anleitung und die Verherrlichung, wurden nicht aufgenommen, da die verkappte Aufforderung auch ohnedies unter die Straf bestimmung fällt. Art. 226 bedroht den Krawall mit nicht politischen Zielen ; der Aufruhr mit politischen
Endzwecken fällt unter Art. 229 oder 235, Ziff. 2. Die Rädelsführer können auck ohne eine besonders hierauf gerichtete Bestimmung schwerer bestraft werden als die übrigen Teilnehmer; zudem fallen sie als Urheber der von der Menge auf ihre Veranlassung hin begangenen Vergehen in Betracht.

Den Landfrieden unter den Glaubensbekenntnissen aufrecht zu erhalten, war seit Jahrhunderten Aufgabe der Eidgenossenschaft»

57 und wenn auch die Gefahr von Religionskriegen endgültig beseitigt zu sein seheint, so glaubte man doch, im Interesse des Friedens die verfassungsmässig garantierte Glaubensfreiheit (Bundesverfassung Art. 49 und 50) wenigstens in einer Richtung auch gegen Angriffe von Privaten schützen zu müssen. Der Schute gegen öffentliche Verhöhnung und Verunehrung, der hier den Glaubensansichten, Gegenständen religiöser Verehrung, Kultushandlungen und kirchlichen Gebäuden zuerkannt werden soll, ist allerdings bis zur Grenze des Möglichen ausgedehnt, wenn anders noch die freie Meinungsäusserung auch über diese Dinge als Recht des Einzelnen bestehen soll (Art. 227).

Bndlich sollen auch die Pietätsgefühle der Angehörigen gegenüber einem Toten geschont und geschützt werden (Art. 228). Die Möglichkeit einer solchen Verletzung von Gefühlen ist Grund der Strafbestimmung, ohne dass im einzelnen Falle die Verletzung nachgewiesen zu werden braucht; es handelt sich ja auch um eine Sache der guten Sitte.

XIII. Abschnitt.

Yergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung.

(Art. 229--248.)

Mit diesem Abschnitt beginnt die dritte Hauptgruppe der Tatbestände, der Vergehen gegen den Staat und die Rechtsgüter des Staates oder vielmehr gegen die reichen Rechtsgüter, welche die Einzelnen im Staate und seinen Einrichtungen besitzen.

1. Im vorliegenden Abschnitte werden zunächst die Vergehen gegen den Staat im a l l g e m e i n e n behandelt: Das gewaltlame Zerstörungswerk von innen heraus (Hochverrat, Art. 229), die Bedrohung der äussern Sicherheit des Gesamtstaates (Angriffe auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft, Landesverrat, Art. 230) und der Verrat aos Ausland, ohne Gewalt zu verüben oder anzurufen (Diplomatischer Landesverrat, Art. 231) ; letzterer in den drei Richtungen der Geheimnisverletzung, der Urkundenunterdrückung und der ungetreuen Geschäftsführung. In allen drei Richtungen ist die fahrlässige Vorübung des Vergehens wohl denkbar und wird deshalb auch mit Strafe bedroht, während Hochverrat und Angriffe auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft begrifflich nur mit-Vorsatz begangen werden können.

Wappen und Fahne als Hoheitszeichen der Eidgenossenschaft oder eines Kantons bieten einen Angriffspunkt für Beschimpfungen ; wir sollen diese Hoheitszeichen um so mehr schützen, als wir

58 auch denjenigen ausländischer Staaten Schutz gewähren, in beiden Richtungen allerdings nur dann, wenn die Zeichen behördlich angebracht sind. Soweit sie nur zum Schmucke der Strasse an Festen angebracht wurden, sind es auch keine Hoheitszeichen (Art. 232, vgl. Art. 262). In ähnlichem Verhältnis steht auch die Abwehr rechtswidriger Angriffe auf unsere Gebietshoheit und unser Gebiet (Art. 233) zur Unterdrückung solcher Unternehmungen unserer Staatsangehörigen oder von unserm Gebiete aus gegen Nachbarstaaten (Art. 263).

2. Die Vermehrung und Erweiterung der Bestimmungen zum S c h u t z e der L a n d e s v e r t e i d i g u n g ist schon geraume Zeit vor dem Ausbruch des Weltkrieges als notwendig empfunden worden, so dass die Beratung dieser Bestimmungen noch in Friedenszeiten in der Expertenkommission durchgeführt werden konnte. Wir haben dann auch einen Teil dieser Bestimmungen in die Verordnung betreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand vom 6. August 1914 und in die Verordnung betreffend den Schutz militärischer Geheimnisse vom 2. Februar 1917 aufgenommen und ihnen dadurch sofortige Wirksamkeit verliehen.

Der Gang der Dinge bestätigte das Bedürfnis und die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges. Die hier eingereihten Tatbestände haben sodann auch Aufnahme in den Vorentwurf zu einem schweizerischen Militärstrafgesetzbuche gefunden, zum Teil weil sie auch von Militärpersonen begangen werden können, zum Teil weil unter gegebenen Umständen Zivilpersonen, die sie begehen, der Militärgerichtsbarkeit unterstellt werden. Aber gerade weil die Militärstrafgesetzgebung diese Unterstellung unter militärische Gerichtsbarkeit einschränken wird, mussten die Tatbestände im -bürgerlichen Strafgesetzbuch beibehalten bleiben.

Die Mehrzahl dieser Vergehen hat ihre Bedeutung schon in Friedenszeiten, wenn es sich darum handelt, die Landesverteidigung vorzubereiten. In Zeiten eines aktiven Dienstes ist die Gefährlichkeit solcher Vergehen eine gesteigerte, daher der Strafschärfungsgi-und in Art. 234, Ziff. 2. Andere Handlungen und Unterlassungen werden erst in solchen Zeiten für die Landesverteidigung folgenschwer, vgl. die Art. 235, 236, 242, 245, 248, sowie die Art. 246 und 247, soweit sie die Internierten betreffen, da wir wohl kaum zu andern Zeiten Internierte haben werden. -- Zeiten des aktiven Dienstes
erleben wir unzweifelhaft jetzt, während der Dauer der Mobilisierung; nach dem Vorentwurf des Militärstrafgesetzbuches umfasst der aktive Dienst den Dienst zur Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes gegen aussen und zur Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern. -- Schliesslich finden einzelne Tatbestände nach ihrer Umschreibung nur Anwendung, wenn die

39 Schweiz selber iu einen Krieg verwickelt ist; nur dann kann ein Schweizer in den Fall kommen, die Waffen gegen sein Vaterland zu tragen (Art. 237), nur dann gibt es für uns Feinde (Art. 238) und haben wir Kriegsgefangene zu bewachen (Art. 247).

Der Entwurf teilt die Tatbestände in drei Gruppen: Verräterei (Art. 234--236), ein Verhalten, das mit oder ohne ausdrückliches Einvernehmen mit dem Auslande oder mit dem Feinde den Interessen der Landesverteidigung entgegenarbeitet und ·damit die entgegenstehenden Interessen fördert. Einmal durch landesverräterische Verletzung militärischer Geheimnisse, sodann durch die unmittelbare oder mittelbare Störung oder Gefährdung der militärischen Operationen, Handlungen hinter der Front, die sich teils gegen Sachen und Anstalten, die dem Heere dienen, richten, teils in der Erregung von Tumulten unter der Bevölkerung oder in der Störung von Betrieben, die für die Allgemeinheit oder die Heeresverwaltung wichtig sind (vgl. Art. 205, 226), bestehen.

Hierher zählt die Verbreitung falscher Nachrichten, wodurch vorsätzlich oder fahrlässig Unternehmungen der Armee gefährdet werden, während Art. 245 die Verbreitung in der Absicht, das Ansehen des Heeres zu schädigen, bedroht und das unerlaubte Verbreiten wahrer Tatsachen als Ungehorsam im Sinne von Art. 248 zu betrachten ist. Hervorgehoben sei noch, dass bei der Ausdehnung der Kriegsführung auf das Wirtschaftsleben der Kriegführenden auch die wirtschaftliche Begünstigung des Feindes durch Dienstleistungen, Lieferungen und Anleihezeichnungen unter Strafe gestellt werden muss.

Schwächung der Wehrkraft (Art. 239--242) bezieht sich teils auf den Personalbestand (Falschwerben, an Stelle des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1859, dann Verstümmelung und Dienstpflichtbetrug), teils auf den Unterhalt des Heeres (Verletzung von Lieferungs vertragen).

Störung der militärischen Sicherheit (Art. 243--240) wird zunächst in Eingriffen von Bürgern in den Dienstbetrieb (Verleitung zu Dienstpflichtverletzungen und Hinderung des Dienstes) gesehen, dann in falschen Nachrichten, die das Ansehen des Heeres schädigen, und in der Erschwerung der Haltung und Überwachung von Internierten und Kriegsgefangenen. Endlich wird die Gehorsamspflicht gegen die Anordnungen der Militärbehörden und der Kommandostellen in Zeiten eines aktiven Dienstes der bürgerlichen Bevölkerung eingeschärft.

Weitere Bestimmungen zum Schutze der Landesverteidigung sind bei den Übertretungen eingereiht (Art. 334--336).

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XIV. Abschnitt.

Vergehen gegen den Volkswillen.

(Art. 249--2540 Die Strafbestirnmungen dieses Abschnittes bezwecken, die Bürger in der Ausübung ihrer politischen Rechte, ihrer verfassungsmässigen Anteilnahme an der Bildung des Staatswillens, zu schützen-.

Der Umfang dieser Rechte und die Art der Ausübung ist i'ilr den Bund durch Bundesverfassung und Bundesgesetzgebung gegeben, für Kanton und Gemeinde durch Kantonsverfassung und kantonale Gesetzgebung. Bezirks- und Kreisverbände sind hier nicht genannt, weil sie keine autonomen Selbstverwaltungskörper sind, sondern lediglich Einteilungen des Staatsgebietes und Wahlkreise; in ihnen nimmt der Bürger an der Leitung kantonaler Angelegenheiten teil.

Wo die Kirche Staatsanstalt ist, fällt die Teilnahme an der Regelung ihrer Angelegenheiten mit den politischen Rechten des Bürgers in Staat und Gemeinde zusammen. Sind die kirchlichen Angelegenheiten von den bürgerlichen Angelegenheiten ausgeschieden, so entscheidet das kantonale Recht, welche Bürger an ihrer Ordnung teilnehmen. Aber auch da, wo Kirche und Staat grundsätzlich getrennt sind, wird den kirchlichen Körperschaften öffentlich-rechtlicher Charakter beigemessen, Stimm- und Wahlrecht usw. der Korporationsgenossen soll unter dem Schutze dieses Gesetzes stehen.

Ebenso die entsprechenden Rechte der Mitglieder anderer Korporationen, denen das kantonale Recht den Charakter von Gemeindeverbänden beimisst.

Neben den hergebrachten Tatbeständen von Wahl- und Abstimmungsvergchen sind weitere Tatbestände aufgestellt, dio das Recht der Anteilnahme an Referendums- und Initiativbegehren schützen und sich gegen unbefugte Anmassung dieses Rechtes kehren.

Zahlreiche Wahl- und Abstimrnungsrekurse haben die Notwendigkeit erwiesen, das Geheimnis schriftlicher Abstimmungen und Wahlen besonders zu schützen (Art. 253).

Es entspricht einem berechtigten Volksempfinden, dass derjenige, der gegen die politischen Volksrechte ein Vergehen verübt, zeitweise von der Ausübung solcher ausgeschlossen werde.

XV. Abschnitt.

Vergehen gegen die Staatsgewalt.

(Art. 255--260.)

Der Allgemeinwille wird durch die Behörden und Beamten vollzogen, die dem Volke dafür verantwortlich sind, dass die<

61 Tollziehung richtig und zum Wohle des Ganzen geschehe. Die Vergehen gegen die Staatsgewalt bestehen daher vorerst darin, dass der Einzelne seinen Willen dem Beamten aufdrängen möchte, durch Gewalt oder Drohung (Art. 255) oder durch Bestechung {Art. 257), oder gar an Stelle des Beamten sich setzt und sich ein Amt oder eine Befehlsgewalt anmasst (Art. 256). Dann sind es Fälle von Nichtbeachtung bestimmter amtlicher Anordnungen: Der Bruch amtlicher Beschlagnahme (Art. 258); der zivilrechtliche Arrest ist in Art. 146 geschützt. Sodann die Missachtung eines amtlich angebrachten amtlichen Zeichens (Art. 259)- Vergleiche dazu Art. 212, der die Fälschung solcher Zeichen bedroht. Endlich der Verweisungsbrueh (Art. 260), gleichviel, ob die Verweisung von einer vollziehenden oder Verwaltungsbehörde verhängt oder von einem Gerichte ausgesprochen sei. Überhaupt sind hier unter Behörden und Beamten sowohl Verwaltungsbehörden und Verwaltungsbeamte als Behörden und Beamte .der richterlichen Gewalt verstanden, Behörden und Beamte des Staates und der Gemeinden, die ja in letzter Linie auch Organe des Staates sind.

Andere Arten der Auflehnung gegen die Staatsgewalt sind in den Art. 334--346 als Übertretungen mit Strafe bedroht.

XVI. Abschnitt.

Vergehen gegen fremde Staaten.

(Art. 261--266.)

Der Staat, den wir durch die Strafandrohungen des XIII. bis XV. Abschnittes schützen wollen, ist unser Staatswesen, Bund und Kantone. Angriffe gegen auswärtige Staaten haben nicht wir ab.zuwehren, wir verweigern die Auslieferung der Urheber solcher Angriffe, wenn sie sich zu uns flüchten ; die Vergehen sind -- abgesehen von der Bestechung (Art. 257, Bundesgesetz betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande vom 22. Januar 1892, Art. 3, VII, g~) -- absolut politische Vergehen. Aber anderseits können wir nicht dulden, dass von unserm Boden aus wörtliche oder tätliche Angriffe auf fremde Staaten unternommen werden, da sie geeignet sind, den Frieden zwischen den Staaten zu gefährden. Wir erfüllen damit eine Pflicht gegen uns selber, wie eine völkerrechtliche Verbindlichkeit gegenüber andern Staaten.

Die Beleidigung eines fremden Staates in der Person seines Oberhauptes, seines Gesandten oder Geschäftsträgers oder in seiner Regierung ist schon im bisherigen Bundesstrafgesetzbuch, Art. 42 und 43, in etwas anderer Fassung vorgesehen. Wir haben die Bestimmungen wieder aufgenommen, weil in diesen Dingen Regie-

62 rungen und Völker oft äusserst empfindlich sind. Dabei sind auch die Einschränkungen der Strafverfolgung, dass sie nur auf Ersuchen der fremden Regierung und auf Anordnung des Bundesrates, die die Zusicherung des Gegenrechts zur Voraussetzung hat, vor sich gehe, wieder aufgenommen worden. Die Bedingung des Gegenrechts beseitigt den Einwand, dass wir ausländischen Regierungen einen stärkern Schutz der Ehre gewähren als der eigenen Landesregierung; im internationalen Verhältnis, auf das sich die Bestimmung allein bezieht, besteht diese Gleichstellung durchaus.

Allerdings soll der Bundesrat in Kriegszeiten, d. h. wenn wenigstens der auswärtige Staat im Kriegszustande sich befindet, von diesen Voraussetzungen absehen können (Art. 266).

Den übrigen Tatbeständen entsprechen solche, die zum Schutze des eigenen Staates aufgestellt worden sind. Art. 262 bedroht tätliche Angriffe auf fremde, Art. 232 . auf unsere Hoheitszeichen.

Ebenso Art. 263, Ziff. l, die Verletzung fremder, Art. 233 unserer Gebietshoheit. Art. 263, Ziff. 2, verbietet Handlungen gegen den Nachbarstaat, die, wean sie gegen die Schweiz gerichtet sind, als Hochverrat in Art. 229 unter Strafe gestellt werden. Art. 264 richtet sich gegen den freibeuterischen Neutralitätsbruch, Handlungen im Kriege, wie sie Art. 263 im Frieden verbietet. Die Bedrohung des militärischen Nachrichtendienstes auf unserm Gebiete gegen fremde Staaten entspricht dem Schutze militärischer Geheimnisse der Schweiz in Art. 234. Dieser Nachrichtendienst hat seine Hauptbedeutung in Zeiten, da unsere Nachbarstaaten in Kriege verwickelt sind; weil aber die Spionage auch in Friedenszeiten nicht ruht, würde sich eine Beschränkung der Strafandrohung auf kriegerische Zeiten da und dort nicht rechtfertigen.

XVII. Abschnitt.

Vergehen gegen die Rechtspflege.

(Art. 267--275.)

Die Vergehen der Beamten, und anderer zur Handhabung der Rechtspflege berufenen Personen sind im folgenden Abschnitt, dem Amts- und Berufsstrafrecht, enthalten, mehrfach gerade mit Betonung des Dienstes in der Rechtspflege. Anderseits sind die Vergehen gegen die Rechtspflege, die durch verbrecherische Einwirkungen auf die Verwalter derselben geschehen, im XV. Abschnitt behandelt, insbesondere findet sich dort das Verbot der Bestechung (Art. 257).

Es handelt sich also hier um Vergehen der Parteien, anderer am Verfahren beteiligter Personen uad von Dritten. Diese Tat--

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bestände, die sich nicht gegen die Person des Richters wenden, lassen sich in drei Gruppen einteilen: 1. V e r g e h e n g e g e n die S t r a f v e r f o l g u n g . Die missbräuchliche Anrufung der Strafverfolgungsbehörde in ihrer hässlichsten und gefährlichsten Form ist die Verzeigung einer Person mit dem Bewusstsein ihrer Nichtschuld. Neben der förmlichen Strafanzeige mit namentlicher Bezeichnung des Beschuldigten sollen auch andere arglistige Veranstaltungen, wie z. B. die Herrichtung falscher Spuren, die zur Verfolgung eines Nichtschuldigen verleiten müssen, bestraft werden, wie dies z. B. Art. 177 des Strafgesetzbuches des Kantons Tessin vorsieht (Falsche Anschuldigung, Art. 267).

Die Irreführung der Rechtspflege (Art. 268) kann, wenn wissentlich eine strafbare Handlung angezeigt worden ist, die nicht begangen wurde, um etwa eine Unterschlagung, die der Anzeiger verübt hat, zu verschleiern, dieselbe Gefahr in sich schliessen, doch wird diese Folge vom Täter nicht gewollt. Anders die falsche Selbstanzeige. Geschieht sie, um aus irgendwelchen Gründen die Schuld eines andern zu übernehmen, so würde darin eine nach dem folgenden Artikel strafbare Begünstigung liegen ; es. können aber auch andere Gründe vorliegen, z. B. der, den Verdacht der anderweitigen Begehung eines schwerern Vergehens von sich abzulenken. Überall soll das frevle Spiel mit dem Strafrichter einer Ahndung rufen.

Die (persönliche) Begünstigung entzieht den Täter bald schon der Strafverfolgung, bald tritt sie erst ein, um ihn der Urteilsvollstreckung zu entziehen. Die Beweggründe sind hier oft uneigennützige, so sehr, dass sie Straflösigkeit bewirken. Das Gesetz zieht die Grenze mit Rücksicht auf die nahen Beziehungen des Täters zum Begünstigten. Der Richter wird die Beweggründe, die übrigens auch eigennützige sein können, im Strafmass berücksichtigen (Art. 269).', 2. Die zweite Gruppe von Tatbeständen bezweckt den S c h u t z der Wahr h ei t s er mi t t l u n g im Prozesse, und zwar in gleicher Weise im Strafprozess, im Zivilprozess und im Verwaltungsrechtsstreit (Art. 273).

Die falsche Parteiaussage im Zivilprozess und Verwaltungsrechtsverfahren ist nur dann ein Vergehen, wenn und soweit das Prozessrecht ihr Beweiskraft beimisst. Das ist der Fall vorab bei der Einvernahme unter Gelübde oder Eid; die Bestimmung ersetzt also
die kantonalen Strafgesetze gegen den Meineid.

Der Tatbestand des falschen Zeugnisses, falschen Gutachtens und der falschen Übersetzung (Art. 271) ist althergebracht; die Strafmilderung bis zur Straflösigkeit bei tätiger Reue liegt im Interesse

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der Rechtspflege. Da die Sachverständigen, Übersetzer und Dolmetscher ebensowohl als Gehülfen des Richters, wie als Beweismittel anzusehen sind, gelten für sie auch die Bestimmungen über Bestechung und Geschenkannahme (Art. 279, 280, 257).

Über den Schutz des Urkundenbeweises vergleiche die Art. 217 bis 221 und 281. Diese Bestimmungen haben auch besondere Bedeutung für das Verfahren in der nichtstreitigen (freiwilligen) Gerichtsbarkeit.

3. Der S t r a f v o l l z u g wird gesichert gegen Befreiung von Gefangenen (Art. 274), die als Amtsvergehen des Entweiehenlassens in Art. 283 bedroht ist. Die Selbstbefreiung wird nicht als Vergehen behandelt, was disziplinäre Bestrafung nach kantonalem Rechte nicht ausschliesst. Dagegen ist die Meuterei (Art. 275) als Vergehen strafbar. Ferner wird der Dritte, der dem Flüchtling Vorschub leistet oder Unterschlupf gewährt, als Begünstiger (Art. 269) behandelt. Bei der hohen Bedeutung, die den in Freiheitsentzug bestehenden sichernden Massnahmen (s. oben S. 9, 15, 26 ff.) beigemessen werden musa, ist es wünschenswert, dass auch diesen Einweisungen in Anstalten derselbe Strafschutz zuteil wird. Derselbe Grund, die Gesellschaft zu schützen vor gefährlichen Leuten, besteht natürlich auch bei solchen, die nach kantonalem Verwaltungs- und Polizeirecht eingewiesen wurden ; man denke nur an gefährliche Geisteskranke.

Die Strafvollstreckung betreffen auch die Übertretungstatbestände der Art. 344--346.

XVIII. Abschnitt.

Vergehen gegen Amts- und Berufspflicht.

(Art. 276--287.)

1. Die Bedeutung des Wortes B e a m t e r , das auch den Angestellten mitumfassen soll, ist in Art. 97, Ziff. 4, erläutert. Gemeint sind sowohl die Verwaltungsbeamten als die Beamten der Rechtspflege. Behörden sind zur selbständigen Ausübung hoheitlicher oder autonomer Rechte berufene Kollegien, also vorab Bundesversammlung, Kantonsräte, Gemeindeausschüsse. Ihre Mitglieder sind nicht Beamte im engern Sinne des Wortes; sie sind daher besonders genannt, wo sie einer Strafbestimmung unterstellt werden sollen. Das ist geschehen in den Art. 276, 278, 279, 280; wir wollen den guten Ruf unserer Behörden wahren. Bei den andern Tatbeständen kann kaum ein Mitglied einer Behörde als Täter in Frage kommen.

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Man hat keinen allgemeinen Tatbestand der vorsätzlichen und fahrlässigen Amtspflichtverletzung aufgestellt, sondern einzelne Arten vorsätzlicher und besonders wichtiger Amtspflichtverletzung bedroht.

Ein Teil dieser Tatbestände betrifft die allgemeine Amtspflicht: Täter kann jeder Beamte sein ; ein Teil die besondere Amtspflicht der Beamten einzelner Verwaltungszweige.

Die Verletzung der allgemeinen Amtspflicht wird hauptsächlich da bedroht, wo sie in einer eigennützigen Ausbeutung der durch das Amt verliehenen Machtbefugnisse besteht: Amtsmissbrauch (Art. 276), Gebührenüberforderung (Art. 277), ungetreue Amtsführung (Art. 278"), entsprechend der ungetreuen Geschäftsführung in Art. 136, Sich bestechenlassen und Annahme von Geschenken (Art. 279, 280). Dann aber auch in andern Richtungen, ohne dass der Nachweis eines gewinnsüchtigen Beweggrundes erforderlich wäre, nämlich falsche Beurkundung (Art. 281), Entweichenlassen von Gefangenen (Art. 283), Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 284), gleichviel, ob das Geheimnis seinem Inhalte nach Staatsgeheimnis oder Privatgeheimnis sei.

Als besonderes Amtsvergehen wird behandelt die Verletzung der Beförderungspflicht und der Pflicht zur Geheimnisbewahruug durch Postbeamte, Telegraphen- und Telephonbearnte (Art. 286, 287).

Ergänzend tritt das Beamtendisziplinarrecht, sei es des Bunde», sei es der Kantone, ein; dagegen gibt es keine Amtspflichtverletzungen, die als Übertretungen behandelt würden.

Die Strenge des Beamtenstrafrechtes entspricht der grossen Bedeutung, die wir der Aufrechterhaltung des guten Rufes, den die Beamten unseres Landes bisher mit Recht genossen haben, bei messen.

2. Auch gewisse P r i v a t p e r s o n e n unterstehen einzelnen Strafbestimmungen dieses Abschnittes. Einmal zur Ausübung des Richteramtes berufene Personen (Geschworne) und Schiedsrichter, ferner die vom Richter oder andern Beamten als Gehülfen zugezogenen Sachverständigen, Übersetzer und Dolmetscher bezüglich der Bestechung und Annahme von Geschenken (Art. 279, 280).

Gleicherweise werden bestraft wegen falscher Beurkundung Personen öffentlichen Glaubens, also namentlich die Notare, auch da, wo sie nicht Beamte, sondern Berufsleute sind (Art. 281). Sodann Ärzte und Tierärzte, auf deren Zeugnisse die Behörden oft abstellen müssen (Art. 282)1. Endlich eine Reihe von
Berufsleuten, die ein Berufsgeheimnis zu wahren haben (Art. 285). Tatsächlich musa man ihnen dasselbe Vertrauen wie den Beamten entgegenbringen ; der Bürger soll wissen, dass dieses Vertrauen nicht ungestraft verletzt werden darf.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IY.

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Zweites Buch: Von den Übertretungen.

1. Umfang des Übertretnngsstrafrechts.

Die Frage, ob ein strafbares Verhalten als Vergehen oder als Übertretung zu behandeln sei, ist vom Gesetzgeber für jeden einzelnen Tatbestand zu prüfen und abzuwägen. Man hat versucht, als durchgreifenden Unterschied zwischen Vergehen und Übertretung die Folgen des Verhaltens zu erklären; was die Allgemeinheit oder den einzelnen in seinen rechtlich zu schützenden Interessen schädigt oder gefährdet, sollte als Vergehen, was lediglich einen Ungehorsam gegen Vorschriften enthält, die zum Schutze der öffentlichen Ordnung, zur Vorbeugung gegen Schaden und Gefahren, erlassen worden sind, sollte als Übertretung angesehen werden. Allein abgesehen davon, dass sich nicht leicht scheiden lässt zwischen unmittelbarer und mittelbarer Erregung einer Gefahr, hat das geltende Recht und das frühere Recht von jeher gewisse Schädigungstatbestände, wie Mundraub, Wald- und Feldfrevel, den Übertretungen zugezählt, während der blosse Ungehorsam unter gegebenen Voraussetzungen als Vergehen behandelt werden muss, wie zum Beispiel in Art. 248. Eher wird für den Gesetzgeber die Erwägung wegleitend sein, ob für die wirksame Bekämpfung des ungebührlichen Verhaltens die beschränkten Strafmittel des Übertretungsstrafrechts, Busse und kurzzeitige, des Makels der schwereren Freiheitsstrafen entbehrende Freiheitsentziehung ausreichend sein dürften und ob das in Übertretuagsfällen vorgesehene abgekürzte, den Täter weniger beschwerende Verfahren am Platze sei. Insbesondere waren alle diese Betrachtungen anzustellen, wo es sich fragte, ob besonders leichte Fälle von Vergehenstatbeständen wie in Art. 124, 125, 217 als Vergehen zu behandeln, oder os sie in selbständigen Übertretungstatbesländen zu fassen seien,'wie in Art. 300, 301.

Die andere Frage, die zu lösen war, ging dahin, wieweit der Bundesgesetzgeber auf dem Gebiete der Übertretungen sein Gesetzgebungsrecht auszuüben und damit die Möglichkeit kantonaler Strafbestimmungen ausschliessen solle. In dieser Richtung sind im Entwurfe der Bundesgesetzgebung engste Schranken gezogen.

Nur Tatbestände folgender Art haben Aufnahme gefunden : a. Die Übertretung von Bundesvorschriften, deren Bedrohung bisher dem kantonalen Recht überlassen war, so Art. 308, 309 (Schuldbetreibungs- und Konkursrecht), 325, 326
(Münzrecht), 310, 348 (Obligationenrecht und Zivilgesetzbuch). In einem weiteren Sinne gehören auch Art. 307 und 347 hierher. Die Einheit der Norm erfordert auch eine einheitliche Sanktion, heute kann

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und muss diese Forderung erfüllt werden. Das gilt im Grunde auch für die Vorschriften zur Sicherung des Vollzugs einzelner Strafarten dieses Gesetzes (Art. 344 bis 346).

b. Übertretungen, die mit den Vergehenstatbeständen im ersten Buche enger zusammenhängen. So die oben schon besprochenen Übertretungen, die als leichtere Fälle entsprechender Vergehen von ihnen losgelöst wurden, insbesondere bei den Vermögensvergehen (Art. 298--305). Nur der ßundesgesetzgeber kann die Grenze zwischen diesen Vergehen und Übertretungen ziehen, sonst würde der Begriff des Vergehens in den verschiedenen Kantonen verschiedenen Umfang erhalten; nur der Bundesgesetzgeber kann .lückenlos und in einer den Anschluss an die Umschreibung der betreffenden Vergehen sichernden Weise die Vorschriften betreffend die Übertretungen erlassen.

c. Übertretungstatbestände, die schon in frühern Bundesgesetzen enthalten waren, durch die also kein bisheriger kantonaler Rechtssatz verdrängt wird. So sind die Art. 306 und 324 aus dem Lebensmittelgesetz, Art. 327 aus dem Nationalbankgesetz, Art. 328 aus dem Postgesetz herübergenommen.

d. Übertretungen anderer Art wurden nur aufgenommen, wenn sie eine allgemeine und nicht bloss lokale Bedeutung in sich tragen.

Die Art. 296 (Unterlassung der Nothülfe), 333 (Tierquälerei) unterstützen Gebote von hervorragend ethischem Gehalte. Die Art. 297 und teilweise 332 ergänzen den Kinder- und Jugendschutz des ersten Buches, die Art. 314--320 gehören zum Kampfe gegen die Unsittlichkeit usw. Endlich das Pressübertretungsrecht (Art. 349), dessen Aufnahme erforderlich ist, da Art. 64bis, Absatz 3 der Bundesverfassung das Gesetzgebungsrecht der Kantone aufhebt.

2. Allgemeiner Teil.

Die Bestimmungen des allgemeinen Teils des ersten Buches gelten auch für die Übertretungen, mit Vorbehalt der Änderungen, die hier angebracht sind.

Somit kommen zur Anwendung dieselben Grundsätze über den Geltungsbereich des Strafgesetzbuches (Art. 3--9), ohne jede Einschränkung.

Ebenso die Vorschriften betreffend Zurechnungsfähigkeit und Schuld (Art. 10--18). Entgegen der französischen Theorie, dass zur Strafbarkeit der Übertretung die Erfüllung des äussern Tatbestandes hinreiche, wird hier derselbe Schuldnachweis verlangt, wie bei Vergehen ; insbesondere soll regelmässig nur die vorsätzliche Verübung .strafbar sein (Art. 16).

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Der Versuch wird nur in den Fällen der Art. 302, 303, 334 bestraft; im übrigen bleibt er, soweit überhaupt bei Übertretungen sich ein Versuchsstadium ausscheiden lässt, straflos.

Uneingeschränkt kommen die Bestimmungen über Teilnahme (Art. 22--25) hier zur Anwendung. Auch die Grundsätze der Verantwortlichkeit für Pressvergeheu ; bestehen doch einige Übertretungen in unerlaubtem Veröffentlichen, was vorzugsweise durch die Presse geschieht. Dagegen ist die Verantwortlichkeit für die Übertretung presspolizeilicher Vorschriften in Art. 349 besonders geordnet.

Ebensowenig ist mit Bezug auf Strafantrag (Art. 27--30) und rechtmässige Handlungen (Art. 31--33) etwas anderes für die Übertretungen bestimmt.

Als Hauptstrafen kommen bei Übertretungen lediglich Haft und Busse vor; das ergibt sich aus den Strafandrohungen im besondern Teil. Für die Haft ist die Möglichkeit bedingten Strafaufschubs vorhanden; die Erprobungszeit ist gekürzt. Indessen lassen die mit ihm verbundenen schweren Auflagen es zweifelhaft erscheinen, ob dessen Gewährung vom Übertreter stets als Wohltat empfunden würde.

Sodann ist die Anwendung einzelner Nebenstrafen und sichernder Massnahmen gar nicht, die Verwendung anderer Nebenstrafen und Massnahmen nur da zulässig, wo sie ausdrücklich angedroht ist. Von den vorsorglichen und andern Hassnahmen sind Friedensbürgschaft, Einziehung und Verfall von Geschenken unbeschränkt anwendbar. Die Vorschrift über die Verwendungen zugunsten der Geschädigten wird tatsächlich kaum in Frage kommen.

Auch für die Strafzumessung kommen dieselben Grundsätze wie bei den Vergehen zur Geltung. Gewiss werden die meisten Fälle dem Richter kein Rätsel des Seelenlebens des Täters stellen, aber es ist nicht zu verkennen, dass einzelne Übertretungen, wie z. B. die des Art. 332, auf eingewurzelte Charaktermängel zurückgehen, andere, wie die des Art. 333, oft auf gefährliche Anlagen schliessen lassen und bei noch andern eine Rücksichtslosigkeit zutage tritt, die dem Richter Veranlassung gibt, sich mit der ganzen Persönlichkeit des Täters näher zu beschäftigen und vielleicht andere Behörden zum Aufsehen zu mahnen. Was insbesondere den Rückfall anbetrifft, gelten einmal, mit der einzigen Einschränkung von Art. 293, die Bestimmungen über den allgemeinen Rückfall auch hier; daneben wird der besondere Rückfall, d. h.
die Wiederholung der gleichen Übertretung, für die nur mit Busse bedrohten Fälle in Art. 293, Ziffer 2, allgemein vorgesehen und überdies in den Art. 297, Ziffer 2; 316; 332, Ziffer 2; 333, Ziffer 2, auch bei wahlweiser Androhung von Haft und Busse berücksichtigt.

69 Begehen Kinder oder Jugendliche eine als Übertretung bedrohte Tat, so kommen immer nur die Bestimmungen der Art. 80 bis 96 zur Anwendung.

3. Besonderer Teil.

Die einzelnen Tatbestände sind nach den Abschnitten des besondern Teils des ersten Buches gruppiert.

a, Übertretungen g e g e n L e i b und L e b e n (Art. 295 bis 297). Hier ist eine Bestimmung eingereiht gegen Tätlichkeiten ohne Folgen, die weder Körperverletzungen sind, noch in allen Fällen als tätliche Beschimpfungen aufgefasst werden können. Die ·Bestrafung der unterlassenen Nothülfe soll, in Übereinstimmung mit dem Volksempfinden, recht naheliegende Pflichten gegenüber Mitmenschen einschärfen, namentlich da, wo der Zeuge des Unfalls diesen selber herbeigeführt hat (Überfahren mit Automobil u. dgh).

Der Kinderschutzartikel, der sich gegen das Verabreichen von geistigen Getränken an Kinder wendet, ist schon oben besprochen worden.

b. Übertretungengegen das V e r m ö g e n (Art. 298--3J2_).

Zunächst folgen hier eine Reihe von Tatbeständen, die leichtere Fälle von Vergehen an Sachen in sich schliessen. Eine weitere Reihe steht mit dem Vergehen des Betruges in näherer Beziehung.

So die boshafte Vermögensbeschädigung durch Täuschung, aber ohne Bereicherungsabsicht, z. B. schriftliche Bestellung einer noch anzufertigenden Ware unter falschem Namen, bloss um dem Getäuschten einen schlimmen Streich zu spielen. Dann die Erschleichung einer Leistung, Transportleistung, künstlerischen Darbietung, Abgabe aus einem Warenautomaten, womit eine Reihe juristischer Fragen, ob jeweilen Betrug, Diebstahl oder Unterschlagung vorliege, ausgeschaltet und eine angemessene Behandlung des Täters gesichert wird. In gleicher Weise wird auch die Zech- und Herbergeprellerei zum selbständigen Tatbestand erhoben, da es manchmal recht zweifelhaft sein kann, ob die Tatbestandsmerkmale des Betruges wirklich erfüllt seien. Das Einführen und Lagern gefälschter Waren u. dgl. ist eine Vorbereitutngshandlung zum Inverkehrbringen gefälschter Waren (Art. 132}. Dieselben Handlungen, begangen mit gesundheitsschädlichen Waren, sind in Art. 201 als Vergehen bedroht.

Die Errichtung von Spielbanken ist durch Art. 35 der Bundesverfassung untersagt. Die Durchführung des Verbotes soll nunmehr auch durch eine bundesreöhtliche Strafbestimmung gestützt werden ; selbstverständlich wird dadurch der unmittelbare Zwang,

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polizeiliche Schliessung von Spiellokalen, nicht berührt. Anderseits würde auch die Annahme der Volksinitiative auf Abänderung des Art. 35 der Bundesverfassung (Bundesblatt 1916, III, 1) nur den Umfang des Verbotes gegenüber dem Bundesratsbeschluss vom 12. September 1913 erweitern, ohne eine Änderung der Strafbestimmung erforderlich zu machen. Durch denselben Artikel der Bundesverfassung ist dem Bunde ferner die Befugnis eingeräumt, in Beziehung auf die Lotterien geeignete Massnah men zu treffen. In Verbindung mit der Abnahme des Geschäftsberichtes von 1910 hat am 28. September 1911 der Nationalrat ein Postulat beschlossen, das den Bundesrat einladet, über die Ausführung der verfassungsrechtlichen Bestimmung zu berichten. Demzufolge hat unser Justiz- und Polizeidepartement die Vorbereitung eines Gesetzes in Angriff genommen. Da der vorliegende Art. 307 nur die nicht behördlich bewilligten Veranstaltungen, Lotterien, andere Glücksspiele, Wettbureaux, mit Strafe bedroht, wird den Bestimmungen des kommenden Bundesgesetzes darüber, ob der Bund oder die Kantone Bewilligungen zu erteilen haben, unter welchen Bedingungen sie, erteilt werden dürfen u.

dgl. in keiner Weise vorgegriffen, ja es kann die Strafandrohung schon unter dem geltenden Rechtszustand zur Anwendung gebracht werden.

Mit dem Spiel- und Lotterieunwesen ist regel mässig die weitere Ausbeutung leichtgläubiger Leute durch Wahrsagen in den verschiedensten Formen verbunden (Art. 304). Die Ausbeutung erfolgt aber auch unabhängig von dieser Veranlassung. Es ist lediglich ein Ausbau der Gedanken, welche die neuere Wuchergesetzgebung beherrschen, wenn dieser, wieder um sich greifenden und mit Hülfe der Anzeigeblätter zum lohnenden Gewerbe sich ausbildenden Ausbeutung vom Strafgesetzgeber entgegengetreten wird.

Das Konkurs- und Betreibungsstrafrecht der Art. 140 ff. findet ·seine Ergänzung in den Strafbestimmungen bei Ungehorsam des Schuldners und dritter Personen gegen diejenigen Vorschriften des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes, welche von ihnen ein Handeln, ein Mitwirken verlangen, und gegen die Anordnungen der zuständigen Behörden. Soweit diese Unterlassungen nicht in blossem Ungehorsam bestehen, sondern betrügliche Absichten verwirklichen sollen, greift die Bestrafung wegen des entsprechenden Vergehens Platz.

Art. 310, ordnungswidrige
Führung der Geschäftsbücher und Unterlassung der Buchführung, bringt die durch Art. 880 des Obligationenrechts den Kantonen vorbehaltene Strafbestimmung.

Sodann wird im folgenden Artikel die Verantwortlichkeit für die

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Buchführung, wie für die Übertretungen des Betreibung^- und Konkursrechtes im Betriebe von juristischen Personen und Handelsgesellschaften in Übereinstimmung mit Art. 149 geordnet. Und weiter enthält auch Art. 312 ein notwendiges Stück der Reform des Aktien- und Genossenschaftsrechtes. Es ist indessen diese Strafbestimmung, so wenig als die des Art. 130, abhängig- von einer bestimmten zivilrechtlichen Ausgestaltung dieser Gesellschaftsformen.

Die Verletzung des Briefgeheimnisses bildet die Ergänzung zu den in den Art. 137--139 enthaltenen Bestimmungen zum Schutze immaterieller Güterrechte, wenn auch ein Vermögenswert des hier geschützten Geheimnisses nicht vorausgesetzt wird und daher auch nicht nachgewiesen zu werden braucht.

c. Ü b e r t r e t u n g e n g e g e n die S i t t l i c h k e i t (Art. 314 bis 320). Zunächst soll der Verkehr auf der Strasse gegen die Zudringlichkeit von Leuten, die behufs Geschlechtsverkehrs Beziehungen anzuknüpfen suchen, gesichert werden. In Art. 314 wird die Belästigung der ehrbaren Frau bedroht, in Art. 315 die Lockung der Prostitution, das Anbieten zu heterosexuellem wie zu homosexuellem Verkehr. In beiden Richtungen wird ein Verhalten des Täters vorausgesetzt, das in einer auch für Dritte einigermassen erkennbaren Weise in die Erscheinung tritt. Essoll dabei das öffentliche Ärgernis bekämpft werden, das Ärgernis sowohl im Sinne einer Verletzung der Anstands- und Sittlichkeitsempfindungen wie auch im Sinne der Gefahr einer Abstumpfung dieses Empfindens. Auch die folgende Strafbestimmung gegen Belästigung durch gewerbsmässige Unzucht will die Prostitution in gewisse Schranken weisen. Von besonderer Bedeutung dürften die Vorschriften des Art. 317 werden, indem hier der Richter ermächtigt wird, unter Umständen mit Herbeiziehung freiwilliger, humaner Veranstaltungen, wie der Magdalenenstifte, die Rettung jugendlicher Prostituierter aus leiblicher uad sittlicher Verderbnis mittelst sichernder Massnahmen zu versuchen.

Zwei weitere Tatbestände ergänzen die Strafbestimmungen gegen die Kuppeleivergehen, Art. 318 und 319. Die erste derselben, Dulden gewerbsmässiger Kuppelei in dea Mietsräumen, schränkt die Zusicherung der Straflösigkeit des Vermieters in Art. 173 allerdings sehr ein.

Sodann wendet sich das Gesetz gegen die aufdringliche, Sitte und Anstand verletzende
Ankündigung von Gegenständen zur Verhütung der Schwangerschaft oder der Ansteckung (Art. 320). An sich sind es keine unzüchtigen Gegenstände, deren Herstellung schon nach Art. 179 bestraft werden könnte. Aber ihre Aus-, Stellung und Anpreisung kann vergiftend auf die Phantasie, ins-

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besondere der jungen Leute wirken, weshalb wir auch der ungebetenen Versendung von Anzeigen an Einzelne oder Familienmitglieder entgegentreten möchten, soweit nicht ein berufliches Interesse des Adressaten, wie bei Ärzten, vorausgesetzt werden darf: d. G e m e i n g e f ä h r l i e h e Ü b e r t r e t u n g e n (Art. 321-- 323). Zumeist sind es Verletzungen einer Aufsichts- oder Verwahrungspflicht. So die vorsätzliche oder fahrlässige Vernachlässigung der Aufsicht über einen gefährlichen Geisteskranken, gleichviel ob die Beaufsicbtigungspflicht auf einer amtlichen Anstellung, auf Familienpflicht oder auf Vertragsrecht beruhe. Die drohende Gefahr für Dritte braucht im Einzelfalle nicht nachgewiesen zu werden, so sehr ihre Möglichkeit Grund zum Erlass der Strafbestimmung ist. Bedarf dagegen ein Geisteskranker um seiner Hülflosigkeit willen fürsorglicher Aufsicht, so fällt deren Vernachlässigung unter Art. 112. Die Pflichten des Halters wilder oder bösartiger Tiere werden vom Obligationenrecht in Art. 56, wie hier vom Strafgesetz, eingeschärft. Die Herbeiführung von Gefahr durch Reizen und Scheumachen, etwa von Pferden, das Hetzen und Nichtzurückhalten von Hunden kann sowohl der Tierhalter als auch, in den meisten Fällen, ein Dritter begehen. Geschieht es mit dem Vorsatze, jemanden körperlich zu verletzen, mit oder ohne Erfolg, so tritt die Strafe vollendeter oder versuchter Körperverletzung ein.

e. Als Üb e r tre tu ng g e g e n die o f f e n t l i c h e G e s u n d h e i t ist hier lediglich das Inverkehrbringen verdorbener Lebensmittel oder unreifen Obstes als Essobst (Art. 37 des Lebensmittelgesetzes, Art. 91 der Verordnung betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln) eingesetzt ; ein Tatbestand, der als Übertretung aus dem Vergehenstatbestand des Art. 201 ausgeschieden ist, weil es sich nicht um einen Verkehr handelt, der durch vorsätzliche Massenerzeugung gesundheitsschädlicher Waren genährt wird, sondern um gelegentliche Vorkommnisse, wenn z. B. durch Nachlässigkeit oder Unfall Waren in Verderbnis geraten sind.

f. Ü b e r t r e t u n g e n gegen den Geld- und W e r t z e i c h e n v e r k e h r (Art. 325--328). Wer verrufenes oder abgenütztes Metallgeld des In- oder Auslandes oder Silberkurantmünzeu und Scheidemünzen, die in der Schweiz keinen gesetzlichen Kurs haben, in grosser Menge in Umlauf
setzt, gefährdet die Reinheit und Sicherheit des Geldumlaufs. Um der niedrigen Spekulation auf Unkenntnis und Unaufmerksamkeit der Leute oder auf ihr Unvermögen, sich der Zumutung zu entziehen, wie bei Geschäftsleuten und Lohnarbeitern, wirksam entgegenzutreten, wird schon die Einfuhr und der Erwerb in grössern Mengen verboten; man kann alsdann rechtzeitig die Vorräte mit Beschlag belegen. In

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Art. 325 wird von abgenutzten, d. h. durch den Umlauf allmählich im Werte verringerten Münzen gesprochen ; in Art. 210 handelt es sich um vorsätzlich im Werte verringertes Geld.

Gefährdungstatbestände sind auch die beiden folgenden insofern, als das Nachmachen und Nachahmen von Geld, Banknoten und amtlichen Wertzeichen (Postwertzeichen) lediglich wegen der Gefahr des Missbrauchs der nachgemachten oder nachgeahmten, Stücke bedroht wird ; der wissentliche Missbrauch derselben steht unter den schwereren Strafbestimmungen des ersten Buches. Das Verbot, Geld, Banknoten und amtliche Wertzeichen nachzumachen oder nachzuahmen, auch wenn Fälschungsabsicht nicht vorhanden ist, ist dem Bundesgesetz über die Nationalbank, Art. 70, entnommen; aber der Schutz wird hier auch auf Geldmünzen, Banknoten des Auslandes und amtliche Wertzeichen ausgedehnt. Eine besondere Bestimmung war notwendig über die Nachahmung von Postwertzeichen für den Briefmarkenhandel zu Sammlungszwecken.

Die Fabrikation solcher Nachahmungen kann, weil ein gewisses Bedürfnis vorliegt, nicht einfach verboten werden, aber die Nachahmungsverfahren sind so sehr vervollkommt worden, dass die Bezeichnung der einzelnen Stücke als unecht verlangt werden muss, um die Postverwaltungen vor Schaden zu bewahren. Der Weltpostvertrag verpflichtet uns, auch die Interessen dei1 abgelegensten Länder in Schutz zu nehmen.

g. Ü b e r t r e t u n g e n g e g e n d e n ö f f e n t l i c h en F r i e d e u (Art. 329--333). Nach den dargelegten Grundsätzen über die Abgrenzung gegenüber dem kantonalen Polizeiverordnungsreeht sind hier nur einige Tatbestände aufgenommen worden, die von allgemeiner Bedeutung sind. Auf den Zusammenhang insbesondere der Vorschriften von Art. 331--333 mit den allgemeinen Richtlinien der Verbrechensbekämpfung ist bereits hingewiesen worden. Hier sei nur noch die Notwendigkeit hervorgehoben, bei Trunkenheit, Landstreicherei und Bettel dem Richter die Möglichkeit zu geben, sichernde Massnahmen anzuordnen. Die Aufnahme von Bestimmungen zum Schutz der Tiere und Bekämpfung der Tierquälerei waren schon in den ersten Vorentwürfen in Aussicht genommen.

Die besondere Hervorhebung des Verbotes tierquälerischer Schaustellungen entspricht dem Standpunkte, den wir in unserm Kreisschreiben vom 12. September 1912 an die Kantonsregierungen, dann gegenüber
dem Rekurs der Gesellschaft Tiro a volo in Lugano und endlich in unserer Beantwortung der Motion Simonin, die vom Nationalrat unterm 4. Juni 1913 erheblich erklärt wurde, eingenommen haben. Unter den andern zur Verhütung von Tierquälereien erlassenen Vorschriften, die weiter in Kraft bleiben sollen, sind insbesondere die Polizeivorschriften für den Transport

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lebender Tiere auf den schweizerischen Eisenbahnen und Dampfschiffen, im Anhang zum Transportreglement, zu erwähnen.

h. Ü b e r t r e t u n g e n gegen die L a n d e s v e r t e i d i g u n g (Art. 334--335). Während in Art. 234 die landesverräterische Verletzung militärischer Geheimnisse als Vergehen bedroht wird, handelt es sich hier um die Gefährdung dieser Geheimnisse durch unerlaubte Handlungen, bei denen eine verräterische Absicht nicht vorausgesetzt wird. Der Handel mit beschlagnahmtem Material ist als Ungehorsam gegenüber einer durch allgemeine Anordnuüg verhängten Beschlagnahme oder einer an einzelne gerichteten militärischen Requisition behandelt; der Bruch einer durch Zivilbehörden angeordneten und vollzogenen Beschlagnahme findet seine Ahndung als Vergehen in Art. 268. Endlich wird das unbefugte Tragen der Uniform des schweizerischen Heeres durch Nichtdienstpfliohtige als Übertretung erklärt. Der Dienstpflichtige, der unbefugterweise ausserdienstlioh im Wehrkleid auftritt, ist dem Militärdiszip'linarrecht unterworfen.

i . Ü b e r t r e t u n g e n g e g e n d i e S t a a t s g e w a l t (Art.

337--343). Die hier behandelten Übertretungen sind zunächst Fälle einfachen Ungehorsams gegen Anordnungen von Behörden und Beamten, während die gewaltsame Auflehnung nach Art. 255 ein Vergehen ist. Die Nichtbefolgung solcher Anordnungen und Verfügungen ist oft schon in den Gesetzen, auf welche sie sich stützen, mit Strafen bedroht. Diese Strafbestimmungen gehen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen den hier enthaltenen Androhungen vor; diese letztern sind somit als Aushülfsnormen zu betrachtenWenn bei den Anordnungen und Aufforderungen der Polizeibeamten der förmliche Hinweis auf das Strafgesetz nicht erfordert wird, so rechtfertigt sich das aus dem Umstände, dass bei polizeilichen Anordnungen und Aufforderungen meist eine augenblickliche Gefahr abzuwenden ist, so dass die Beobachtung von Formen kaum möglich ist, insbesondere nicht eine protokollarische Feststellung, dass der Hinweis stattgefunden habe. Dass die amtliche Aufsicht über die Versorgung hülfloser Personen nicht gehindert oder unwirksam gemacht werde, ist von grosser Wichtigkeit; die Androhung wendet sich hauptsächlich an die Leiter von Privatanstalten. Das Amtsgeheimnis zu wahren, ist in erster Linie Pflicht der Behörden und Beamten ;
ein Ausspähen des Geheimnisses und ein Eindringen in ein solches kann unter Umständen ein Vergehen sein. Abgesehen davon soll nur die Veröffentlichung strafbar sein, eine Strafbarkeit, die dann ausgeschlossen ist, wenn die Ermächtigung zur Veröffentlichung von der Behörde oder dem Beamten ausdrücklich oder stillschweigend erteilt wurde.

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k. Die weitern, in dea Art. 344--346 aufgestellten Tatbestände könnten als Ü b e r t r e t u n g e n g e g e n die R e c h t s p f l e g e insofern betrachtet werden, als sie die Vollstreckung verhängter Strafen, des Berufsverbotes, des Wirtshausverbotes und der Busse, sichern sollen. Dass eine Strafandrohung gegen schuldhaftes Nichtbezahlen einer Busse notwendig ist, nachdem in der Vorlage auf die unterschiedslose Umwandlung unbezahlt gebliebener Bussen verzichtet wurde, ist schon oben gezeigt worden.

In einem gewissen Zusammenhang mit den Interessen der Rechtspflege steht auch das Verbot der Beseitigung einer Leiche Art. 347, das ebensosehr sicherheitspolizeilichen als gesundheitspolizeilichen Erwägungen entsprungen ist. Jedenfalls hat der Bundesgesetzgeber, dem der Art. 53 der Bundesverfassung eine gewisse Oberaufsicht über das Bestattungswesen übertragen hat, alle Veranlassung, Strafbestimmungen aufzustellen.

l. Ausser Zusammenhang mit dem vorhergehenden steht die Einschärfting dei- P f l i c h t e n des F i n d e r s (Art. 348) nach Art. 720 des Zivilgesetzbuches. Die Strafbestimmung greift da Platz, wo der Versata der Fundunterschlagung nicht nachweisbar ist.

m. P r e s s ü b e r t v e t u n g e n (Art. 349). Die Vereinheitlichung des Presspolizeirechtes wird wohl vorab von den Vertretern der Presse lebhaft begrüsst werden. Gefordert wird bei der Presserzeugnissen überhaupt die Angabe des Namens des Verlegers und des Druckers sowie des Druckortea, bei Zeitungen und Zeitschriften überdies des Namens des verantwortlichen Redaktors.

Wir anerkennen das Recht der Schriftsteller und Zeitungsschreiber, ihre Werke und Artikel ohne Namensnennung (anonym) oder mit erfundenem Namen (pseudonym) zu veröffentlichen ; wir schützen das den Urheber deckende Redaktionsgeheimnis. Anderseits bedürfen wir zur Durchführung des darauf gegründeten Systems der Verantwortlichkeit bei Pressvergehen (Art. 26) der hier vorgeschriebenen Angaben.

Abgelehnt wurde die Anregung, den Berichtigungszwang aufzunehmen, weil damit in die Pressfreiheit eingegriffen würde, namentlich wenn dem Redaktor untersagt werden sollte, die Erwiderung mit spöttischen Bemerkungen zu begleiten. Der Gekränkte wird seine Erwiderung besser in einer andern Zeitung unterbringen. Ebenso scheint es nicht notwendig zu sein, die vom Richter angeordnete
Veröffentlichung eines Strafurteils oder eines freisprechenden Urteils (Art. 58) dadurch zu erzwingen, dass das Widerstreben des Redaktors, Herausgebers oder Druckers unter Strafe gestellt wird. Nötigenfalls könnte der Richter oder die Strafvollziehungsbehörde einen Befehl erlassen mit dem Hinweis auf Ungehorsamsstrafe (Art. 338).

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Drittes Buch: Einführung und Anwendung des Gesetzes.

Die Vorschriften dieses Buches bezwecken vorerst den Geltungsbereich dieses Strafgesetzbuches gegenüber dem daneben in Wirksamkeit bleibenden Bundes- und kantonalen Strafrecht abzugrenzen (I. Abschnitt). Sodann ist die Grenze abzustecken zwischen dem alten und dem neuen Rechte, die eigentlichen Übergangsbestimmungen ("II. Abschnitt). Ebenso ist das Gebiet der Bundesgerichtsbarkeit und der kantonalen Gerichtsbarkeit neu zu bestimmen (III. Abschnitt). Im IV. und V. Abschnitt werden die Aufgaben der Kantone unter sie verteilt und zugleich ein Zusammenwirken gesichert. In den folgenden Abschnitten (VI bis VIII) handelt es sich darum, den kantonalen Behörden, die das Strafgesetzbuch anzuwenden haben, die nötigen Vorschriften über die Handhabung des Gesetzes zu erteilen ; wiederum Grenzbestimmungen zwischen den Vorschriften über Ausgestaltung und Wirkungen der Strafen und dem kantonalen Prozess- und Verwaltungsrecht. Von besonderer Bedeutung ist der Abschnitt (IX), der von den Anstalten und der BundeshUlfe handelt. Die Begnadigung (Abschnitt X) war als Straferlöschungsgrurid näher zu ordnen und endlich folgen als Schlussbestimmungen Einführungszeit und die Beseitigung bisherigen Rechtes.

I. Abschnitt.

Yerhältnis dieses Gesetzes zu andern Gesetzen des Bundes und zu den Gesetzen der Kantone.

(Art. 350--352.)

Neben dem neuen Strafgesetzbuch wird bisheriges Strafrecht des Bundes und der Kantone in noch recht erheblichem Masse weiterbestehen.

Mit Bezug auf das B u n d e s r e c h t war es von vornehereiu klar, dass durch dieses Gesetz das Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853, samt den Ergänzungs- und Abänderungsgesetzen beseitigt und ersetzt werden sollte (Art. 422 a).

Fraglich war nur, ob die Straf bestimm u ngen auch anderer Gesetze miteinzubeziehen seien. Dies ist geschehen mit Bezug auf die Vergehenstatbestände der Bundesgesetze betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen, über die Schweizerische Nationalbank, betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und teilweise auch des Postgesetzes (Art. 422 g, », fc, l) ; ein Strafgesetzbuch ohne diese Tatbestände wäre unvollständig und unfertig er-

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schienen. Zudem war die Einfügung dieser Strafbestimmungen in das neue Gesetz um so leichter, als sie selber nach dem Wortlaut früherer Vorentwürfe dieses Gesetzes gefasst waren. Dagegen sind, wie oben bemerkt, die Strafbestimmungen aus den Bundesgesetzen über Urheberrechte, Erfinderrechte und andere Rechte des gewerblichen Eigentums nicht hinübergenommen worden, da sie mit den ganzen Gesetzen zu enge verwachsen sind und die knappe Fassung von Tatbeständen, wie ein allgemeines Strafgesetzbuch sie erfordert, nicht möglich wäre. Das ist auch der Grund weshalb die Übertretuogstatbestände der Nebenstrafgesetze des Bundes, z. B. des Bundesgesetzes ober Jagd und Vogelschutz, hier keine Aufnahme gefunden haben.

K a n t o n a l e s S t r a f r e c h t . Grundsätzlich schliesst das Gesetzgebungsrecht des Bundes, sobald ,,und soweit der Bundesgesetzgeber von ihm Gebrauch gemacht hat, das Strafgesetzgebungsrecht der Kantone aus und hebt die bisherigen Gesetze der Kantone gänzlich auf (Art. 352, 423), nicht nur soweit sie dem neuen Rechte widersprechende Bestimmungen enthalten. Ausgeschlossen ist daher die kantonale Strafgesetzgebung über Vergehen. Auf dem Gebiete der Übertretungen ist sie beschränkt durch das Vorhandensein von Bundesstrafvorschriften. Wir haben indessen, wenige Ausnahmen vorbehalten, es unterlassen durch Blankettgesetze kantonale Vorschriften mit vielleicht sehr verschiedenem Inhalte in bundesrechtliche Strafrahmen einzuspannen. Unbeschränkt ist die kantonale Gesetzgebung bezüglich der Übertretung kantonaler Verwaltungsvorschriften, z. B. der Steuergesetze, ferner mit Bezug auf Übertretungen kantonaler ProzessVorschriften (Ordnungsbussen). Das Disziplinarstrafrecht gegenüber kantonalen Beamten und gegenüber Bürgern, die mit Beamten über amtliche Angelegenheiten verkehren, auch das Disziplinarrecht gegenüber Gefangenen, ist hier nicht ausdrücklich erwähnt, weil es als Zweig des Verwaltungsstrafrechts aufgefasst werden kann.

Auf die strafrechtliche Nebengesetzgebung des Bundes soll der allgemeine Teil des ersten und zweiten Buches ergänzende Anwendung finden, soweit nämlich das Nebengesetz nicht Sondervorschriften hat. Aber auch diesen gehen die allgemeinen Vorschriften über Bussenvollzug, Verjährung und Begnadigung (Art.

417--420) vor. Dadurch, dass die hohen Bussenminima der neuern
Bundesgesetzgebung, wenigstens beim Vorhandensein mildernder Umstände, sich ermässigen lassen, wird die Handhabung dieser Gesetze erheblich erleichtert.

Die bisherigen Nebenstrafgesetze erklären häufig den allgemeinen Teil des Bundesstrafgesetzbuches von 1853 als anwendbar; diese Beziehung wird nun allgemein auf das neue Strafgesetz-

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buch übertragen, statt die Übertragung für jedes einzelne Gesetz vorzumerken.

Keine Anwendung finden die Vorschriften der allgemeinen Teile dieses Gesetzes auf die den Kantonen vorbehaltenen Strafgesetze. Nur soll als Freiheitsstrafe lediglich Haft zulässig sein ; die Androhung von Gefängnis wird dadurch von Rechts wegen in Androhung von Haft umgewandelt, womit verhindert werden soll, dass der kantonale Gesetzgeber neue Vergehenstatbestände aufstelle.

II. Abschnitt.

Verhältnis dieses Gesetzes zum bisherigen Rechte.

(Art. 353--356.)

Soweit das vorliegende Gesetz das mildere ist, soll es nach Art. 2 auch auf Taten angewandt werden, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begangen, aber in diesem Zeitpunkte noch nicht abgeurteilt sein werden. Das rechtskräftige Urteil dagegen bleibt grundsätzlich von der Änderung der Gesetzgebung unangetastet. Aber auch davon macht das Gesetz aus Billigkeitsgründen Ausnahmen, wenn nämlich im Zeitpunkte seines Inkrafttretens die Strafe noch nicht oder nicht vollständig vollzogen ist, und zwar in folgenden Fällen : Hat die Strafbarkeit der Tat aufgehört, so fällt auch die Strafe dahin. Gewisse, nach dem neuen Gesetze unzulässige Strafarten dürfen unter seiner Herrschaft nicht mehr vollstreckt werden.

Schon in unserer Botschaft vom 28. November 1896 ist als einer der grössten Missstände der Rechtszersplitterung bezeichnet, dass Tätern, die ihre Taten in mehreren Kantonen begangen, durch die einfache Häufung der mehreren Strafurteile unbilligerweise auf 60 und mehr Jahre die Freiheit entzogen werden konnte. Die Vorschrift des Art. 65 über die Strafzumessung beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen soll für die Zukunft diesem Missstand ein Ende machen. Die vorliegenden Bestimmungen lassen in gewissem Masse auch denjenigen dieser Wohltat teilhaftig werden, der infolge früherer Verurteilungen gehäufte Freiheitsstrafen noch ganz oder teilweise zu erstehen hat, oder der für eine früher begangene Tat unter dem neuen Gesetze verurteilt wird, während er für eine andere früher begangene die Freiheitsstrafe noch ganz oder teilweise zu erstehen hat.

Ebenso soll dem früher Verurteilten die bedingte Entlassung und die Rehabilitation nach den Vorschriften dieses Gesetzes zugänglich sein.

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Mit Bezug auf die Verjährung früherer Straftaten und Urteile gilt das mildere Gesetz.

Nach demselben Grundsatze lassen sich auch die Fragen lösen, die dadurch entstehen, dass das alte und das neue Gesetz verschieden bestimmen, ob die Tat von Amtes wegen oder auf Antrag zu verfolgen sei.

III. Abschnitt.

Bnndesgerichtsbarkeit und kantonale Gerichtsbarkeit.

(Art. 357--363.)

Zur Ausscheidung der Bundesstrafgerichtsbarkeit und der kantonalen Gerichtsbarkeit ist auszugehen von den Vorschriften der Bundesverfassung, Art. 64bi", 112, 114.

1. Der Bundesgerichtsbarkeit kommt die Beurteilung zu «. der Vergehen gegen den Bundesstaat, der Vergehen gegen auswärtige Staaten, und der Übertretungen gegen die Landesverteidigung und die Staatsgewalt des Bundes; b. der politischen Vergehen, die mit einer bewaffneten eidgenössischen Intervention (Art. 16 der Bundesverfassung) im Zusammenhange stehen; c. der in andern Bundesgesetzen bedrohten Vergehen und Übertretungen, soweit der Bundesrat von seinem Rechte, die Sache an die kantonalen Behörden zu verweisen, keinen Gebrauch macht ; d. der Straffälle, deren Beurteilung durch die Verfassung oder Gesetzgebung eines Kantons ihr zugewiesen worden ist, sofern die Bundesversammlung hierzu ihre Zustimmung erteilt hat (Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege, Art. 106).

Das ist geschehen durch Bundesbeschluss vom 21. März 1893 auf Gesuch des Staatsrates von Neuenburg mit Bezug auf die Verbrechen des Hochverrates gegen den Kanton Neuenburg und des Aufruhrs und der Gewalttat gegen die neuenburgischen Staatsbehörden.

Ist der Umfang der Bundesgerichtsbarkeit umschrieben, so muss der Gesetzgeber ihre Aufgaben unter die beiden Organe, Bundesgericht mit Zuziehung von Geschwornen (Bundesassisen) und Bundesstrafgericht verteilen, die sachliche Zuständigkeit der beiden Gerichte bestimmen. Die Schwerfälligkeit der Organisation der Bundesassisen und ihres Verfahrens hat uns dazu bestimmt,

so die Zuständigkeil der Assisen auf das zu beschränken, was Art. 112 der Bundesverfassung und Art. 107 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege ihnen zuteilt und alle übrigen Fälle dem Bundesstrafgericht zu überweisen.

2. Die. kantonale Gerichtsbarkeit ist begründet für alle strafbaren Handlungen, die nicht der ßundesgerichtsbarkeit unterstellt sind. Aufgabe der kantonalen Einführungsgesetze wird es sein, die sachliche Zuständigkeit der kantonalen Gerichte mit Bezug . auf die nach dem vorliegenden Gesetze strafbaren Handlungen zu bestimmen; für eine bundesrechtliche Regelung liegt keine Notwendigkeit vor.

3. Die Bundesverfassung hat es in Art. 114 der Bundesgesetzgebung überlassen, die Befugnisse des Bundesgerichts festzustellen, welche ihm nach Erlassung der im Art. 64 vorgesehenen eidgenössischen Gesetze behufs einheitlicher Anwendung zu übertragen seien. Die Einheit der Rechtsprechung über das Zivilgesetzbuch, das durch die Revision des Art. 64 vom 13. November 1898 seine verfassungsrechtliche Grundlage erhalten, ist durch das neugeschaffene Rechtsmittel der Berufung gewährleistet. Auch dem Strafrechte, das durch Art. 64bis, einer Fortsetzung des Rechtseinheitsartikels 64, der Gesetzgebung des Bundes unterstellt wurde, ist durch Art. 114 die Garantie einheitlicher Rechtsprechung zugesichert worden. Doch bedarf es hierzu keines neuen Rechtsmittels, sondern es scheint uns die im Organisationsgesetz vom 22. März 1893, Art. 160--174, geschaffene Kassationsbeschwerde zu genügen. Diese Beschwerde kann nur damit begründet werden, dass das Urteil oder der Entscheid auf der Verletzung einer eidgenössischen Rechtsvorschrift beruhe und führt, wenn begründet, immer nur zur Aufhebung des Urteils und Rückweisung an das kantonale Gericht zu neuer Entscheidung, für die allerdings die rechtliche Beurteilung durch den Kassationshof bindend ist.

4. Wie Art. 369 einen einheitlichen Gerichtsstand für mehrere an verschiedenen Orten von ein und demselben Täter begangene strafbare Handlungen schafft, so soll hier beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen oder mehrerer Strafbestimmungen auf eine strafbare Handlung, von denen die einen der Bundesstrafgerichtsbarkeit, die andern der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstellt sind, die Einheit der Beurteilung gesichert werden. Die Zuständigkeit
der Bundesassisen geht in allen Fällen vor; im übrigen entscheidet der Bundesrat über die Zuweisung der Beurteilung des Ganzen an das Bundesstrafgericht oder an das kantonale Strafgericht.

81 IV. Abschnitt.

Die kantonalen Behörden. Ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit. Rechtshülfe.

(Art. 364--376.Ì 1. Indem die Bundesverfassung den Kantonen auch weiterhin die Einrichtung der Strafrechtspflege überlässt, legt sie ihnen zugleich die Verpflichtung auf, durch ihre Behörden das einheitliche Strafrecht handhaben zu lassen. Neue Aufgaben werden ihnen damit nicht gestellt, da schon bisher die Strafverfolgung ihre Aufgabe war, sie können ihre bisherigen Einrichtungen beibehalten oder weiter ausbauen; auch der vielfach getroffenen Anordnung, mit der Beurteilung der Übertretungen nicht richterliche Behörden zu betrauen, steht das Bundesrecht nicht entgegen.

2. Im Wesen des Bundesstaates liegt es, dass die Reibungen, die sich leicht aus dem Nebeneinander so vieler Gerichtsbarkeiten auf engem Räume ergeben, durch den Bund selber behoben werden; nicht nur im einzelnen Falle (Art. 370, vgl.177 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege) sondern auch durch allgemeine Vorschriften über die Abgrenzung der kantonalen Gerichtsbarkeiten untereinander, wodurch die Möglichkeit der Konflikte auf ein Mindestmass beschränkt wird. Das geschieht am zweckmässigsten durch einheitliche Bestimmung des Gerichtsstandes, wie denn auch auf dem Gebiete des Zivilprozesses durch das Bundesgesetz über die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter und das Zivilgesetzbuch selber zahlreiche Gerichtsstandsbestimmungen getroffen worden sind. Im Strafprozesse ist es noch viel dringender, allen unnützen Weiterungen des Rechtsganges vorzubeugen.

Aufgabe des Gesetzgebers ist es also, für jeden Fall, in dem das vorliegende Gesetz Anwendung finden soll, einen Gerichtsstand zu bestimmen. Die Lösung, die im folgenden vorgeschlagen wird, schliesst sich an das geltende Recht an und ist überdies ·eine sehr einfache.

a. Für das Inlandsvergehen gilt der Gerichtstand der begangenen Handlung (Art. 365). Als Inlandvergehen wird auch das Vergehen angesehen, bei dem der Täter vom Auslande aus tätig war und nur der Erfolg im Inland eingetreten ist (vgl.

Art. 8). Im übrigen ist also für den Gerichtsstand nur der Ort massgebend, wo der Täter gehandelt hat, was wiederum die Möglichkeit einer Reihe von Konflikten beseitigt und wo solche dennoch drohen, werden sie durch die Anerkennung der Zuständigkeit "der zuerst handelnden Behörde gelöst.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

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82 b. Die Ordnung des Gerichtsstandes bei Pressvergehen (Art. 26} bezweckt die Unterdrückung des ,,fliegenden Gerichtsstandes11 bei den in der Schweiz erschienenen Presserzeugnissen; der Gerichtsstand ist am ersten Erscheinungsort. Diese Ordnung ist schon lange in der Praxis des Bundesgerichts gehandhabt worden als Folgerung aus der in Art. 55 der Bundesverfassung garantierten Pressfreiheit.

Für das im Auslande zuerst erschienene Presserzeugnis kommt die allgemeine Regel zur Anwendung, d. h. der Gerichtsstand der Orte des Inlands, an denen es verbreitet wird oder, wenn die Verbreitung in der Schweiz nicht stattgefunden, der für Auslandsvergehen vorgesehene Gerichtsstand. Die Garantie der Bundesverfassung greift hier nicht Platz, und es empfiehlt sich, diese strengere Behandlung für so lange beizubehalten, als nicht die auswärtigen Staaten vertraglich auf den .fliegenden Gerichtsstand gegenüber schweizerischen Presserzeugnissen verzichten (Art. 366).

c. Für das Auslandsvergehen, dem das Vergehen gleichgestellt wird, dessen Begehungsort nicht ermittelt werden konnte (Art. 367), gilt der Gerichtsstand des Wohnortes und, wo ein solcher fehlt, der Gerichtsstand des Heimatsortes des Täters und schliesslich des Ortes, wo der Täter betreten wurde. Hat ein Kanton ein Auslieferungsbegehren gestellt, so soll er auch die Strafpflicht übernehmen.

d. Die Zuständigkeit des Gerichtes, dem der Täter untersteht, ist schon durch Art. 4 des Auslieferungsgesetzes vom 24. Juli 1852 auf Anstifter und Gehulfen (Art. 368) ausgedehnt worden.

Dagegen bringt der Gerichtsstand bei Zusammentreffen mehrerer Vergehen neues Recht, das der als höchst unbillig empfundenen Häufung von Freiheitsstrafen, die von Gerichten verschiedener Kantone ausgesprochen wurden, ein Ende machen soll (Art. 369,, vgl. Art. 65, 353 d, e, 363).

3. Die Verpflichtung der kantonalen Behörden, denjenigen des Bundes Rechtshülfe in Strafsachen zu leisten, ist geordnet teils im Bundesgesetz über dieBundesstrafrechtspflege vom 27. August 1851, teils im Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege.

Die Verpflichtung ist eine vorbehaltlose. Dem Bund umgekehrt eine Rechtshülfepflicht gegenüber den Kantonen aufzulegen, ist schon dadurch ausgeschlossen, dass es dem Bunde hierfür an den geeigneten Organen fehlt.

Die Rechtshülfepflicht unter den Kantonen
hat, gestutzt auf Art. 55 der Bundesverfassung von 1848 (der heutige Artikel 67), das Bundesgesetz vom 24. Juli 1852 über die Auslieferung von Verbrechern und Angeschuldigten geordnet. Die Mängel und Ge-

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brechen dieses Gesetzes haben im Jahre 1887 den Gegenstand einlässlicher Beratungen des schweizerischen Juristenvereins gebildet. Die Hebung dieser Mängel ist so sehr notwendig für die Durchführung des Strafgesetzbuches, dass es geboten erscheint, die Auslieferung und das ganze Rechtshülfewesen gründlich umzugestalten. Die Grundzüge der Reform sind folgende : Die Rechtshülfe, die die Kantone der Bundesrechtspflege zu leisten haben und die gegenseitige Rechtshülfe unter den Kantonen ist einheitlich normiert.

Statt des' völkerrechtlichen Verkehrs von Regierung zu Regierung wird der unter Bundesstaaten allein richtige unmittelbare Verkehr der kantonalen Gerichts- und Polizeibehörden vorgeschrieben.

Die Verpflichtung zur Zuführung von Beschuldigten und Verurteilten und zur Rechtshülfe überhaupt wird auf alle Vergehen und Übertretungen erstreckt, auf welche das Strafgesetzbuch oder ein anderes Bundesgesetz Anwendung findet; die Aufzählung einzelner Vergehen fällt dahin.

Der Kanton kann die Zuführung und die Rechtshülfe verweigern, wenn sie für politische Vergehen oder für Pressvergehen verlangt werden. Wird die Zuführung verweigert, so hat der ersuchte Kanton den Beschuldigten oder Verurteilten vor seine eigenen Gerichte zu stellen.

Für Handlungen, die nur nach kantonalem Rechte strafbar sind, hat die Bundesvorschrift keine Geltung, die Kantone können sich über die Gewährung oder Nichtgewährung der Rechtshülfe unter sich verständigen oder von Fall zu Fall sich entscheiden.

Die Vorschriften über das Verfahren bringen in zwei Richtungen nicht unwichtige Garantien für den Beschuldigten oder Verurteilten: die sofortige schriftliche Bestätigung telegraphisch oder telephonisch übermittelter Haftbefehle; der Funkenspruch, wenn er zur Anwendung kommen sollte, gehört zur Télégraphie.

Sodann die Vorschrift des Verhörs durch die zuständige Behörde (Rechtshülfestelle) des ersuchten Kantons, behufs sofortiger Aufklärung persönlicher oder sachlicher Missverständnisse und Irrtümer.

Die unaufgeforderte Rechtshülfe ist sogar im Bundesgesetz über die Auslieferung gegenüber dem Auslande vom 22. Januar 1892 vorgesehen. Dem geltenden Rechte entspricht auch der Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Rechtshülfe mit dessen Einschränkungen; man hat es indessen als billig angesehen, dass die schuldige Partei zum Ersatz von Kosten (Zeugengebühren u. dgl.)

angehalten werde. Die Selbsthülfe in den beiden Ausprägungen,

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Vornahme von Amtshandlungen in andern Kantonen und Nacheile, ist in ganz derselben Weise schon durch das alte Gesetz gewährleistet.

Auch in Rechtshülfesachen hat der Bund Anstände unter den Kantonen zu heben (Art. 376).

V. Abschnitt.

Strafregister.

(Art. 377--382.)

Die Wichtigkeit der Registrierung der Strafen für die Strafrechtspflege und die Sicherheitspolizei hat zu dem Bundesbeschluss vom 26. Oktober 1903 betreffend Errichtung eines schweizerischen Zentralpolizeibureaus geführt, dem die Errichtung einer anthropometrischen Zentralregistratur, die Führung eines Zentralstrafenregisters und die Herausgabe eines schweizerischen Fahn·dungsblattes übertragen wurde. Der Dienst des ZentralstrafenTegisters ist bereits eingerichtet und in Tätigkeit. Ebenso bestehen solche Einrichtungen in den Kantonen, so dass hier lediglich die Vorschriften aufzustellen waren, die ein zweckmässiges Nebeneinander- und Zusammenarbeiten gewährleisten.

Dabei ist zu beachten, dass die Schweiz mit einer grössern Zahl von Staaten die gegenseitige Mitteilung der Strafurteile über ihre Angehörigen vereinbart hat, meistens in den Auslieferungsverträgen.

Die Registrierung bleibt eine doppelte; beim schweizerischen Zentralpolizeibureau wird Buch geführt über alle Personen (Inund Ausländer), die in der Schweiz verurteilt worden sind, sowie über alle im Ausland verurteilten Schweizer, in den Kantonen über alle Personen (In- und Ausländer), die von den Behörden des Kantons verurteilt worden sind, sowie über alle verurteilten Kantons.bürger.

Aufzunehmen sind alle Bestrafungen wegen Vergehen, dann ·aber auch wegen gewisser Übertretungen, vorzüglich solcher, welche für die Beurteilung des Charakters des Bestraften von Bedeutung :sind. Neben den Strafurteilen sind Vormerke über Vollzug, Erlass, Aufhebung und dergleichen anzubringen. Auch die Massnahmen .gegenüber Jugendlichen, die eine als Vergehen bedrohte Tat begangen haben, sind für die spätere Beurteilung der Betreffenden von Bedeutung.

Die Löschung der Einträge wird vom Richter angeordnet als Tilgung der Schmach der begangenen Straftat und der Verurteilung

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bei längerem Wohlverhalten (Art. 77) und so ähnlich bezüglich der Massnahmen gegen Jugendliche. Die Entfernung von Einträgen tilgt dieselben auch gegenüber den Strafbehörden.

Die Register sollen lediglich zu ärztlichen Zwecken geführt werden, Mitteiluogen aus denselben erfolgen nur an Behörden und Beamte. Den Untersuchungsämtern und Strafgerichten, die nicht nur wegen Berechnung der Rückfälle, sondern überhaupt wegen der Wichtigkeit des Vorlebens für die Beurteilung des Täters ein Interesse an den Mitteilungen haben, sollen vollständige Auszüge ausgehändigt werden. Andern Behörden, z. B. Verwaltungsbehörden, die die Voraussetzuogen zur Niederlassung zu prüfen haben, die Stimmregisterführer usw. erhalten sie nicht im ganzen Umfange (Art. 382).

An Private werden keine Auszüge verabreicht, auch nicht an den im Register Eingetragenen selber. Die Kantone werden sich daher zu entschliessen haben, ob und welche Beamtuugen sie damit betrauen wollen, dem Eingetragenen auf Verlangen ein Leumundszeugnis auszustellen, d. h. gestützt auf die ihnen zugänglichen Regislereintragungen eine Bescheinigung zu erteilen, der Nachsuchende geniesse den guten Ruf, der Voraussetzung für die Bekleidung von Vertrauensstellen sein dürfte. Die Frage einer einheitlichen Bescheinigung des guten Leumundes war schon wiederholt Gegenstand der'Beratungen des schweizerischen Städtetages.

VI. Abschnitt.

Verfahren.

(Art. 384--389.)

Das Verfahren in Strafsachen, die der Bundesgerichtsbarkeifc unterstellt sind und nicht im einzelnen Falle an die kantonalen Gerichte überwiesen wurden, ist teils im Bundesgesetz betreffend das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze vom 30. Juni 1849, teils im Gesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 27. August 1851, teils im Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1892, mit Abänderungen vom 6. Oktober 1911, geordnet.

Das Verfahren vor den kantonalen Behörden und Gerichten zu bestimmen, bleibt, wie bis anhin, Sache der kantonalen Gesetzgebung. Daher gelten auch weiter die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Bundesrechtspflege betreffend das kantonalgerichtliche Verfahren bei Anwendung eidgenössischer Strafgesetze,

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Art. 146--157 des zitierten Bundesgeset/es. Von diesen Artikeln ist allerdings Art. 150 durch die Bestimmungen dieses Gesetzes ersetzt, Art. 151 durch sie abgeändert worden (Art. 350, Absatz 3).

Dagegen sind die Vorschriften der Art. 154 und 155 über die Mitteilung von Strafurteilen an deu Bundesrat nicht etwa durch diejenigen über Urteilsmitteilung an das Zentralstrafenregister überflüssig geworden, handelt es sich doch dort um die Mitteilung des ganzen Urteils, damit unter anderem der Bundesrat sich über die Ergreifung eines Rechtsmittels schlüssig machen kann, während für das Register lediglich das Dispositiv verlangt wird. Es war nicht zu umgehen, bei Vereinheitlichung des ganzen Strafrechts noch einige weitere Anforderungen bezüglich der Strafverfolgung an die Kantone zu stellen; eine gewisse Übereinstimmung in den Grundsätzen auch der Verfolgung ist notwendig, wenn die Strafgesetznorm als gerecht empfunden werden soll.

Schon der Grundsatz, dass regelmässig nicht der Antrag eines Verletzten abzuwarten, sondern von Amteswegen einzuschreiten sei, ist zwar von der grossen Mehrzahl der kantonalen Gesetzgebungen, aber doch nicht von allen, anerkannt. Der Bundesgesetzgeber muss daraufhalten, dass nur die in diesem Gesetze als Antragsvergehen bezeichneten Vergehen als solche behandelt werden.

Ist einmal der Strafantrag des Geschädigten gestellt, so wird, nach der geltenden Kantonalgesetzgebung, die Strafverfolgung in den einen Fällen von der Behörde anhand genommen und durchgeführt, in andern Fällen der Privatstrafklage überlassen. Auch da musa eine gewisse Übereinstimmung gefordert werden; die Möglichkeit eines Privatstrafklageverfahrens wird hier auf die Verfolgung wegen Tätlichkeiten (Art. 295) und wegen Ehrverletzungen (Art. 150 bis 154) beschränkt. Eine ganze Anzahl von Kantonen verweist die Ehrverletzungsklagen überhaupt in den Zivilprozess. Die Weiterungen, die damit verbunden sind, lassen gerade aus den betreffenden Kantonen den Wunsch nach Abschaffung dieses Verfahrens ertönen. Auch das luzernisehe Gesetz über das Verfahren in Injurienstreitsachen vom 23. Mai 1906 scheint in seinen Ergebnissen wenig befriedigt zu haben.

Die Bestimmungen der Bundesgesetze über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten vom 9. Dezember 1850 und über die politischen und polizeilichen
Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft vom 24. Dezember 1850 sollen nicht nur die Redefreiheit in der Bundesversammlung gewährleisten, sondern auch den Bundesbehörden und Bundesbeamten eine gewisse Exterritorialität gegenüber den kantonalen Behörden, insbesondere ihres Amtssitzes, gewähren. Eine Notwendigkeit, diese

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Vorschriften anlässlich der Einführung des Strafgesetzbuches zu revidieren, liegt nicht vor.

Auch in den Kautonen ist vielfach die Redefreiheit in den Kantons- und Grossen Räten geschützt durch mehr oder weniger weitgehenden Ausschluss der Veraùtwortlichkeit der Mitglieder für ihre Reden. Ebenso ist die Verantwortlichkeit der obersten Regierungs- oder Gerichtsbehörden oft eingeschränkt, etwa dadurch, dass ein Strafverfahren wegen Vergehen im Amte an die Bewilligung des Kantonsrates geknüpft wird und dieser Rat als Gerichtshof sie zu beurteilen hat. Diese Bestimmungen sind aber weder überall vorhanden noch inhaltlich übereinstimmend, so dass es richtiger erscheint, alles wie bisher dem Staatsrecht der Kantone zu überlassen. Immerhin musste der Vorbehalt zugunsten der kantonalen Gesetzgebung im Gesetze gemacht werden, da es sich im Grunde um Ausnahmen von der unterschiedslosen Strafverfolgungspflicht handelt.

Die Einreihung gewisser Tatbestände unter die Übertretungen hat nicht nur den Zweck, den Täter unter mildere Strafbestimmungen zu stellen, sondern auch ihm die grösseren Beschwerlichkeiten, Zeitverluste und Kosten, die das Verfahren in Vergehenssachen nach sich zieht, zu ersparen. Diese Absicht würde nicht erreicht, wenn es den Kantonen freistehen würde, einzelne Übertretungen doch jenem schwerfälligeren Verfahren zu überweisen.

Nach Art. 13 und 14 ordnet der Richter nötigenfalls die Verwahrung oder Versorgung unzurechnungsfähiger Täter an. Stellt sich die Unzurechnungsfähigkeit schon in der Voruntersuchung unzweifelhaft heraus, so wird nach den meisten Strafprozessordnungen der Täter gar nicht vor den Richter gestellt. Für diesen Fall soll es den Kantonen gestattet sein, die Anordnung der Behörde zu übertragen, welche über die Einstellung des Verfahrens befindet. Den Kantonen ist es selbstverständlich auch freigestellt, dem Betroffenen die Garantie der Anrufung eines richterlichen Entscheides einzuräumen.

Für die Kosten der Verwahrung, Behandlung oder Versorgung Unzurechnungsfähiger und vermindert Zurechnungsfähiger hat zunächst der Versorgte selber und dann seine engere oder weitere Familie, schliesslich etwa die Armenbehörde aufzukommen, in gleicher Weise, wie das in Art. 394 für die Tragung der Kosten der Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Aussicht genommen ist. In dieser Weise ist auch die Einweisung des wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochenen Gewohnheitstrinkers zu behandeln (Art. 42, Absatz 2).

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VII. Abschnitt.

Verfahren gegen Eluder und Jugendliche.

(Art. 390--394.)

. Die völlige Umgestaltung der Behandlung der Kinder und Jugendlichen, wie sie schon im ersten Vorentwurfe vorgeschlagen wurde, zieht ohne weiteres auch ein neues Verfahren, das zum Teil besondern Behörden ruft, nach sich. So hatte der erste Vorentwurf Untersuchung und Beurteilung der Kinder in einem wohl ganz formlosen Verfahren den Schulbehörden übertragen wollen.

Dieser Gedanke, von Basel-Stadt am gründlichsten durchgeführt, musate im Verlaufe wieder aufgegeben werden, nachdem gerade Basel-Stadt diese Regelung wieder rückgängig gemacht hatte.

Trotzdem wird der Schule und dem Lehrer insbesondere ein reiches Feld der Tätigkeit in der Durchführung der Strafrechtsreform und insbesondere des vorbeugenden Jugendschutzes offen bleiben: Die Beobachtung des Kindes in der Schule und Feststellung geistiger und körperlicher Not desselben, die Begutachtung des Charakters des Kindes und der notwendigen Massnahmen, die Mithülfe bei der Kontrolle der beaufsichtigten Erziehung, wohl auch die Mitwirkung von Lehrern in den Behörden, die sich mit den Aufgaben der Kinder- und Jugendbehandlung und des Jugendschutzes zu beschäftigen haben. Inzwischen kamen uns neue Anregungen aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo sich im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die Einrichtung der Kindergerichte (Childrens courts) mit grosser Schnelligkeit verbreitete. Kinder, die auf der Strasse aufgegriffen worden, bettelnd, stehlend, die Schule schwänzend, als blinde Passagiere in Strassenbahnwagen oder in Begehung leichterer oder schwerer Schädigungen, werden einem Jugendrichter zugeführt, der ausserhalb des Gerichtslokals und ausserhalb der gewöhnlichen Gerichtszeit Anstaltsversorgung des Kindes oder beaufsichtigte Erziehung zu Hause oder in vertrauenswürdiger Familie, oder Busse und Verweis gegen die Eltern verhängt. Eine Anzahl amtlicher oder freiwilliger Jugendanwälte (probation of'ficers) unterstützen die Tätigkeit des Richters, indem sie ihm mit den nötigen Erhebungen an die Hand gehen, für die vorläufige und für die dauernde Unterbringung des Kindes sorgen und über dessen Erziehung und Lebensführung eine wohlwollende, ermunternde und ermahnende Aufsicht ausüben.

Diese Einrichtungen sind in England weiter ausgebildet worden und haben über
Belgien und Frankreich auf dem Festland Wurzel gefasst. Bei uns hat St. Gallen in dem Gesetze über die Strafrechtspflege bei Verbrechen und Vergehen vom 27. Februar 1912 ein

89 Jugendgericht eingefühlt. Genf hat durch Gesetz vom 4. Oktober 1913 eine Strafkammer für Kinder (Chambre pénale de l'Enfance) errichtet. Endlich brachte die Strafprozessordnung vom 26. April 1914 auch dem Kanton Appenzell Ausser-Rhoden ein Jugendgericht. Dass die Jugendgerichtsbewegung, die bei uns zahlreiche Anhänger hat, nicht zu weitern gesetzgeberischen Erfolgen geführt hat, ist leicht erklärlich, indem ein solches Sondergericht erst dann seine heilsame Wirkung völlig entfalten kann, wenn eine gründliche Strafrechtsreform dem Gerichte die zweckmässigsten Massnahmen zu treffen gestattet. Die Einführung des vorliegenden Strafgesetzes wird der Bewegung zum vollständigen Durchbruch verhelfen.

Was vorerst die Behandlung der Kinder anbetrifft, Uberlässt der Gesetzesentwurf den Kantonen die Bezeichnung der Behörden völlig. Dass dabei die Behörden darauf hingewiesen werden, sich der Mitwirkung der schon zahlreich vorhandenen freiwilligen Vereinigungen zum Schutze und für das Wohl der gefährdeten und der verlassenen Kinder zu versichern, soll nicht nur formelle Bedenken der Behörden zerstreuen, sondern geradezu zu diesem Vorgehen ermuntern.

Die Beurteilung Jugendlicher wird in den Art. 87 ff zunächst einem Richter (Gericht) zugewiesen. Aber den Kantonen wird die Möglichkeit eröffnet, an Stelle des ordentlichen Strafrichters eine andere, besondere Behörde zu bezeichnen, die in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheint, die Aufgaben richtig zu lösen.

Ein einheitliches Vorgehen auf diesen Gebieten zu veranlassen, ist nicht notwendig; es empfiehlt sich vielmehr vorerst verschiedene Wege betreten zu lassen, um den besten und richtigsten schliesslich herauszufinden.

. Über das Verfahren werden hier nur wenige Grundsätze aufgestellt, einmal um zu verhindern, daas Kinder und Jugendliche mit erwachsenen Angeklagten in Berührung kommen, und sodann, um die Gefahren der öffentlichen Verhandlung zu vermeiden, Gefahren, die nicht allein für die Zukunft der jungen Leute zu fürchten sind, sondern auch darin liegen, dass die junge Welt den Helden, der im Mittelpunkt des grossen Schauspieles steht, beneidet und ihm nacheifern möchte. Die Zulassung von Vertretern der Kinder- und Jugendschutzorganisatiouen bringt den Richter in stete Fühlung mit diesen Kreisen.

Während der Gerichtsstand des erwachsenen Täters
regelmässig am Orte der Tat begründet ist, soll hier der Richter des Wohnortes bzw. des Aufenthaltsortes entscheiden; da sind die Eltern und Erzieher, die dem Richter helfen, das Richtige zu finden, da sind die Leute, die den Täter kennen, die von dem

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Ungebesserten vieles zu fürchten haben, an der Nachholung einer vielleicht bisher versäumten Erziehung mitinteressiert sind.

Weil es sich nun eben meist um dieses Nachholen handelt, stets aber für die Art der Massnahmen der Vorteil des Kindes oder Jugendlichen massgebend ist, erscheint es billig, dass die Kosten einer Anstaltserziehung aus dem Vermögen, sei es des Täters, sei es seiner Familie, bestritten werden.

VIII. Abschnitt, Strafvollzug, Schutzaufsicht.

(Art. 395--405.)

1. Der S t r a f v o l l z u g bleibt nach Art. 64bi8 der Bundesverfassung Sache der Kantone. Sie sind verpflichtet, die Entscheidungen der mit der Bundesrechtspflege betrauten Behörden gegen Kostenersatz zu vollziehen, ferner die Urteile und Beschlüsse ihrer eigenen Gerichtsbehörden. Für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen und sichernden Massnahmen hat jeder andere Kanton Rechtshülfe durch Zuführung zu leisten (Art. 371). Dagegen kann nach Art. 403 die Vollstreckung von strafrechtlichen Verurteilungen zu irgend welchen vermögensrechtlichen Leistungen in der ganzen Schweiz nachgesucht werden. Es ist aber auch selbstverständlich, dass die verhängten Nebenstrafen (Art. 48--53) ihre Wirkungen in allen Kantonen ausüben und von den Behörden zu beachten sind.

2. Der Kanton hat zu vollziehen, was das Urteil befiehlt, und zwar so zu vollziehen, wie das Gesetz es verlangt. Der dritte Abschnitt des ersten Buches stellt, indem er den Inhalt der Freiheitsstrafen und anderer Freiheitsentziehungen bestimmt, eine Reihe von Vorschriften über deren Vollzug auf. Die Vorschriften verlangen bei länger andauernden Freiheitsstrafen (Art. 34, Ziff. 4, Art. 35,. Ziff. 4 und Art. 36) die Durchführung des von Walter Crofton aufgestellten und 1854 zuerst in irischen Strafanstalten angewandten Progressivsystems, das im Verlaufe in fast allen grössern Strafanstalten der Schweiz zur Einführung gelangt ist.

Art. 396 enthält eine Vorschrift über die Anrechnung der Sicherheitshaft, die nach dem letzten in der Sache ergangenen Urteil eingetreten ist, während Art. 66 die Anrechnung im Urteil ordnet.

Abgesehen hiervon und von den folgenden Vorschriften über den Verdienstanteil wird alles weitere der kantonalen Gesetzgebung beziehungsweise den Strafanstaltsreglementen überlassen. Nicht nur das; der Bundesrat soll für Strafanstalten mit ausgedehntem Landwirtschaftsbetrieb Abweichungen von den Vorschriften über

91 den progressiven Strafvollzug gestatten. Damit soll unter anderem die Weiterführung der -grossen bernischen, auch von andern Kantonen beschickten Strafanstalt Witzwil nach den bisherigen Verwaltungsgrundsätzen gewährleistet werden. Das kann um so eher geschehen, als seither auf dem Anstaltsboden ein Zuchthaus, ein Zentralbau mit fester Umfassungsmauer, errichtet worden ist, was die örtliche Trennung der Zuchthaus- von den Gefängnissträflingen erleichtert, und auch im übrigen eine weitgehende Anpassung an die Forderungen des Strafgesetzbuches von der verdienten Leitung der grossen Anstalt als durchaus möglich hingestellt worden ist.

Die ganze Richtung des vorliegenden dritten Buches geht dahin, alle Kräfte zur Durchführung des Werkes zu sammeln und die Aufgaben unter sie zu verteilen ; nicht aber zu zerstören, um alles neu aufzubauen.

3. Einige Bestimmungen über den Verdienstanteil aufzunehmen, rechtfertigte sich durch die Bedeutung, welche diese Einrichtung für die Erziehung zu Arbeitsamkeit und Sparsinn besitzt, ferner auch für den Wiedereintritt des Sträflings ins Leben, indem ihm das selbst geschaffene Spargut über die ersten Schwierigkeiten hinweghilft. Dann sind die zivilrechtlichen Verhältnisse des Verdienstanteils zu ordnen, da weder das Zivilgesetzbuch noch das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz etwas in dieser Richtung bestimmt haben, während dies unzweifelhaft Sache der Bundesgesetzgebung ist. Die Ansetzung eines Verdienstanteils wird verlangt für die Sträflinge in Strafanstalten, Verwahrungsanstalten, Arbeitserziehungsanstalten ; den Kantonen bleibt es überlassen, sie auch für andere Anstalten, etwa für Jugendliche, vorzunehmen.

Die weitern Vorschriften sollen den Verdienstanteil seiner eigentlichen Zweckbestimmung erhalten; alles übrige ist dem kantonalen Verwaltungsrecht anheimgestellt, insbesondere auch die Höhe des Verdienstanteils. In unsern grössern Anstalten schwankt er zwischen 5--15 % des Tagesverdienstes und beträgt im Tagesdurchschnitt 10--20 Rappen.

4. S c h u t z a u f s i c h t . Das Strafgesetzbuch umschreibt die Aufgaben der Schutzaufsicht in Art. 44. Vergleiche oben Seite 20, wo auch die Fälle, in denen sie einzutreten hat, zusammengestellt sind. Das Schutzaufsichtswesen in der Schweiz hat schon eine längere Geschichte hinter sich. Die Schutzaufsicht ist behördlich
organisiert im Aargau, in St. Gallen und Bern; daneben bestehen zahlreiche kantonale und lokale freiwillige Vereinigungen, die sich zu einem schweizerischen Verband zusammengetan und dem schweizerischen Verein für Straf- und Gefängniswesen sich angeschlossen haben. Auch fehlt es nicht an internationalen Verbindungen mit Schutzaufsiehtsvereinen in den Nachbarländern.

92 Die grosse Bedeutung der Schutzaufsicht für die Verhinderung von Rückfällen rechtfertigt es, den Kantonen vorzuschreiben, dass sie eine solche einrichten. Dagegen ist es nicht notwendig, dass dies nach einheitlichen Normen geschehe, insbesondere darf den Kantonen überlassen bleiben, ob sie die Ausübung Behörden oder freiwilligen Vereinigungen oder beiden zugleich tibertragen wollen; nur ist die Übertragung an Polizeiorgane ausgeschlossen, weil es sieh nicht urn sicherheitspolizeiliche, sondern um rein humanitäre Ziele handelt. Nach einer andern Richtung soll Art. 402 verhindern, dass nicht polizeiliche Anordnungen dem Wirken der Schutzaufsicht entgegenarbeiten. Diese Vorschrift wird indessen mehr ein Wunsch bleiben, sofern man davon ausgeht, dass in dem Art. 45 der Bundesverfassung nicht nur den Schweizerbürgern das individuelle Freiheitsrecht der Niederlassungsfreiheit garantiert wird, sondern auch den Kantonen die Freiheit der Gesetzgebung in den Schranken jener Garantie. Endlich ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 371 des Zivilgesetzbuches jede mündige Person, die zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahre oder darüber verurteilt worden ist, bevormundet werden muss, und dass diese Vormundschaft durch die zeitweilige oder bedingte Entlassung nicht aufgehoben wird. Sache der Kantone wird es sein, das Verhältnis der Schutzaufsicht zur Vormundschaft zu ordnen.

5. Die Vollstreckung vermögensrechtlicher Leistungen ist schon am Eingange dieses Abschnittes erwähnt worden. Die Verurteilung zu Schadensersatz wird als Zivilurteil angesehen und ist daher ohnehin durch die ganze Schweiz vollstreckbar. Durch Art. 403 wird das Strafurteil auch im übrigen als vollstreckbar im Sinne von Art. 80 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes erklärt, so dass der Rechtsöffnuagsrichter im Bestreitungsfall definitive Rechtsöffnung zu erteilen hat und awar in jedem Kantone. Die Vollstreckung der Verurteilung zu andern vermögensrechtlichen Leistungen als Geldleistungen erfolgt nach kantonaler Vorschrift.

Die Einnahmen aus der Handhabung der Strafrechtspflege fallen dem Gemeinwesen anheim, von dessen Gerichten oder Behörden der Straffall behandelt worden ist. Ist ein Fall vom kantonalen Gericht an das Bundesgericht gezogen worden, so bezieht das letztere vorkommendenfalls nur seine Kosten; Bussen und Einziehungen
verbleiben der kantonalen Gerichtsverwaltung.

Endlich werden hier die Kantone an ihre Aufgabe erinnert, den un vermöglichen Bussenschuldnern Gelegenheit zum Ab verdienen zu geben (Art. 46, Ziff. l, Absatz 2).

93 IX. Abschnitt.

Anstalten.

(Art. 406--417.)

Die Vorlage zählt zunächst die vom Strafgesetz geforderten Anstalten auf und überbindet die Errichtung und den Betrieb derselben den Kantonen. Dann wird den Kantonen die Bundeshülfe hierbei zugesichert. Ferner wird die Aufsicht über die Anstalten geordnet und endlich eine Übergangsbestimmung getroffen.

1. Anstalten. Die Anstaltsfrage ist wohl die wichtigste für die Durchführung der Strafrechtsreform. Das Justiz- und Polizeidepartement hat denn auch nicht ermangelt, zum gründlichen Studium aller dieser Fragen und Berichterstattung hierüber eine besondere Kommission zu ernennen. Das Ergebnis ihrer Beratungen ist niedergelegt im (ersten) Beilagenband zum Protokoll der zweiten Expertenkommission, herausgegeben im März 1916.

In Betracht fallen : a. die Strafanstalten zum Vollzuge der drei Arten von Freiheitsstrafen : Zuchthaus, Gefängnis und Haft (Art. 406).

Die Untersuchungen der erwähnten Kommission haben ergeben, dass in sechs kantonalen Anstalten, die sich für den Vollzug der Z u c h t h a u s s t r a f e eignen, entweder jetzt schon oder nach Durchführung kantonal geplanter oder bereits in Angriff genommener Verbesserungen die voraussichtlich notwendige Zellenzahl sich vorfindet. Die Macht der Tatsachen hat die Kantone schon längst auf den Weg einer gewissen Vereinheitlichung des Strafvollzuges gedrängt. Schon seit längerer Zeit bringen kleinere Kantone, die Urkantone, Glarus, beide Appenzell usw., ihre Zuchthaussträflinge in einer der modernen, grösseren Strafanstalten, besonders in Lenzburg und St. Gallen, unter. 1908 hat Neuenburg oeine Strafanstalt aufgegeben und die Sträflinge teils in Witzwil, teils in Regensdorf (Zürich) untergebracht, 1911 Schaffhausen, mit Überweisung der Insassen an Regensdorf, 1912 Genf, mit Unterbringung der Sträflinge in Witzwil. Sodann hat Tessin durch Kantonsratsbeschluss vom 30. Juli 1913 die Regierung ermächtigt, einen Teil der Insassen der Strafanstalt (penitenciere cantonale in Lugano) in Strafanstalten anderer Kantone unterzubringen. Sehr bemerkenswert ist die Vereinbarung zwischen Baselland und Baselstadt über den Austausch von Sträflingen, vom 11./16. April 1914, wonach Zuchthaussträflinge vorwiegend nach Basel, Gefängnissträflinge nach Liestal abgegeben werden sollen. Daraus ergibt sich, dass ein den Gesetzesvorschriften entsprechender Vollzug der schwersten Frei-

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heitsstrafe schon jetzt als gesichert betrachtet werden darf, indem eine zweckentsprechende Verteilung der Sträflinge aus Kantonen, die keine Zuchthäuser besitzen, auf die grossen, gut eingerichteten Strafanstalten sich auf dem Wege der weiteren Verständigung unter den Kantonen leicht wird bewerkstelligen lassen.

Etwas anders liegen die Verhältnisse mit Bezug auf die G e f ä n g n i s s t r a f e . Die Kommission befürwortet deren Vollzug in Zentralgefängnisanstalten, in denen der erzieherische Zweck besser erreicht und namentlich auch die Arbeitsgelegenheit leichter beschafft und lohnender ausgestaltet werden kann als in den kleinen Bezirksgefängnissen. Auch dafür wäre in 12 kantonalen Anstaltsgebäuden, die jetzt schon oder nach verhältnismässig geringfügigen Verbesserungen zu diesem Strafvollzuge geeignet erscheinen, die voraussichtlich notwendige Zellenzahl vorhanden. Aber eben das Vorhandensein zahlreicher kleiner Gefängnisse in fast allen Kantonen wird der Zusammenlegung auf dem Wege freier Verständigung gewisse Schwierigkeiten entgegensetzen, insbesondere mit Bezug auf die Vollstreckung ganz kurzzeitiger Gefängnisstrafen. Indessen gibt das Abkommen der beiden Basel ein ermutigendes Beispiel, und gerade hier ist es von Bedeutung, dass das Gesetz selber (Art. 416) eine etappenweise Durchführung der Reform gestattet.

Übrigens wird die Möglichkeit bedingter Verurteilung das Bedürfnis von Gefängniszellen wesentlich verringern. Für den Vollzug der Haftstrafe werden interkantonale Vereinbarungen kaum notwendig sein, da in den kleinen Gefängnisanstalten, die zugleich für die Untersuchungs- und Sicherheitshaft dienen, die Kantone ausreichende Räume besitzen. .Übrigens lässt sich ein einigermassen sicherer Voraoschlag des Bedürfnisses kaum aufstellen; sicher ist, dass das neue Gesetz die Zahl der Verurteilungen zu Freiheitsstrafe im ganzen nicht steigern wird.

b. Die Anstalten zum Vollzuge sichernder Massnabmen gegenüber Erwachsenen (Art. 407). Für die V e r w a h r u n g a a n s ta 11 werden Neubauten, eine vielleicht für die deutsche, eine für die romanische Schweiz notwendig sein. Ob die Kantone auf dem Konkordatsweg sich zu gemeinsamer Erstellung und gemeinsamem Betrieb der Anstalt zusammentun werden, ob Bau und Betrieb von einzelnen Kantonen unternommen werden unter Einräumung des Mitbenutzungsrechtes
durch die andern gegen Ersatz der ungefähren Selbstkosten, wird sich im Verlaufe zeigen. -- Dass die Umwandlung bestehender Zwangsarbeitsanstalten in Arbeitserziehungsanstalten schon heute von Behörden und gemeinnützigen Vereinigungen angestrebt wird, ist oben, zu Art. 41, gezeigt worden.

Somit eröffnet sieh die Möglichkeil, eine oder mehrere der Anstalten, in denen die Reform durchgeführt sein wird, für die straf-

95 richterliche Einweisung zu benutzen, oder eine oder einige bestehende Anstalten durch die Kantone übernehmen und in ihnen die Reform durchführen zu lassen. Neu- oder Umbauten werden nicht zu umgehen sein. Eine Einigung unter den Kantonen wird dabei um so leichter sich herbeiführen lassen, als die Arbeitserziehungsanstalt wie die Verwahrungsanstalt eine nicht unerhebliche Entlastung der Armenkassen herbeiführen wird. -- Gutgeleitete T r i n k e r h e i l a n s t a l t e n finden sich in sieben Kantonen. Allein sie genügen den Anforderungen an eine Trinkerheilanstalt für Kriminelle nicht. Sie sind offene Anstalten ohne jede Möglichkeit der Fluchtverhinderung. Es sind Anstalten für Unbescholtene und dürfen auf diesen Charakter nicht verzichten. Sie kennen die Möglichkeit eines Zwangs zur Arbeit nicht. Sie sind im Platze beschränkt und müssen für ihre Zwecke klein bleiben und sind hauptsächlich auch deshalb zu teuer. Somit weiden Neubauten nötig sein; dagegen wird es sich empfehlen, diese Trinkerheilanstalten als besondere Abteilungen mit Arbeitserziehungsanstalten zu verbinden, unter einheitlicher Verwaltung, aber Trennung der Insassen. Verwahrungs- und Arbeitserziehungsanstalten können ihrer Natur nach nur Staats- (oder Gemeinde-)anstalten sein; die Heilung der Gewohnheitstrinker kann -- mit allem Vorbehalt -- am Ende der privaten Tätigkeit, vielleicht von Abstinenzvereinen, unter Umständen überlassen werden.

c. Die Anstalten für Kinder und Jugendliche (Art. 408). Die Fürsorge für die armen, verlassenen und verwahrlosten Kinder und Jugendlichen durch Gründung und Betrieb von Erziehungsanstalten geht auf Pestalozzi zurück. Insbesondere hat die schweizerische gemeinnützige Gesellschaft diese Bestrebungen weitergeführt, nicht nur durch Anregungen der mannigfachsten Art, sondern auch durch Gründung von Anstalten, die heute noch unter ihrem Schutze stehen, 1840 Bächtelen bei Bern, 1859 Sonnenberg bei Luzern, 1881 die katholische Mädchenanstalt in Richterswil. Seither hat sich ein dichtes Netz von Fürsorgeerziehungsund auch Besserungsanstalten über das Land gelegt, Schöpfungen gemeinnütziger und konfessioneller Vereinigungen, zuletzt der Kantone und der Gemeinden. Es ist daher die Feststellung der Kommission nicht überraschend, dass Anstalten, die sich als Rettungsanstalten für Jugendliche beiderlei
Geschlechts eignen und solche, die sich als Korrektionsanstalten betreiben liessen oder gar schon als solche betrieben werden, jedenfalls in genügender Zahl vorhanden sind und ohne wesentliche Kosten allen Anforderungen an solche, Gelegenheit zur Berufslehre, Einzelzimmer usw., angepasst werden können. Dasselbe darf auch von den Erziehungsanstalten für Kinder gesagt werden. Es besteht übrigens kein Bedürfnis

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dafür, die von der ^zuständigen Behörde" behandelten Kinder, wie auch die richterlich eingewiesenen Jugendlichen in besondern Anstalten, also getrennt von den durch die Vormundschaftsbehörden als verwahrlost oder gefährdet Versorgten, getrennt zu halten ; bei beiderlei Eingewiesenen ist der Grund der Einweisung ja derselbe, die sittliche Gefährdung oder Verwahrlosung. Interkantonale Vereinbarungen über den gemeinsamen Betrieb oder die Mitbenutzung der von einzelnen Kantonen erstellten und betriebenen Korrektionsanstalten werden, soweit sie noch nicht bestehen, notwendig und auch wohl möglich sein. Die Sorge für die weitern Anstalten oder die Sicherung von Plätzen in solchen bei erforderlichen Einweisungen kann sehr wohl der einzelnen Kantonsregierung überlassen bleiben.

d. Räume für die abgesonderte Einschliessung Jugendlicher (Art. 409). Besondere ,,Jugendgefängnisse" sind wohl nicht in Aussicht zu nehmen, überhaupt kein eigentlicher Anstaltsbetrieb.

Schon die Kürze der Eiuschliessungsdauer macht es wünschenswert, die Räume möglichst in der Nähe des Wohnortes des jugendlichen Täters einzurichten, am besten vielleicht in Verbindung mit Korrektionsanstalten, wenn man nicht nach englischem Vorbild places of Detention, Räume für die Unterbringung jugendlicher Untersuchungsverhafteter und zugleich Beobachtungsstationen, die die nachherige Entschliessung, welche Massnahmen oder ob die Einschliessung anzuordnen sei, erleichtern, erstellen will. In allen Fällen ist dafür zu sorgen, dass eine Überwachung, Anleitung zu Beschäftigung und Arbeit und eine gewisse erzieherische Einwirkung stattfinde: Alles das bleibe dem einzelnen Kanton überlassen.

2. Bundeshülfe. Art. 64bi8 der Bundesverfassung erklärt den Bund befugt, den Kantonen zur Errichtung von Straf-, Arbeitsund Besserungsanstalten und für Verbesserungen im Strafvollzuge Beiträge zu gewähren. Er ist auch befugt, sich an Einrichtungen zum Schutze verwahrloster Kinder zu beteiligen.

Demgemäss werden hier in Aussicht genommen : a. Bundesbeiträge an den Bau und den Ausbau der in diesem Gesetze geforderten Anstalten, mit einer Übergangsbestimmung, welche die Kantone ermuntert, die Reformarbeit nicht bis zum Inkrafttreten des Gesetzes (Art. 410) ruhen zu lassen.

b. Beiträge an den Betrieb der Anstalten zum Vollzuge sichernder Massnahmen gegenüber Erwachsenen und der Anstalten für Kinder und Jugendliche (Art. 411, Absatz 1).

c. Beiträge an Bau, Ausbau und Betrieb von Privatanstalten,

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die sich für die Zwecke dieses Gesetzes zur Verfügung stellen {Art. 411, Absatz 2).

Die Verwahrung gefährlicher Geisteskranker ist an sich Aufgabe der Sicherheitspolizei der Kantone. Es wird auch nicht die Errichtung besonderer Anstalten für Geisteskranke verlangt, die eine als Vergehen bedrohte Tat begangen haben, da ihre Behandlung nicht verschieden ist von der Behandlung nicht krimineller gefährlicher Geisteskranken. Dagegen ist es dringend geboten, dass in den Irrenanstalten besondere, mit allen Sicherheitsvorkehren versehene Abteilungen für Gefährliche errichtet werden ; der Bund soll diese Errichtung fördern, soweit die Abteilung zur richterlichen Einweisung in Anspruch genommen werden kann ohne Rücksicht auf die kantonale Herkunft der Einzuweisenden (Art. 13, 389, 412).

Die Heranbildung und Fortbildung von Anstaltsbeamten liegt zurzeit bei uns im argen. Der Bund soll auch in dieser Richtung zur Verbesserung des Strafvollzugs anregen und beitragen (Art. 413).

3. Die Aufsicht über die Staatsanstalten der Kantone und der Gemeinden liegt selbstverständlich den Kantonen ob; das Gesetz überträgt ihnen auch die Aufsicht über die Privatanstalten und die Familienerziehung (Art. 414).

Dem Bund muss die Oberaufsicht vorbehalten bleiben, schon um die sachgemässe Verwendung der Bundesbeiträge zu sichern, dann aber auch, weil ihm die Aufgabe zukommt, die Vollziehung des Bundesgesetzes zu überwachen.

4. Eine Schlussbestimmung zu diesem Abschnitt nimmt die etappenweise Durchführung der Reform in Aussicht. Auch sie wird Anforderungen an die Finanzen der Kantone, insbesondere aber an die des Bundes stellen.

Wenn wir aber planmässig vorgehen und Jahr für Jahr etwas für die Gefängnisreform zurücklegen und eines nach dem andern machen, so darf man die Überzeugung aussprechen, dass Bund und Kantone ein solches Werk durchführen können.

X. Abschnitt.

Begnadigung, Wiederaufnahme des Verfahrens.

(Art. 417--421.)

1. Wem soll das Begnadigungsrecht zustehen in den Strafsachen, die nach Bundesstrafrecht beurteilt worden sind? Die bisherige Praxis ging unwidersprochen dahin, dass die Bundesbehörden ausschliesslich zuständig seien in allen Fällen, wo die Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

7

98

Verurteilung auf Grund eines Bundesgesetzes, sei es durch eidgenössische, sei es durch kantonale Gerichte, stattgefunden hat, und zwar auch dann, wenn durch das betreffende Bundesgesetz die Gerichtsbarkeit ausdrücklich den kantonalen Gerichten zugewiesen ist. Art. 85, Ziff. 7 und Art. 92 der Bundesverfassung: überweisen die Ausübung des Begnadigungsrechts im Bunde der vereinigten Bundesversammlung.

Diese Ordnung der Dinge wird mit Einführung des Strafgesetzbuches tatsächlich unmöglich. Der Entwurf schlägt daher vor, die Ausübung des Begnadigungsrechtes nach der Gerichtsbarkeit zu teilen, von der die zu erlassende Strafe verhängt worden ist. Ob darin die Übertragung eines dem Bunde zustehenden Rechtes zur Ausübung an die Kantone erblickt werden will, oder die Anerkennung eines kantonalen Souveränitätsrechtes, ist hier nicht zu untersuchen; im einen wie im andern Falle ist es klar, dass dem Bunde das Recht der Gesetzgebung über die Voraussetzungen und Wirkungen der Begnadigung zusteht; der Gesetzgeber, der die Voraussetzungen und Wirkungen des staatlichen Strafanspruchs normiert, umschreibt auch die Grenzen des Strafanspruchs, Voraussetzungen und Wirkungen der Gründe der Aufhebung desselben. Die dringende Notwendigkeit solcher Vorschriften ergibt sich aus der ganz unglaublichen Verschiedenheit in der Auffassung und Handhabung der Begnadigung, Verschiedenheiten, die in keiner Weise auf geschichtliche oder ethnographische Ursachen sich zurückführen lassen. Wenn die Gesetzgebung einzelner Kantone den Kantonsräten es gestattet, mit verschwenderischer Freigebigkeit Gnade zu gewähren und die Kantonsräte davon masslosen Gebrauch machen, so mag das mit der Strenge ihrer Strafgesetzgebung zusammenhängen, die weder durch die Gestattung, mildernde Umstände anzunehmen, noch durch die Möglichkeit bedingter Entlassung oder bedingter Verurteilung durchbrochen wird. In andern Kantonen sind die Möglichkeiten der Begnadigung sehr beschränkte, die Begnadigungsfälle sind selten. Es ist aber durchaus notwendig, dass ein gleiches Recht die als Ungerechtigkeit empfundene allzuverschiedene Behandlung der Verurteilten aufhebe.

2. Was anzustreben ist, ist eine sehr starke Beschränkung der Möglichkeit der Begnadigung. Von den Schriftstellern der französischen Revolution und ihren Nachfolgern ist die Begnadigung als ein Akt
der Willkür bekämpft worden, der allerdings geeignet sei, die Machtfülle des absoluten Alleinherrschers zu offenbaren, aber mit der Gesetzmässigkeit der Demokratie schwer vereinbar sei. Jedenfalls gestattet die Anlage des vorliegenden Gesetzes mit seinen weitern Strafrahmen und der Zulassung bestimmter

99 mildernder Umstände dem Richter, Unbilligkeiten zu vermeiden, und sollten solche dennoch vorkommen, so schreite man mit der Begnadigung jedenfalls nur dann ein, wenn die Unbilligkeit eine drückende, also von einiger Bedeutung ist. Die Möglichkeit, jedes Urteil durch die Begnadigungsbehörde nachprüfen zu lassen, ist auszuschliessen. Das Gesetz bietet sodann dem Täter eine Reihe von Möglichkeiten, durch eigene Anstrengung sich einen Anspruch auf Strafnachlass zu erwerben; durch gutes Verhalten während der Probezeit auf Straferlass, während der Strafzeit auf bedingte Entlassung, nach Erstehung der Strafe auf Rehabilitation. Der Antrieb zum Guten, der in all diesem liegt, wird gelähmt, wenn daneben die begründete Hoffnung besteht, durch geschickte Fürsprache bei der Begnadigungsbehörde diese Vorteile mühelos zu erlangen. Alle diese Bedenken müssen dahinfallen, wenn es sich um ein politisches Verbrechen handelt; hier können Gründe der Staatsnotwendigkeit für ein sofortiges und völliges Verzeihen und Vergessen sprechen. Über die in solchen Fällen auch vorkommende Amnestie spricht sich die Vorlage nicht aus und überlässt daher ihre Regelung dem Staats- und Verwaltungsrecht des Bundes und der Kantone.

3. Die Vorschriften über die Berechtigung zur Stellung eines Begnadigungsgesuches sind im Sinne möglichster Ausdehnung gehalten; die Abwehr zu häufiger Wiederholung entspricht der Vorschrift von Art. 79 bei der Rehabilitation. Neu ist, dass auch Kosten auf dem Wege der Begnadigung erlassen werden können.

4. Da die Begnadigung gelegentlich begangene Irrtümer in der Beurteilung gutmachen soll, hat die Einschränkung der Begnadigung zur Voraussetzung, dass überall die Möglichkeit der Wiederherstellung auf prozessualem Wege gegeben sei.

XI. Abschnitt.

Schlussbestimmungen.

(Art. 422--424.)

Die Aufzählung der aufgehobenen Bestimmungen der bestehenden Bundesgesetzgebung kann nur eine nicht erschöpfende sein, immerhin dient sie auch so zur Klarstellung der Sachlage in hohem Masse. Die Begründung der einzelnen Aufhebungen findet sich teils in früher Gesagtem, teils ergibt sie sich ohne weiteres aus dem Inhalt der Gesetzestexte. Die kantonalen Gesetze und Verordnungen werden allgemein, soweit sie der neuen Ordnung widersprechen, aufgehoben. Die Einzelarbeit, wie sie hier für das

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Bundesrecht vorgenommen wurde, darf den kantonalen Einführungsgesetzen überlassen werden. Was den übrigen Inhalt dieser Einführungsgesetze anbetrifft, wird das Justiz- und Polizeidepartement seinerzeit die nähere Anleitung erteilen, wie das durch Memorial vom 24. Juli 1908 für das Zivilgesetzbuch geschehen ist.

Die Vorlage, welche Ihnen der Bundesrat unterbreitet, ist die reife Frucht langjähriger und gründlicher Vorbereitung, an der weiteste Kreise der gesamten Schweiz, die grosse Zahl der erhaltenen Eingaben mag das schon zeigen, tätigen Anteil genommen haben. Wesshalb wir dem am 13. November 1898 vom Schweizervolk erhaltenen Auftrage nicht früher nachkommen konnten, ist im Eingange der Botschaft gezeigt. Ein längerer Aufschub würde sich aber nicht rechtfertigen. Wird etwa die Not und Unruhe der gegenwärtigen Zeit als ungeeignet erachtet, ein Gesetzeswerk, wie das vorliegende, zu beraten, so ist umgekehrt darauf hinzuweisen, dass, wie die Erfahrung lehrt, mit der Beendigung des Krieges ein starkes und andauerndes Anschwellen der Verbrechen eintreten wird. Daraus ergibt sich die Wünschbarkeit, ja die Notwendigkeit, das Rüstzeug zur Bekämpfung des Verbrechertums baldigst zu verbessern und die zerzplitterten Kräfte zur gemeinsamen Abwehr zu sammeln. Sodann ist es die schöne Aufgabe der vom Kriege und seinen Schrecken verschonten Länder und Staaten, die Arbeit an Friedenswerken der Gesittung um so kräftiger zu fördern, als sie in den kriegführenden Staaten naturgemäss unterbunden und zurückgestellt worden ist.

Wir erwarten vom neuen Strafgesetzbuch einen fördernden Einfluss auf das Wirtschaftsleben unseres Volkes. Gewiss haben Handel und Verkehr vor allem Vereinheitlichung der Zivilrechtsvorschriften verlangt, aber gerade 'die Vereinheitlichung dieser Zivilrechtsnormen ruft auch einer einheitlichen Sanktion durch das Strafrecht. Durch die Strafbestimmung gegen unlautern Wettbewerb wird ein altes Postulat des Handelsstandes erfüllt; die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit der Organe und Bevollmächtigten von Aktien- und andern Handelsgesellschaften, hervorgerufen durch die Bankkrisen der letzten Jahre, werden, in Verbindung mit der schärfern Umschreibung der Buchhaltungsvergehen und der Strafandrohung gegen Verleitung zu Börsenspekulationen, zur Wiedergesundung des Kreditwesens beitragen. Überhaupt ist die wirksamere Bekämpfung des Verbrechertums, das uns Werte zerstört, von einer beinahe Ziffern mässig zu berechnenden Bedeutung für die Volkswirtschaft.

101 flöher jedoch schätzen wir die sittliche Bedeutung des Gesetzeswerkes ein. Das Gesetz schärft Verantwortlichkeiten und Fürsorgepflichten ein, des Vaters für Frau und Kind, der Arbeitgeber für Arbeiter und insbesondere Arbeiterinnen und die gegenseitige Nothülfepflicht aller. Gerade die Reformen im Gebiete der Gesetzgebung über die geschlechtlichen Beziehungen beruhen auf ähnlichen Erwägungen. Schon die Erklärung des Gesetzes allein, dass ein gewisses liebloses Verhalten der Gesellschaft unerträglich sei, ist geeignet, die Moral des Volkes zu heben und, über den Schutz des bestehenden Rechtszustandes hinaus, jene bürgerlichen Tugenden zu kräftigen, die für jede freiheitliche Verfassung" des öffentlichen Lebens notwendig sind. Und muss die Strafe eintreten, so wird sie, weil niemals ohne Schuld verhängt, vom. Täter selber als gerecht empfunden und daher wirksam sein; als gerecht wird sie insbesondere den Verurteilten aus verschiedenen Kantonen erscheinen, die in ein und dieselbe Anstalt eingewiesen sind und nicht mehr nach verschiedenen Gesetzen verschieden behandelt werden müssen. Das Gesetz will aber nicht nur den Staat und die Einzelnen schützen gegen verbrecherische Angriffe und ihnen zu Genugtuung und Wiederherstellung verhelfen, insbesondere in der verschärften Bekämpfung des Parasitentums des gewohnheitsmässigen und gewerbsmässigen Verbrechens. Es ist auch bestrebt, den gefallenen Mitbürger zu retten, solange er noch aus seiner Versunkenheit gerettet werden kann, nicht nur durch die Milde der Strafen, sondern insbesondere durch die Erprobung des bedingt Verurteilten oder nach teilweiser Erstehung der Strafe bedingt Entlassenen. Auch der Vollzug der Strafe, die Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt oder in eine Trinkerheilanstalt hat ja die Erziehung zur Arbeit und zu allem Guten und damit die Rettung der Fehlbaren zum Ziele. Ganz besonders aber wird die auf diesem Grundsatz aufgebaute Behandlung der Kinder und Jugendlichen in gleicher Weise die Interessen des Gesellschaftsschutzes und der Humanität wahren und dabei so manches junge Leben, das unter den geltenden Straf- und Verfahrensvorschriften gänzlich zugrunde geht, der Arbeit und dem Gemeinschaftsleben erhalten.

Wir wollen auch noch darauf hinweisen, dass gerade in diesen Zeiten, da wir gegen Überfremdung auf allen Gebieten
klagen und ankämpfen, die Errichtung eines gemeinsamen, nationalen Werkes eine befreiende Tat sein wird, wie das Zivilgesetzbuch uns von trennenden fremden Einflüssen emanzipiert hat. Wie dort, so soll auch hier gezeigt werden, dass der demokratische Staat für die grossen Aufgaben der Gesittung Lösungen zu finden vermag, trotz Verschiedenheiten der Sprachen, der Konfessionen und der Parteianschauungen, sobald der Wille zu gemeinsamer Arbeit vorhanden ist.

102

Die Vorlage ist ein Werk nationaler Einigung, kein Werk der Zentralisation, kein einziges Bundesamt wird geschaffen und die Kantone, weit entfernt davon in ihrer Betätigung eingeschränkt zu werden, erhalten Aufgaben zugeteilt, durch deren Lösung unter Beihülfe des Bundes sie sich unmittelbar an der Förderung der Menschheitskultur beteiligen können.

Wir empfehlen Ihnen, hochgeehrte Herren, den beigelegten Entwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch zur Annahme.

B e r n , den 23. Juli

1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Calonder.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Scbatzmami.

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(Entwurf).

Schweizerisches Strafgesetzbuch.

Erstes Buch: Von den Vergehen.

Allgemeiner Teil.

Erster Abschnitt.

Der Bereich des Strafgesetzes.

Artikel 1.

Strafbar ist nur, wer eine Tat begeht, die das Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht.

2.

Nach diesem Gesetze wird beurteilt: wer nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Vergehen verübt, .

wer nach Inkrafttreten dieses Gesetzes wegen eines Vergehens beurteilt wird, das er früher begangen hat, jedoch nur, wenn dieses Gesetz günstiger für ihn ist als das Gesetz, das zur Zeit der Tat in Kraft bestand.

3.

Nach schweizerischem Gesetz ist strafbar, wer in der Schweiz ein Vergehen verübt.

1. Keine Strafe ohne Gesetz.

2. Zeitliche Geltung das

Gesetzes.

3. Räumlich* Geltung des Genti**.

Vergehen im Inland«.

104

Hat der Täter im Ausland wegen des Vergehens eine Strafe erstanden, so rechnet sie ihm der schweizerische Richter auf die Strafe an.

Ist ein Ausländer auf Ersuchen der schweizerischen Behörde im Ausland verfolgt worden, so wird er in der Schweiz wegen dieses Vergehens nicht mehr bestraft: wenn ihn das ausländische Gericht endgültig freigesprochen hat, wenn er die Strafe, zu der ihn das ausländische Gericht, verurteilte, erstanden hat.

Ist die Strafe im Ausland" mir teilweise vollzogen, so wird der vollzogene Teil angerechnet.

4.

Vergehen im Nach schweizerischem Gesetz ist strafbar,' wer im Ausland gegen d*n Staat. Ausland ein Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung (Dreizehnter Abschnitt) begeht.

Hat der Täter wegen des Vergehens im Ausland eine' Strafe erstanden, so rechnet sie ihm der schweizerischeRichter auf die Strafe an.

',,''· ' Ist die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so.

; wird der vollzogene Teil angerechnet.

5.

Vergehen im Wer im Ausland gegen einen Schweizer ein Vergehen Schweizer, verübt, ist nach schweizerischem Gesetze strafbar, wenn er in der Schweiz betreten und nicht an das Ausland ausgeliefert wird, oder wenn er der Eidgenossenschaft wegen, dieses Vergehens ausgeliefert wird.

Der Täter wird wegen des Vergehens nicht mehr bestraft,, wenn die Strafe, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.

Ist die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so.

wird der vollzogene Teil angerechnet.

:

105

6.

Der Schweizer,1 der im Ausland ein Vergehen verübt,7 Vergehen von 0 Schweizern im für das nach schweizerischem Recht die Auslieferung beAmUnd.

willigt werden könnte, ist, sofern das Vergehen auch am Begehungsort mit Strafe bedroht ist, nach schweizerischem Gesetze strafbar, wenn er in der Schweiz betreten oder der Eidgenossenschaft wegen dieses Vergehens ausgeliefert wird.

Er wird in der Schweiz nicht mehr bestraft: wenn er im Ausland wegen des Vergehens endgültig freigesprochen wurde ; wenn die Strafe, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.

Ist die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so wird der vollzogene Teil angerechnet.

7.

Der Schweizer, der im Ausland zu Zuchthaus oder Einstellung ' in der zu einer ebenso schweren Strafe verurteilt wird, kann auf bürgerlichen ' Ehrenfähigkeit Antrag0 des Bundesanwaltes für zwei bis zehn Jahre in der wegen im AM-' land begangener bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt werden.

' Vergehen.

8.

Der Täter begeht das Vergehen da.

0 0 5 wo er es ausführt.

' und da, wo der Erfolg eingetreten ist.

Er begeht den Versuch da, wo er ihn ausführt, und da, wo nach seiner Absicht der Erfolg hätte eintreten sollen.

Oit der

Begehung.

9.

Die Militärgesetze bestimmen, inwieweit dieses Gesetz <· Persönliche auf die dem Militärstrafrecht unterstellten Personen An- des Gesetzes, wendung findet.

106

Zweiter Abschnitt.

Das Vergehen.

1. Zurechnungsfähigkeit.

Unzurechnungsfähige.

10.

Wer wegen Geisteskrankheit, Blödsinns oder schwerer Störung des Bewusstseins zur Zeit der Tat nicht fähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss seiner Einäicht in das Unrecht der Tat zu handeln, ist nicht strafbar.

11.

Vermindert Zurechnungsfähige.

War der Täter zur Zeit der Tat in seiner geistigen Gesundheit oder in seinem Bewusstsein beeinträchtigt oder geistig mangelhaft entwickelt, so dass die Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss seiner Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln, herabgesetzt war, so mildert der Richter die Strafe nach freiem Ermessen (Art. 63).

12.

Zweifelhafter Geisteszuat»nd des Beie.huldigUn.

Hat der Untersuchungsbeamte oder der urteilende Richter Zweifel über die Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten, so lässt er dessen Geisteszustand durch Sachverständige untersuchen.

Ist der Beschuldigte taubstumm oder epileptisch, so findet diese Untersuchung in jedem Falle statt.

Die Sachverständigen begutachten den Zustand des Beschuldigten. Sie äussern sich auch darüber, ob er in eine Heil- oder Pflegeanstalt gehöre und ob sein Zustand die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährde.

Verwahrung Unzurechnungsfähiger und vermindert Zurechnungsfähiger.

13.

Gefährdet der unzurechnungsfähige oder vermindert zurechnungsfähige Täter die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, und ist es notwendig, ihn in einer Heil- oder Pflegeanstalt zu verwahren, so ordnet der Richter diese Verwahrung an.

107

Der Richter stellt den Strafvollzug gegen den verurteilten vermindert Zurechnungsfähigen ein.

14.

Versorgung Erfordert der Zustand des unzurechnungsfähigen oder Unzurechnungsvermindert zurechnungsfähigen Täters seine Behandlung und fähiger vermindert oder Versorgung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, so ordnet Zurechnungsfähiger.

der Richter diese Behandlung oder Versorgung an.

Der Richter stellt den Strafvollzug gegen den verurteilten vermindert Zurechnungsfähigen ein.

15.

Vollzug der 1. Die kantonale Verwaltungsbehörde vollzieht den Verwahrung Versorgung.

Beschluss des Richters auf Verwahrung, Behandlung oder undVollzug der Strafe des Versorgung des Unzurechnungsfähigen oder vermindert Zu- vermindert Zurechnungsrechnungsfähigen.

fähigen.

2. Der Richter hebt die Verwahrung, Behandlung oder Versorgung auf, sobald der Grund der Massnahme weggefallen ist.

Der Richter entscheidet, ob und inwieweit die Strafe gegen den verurteilten vermindert Zurechnungsfähigen noch zu vollstrecken sei.

Der Richter zieht in jedem Falle Sachverständige bei.

16.

Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Vergehen vorsätzlich verübt.

Vorsätzlich verübt ein Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt.

Ist die Tat darauf zurückzuführen, dass der Täter die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder nicht berücksichtigt hat, so begeht er das Vergehen fahrlässig. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.

2. Schuld.

Vorsatz und Fahrlässigkeit.

108 Irrige Vorstellung über den Sach verhalt.

Irrtum über die Rechtswidrigkeit.

3. Versuch.

Vollendeter und unvollendeter Versuch.

Untauglicher Versuch.

Rücktritt und tltige Reue.

17.

Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt der Richter die Tat zugunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.

Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Verübung der Tat mit Strafe bedroht ist.

18.

Wer ein Vergehen in dem Glauben verübt, er sei zu der Tat berechtigt, kann milder bestraft werden (Art. 62).

19.

Wer ein Vergehen auszuführen versucht und mit der Ausführung begonnen hat, wird milder bestraft (Art. 62); führt er die strafbare Tätigkeit erfolglos zu Ende, so kann er milder bestraft werden.

20.

Ist das Mittel, womit jemand ein Vergehen auszuführen versucht, oder der Gegenstand, woran er es auszuführen versucht, derart, dass das Vergehen mit einem solchen Mittel oder an einem solchen Gegenstande überhaupt nicht ausgeführt werden könnte, so kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (Art. 63).

Handelt der Täter aus Unverstand, so kann der Richter von einer Bestrafung Umgang nehmen.

21.

Tritt der Täter aus eigenem Antrieb von dem Versuche zurück, so wird er wegen des Versuches nicht bestraft.

Wirkt der Täter aus eigenem Antrieb dem Eintritt des Erfolges entgegen, so mildert der Richter die Strafe nach freiem Ermessen (Art. 63).

109 22.

Teilnahme.

Wer jemanden zu dem von ihm begangenen Vergehen 4.Anstiftung.

vorsätzlich bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.

Wer jemanden zu einem Vergehen, das mit Zuchthaus "bedroht ist, zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Vergehens bestraft.

23.

Wer zu einem Vergehen vorsätzlich Hülfe leistet, kann milder bestraft werden ^Art. 62).

24.

Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, die die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter, dem Anstifter und dem Gehülfen berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.

25.

Wer jemanden vorsätzlich veranlasst, eine als Vergehen bedrohte Tat nicht vorsätzlich zu begehen, wird mit der Strafe des vorsätzlichen Vergehens bestraft.

26.

1. Wird eine strafbare Handlung durch das Mittel der Druckerpresse begangen, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Verfasser dafür allein verantwortlich.

2. Kann bei nicht periodischen Druckschriften der Verfasser nicht ermittelt werden oder hat die Veröffentlichung ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen stattgefunden, so- ist der Verleger und, wenn ein solcher fehlt, äer Drucker als Täter strafbar.

3. Kann der Verfasser eines in einer Zeitung oder Zeitschrift erschienenen Artikels nicht ermittelt oder in dei -Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, oder hat die

Gehülfeniohaft.

Persönliche Verhältnisse!.

5. Veranlassen einer nicht vorsätzlichen Tat.

6. Verantwortlichkeit fUr Pressvergehen.

110

Veröffentlichung ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen stattgefunden, so ist der als verantwortlich zeichnende Redaktor als Täter strafbar.

Der Redaktor ist nicht verpflichtet, den Namen des Verfassers zu nennen. Weder gegen den Redaktor, noch gegen den Drucker und sein Personal, noch gegen den Herausgeber oder Verleger dürfen prozessuale Zwangsmittel angewendet werden, um den Namen des Verfassers zu ermitteln. Diese Vorschrift findet keine Anwendung bei den Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung (Dreizehnter Abschnitt).

4. Kann der Einsender eines in einem Anzeigeblatt oder im Anzeigeteil einer Zeitung oder Zeitschrift erschienenen Inserates nicht ermittelt werden, so wird diejenige Person als Täter bestraft, die als für die Anzeigen verantwortlich bezeichnet ist, und, wenn eine solche nicht genannt ist, der Verleger oder Drucker.

Wird die für die Anzeigen verantwortliche Person zu einer Busse verurteilt, so haftet dafür auch der Verleger.

5. Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über die öffentlichen Verhandlungen einer Behörde bleibt straflos.

6. Vergehen, die durch das Mittender Druckerpresse verübt werden, verjähren in einem Jahr von der Veröffentlichung der Druckschrift an.

7. Strafantrag.

Antragsrecht.

27.

Ist eine Tat nur auf Antrag° zu verfolgen, so kann ° ' jeder, der durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. Ist der Verletzte handlungsunfähig, so ist sein gesetzlicher Vertreter zum Antrag berechtigt. Ist der Verletzte sechzehn Jahre alt und urteilsfähig, so kann er auch selbständig einen Antrag stellen.

Stirbt ein Verletzter, bevor ihm die Tat oder der Täter bekannt geworden ist oder kann glaubhaft gemacht werden, dass der Verletzte die Absicht hatte, den Strafantrag zu, stellen, so treten die Angehörigen an seine Stelle.

Ili Hat der Antragsberechtigte ausdrücklich auf den Antrag verzichtet, so ist der Verzicht endgültig.

28.

Der Antragsberechtigte hat den Antrag innert drei Monaten zu stellen. Die Frist beginnt an dem Tage, an dem ihm die Tat und der Täter bekannt wird.

Frist-

29.

Stellt ein Antragsberechtigter gegen einen an der Tat Unteilbarkeit Beteiligten Strafantrag, so sind alle daran Beteiligten zu verfolgen.

30.

Der Berechtigte kann den Strafantrag zurückziehen, Rückzllg.

solange das Urteil des Gerichts erster Instanz noch nicht verkündet ist.

Wer einen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen.

Zieht der Berechtigte den Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten.

Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht.

31.

Die Tat,' die das Gesetz oder eine Amts- oder Berufs- 8- Handlungen.

Rechtmässiao pflicht gebietet, oder die das Gesetz für erlaubt oder straflos Genet^ Amtaerklärt, ist kein Vergehen.

Berufspflicht.

32.

Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.

Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr, so mildert der Richter die Strafe nach freiem Er-

Notwehr.

112

messen (Art. 63) ; überschreitet er die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so bleibt er straflos.

Notstand.

33.

Die Tat, die jemand begeht, um sein oder eines andern Gut, namentlich Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Vermögen, aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu erretten, ist kein Vergehen, wenn dem Täter den Umständen nach, nicht zugemutet werden konnte, das gefährdete Gut preiszugeben; andernfalls mildert der Richter die Strafe nach freiem Ermessen (Art. 63).

Dritter Abschnitt.

Strafen, sichernde und andere Massnahmen.

I. Die einseinen Strafen und Massnalimen.

34.

1

8

e

strafen'* " ·"" ^ Zuchthausstrafe ist die schwerste Freiheitsstrafe.

Zuchthausstrafe, jj^ kürzeste Dauer ist ein Jahr, die längste Dauer fünfzehn Jahre; in den Fällen, die das Gesetz besonders bestimmt, ist sie lebenslänglich.

2. Die Zuchthausstrafe wird in einer Anstalt vollzogen, die ausschliesslich diesem Zwecke dient.

Die Zuchthaussträflinge tragen Anstaltskleidung und erhalten Anstaltskost.

Der Empfang von Besuchen und der Briefverkehr des Sträflings sind nur in engen Grenzen gestattet.

3. Der Zuchthaussträfling wird zur Arbeit angehalten.

Er soll womöglich mit Arbeiten beschäftigt werden, die seinen Fähigkeiten entsprechen und die ihn in den Stand setzen, in der Freiheit seinen Unterhalt zu erwerben.

4. Der Sträfling wird in der Regel die ersten drei Monate in Einzelhaft gehalten. Nach dieser Zeit arbeitet der Sträfling in Gemeinschaft mit andern. Die Ruhezeit bringt er in Einzelhaft zu.

113

Die Aufsichtsbehörde kann die Einzelhaft verkürzen oder verlängern oder den Sträfling in die Einzelhaft zurückversetzen, wenn es sein geistiger oder körperlicher Zustand oder der Zweck der Strafe erfordert.

35.

1. Die kürzeste Dauer der Gefängnisstrafe ist acht Tage ; Gtßngnimtraf«.

bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist die längste Dauer zwei Jahre.

2. Die Gefängnisstrafe wird in einer Anstalt vollzogen, die ausschliesslich diesem Zwecke dient.

Die Gefangenen tragen Anstaltskleidung und erhalten Anstaltskost. Während der Einzelhaft kann ihnen der Gebrauch eigener Kleidung gestattet werden.

Der Empfang von Besuchen und der Briefverkehr des Sträflings sind nur so weit beschränkt, als es die Ordnung in der Anstalt gebietet.

3. Der Gefangene wird zur Arbeit angehalten. Er soll womöglich mit Arbeiten beschäftigt werden, die seinen Fähigkeiten entsprechen und die ihn in den Stand setzen, in der Freiheit seinen Unterhalt zu erwerben.

4. Die Gefängnisstrafe wird, soweit ihre Dauer drei Monate nicht übersteigt, in Einzelhaft verbilsst.

Bei Strafen von längerer Dauer wird der Gefangene in der Regel die ersten drei Monate in Einzelhaft gehalten.

Nach dieser Zeit arbeitet der Gefangene in Gemeinschaft mit andern. Die Ruhezeit bringt er in Einzelhaft zu.

Die Aufsichtsbehörde kann die Einzelhaft verkürzen oder verlängern oder den Sträfling in die Einzelhaft zurückversetzen, wenn es sein geistiger oder körperlicher Zustand oder der Zweck der Strafe erfordert.

36.

1. Hat der Verurteilte zwei Drittel der Strafe und bei Zuchthaus mindestens ein Jahr, bei Gefängnis mindeBundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

8

Bedingt«

Entlassung.

114

stens acht Monate erstanden, und ist er nicht wiederholt rückfällig, so kann ihn die zuständige Behörde für den Rest der Strafzeit bedingt entlassen, wenn er sich in der Anstalt wohl verhalten hat, wenn anzunehmen ist, er werde sich auch in der Freiheit wohl verhalten, und wenn er den gerichtlich festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt hat.

Hat ein zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe Verurteilter fünfzehn Jahre erstanden, so kann ihn die zustundige Behörde für fünf Jahre bedingt entlassen, wenn sie annimmt, dass er sich wohl verhalten werde.

Die zuständige Behörde hört die Beamten der Anstalt über die bedingte Entlassung eines Sträflings an.

2. Die zuständige Behörde stellt den bedingt Entlassenen unter Schutzaufsicht. Sie kann ihm "Weisungen erteilen über sein Verhalten während der Probezeit, z. B. dieWeisung, sich geistiger Getränke zu enthalten, sich an einem bestimmten Orte oder in einer bestimmten Anstalt (Arbeiterheim oder Arbeiterkolonie) oder bei einem bestimmten Arbeitgeber aufzuhalten.

3. Missbraucht der bedingt Entlassene die Freiheit, z. B.

durch Verübung eines vorsätzlichen Vergehens oder dadurch, dass er den ihm erteilten Weisungen trotz förmlicher Mahnung der Schutzaufsichtsbehörde nicht nachlebt oder sich der Schutzaufsicht beharrlich entzieht, so versetzt ihn die zuständige Behörde in das Zuchthaus oder in das Gefängnis zurück. Die Zeit der bedingten Entlassung wird ihm nicht angerechnet.

4. Bewährt sich der bedingt Entlassene bis zum Ablaufe der Probezeit, so ist er endgültig entlassen.

37.

Ucftet-afe.

1. Die kürzeste Dauer der Haftstrafe ist ein Tag die längste Dauer drei Monate.

115 2. Die Haftstrafe wird in einer besondern Anstalt oder wenigstens in Räumen, die nicht zum Vollzug anderer Freiheitsstrafen dienen, vollzogen.

Die Haftgefangenen tragen ihre eigene Kleidung. Sie erhalten Anstaltskost. Selbstbeköstigung kann ihnen innerhalb der Grenzen des Anstaltsreglements gestattet werden.

Der Empfang von Besuchen und der Briefverkehr des Haftgefangenen sind nur so weit beschränkt, als es die Ordnung der Anstalt gebietet.

3. Der Haftgefangene wird zur Arbeit angehalten. Es ist ihm gestattet, sich angemessene Arbeit selbst zu beschaffen. Soweit dies nicht geschieht, ist er zur Leistung der ihm zugewiesenen Arbeit verpflichtet.

4. Die Haftstrafe wird in Einzelhaft verbüsst.

38.

1. Der Vollzug einer Freiheitsstrafe darf nur aus wich- B^gf^mnnmen fü tigen Gründen unterbrochen werden.

%fra6fcneits~ 2. MUSS der Verurteilte während des Vollzuges in eine Heil- oder Pflegeanstalt verbracht werden, so wird ihm der Aufenthalt in dieser Anstalt auf die Strafe angerechnet.

Findet die zuständige Behörde, dass der Verurteilte die Verbringung arglistig verursacht hat, so unterbleibt die Anrechnung.

39.

1. Der Richter kann den Vollzug Bedingte 0 einer Gefängnisstrafe a Verurteilung.

von nicht mehr als einem Jahre oder einer Haftstrafe aufschieben : wenn der Verurteilte innerhalb der letzten zehn Jahre weder in der Schweiz noch im Auslande wegen eines vorsätzlichen Vergehens eine Freiheitsstrafe erlitten hat, wenn überdies sein Vorleben und sein Charakter erwarten lassen, er werde durch diese Massnahme von weiteren Vergehen abgehalten, und wenn er den gerichtlich festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt hat.

116

Schiebt der Richter den Strafvollzug auf, so bestimmt er dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren.

2. Der Richter stellt den bedingt Verurteilten unter Schutzaufsicht, wenn nicht besondere Umstände eine Ausnahme begründen. Er kann ihm für sein Verhalten in der Probezeit bestimmte Weisungen erteilen, z. B. die Weisung, einen Beruf zu erlernen, an einem bestimmten Orte sich aufzuhalten, sich geistiger Getränke zu enthalten, den Schaden innerhalb bestimmter Frist zu ersetzen.

Die Umstände, die einen Aufschub des Strafvollzuges rechtfertigen, die Gründe, die den Richter bestimmen, den bedingt Verurteilten ausnahmsweise nicht unter Schutzaufsicht zu stellen, und die Weisungen des Richters sind im Urteile festzustellen.

3. Begeht der bedingt Verurteilte während der Probezeit ein vorsätzliches Vergehen, oder handelt er, ungeachtet förmlicher Mahnung der Schutzaufsichtsbehörde, einer Weisung des Richters zuwider, oder entzieht er sich beharrlich der Schutzaufsicht, so lässt der -Richter die erkannte Strafe vollziehen.

4. Bewährt sich der bedingt Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, so gilt die Verurteilung als nicht geschehen.

40.

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Massnahm n ^" ^ g i Vergehens zu Freiheitsstrafe verVerwahrung urteilt wird, kann, wenn er schon viele Freiheitsstrafen ervon ' '

Gewohnheitsstanden hat und einen Hang zu Vergehen oder zu LiederT7PvlirPf>.li eim ° Verbrechern.

CJ

lichkeit oder Arbeitsscheu bekundet, vom Richter in eine Verwahrungsanstalt eingewiesen werden. Die Verwahrung tritt in diesem Falle an die Stelle der Freiheitsstrafe.

2. Die Verwahrung wird in einer Anstalt vollzogen, die ausschliesslich diesem Zwecke dient.

Die Verwahrten tragen Anstaltskleidung und erhalten Anstaltskost.

Der Empfang von Besuchen und der Briefverkehr der Verwahrten sind nur in engen Grenzen gestattet.

117 3. Der Verwahrte wird zur Arbeit, die ihm von der Anstalt zugewiesen wird, angehalten.

4. Der Verwahrte wird während der Zeit der Nachtruhe in Einzelhaft gehalten.

5. Der Verwahrte bleibt bis zum Ablauf der Strafzeit und mindestens fünf Jahre in der Anstalt. Nach dieser Zeit kann ihn die zuständige Behörde für drei Jahre bedingt entlassen, wenn sie annimmt, die Verwahrung sei nicht mehr notwendig; sie hört die Beamten der Anstalt darüber an.

6. Die zuständige Behörde stellt den bedingt Entlassenen unter Schutzaufsicht. Sie kann ihm bestimmte Weisungen erteilen (Art. 36, Ziff. 2). Begeht er binnen drei Jahren neuerdings eine strafbare Handlung, handelt er trotz förmlicher Mahnung der Schutzaufsichtsbehörde den erteilten Weisungen zuwider, oder entzieht er sich beharrlich der Schutzaufsicht, so kann ihn die zuständige Behörde in die Anstalt zurückversetzen.

7. Bewährt sich der bedingt Entlassene während drei Jahren, so ist er endgültig entlassen.

8. Hat die Verwahrung nicht vor Ablauf der Verjährung der Strafe vollzogen werden können, so ist sie nicht mehr zu vollziehen. Sind seit der Verurteilung mehr als zehn Jahre verflossen, so hat die zuständige Behörde zu entscheiden, ob die Strafe oder die Verwahrung zu vollziehen sei.

41.

1. Ist der Täter, der wegen eines Vergehens zu Ge- Erziehung ö ' ° Liederlicher nnd fängnis verurteilt wird, liederlich oder arbeitsscheu, und Arbeitsscheuer 0 ' ' z u r Arbeit.

steht sein Vergehen damit in Zusammenhang, so kann der Richter den Verurteilten, wenn er arbeitsfähig ist und voraussichtlich zur Arbeit erzogen werden kann, in eine Arbeitserziehungsanstalt, die ausschliesslich diesem Zwecke dient, einweisen und den Strafvollzug aufschieben. Zuvor lässt der Richter den körperlichen und geistigen Zustand des Verurteilten und seine Arbeitsfähigkeit untersuchen und zieht

118

über seine Erziehung und über sein Leben genaue Berichte ein.

Wer eine Zuchthausstrafe erlitten hat, kann nicht in eine Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen werden.

2. Der Verurteilte wird zu einer Arbeit erzogen, die seinen Fähigkeiten entspricht und die ihn in den Stand setzt, in der Freiheit seinen Unterhalt zu erwerben. Die geistige und körperliche Ausbildung, namentlich die gewerbliche Ausbildung des Verurteilten, wird durch Unterricht gefördert.

Die Nachtruhe bringt der Verurteilte in Einzelhaft zu.

3. Der Verurteilte bleibt mindestens ein Jahr in der Anstalt.

Zeigt sich jedoch in den ersten drei Monaten, dass der Verurteilte nicht zur Arbeit erzogen werden kann, so beantragt die zuständige Behörde beim Richter den Vollzug der erkannten Strafe.

4. Nach Ablauf eines Jahres kann die zuständige Behörde den Verurteilten für ein Jahr bedingt entlassen, wenn sie annimmt, er sei zur Arbeit tüchtig und bereit. Sie hört die Beamten der Anstalt darüber an. Sie stellt den bedingt Entlassenen unter Schutzaufsicht und kann ihm bestimmte Weisungen erteilen (Art. 3ß, Ziff. 2).

5. Wird der bedingt Entlassene während der Probezeit wieder liederlich oder arbeitsscheu, oder handelt er trotz förmlicher Mahnung der Schutzaufsichtsbehörde den erteilten Weisungen zuwider, oder entzieht er sich beharrlich der Schutzaufsicht, so kann ihn die zuständige Behörde in die Anstalt zurückversetzen, oder sie kann dem Richter den Vollzug der erkannten Strafe beantragen.

6. Bewährt sich der bedingt Entlassene bis zum Ablaufe der Probezeit, so ist er endgültig entlassen. Die Strafe fällt weg.

7. Wird die Einweisung binnen fünf Jahren nicht vollzogen, so kann sie nicht mehr vollzogen werden.

119

42.

1. Ist jemand, der wegen eines Vergehens zu Gefängnis Behandlung verurteilt wird, ein Gewohnheitstrinker, und steht sein Ver- ^Hn'kern'1 gehen damit in Zusammenhang, so kann der Richter anordnen, dass der Verurteilte nach Vollzug der Strafe in eine Trinkerheilanstalt aufgenommen werde.

Ebenso kann der Richter einen Gewohnheitstrinker, den er wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen hat, oder gegen den aus diesem Grunde das Verfahren eingestellt worden ist, in eine Trinkerheilanstalt einweisen.

2. Der Richter zieht Ärzte als Sachverständige bei.

3. Die Behandlung wird in einem Gebäude vollzogen, das ausschliesslich diesem Zwecke dient.

4. Die zuständige Behörde entlässt den Verurteilten aus der Heilanstalt, sobald er geheilt ist. Nach zwei Jahren wird der Eingewiesene in jedem Fall entlassen.

5. Die zuständige Behörde stellt den Entlassenen unter Schutzaufsicht. Sie gibt ihm auf, sich während einer bestimmten Zeit der geistigen Getränke zu enthalten. Sie kann ihm auch weitere Weisungen erteilen. Handelt er trotz förmlicher Mahnung der Schutzaufsichtsbehörde den erteilten Weisungen zuwider, oder entzieht er sich beharrlich der Schutzaufsicht, so kann die zuständige Behörde ihn in die Anstalt zurückversetzen.

'S. Wird die Massnahme binnen fünf Jahren nicht vollzogen, so kann sie nicht mehr vollzogen werden.

43.

In allen Anstalten werden Männer und Frauen voll- |-Bestimmungen.

Gemeinsam« «tändig- getrennt.

SÄ Den Verurteilten und Eingewiesenen dürfen keine Vorbot geistiger geistigen Getränke verabreicht werden.

44.

Der Schutzaufsicht liegt ob:

Schutzaufsicht.

120

die Fürsorge für den ihr Unterstellten, namentlich durch Verschaffung von Unterkunft und Arbeitsgelegenheit, durch Unterstützung mit Rat und Tat, um ihm zu einem ehrlichen Fortkommen zu verhelfen; die Beaufsichtigung des ihr Unterstellten in einer unauffälligen, sein Fortkommen nicht erschwerenden Weise.

45.

US e

Betra a er Busse.

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cn er

^' ^ I^ t bestimmt den Betrag der Busse je nach den Verhältnissen des Täters so, dass er durch die Einbusse die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist.

Für die Verhältnisse des Täters sind namentlich von Bedeutung sein Einkommen und sein Vermögen, sein Familienstand und seine Familienpflichten, sein Beruf und Erwerb, sein Alter und seine Gesundheit.

2. Stirbt der Verurteilte, so fällt die Busse weg.

46.

Vollzug der -\. Dje zuständige Behörde setzt dem Verurteilten eine Busse.

° Frist von vierzehn Tagen bis zu drei Monaten zur Zahlung an.

Hat der Verurteilte in der Schweiz keinen festen Wohnsitz, so kann er angehalten werden, die Busse sofort zu bezahlen oder Sicherheit dafür zu leisten.

Die zuständige Behörde kann dem Verurteilten gestatten, die Busse in Teilzahlungen zu entrichten, deren Betrag und Fälligkeit sie nach seinen Verhältnissen bestimmt.

Sie kann ihm auch gestatten, die Busse durch freie Arbeit, namentlich für den Staat oder eine Gemeinde, abzuverdienen.

Die zuständige Behörde kam in diesen Fällen die Frist von drei Monaten verlängern.

2. Bezahlt der Verurteilte die Busse in der bestimmten Zeit nicht und verdient er sie auch nicht ab, so ordnet die zuständige Behörde die Betreibung gegen ihn an, wenn ein Ergebnis davon zu erwarten ist.

121 47.

Liegt einem Vergehen Gewinnsucht des Täters zu- von Verbindung 0 Busse und gründe, so kann ihn der Richter neben der Freiheitsstrafe Freiheitsstrafe.

zu Busse verurteilen.

Ist im Gesetz wahlweise Freiheitsstrafe oder Busse angedroht, so kann der Richter in jedem Falle die beiden Strafen verbinden.

48.

1. Wer zu Zuchthaus verurteilt wird, wird für zwei Ei^S'gta' bis zehn Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt. ^h^nlMgkeit Wer zu Gefängnis verurteilt wird, kann, wenn seine Tat eine ehrlose Gesinnung bekundet, für ein bis fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt werden.

Wer als Gewohnheitsverbrecher in eine Verwahrungsanstalt eingewiesen wird, bleibt zehn Jahre lang in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt.

2. Der in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit Eingestellte ist unfähig, in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen und zu wählen, und er ist nicht wählbar. Er kann nicht Beamter, Mitglied einer Behörde, Vormund oder Zeuge bei Aufnahme von Urkunden sein.

3. Die Folgen der Einstellung treten mit der Rechtskraft des Urteils ein. Die Dauer der Einstellung wird von dem Tage an gerechnet, da der Verurteilte endgültig entlassen wurde.

49.

Hat sich Jiemand des Amtes,' das er innehat,' durch entsetzung.

Amtsein Vergehen unwürdig gemacht, so entsetzt ihn der Richter des Amtes und erklärt ihn auf zwei bis zehn Jahre als nicht wählbar zu einem Amte.

Die Folgen der Amtsentsetzung und der Nichtwählbarkeit zu einem Amte treten mit der Rechtskraft des Urteils ein. Ist der Beamte zu einer Freiheitsentziehung verurteilt worden, so wird die Dauer der Nichtwählbarkeit von dem Tage an gerechnet, da der Verurteilte endgültig entlassen wurde.

122 50.

Entziehung

der elterlichen

Hat Jiemand seine elterlichen oder vorrnundschaftlichen

Gewalt und der pflichten durch ein Versehen verletzt,7 für das er zu FreiheitsVormnndschaft.

° entziehung verurteilt wird, so kann ihm der Richter die elterliche Gewalt oder die Vormundschaft entziehen und ihn unfähig erklären, die elterliche Gewalt auszuüben oder Vormund zu werden.

51.

Verbot, einen n t jemand bei Ausübung J ö seines Berufes, seines Gea Beruf, ein Ge' werte oder werbes oder seines Handelsgeschäftes ein Vergehen becin Handels° °

geschäft gangen, für das er zu einer drei Monate übersteigenden b zu betreiben. ö ° ' _ Freiheitsentziehung verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr weitern Missbrauches, so kann ihm der Richter die Ausübung des Berufes, des Gewerbes oder des Handelsgeschäftes für ein bis fünf Jahre untersagen.

Diese Bestimmung findet auf Vergehen, die durch das Mittel der periodischen Presse begangen wurden, keine Anwendung.

Das Verbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. Die Dauer des Verbotes wird von dem Tage an gerechnet, da der Verurteilte endgültig entlassen wurde.

52.

Landes-

Der Richter kann den Ausländer, der zu Zuchthaus.

Gefängnis oder Verwahrung verurteilt wird, für drei bis fünfzehn Jahre des Landes verweisen. Die Verweisung wird wirksam, sobald der Verurteilte aus der Anstalt endgültig entlassen wird.

Ist der Verurteilte bedingt entlassen worden und hat er sich in der Probezeit bewährt, so kann der Richter die Landesverweisung aufheben.

wirtshaus-

1. Ist ein Vergehen auf Genuss geistiger if übermässigen üb Getränke zurückzuführen, so kann der Richter dem Schul-

Verweisung.

53.

123 eigen neben der Strafe den Besuch von Wirtschaftsräumen, in denen alkoholhaltige Getränke verabreicht werden, für sechs Monate bis zu zwei Jahren verbieten.

2. Das Verbot ist in einem amtlichen Blatte zu veröffentlichen.

3. Das Verbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. Lautet das Urteil auf Freiheitsentziehung, so wird die Dauer des Verbotes yon dem Tage an gerechnet, da der Verurteilte endgültig entlassen wurde.

54.

1. Besteht die Gefahr, dass jemand ein Vergehen, mit Maßnahmen, dem er gedroht hat, ausführen wird, oder legt jemand, der Friesdh"f]?üre" wegen eines Vergehens, insbesondere wegen eines Vergehens gegen Leib und Leben oder gegen die Ehre, verurteilt wird, die bestimmte Absicht an den Tag, das Vergehen zu wiederholen, so kann ihm der Richter auf Antrag des Bedrohten das Versprechen abnehmen, das Vergehen nicht auszuführen und ihn anhalten, angemessene Sicherheit dafür zu leisten.

2. Verweigert er das Versprechen, oder leistet er böswillig die Sicherheit nicht innerhalb der bestimmten Frist, so kann ihn der Richter durch Sicherheitshaft dazu anhalten.

Die Sicherheitshaft darf nicht länger als zwei Monate dauern.

3. Begeht er das Vergehen innerhalb zwei Jahren, nachdem er dio Sicherheit geleistet hat, so verfällt die Sicherheit dem Staate; andernfalls wird sie zurückgegeben.

Der Richter verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung VOn Gegenständen, die zu der Verübung eines Vergehens gedient haben oder bestimmt waren oder durch ein Vergehen hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die

Einzieluing tfeführlioher Gegenstände.

124

Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.

Der Richter kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.

56.

Verfall von Geschenke und andere Zuwendungen, die dazu ögedient b Geschenken ' und andern haben,' ein Vergehen zu veranlassen oder zu belohnen, verZnwendungen.

° fallen dem Staat. Sind sie nicht mehr vorhanden, so schuldet der Empfänger dem Staate deren Wert.

57.

Verwendungen Ist Jiemand durch ein Vergehen erheblich egeschädigt zugunsten des ° o Geschädigten, worden und dadurch in Not geraten, und wird ihm der Schädiger den Schaden voraussichtlich nicht ersetzen, so kann ihm der Richter die Busse, die der Verurteilte zahlt, den Erlös aus der Verwertung eingezogener Gegenstände, Geschenke und andere Zuwendungen oder deren Wert, die dem Staat verfallen sind, und den Betrag der geleisteten Friedensbürgschaft ganz oder teilweise auf Rechnung des gerichtlich festgesetzten Schadenersatzes zuerkennen.

58.

üff< .itiiche BeIst die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentkanutmachung des Urteils, lichen Interesse oder im Interesse des Verletzten geboten, so ordnet sie der Richter auf Kosten des Verurteilten an.

Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Freigesprochenen geboten, so ordnet sie der Richter auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.

Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten oder des Freigesprochenen erfolgt auf deren Antrag.

Der Richter lässt das Urteil in einem amtlichen Blatte des Bundes oder des Kantons und in einer Zeitung oder in mehreren Zeitungen veröffentlichen.

125 59.

Über die Strafurteile und die Anordnung sichernder Strafregister.

Massnahmen werden Register geführt (Art. 377 bis 383).

II. Das Strafmass.

60.

Der Richter misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu; er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen.

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61.

Der Richter kann die Strafe mildern: UrnstlSdo!

wenn der Täter das Vergehen begangen hat aus achtungswerten Beweggründen, in schwerer Bedrängnis, unter dem Eindruck einer schweren Drohung, auf Veranlassung einer Person, der er Gehorsam schuldig oder von der er abhängig ist; wenn Zorn oder grosser Schmerz über eine ungerechte Reizung oder Kränkung den Täter zu dem Vergehen hingerissen hat; wenn er aufrichtige Reue über das Vergehen betätigt, namentlich den Schaden, soweit es ihm möglich war, gutgemacht hat ; wenn seit der Tat verhältnismässig lange Zeit verstrichen ist und sich der Täter während dieser Zeit wohl verhalten hat.

62.

Findet der Richter,1 die Strafe sei zu mildern, so er- Strafsätze bei ' Strafmilderung.

kennt er: statt auf lebenslängliches Zuchthaus : auf Zuchthaus von mindestens zehn Jahren; statt auf Zuchthaus mit besonders bestimmter Mindestdauer: auf Zuchthaus;

12tì

statt auf Zuchthaus : auf Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ; statt auf Gefängnis mit besonders bestimmter Mindestdauer : auf Gefängnis ; statt auf Gefängnis : auf Haft oder Busse.

63.

Ermächtigt das Gesetz den Richter, die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern, so ist er an die Strafart und das Strafmass, die für das Vergehen angedroht sind, nicht gebunden.

Der Richter ist aber an das gesetzliche Mindestmass der Strafart gebunden.

64.

Rückfttll.

1. Wird jemand zu Freiheitsstrafe verurteilt und sind zur Zeit der Tat noch nicht fünf Jahre vergangen, seit er eine Freiheitsstrafe ganz oder teilweise erstanden hat oder aus der Verwahrungs- oder Arbeitserziehungsanstalt entlassen worden ist, so erhöht der Richter die Dauer der Strafe. Er ist an das höchste Mass der angedrohten Strafe nicht gebunden, darf aber die höchste gesetzliche Dauer der Strafart nicht überschreiten.

Der Erlass durch Begnadigung steht der Erstehunggleich.

2. Eine Bestrafung im Ausland begründet Rückfäll, wenn sie wegen eines Vergehens erfolgt ist, für das nach schweizerischem Recht die Auslieferung bewilligt werden könnte.

65.

Zusammen1. Hat jemand durch eine oder mehrere Handlungen treffen mehrerer strafbarer mehrere Freiheitsstrafen verwirkt, so verurteilt ihn der Handlungen oder mehrerer Richter zu der Strafe des schwersten Vergehens und erhöht Strafbestimmungen. deren Dauer angemessen. Er kann jedoch das höchste Mass.

der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen.

Dabei ist er an die gesetzliche Dauer der Strafart gebunden..

Strafmilderung nach freiem Ermessen.

127

Hat der Täter mehrere Bussen verwirkt, so verurteilt der Richter ihn zu der Busse, die seinem Verschulden angemessen ist.

Nebenstrafen und Massnahmen körinen verhängt werden, auch wenn sie nur für eine der mehreren strafbaren Handlungen oder nur in einer der mehreren Strafbestimmungen angedroht sind.

2. Hat der Richter eine mit Freiheitsstrafe bedrohte Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat zu Freiheitssrafe verurteilt worden ist, so bestimmt der Richter die Strafe so, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die mehreren strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären.

66.

der Der Richter kann dem Verurteilten die Untersuchungs- Anrechnung Untersuchungs haft ganz oder teilweise auf die Freiheitsstrafe anrechnen. ' haft im Urteil.

Lautet das Urteil nur auf Busse, so kann er die Dauer dei Untersuchungshaft in angemessener Weise berücksichtigen.

Als Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs- und Sicherheitshaft, anzusehen.

III. Die Verjährung.

67.

Bin Vergehen verjährt: in zwanzig Jahren, wenn es mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht ist; in zehn Jahren, wenn es mit Zuchthaus bedroht ist; in fünf Jahren, wenn es mit einer andern Strafe bedroht ist.

68.

Die Verjährung beginnt: mit dem Tage, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt;

1. Verfolgungsverjährung.

Verjährungsfristen.

Beginn der Verjährung.

128

wenn er die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tage, an dem er die letzte Tätigkeit ausfuhrt; wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tage, an dem dieses Verhalten aufhört.

Ruhen und Unterbrechung der Verjährung.

69.

Die Verjährung ruht, solange der Täter im Auslande eine Freiheitsstrafe ersteht.

Die Verjährung wird unterbrochen durch jede Vorladung des Beschuldigten vor ein schweizerisches Untersuchungsamt oder ein schweizerisches Strafgericht zur Verantwortung wegen des Vergehens.

Das Vergehen ist in jedem Fall verjährt, wenn die ordentliche Verjährungsfrist um die Hälfte überschritten ist.

70.

2. Vollstreckungs Verjährung.

Verjährungsfristen.

Die Strafen verjähren : lebenslängliche Zuchthausstrafe in dreissig Jahren ; Zuchthausstrafe von zehn oder mehr Jahren in fünfundzwanzig Jahren; Zuchthausstrafe von fünf bis zu zehn Jahren in zwanzig Jahren ; Zuchthausstrafe von weniger als fünf Jahren in fünfzehn Jahren ; Gefängnis von mehr als einem Jahr in zehn Jahren; jede andere Strafe in fünf Jahren.

Beginn der Verjährung.

71.

Die Verjährung beginnt mit der Rechtskraft des Urteils, bei bedingter Verurteilung mit dem Ablauf der Probezeit.

Unterbrechung der Vprjährung.

72.

Die Verjährung wird unterbrochen durch den Vollzug und durch jede auf Vollstreckung der Strafe gerichtete Handlung der Behörde, der die Vollstreckung obliegt.

129 Die Strafe ist in jedem Falle verjährt, wenn dje ordentliche Verjährungsfrist um die Hälfte überschritten ist.

IV. Die Réhabilitation.

73.

Ist der Täter in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt worden, und ist das Urteil seit mindestens drei Jahren vollzogen, so kann der Richter ihn auf sein Gesuch in die bürgerliche Ehrenfähigkeit wieder einsetzen, wenn sein Verhalten dies rechtfertigt, und wenn er den gerichtlich festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt hat.

Wiedereinsetzung in dio bürgerliche Ehronfähigkeit. ' ·

74.

WiederIst der Täter zu Amtsentsetzung verurteilt worden, einsetzung in die Wählbarkeit und ist das Urteil seit mindestens drei Jahren vollzogen, zu einem Amte.

so kann der Richter ihn auf sein Gesuch zu einem Amte wieder wählbar erklären, wenn sein Verhalten dies rechtfertigt, und wenn er den gerichtlich festgestellten Schaden ·ersetzt hat.

75.

WiederIst der Täter für unfähig erklärt worden, die elterliche einsetzung in die elterliche Gewalt auszuüben oder Vormund zu sein, und ist das Gewalt und in Fähigkeit, Urteil seit mindestens drei Jahren vollzogen, so kann der dieVormund zu sein.

Richter 'ihn auf sein Gesuch, nach Anhörung der Vormundschaftsbehörde, in diese Fähigkeiten wieder einsetzen, wenn sein Verhalten dies rechtfertigt.

76.

Aufhebung Hat der Richter dem Täter die Ausübung eines Be- des Verbotes, einen Beruf, rufes, eines Gewerbes oder eines Handelsgeschäftes unter- ein Gewerbe oder ein sagt, und ist das Urteil seit mindestens drei Jahren voll- Handelsgeschäft auszuüben.

zogen, so kann der Richter ihn auf sein Gesuch zu der Ausübung des Berufes, des Gewerbes oder des Handelsgeschäftes wieder zulassen, wenn ein weiterer Missbrauch nicht zu befürchten ist, und wenn der Verurteilte den gerichtBundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

9

130 lieh festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt' hat.

77.

Löschung des Urteils im Strafregister.

Ist der Täter zu einer Freiheitsentziehung oder zu einer Busse verurteilt worden, und sind seit Vollzug des Urteils bei Zuchthausstrafe oder Einweisung in eine Verwahrungsanstalt mindestens fünfzehn Jahre, bei andern Strafen oder Massnahmen mindestens zehn Jahre verflossen, so kann der Richter auf Gesuch des Verurteilten die Löschung des Urteils im Strafregister verfügen, wenn das Verhalten des Verurteilten dies rechtfertigt, und wenn er den gerichtlich festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt hat.

78.

Gemeinsame Bestimmungen.

1. Der Erstehung der Strafe wird der Erlass durch Begnadigung gleichgestellt.

2. War der Verurteilte in die Verwahrungsanstalt eingewiesen, so kann eine Wiedereinsetzung nicht früher als fünf Jahre nach seiner endgültigen Entlassung erfolgen.

3. Weist der Richter ein Gesuch um Wiedereinsetzung ab, so kann er verfügen, dass das Gesuch binnen einer Frist, die zwei Jahre nicht übersteigen soll, nicht erneuert werden darf.

7. Personen im Alter zwischen achtzehn und zwanzig Jahren..

Besondere Bestimmungen.

79.

Wer zur Zeit der Tat das achtzehnte, aber nicht das zwanzigste Jahr zurückgelegt hat, wird nach folgenden besonderen Bestimmungen beurteilt : 1. An die Stelle der lebenslänglichen Zuchthausstrafe tritt Zuchthaus nicht unter fünf Jahren.

2. Ist das Vergehen mit einer Freiheitsstrafe von bestimmter Mindestdauer bedroht, so ist der Richter nicht an diesen Strafsatz gebunden.

13t 3. Bei mildernden Umständen kann der Richter, statt auf eine Zuchthausstrafe, auf Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, und statt auf eine Gefängnisstrafe, auf Haft erkennen.

4. Die Verjährungsfristen sind auf die Hälfte herabgesetzt.

5. Diese Verurteilten werden, jedenfalls solange sie unmündig sind, von mündigen Verhafteten vollständig getrennt.

Vierter Abschnitt.

Behandlung der Kinder und der Jugendlichen.

80.

Begeht ein __ Kind unter vierzehn Jahren eine als Ver0 gehen oder als Übertretung bedrohte Tat, so wird es nicht strafrechtlich verfolgt.

'· Kinder.

Kindesalteiv

81.

Hat das Kind das sechste Altersiahr zurückgelegt, so Festuteiiung dea J ° °' Sachverhalts.

stellt die zuständige Behörde (Art. 390) den Sachverhalt fest und zieht über den körperlichen und geistigen Zustand des Kindes und über seine Erziehung genaue Berichte, in allen zweifelhaften Fällen auch einen ärztlichen Bericht ein.

82.

Ist das Kind sittlich verwahrlost, sittlich verdorben Versorgung.

oder gefährdet, so ordnet die zuständige Behörde seine Versorgung an.

Die Versorgung kann erfolgen durch Überweisung des Kindes an eine Erziehungsanstalt oder durch Übergabe an eine vertrauenswürdige Familie zur Erziehung unter Aufsicht der zuständigen Behörde.

Das Kind kann auch der eigenen Familie zur Erziehung unter Aufsicht der zuständigen Behörde überlassen werden.

132 Besondere Behandlung.

Bestrafung.

Ermahnung, Vorwarnung der Eltern.

Absehen von Hassnahmen.

83.

Erfordert der Zustand des Kindes eine besondere Behandlung, ist das Kind insbesondere geisteskrank, schwachsinnig, blind, taubstumm oder epileptisch, so ordnet die zuständige Behörde die Behandlung an, die der Zustand des Kindes erfordert.

84.

Ist das Kind weder sittlich verwahrlost, noch sittlich verdorben oder gefährdet, und bedarf es keiner besondern Behandlung, so erteilt ihm die zuständige Behörde, falls sie das Kind fehlbar findet, einen Verweis oder bestraft es mit Schularrest.

85.

Haben die Eltern ihre Pflicht gegen das Kind vernachlässigt, so erteilt ihnen die zuständige Behörde eine Ermahnung oder eine Verwarnung.

86.

Die zuständige Behörde kann von jeder Massnahme absehen, wenn seit der Tat sechs Monate verstrichen sind.

87.

2

U

h

r e'st8 teiiune des Begeht ein Jugendlicher, der das vierzehnte, aber nicht Sachverhalts. ,jas achtzehnte Lebensjahr zurückgelegt hat, eine als Vergehen oder Übertretung bedrohte Tat, so stellt der Richter (Art. 391) den Sachverhalt fest. Er zieht über den körperlichen und den geistigen Zustand des Jugendlichen und über seine -Erziehung genaue Berichte, in allen zweifelhaften Fällen auch einen ärztlichen Bericht ein. Der Richter kann auch die Beobachtung des Jugendlichen während einer gewissen Zeit anordnen.

88.

Eettungsanstait.

Ist der Jugendliche sittlich verwahrlost, sittlich verdorben oder gefährdet, so verweist ihn der Richter in eine Rettungsanstalt für Jugendliche.

133

Der Zögling bleibt so lange in der Anstalt, als es seine Erziehung erfordert, jedoch mindestens ein Jahr. Hat er das zwanzigste Jahr zurückgelegt, so wird er endgültig entlassen.

Der Richter kann den Jugendlichen auch einer vertrauenswürdigen Familie zur Erziehung unter Aufsicht der zuständigen Behörde übergeben. Bewährt sich die Familienerziehung nicht, so ordnet der Richter die Anstaltsversorgung an.

89.

Ist ein Jugendlicher sittlich so verdorben, dass er in eine Rettungsanstalt nicht aufgenommen werden kann, oder hat er ein sehr schweres Vergehen begangen, so übergibt ihn der Richter einer Korrektionsanstalt für Jugendliche, die ausschliesslich dieser Bestimmung dient. Der Jugendliehe bleibt in der Anstalt, bis er gebessert ist, jedoch mindestens drei Jahre und höchstens zwölf Jahre.

Ko

^^1iton8"

90.

Der Richter kann jederzeit auf Antrag der Anstalts- ^J8TM^," behörde einen Jugendlichen aus der Rettungsanstalt in eine Korrektionsanstalt oder aus der Korrektionsanstalt in eine Rettungsanstalt versetzen.

Der Richter kann jederzeit auf Antrag der Anstaltsbehörde den Zögling einer Rettungsanstalt einer vertrauenswürdigen Familie zur Erziehung unter Aufsicht der zuständigen Behörde übergeben.

91.

Hat der Jugendliche mindestens ein Jahr in der Rettungs- En^"!*8 anstalt oder mindestens drei Jahre in der Korrektionsanstalt zugebracht, so kann ihn die Aufsichtsbehörde der Anstalt, nach Anhörung der Anstaltsbeamten, bedingt entlassen.

Sie stellt den Entlassenen unter Schutzaufsicht und sorgt mit deren Vertretern für Unterkunft, Erziehung und

134 Überwachung des Entlassenen. Sie kann ihm für sein Verhalten bestimmte Weisungen erteilen, z. B. die Weisung, einen Beruf zu erlernen, an einem bestimmten Orte sich aufzuhalten, sich geistiger Getränke zu enthalten.

Handelt der Entlassene innerhalb eines Jahres den ihm erteilten Weisungen zuwider, oder missbraucht er in anderer Weise die Freiheit, so versetzt ihn die zuständige Behörde in die Anstalt zurück ; andernfalls ist er endgültig entlassen.

92.

Besondere

Behandlung.

Erfordert der Zustand des Jugendlichen eine besondere ° Behandlung, ist er insbesondere geisteskrank, schwachsinnig, blind, taubstumm, epileptisch, trunksüchtig, oder ist er in seiner geistigen oder sittlichen Entwicklung ungewöhnlich zurückgeblieben, so ordnet der Richter die Behandlung an, die der Zustand des Jugendlichen erfordert.

93.

Bestrafung.

l. ist der Jugendliche weder sittlich verwahrlost, noch sittlich verdorben oder gefährdet, hat er kein sehr schweres Vergehen begangen und bedarf er keiner besondern Behandlung, so erteilt ihm der Richter, wenn er ihn fehlbar findet, einen Verweis oder bestraft ihn mit Einschliessung von drei Tagen bis zu einem Jahr.

Die Einschliessung wird in einem Gebäude' vollzogen, das nicht als Strafanstalt oder Arbeitsanstalt für Erwachsene dient. Der Jugendliche wird angemessen beschäftigt.

2. Der Richter kann die Einschliessung aufschieben und dem Verurteilten eine Probezeit von sechs Monaten bis zu einem Jahr auferlegen, wenn nach Aufführung und'Charakter des Jugendlichen zu erwarten ist, dass er dadurch von weitern Vergehen abgehalten wird. Der Richter stellt ihn unter Schutzaufsicht, wenn nicht besondere Umstände eine Ausnahme begründen. Er kann ihm für sein Verhalten bestimmte Weisungen erteilen, z. B. die Weisung, einen Beruf

135

zu erlernen, an einem bestimmten Orte sich aufzuhalten, sich geistiger Getränke zu enthalten.

Handelt der Jugendliche während der Probezeit beharrlich den ihm erteilten Weisungen zuwider, oder täuscht er in anderer Weise das in ihn gesetzte Vertrauen, so verfügt der Richter den Vollzug der Einschliessung.

Bewährt sich der Jugendliche bis zum Ablauf der Probezeit, so gilt die Verurteilung als nicht geschehen.

3. Wird die Einschliessung binnen drei Jahren nicht vollzogen, so kann sie nicht mehr vollzogen werden.

94.

Haben die Eltern ihre Pflichten gegen den Jugendlichen vernachlässigt, so erteilt ihnen der Richter eine Ermahnung oder eine Verwarnung.

Ermahnung, Verwarnung der Eltern.

95.

Der Richter kann von jeder Massnahme absehen, wenn seit der Tat die Hälfte der Verjährungsfrist abgelaufen ist.

Absehen von Massnahmon. '

96.

Der Richter kann auf Gesuch des Täters anordnen, dass die gegen ihn verhängten Massnahmen im Strafregister gelöscht werden, wenn seit ihrem Vollzug mindestens zehn Jahre verflossen sind, das Verhalten des Täters die Löschung rechtfertigt und er den gerichtlich festgestellten Schaden, soweit es ihm möglich war, ersetzt hat.

Erklärung gesetzlicher Ausdrucke.

97.

Für den Sprachgebrauch dieses Gesetzes gilt folgendes : 1. F r a u ist eine weibliche Person, die das sechzehnte Altersjahr zurückgelegt hat.

Löschung der Massnahmen im Strafregister.

136

2. A n g e h ö r i g e einer Person sind ihr Ehegatte, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern und Adoptivkinder.

3. F a m i l i e n g e n o s s e n sind Personen, die in gemeinsamem Haushalte leben.

4. Unter B e a m t e n sind verstanden die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege. Als Beamte gelten auch Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder angestellt sind, oder die vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.

5. U r k u n d e n sind Schriften, die bestimmt oder geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen.

Ö f f e n t l i c h e U r k u n d e n sind die von einer Behörde, die von einem Beamten kraft seines Amtes und die von einer Person öffentlichen Glaubens in dieser Eigenschaft ausgestellten Urkunden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Schriftstücke, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Verbände in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt worden sind.

6. Mit Z u c h t h a u s b e d r o h t ist eine Tat, wenn · das Gesetz dafür einzig oder wahlweise Zuchthaus androht.

Besonderer Teil.

Erster Abschnitt.

t. Tatung.

Tötung.

Voisätzliche

Mord

-

Vergehen gegen Leib und Leben.

98.

Wer vorsätzlich einen Menschen tötet,' wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.

99.

Tötet der Täter aus Mordlust, aus Habgier, um die Begehung eines andern Vergehens zu verdecken oder zu

137

erleichtern, mit besonderer Grausamkeit, heimtückisch, durch Feuer, Sprengstoffe oder andere Mittel, die geeignet sind, Leib und Leben vieler Menschen zu gefährden, so wird er mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.

100.

Tötet der Täter in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung, so wird er mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren bestraft.

101.

8 Wer einen Menschen auf sein dringendes und ernst.

liches Verlangen tötet, wird mit Gefängnis bestraft.

Totschlag.

T tu ng

,, ,?Verlangen.

, auf

102.

Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum ^éJAs^om4 Selbstmord verleitet oder ihm dazu Hülfe leistet, wird, Selbstmord.

wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

103.

Tötet eine Mutter vorsätzlich ihr Kind während der Kindesttttung.

Geburt, oder solange sie unter dem Einfluss des Geburtsvorganges steht, so wird sie mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft. \ 104.

Wer den Tod eines Menschen fahrlässig verursacht, wird mit Gefängnis bestraft.

Verletzt der Täter durch die Fahrlässigkeit eine Pflicht, die ihm durch sein Amt, seinen Beruf oder sein Gewerbe auferlegt ist, so ist die Strafe Gefängnis von einem Monat bis zu fünf Jahren. Neben der Gefängnisstrafe kann der Richter auf Busse erkennen.

Fc

rgJnn8ige

138

105.

2.Abtreibung Abtreibung.

Treibt eine Schwangere ihre Frucht ab oder lässt sie D durch aie ihre Frucht abtreiben, so wird sie mit Gefängnis bestraft.

Schwangere.

Das Vergehen verjährt in zwei Jahren.

106.

1. Wer einer Schwangeren mit ihrer Einwilligung die Drittpersonen. Frucht abtreibt, wer einer Schwangeren zu der Abtreibung Hülfe leistet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

Das Vergehen verjährt in zwei Jahren.

2. Wer einer Schwangeren ohne ihren Willen die Frucht abtreibt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.

3. Die Strafe ist Zuchthaus nicht unter drei Jahren: wenn der Täter das Abtreiben gewerbsmässig betreibt; wenn die Schwangere an den Folgen der Abtreibung stirbt und der Täter diesen Ausgang voraussehen konnte.

Abtreibung durch

Straflose Abtreibung.

107.

Wird die Abtreibung mit dem Willen der Schwangeren von einem patentierten Arzte vorgenommen, so bleibt sie straflos, wenn sie erfolgt, um eine nicht anders abwendbare Lebensgefahr oder Gefahr dauernden schweren Schadens an der Gesundheit von der Schwangeren abzuwenden.

108.

1. Wer vorsätzlich einen Menschen lebensgefährlich

3. Körperverletzung.

Schwere Körper- verletzt, Verletzung.

wer vorsätzlich einen Körperteil, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, siech oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt, wer vorsätzlich eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht,

139 wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

2. Stirbt der Verletzte an den Folgen der Körperverletzung, und konnte der Täter diesen Erfolg voraussehen, so ist die Strafe Zuchthaus.

109.

IVTfinsp.Vip.n an Knrnor nHp.r Einfache 1. Wer vorsätzlich einen Menschen an Körper oder KöJ^i^, n'iff.

Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Gefängnis bestraft.

Hat der Täter eine "Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gebraucht oder einen Wehrlosen verletzt, so wird er von Amtes wegen verfolgt.

2. Hat der Täter eine schwere Körperverletzung verursacht, und konnte er diesen Erfolg voraussehen, so wird er mit Gefängnis von einem Monat bis zu fünf Jahren bestraft. Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt.

3. Stirbt der Verletzte an den Folgen der Körperverletzung, und konnte der Täter diesen Erfolg voraussehen, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis von einem Jahr bis zu fünf Jahren. Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt.

110.

Hat der Täter die schwere Folge, die er verursacht, zufällige Folgen 0 ' ' einer weder verursachen wollen, noch voraussehen können, so Körperverletzung, gilt für ihn die Strafe der Körperverletzung, die er verursachen wollte.

111.

Wer eine Körperverletzung fahrlässigo verursacht,) wird,l ,,Körperverletzung.

Fahrlässige r o auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Ist die Körperverletzung schwer, oder verletzt der Täter durch die Fahrlässigkeit eine Pflicht, die ihm durch sein Amt, seinen Beruf oder sein Gewerbe auferlegt ist. so wird er von Amtes wegen verfolgt und mit Gefängnis bis zu drei

140 Jahren bestraft. Neben der Gefängnisstrafe kann der Richter auf Busse erkennen.

112.

4.

Gefährdung Wer einen Hülflosen, der unter seiner Obhut steht des Lebens und ' der Gesundheit. 0(ier fü r (Jen er zu sorgen hat, einer Gefahr für das Leben Aussetzung.

° ' oder einer schweren unmittelbaren Gefahr für die Gesundheit aussetzt, wer einen Hülflosen, der unter seiner Obhut steht oder für den er zu sorgen hat, in einer Gefahr für das Leben oder in einer schweren unmittelbaren Gefahr für die Gesundheit im Stiche lässt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

öefiihrdang des Lebens.

Herausforderung

znm Zweikampf.

113.

Wer einen Menschen wissentlich und ° gewissenlos in unmittelbare Lebensgefahr bringt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so wird mit der Freiheitsstrafe Busse verbunden.

114.

1. Wer jemanden zum Zweikampf mit Waffen herausfordert, wer eine solche Herausforderung annimmt, wird mit Busse bestraft. Im Wiederholungsfall kann überdies auf Haft erkannt werden.

2. Der Täter, der das Zustandekommen des Zweikampfs verhindert, bleibt straflos.

115.

Aufreizung zum Wer Jjemanden zum Zweikampf Zwei! r mit einem andern Zweikampf.

aufreizt, wird mit Gefängnis bestraft.

141

116.

1. Der Zweikampf mit Waffen wird mit Gefängnis bis au fünf Jahren bestraft.

Die Strafe ist Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren, ·wenn nach der Verabredung der Zweikampf den Tod eines der Kämpfenden herbeiführen soll.

Schützen sich die Kämpfenden durch geeignete Vorkehren gegen Lebensgefahr, so ist die Strafe Haft oder Busse.

2. Wer den Regeln des Zweikampfes wissentlich zuwiderhandelt und seinen Gegner infolgedessen tötet oder verletzt, wird wegen Tötung oder Körperverletzung bestraft.

3. Strafbar wegen Teilnahme am Zweikampf sind Sekundanten, Zeugen, Ärzte und andere Teilnehmer nur, ·wenn sie zum Zweikampfe aufgereizt haben.

117.

Wer sich an einem Raufhandel beteiligt und nicht bloss abwehrt oder scheidet, wird wegen dieser Beteiligung mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

stampf.

Kaufhnndei.

118.

Wer ein Kind unter sechzehn Jahren, dessen Pflege Misshandiung oder Obhut ihm obliegt, so misshandelt,' vernachlässigt oder Vernachlässigung 0 ' ° eines Kindes.

grausam behandelt, dass dessen Gesundheit oder geistige Entwicklung geschädigt oder schwer gefährdet wird, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

Hat die Misshandlung oder die Vernachlässigung des Kindes eine schwere Körperverletzung zur Folge, und konnte der Täter dies voraussehen, so wird er mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

Hat sie den Tod des Kindes zur Folge, und konnte der Täter dies voraussehen, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren.

142

Der Richter veranlasst die vormundschaftlichen Behörden, die zum Schutze des Kindes geeigneten Vorkehren zu treffen.

119.

Wer die fobn6ImndTngüngd körperlichen oder die geistigen Kräfte seines untergebenen, unmündigen Kindes oder eines ihm untergebenen unmündigen oder weiblichen Angestellten, Arbeiters, Lehrlings, Dienstboten, Zöglings oder Pfleglings aus Eigennutz, Selbstsucht oder Bosheit so überanstrengt, dass dessen Gesundheit geschädigt oder schwer gefährdet wird, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Hat die Überanstrengung eine bleibende Beeinträchtigung der Gesundheit zur Folge, und konnte der Täter dies voraussehen, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten.

Hat sie den Tod zur Folge, und konnte der Täter dies voraussehen, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren.

Zweiter Abschnitt.

Vergehen gegen das Vermögen.

i. vergehen tum.

Dietstahl.

gegen das Eigen-

120.

l Wer eine fremde,5 bewegliche Sache Jjemandem wegS ö nimmt,' um sich oder einen andern damit unrechtmässig b zu bereichern, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird auf Antrag verfolgt.

3. Der Dieb wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft: wenn er den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt ; wenn er das Stehlen gewerbsmässig betreibt; wenn der Diebstahl auf andere Weise die besondere Gefährlichkeit des Täters offenbart.

l 143

121.

1. Wer in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, oder wer, auf einem Diebstahl betreten, an einer Person Gewalt verübt, sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben bedroht oder sie in anderer Weise zum Widerstand unfähig macht, wird mit Zuchthaus bestraft.

Kaob-

2. Der Räuber wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft: wenn er jemanden mit dem Tode bedroht, oder wenn er eine schwere Körperverletzung verübt; wenn er den Raub als Mitglied eiaer Bande ausführt; wenn der Raub auf andere Weise die besondere Gefährlichkeit des Täters offenbart.

Auf lebenslängliches Zuchthaus kann erkannt werden, wenn der Täter gegen eine Person mit besonderer Grausamkeit handelt.

122.

1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde, bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet, wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft.

Veruntrcunn

e-

2. Die Veruntreuung zum .Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird auf Antrag verfolgt.

3. Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes oder Gewerbes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

123.

1. Wer, um sich oderr einen eine andern unrechtmässig zu UnterseUagung.

bereichern,

nnterschlagimg.

144

eine fremde bewegliche Sache, die ihm durch Naturgewalt, Irrtum, Zufall oder sonst ohne seinen Willen zugekommen ist, oder ein fremdes Tier, das in seinen Gewahrsam geraten ist, sich aneignet, eine fremde bewegliche Sache, die er gefunden hat, sich aneignet, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

2. Die Unterschlagung oder Fundunterschlagung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird auf Antrag verfolgt.

3. Wenn der Eigentümer der gefundenen Sache nicht ermittelt werden kann, so verfällt die Sache oder deren Wert dem Staat.

124.

Sachentziehung.

Wer ohne Bereicherungsabsicht eine bewegliche Sache dem Berechtigten entzieht und ihn dadurch schädigt, wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

In besonders leichten Fällen ist die Strafe Busse.

125.

Hehlerei.

\ Wer eine Sache, von der er weiss oder annehmen muss, dass sie durch eine strafbare Handlung erlangt worden ist, erwirbt, sich schenken lässt, zum Pfände nimmt, verheimlicht oder absetzen hilft, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

In besonders leichten Fällen kann auf Busse erkannt werden.

2. Der Täter wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er die Hehlerei gewerbsmässig betreibt.

126.

s»ch-

bdschädigung.

Wer eine fremde Sache beschädigt, zerstört oder un-

brauchbar macht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

145

Hat der Täter aus gemeiner Gesinnung einen grossen Schaden verursacht, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren.

127.

Wer einer fremden Anlage, die zur Verwertung von Unreohtmäsaige Entziehung TOU Energie.

Naturkräften dient, namentlich einer elektrischen Anlage, unrechtmässig Energie entzieht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Handelt der Täter in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, so wird er mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

128.

Der Schuldner, der in der Absicht, seinen Gläubiger Veruntreaung und Intiug TOD «ad zu schädigen, das in seinem Besitze gelassene bewegliche Pfandsacheu RetentionsPfand veräussert oder das in seinem Besitze gelassene be- gegenständen.

wegliche oder unbewegliche Pfand beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, der Schuldner, der in der Absicht, seinen Gläubiger zu schädigen, seine Sache, die der Gläubiger als Faustpfand oder als Retentionsgegenstand besitzt, diesem entzieht, sie beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, der Dritte, der eine solche Handlung zum Vorteil des Eigentümers vornimmt, der Dritte, der in der Absicht, den Gläubiger zu schädigen, seine dem Gläubiger als Pfand oder Retentionsgegenstand dienende Sache dem Besitzer entzieht, sie beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Gefängnis bestraft.

129.

2. Vergehen 1. Wer in der Absicht, sich oder einen andern un- gegen Vermögensrechte Überhaupt rechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung Betrug.

oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder den Irrtum eines andern arglistig benutzt und so den Irrenden Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

10

146

zu einem Verhalten bestimmt, durch das dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird auf Antrag verfolgt.

3. Der Betrüger wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er den Betrug gewerbsmässig betreibt.

130.

Unwahr^ Wer als Gründer, als Mitglied eines Verwaltungs- oder AktiengeseiiAufsichtsorgans einer Aktiengesellschaft oder einer Genossen6 schaften nnd o Genossen- schaft oder als deren Direktor, Bevollmächtigter oder Liquidator vorsätzlich in öffentlichen Mitteilungen, in Berichten oder Vorlagen an die Generalversammlung oder an die Handelsregisterbehörde unwahre Angaben macht oder machen lässt, wird mit Gefängnis und mit Busse bestraft.

Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

131.

WarenfMsctmng.

Wer eine Ware zur Täuschung im Handel und Verkehr nachmacht, verfälscht oder im Werte verringert, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Betreibt der Täter das Nachmachen, Verfälschen oder Verringern gewerbsmässig, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter einem Monat.

Das Strafurteil wird veröffentlicht. Die nachgemachten,, verfälschten oder verringerten Waren werden eingezogen.

132.

iDTei-kehrbringen l.

Wer nachgemachte, verfälschte oder im Werte vergefälschter ° ' :w»ren.

ringertc Waren vorsätzlich als echt, unverfälscht oder vollwertig in Verkehr bringt oder feilhält, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Betreibt der Täter das Inverkehrbringen solcher Waren gewerbsmässig, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter einem Monat.

147

Das Strafurteil wird veröffentlicht.

2. Wer fahrlässig solche Waren als echt, unverfälscht oder vollwertig in Verkehr bringt oder feilhält, wird mit Busse bestraft.

3. Die nachgemachten, verfälschten oder verringerten Waren werden eingezogen.

133.

1. Wer jemanden durch Gewalt oder schwere Drohung, Erpressung.

oder nachdem er ihn auf andere Weise zum Widerstand unfähig gemacht hat, nötigt, ihm oder einem andern einen unrechtmässigen Vermögensvorteil zu gewähren, wer jemanden durch die Ankündigung, er werde etwas bekanntmachen, anzeigen oder verraten, was ihm oder einer ihm nahestehenden Person nachteilig ist, veranlasst, sein Schweigen durch Vermögensleistungen zu erkaufen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft. Mit der Freiheitsstrafe kann Busse verbunden werde».

2. Der Täter wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er die Erpressung gewerbsmässig betreibt, oder wenn er die Erpressung gegen die nämliche Person fortgesetzt verübt.

134.

l. Wer die Notlage, die Abhängigkeit, die Unerfahrenheit, die Charakterschwäche oder den Leichtsinn einer Person ausbeutet, um sich oder einem andern für eine Vermögensleistung Vermögensvorteile gewähren oder versprechen zu lassen, die mit der Leistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen, wer in Kenntnis des Sachverhaltes eine wucherische Forderung erwirbt und sie weiter veräussert oder geltend macht,

Wucher

148

wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft. Mit der Freiheitsstrafe kann Busse verbunden werden.

2. Der Wucherer wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft: wenn er jemanden wissentlich dem wirtschaftlichen Ruin zuführt; wenn er den Wucher gewerbsmässig betreibt.

Verleitung: zur Spekulation.

ungetreue Geschäftsführung.

3. Vergehen gegen Immaterielle G'Uterrechte.

Kreäitschadignng.

Unlauterer Wettbewerb.

135.

Wer in der Absicht, sich oder einem andern einen Vermögensvorteil zu verschaffen, die Unerfahrenheit einer.

Person in Börsengeschäften oder ihren Leichtsinn benutzt, um sie zur Spekulation in Wertpapieren oder Waren zu verleiten, obschon er weiss oder wissen sollte, dass die Spekulation zum Vermögen des Verleiteten in offenbarem Missverhältnis steht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

136.

1. Wer jemanden an Vermögen schädigt, für das er zufolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht sorgen soll, wird mit Gefängnis bestraft.

Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren und Busse.

2. Die ungetreue Geschäftsführung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird auf Antrag verfolgt.

137.

Wer jemandes Kredit böswillig und wider besseres Wissen erheblich schädigt oder ernstlich gefährdet, wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

138.

Wer jemandem die Kundschaft durch unehrliche Mittel, namentlich durch arglistige Kniffe, schwindelhafte Angaben,

149 böswillige Verdächtigungen, abspenstig macht oder fernhält, wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

139.

Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis, das aes^briSbfoaser zufolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht be- "ge^ranloM?"

wahren sollte, verrät, wer den Verrat sich zunutze macht, wer ein Pabrikations- oder Geschäftsgeheimnis, das er durch unerlaubte Mittel ausgekundschaftet hat, zum Zwecke des Wettbewerbes verwertet oder andern mitteilt, wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

140.

1. Der Schuldner, der in der Absicht, seine Gläubiger "-B^ÄngTM" ZU Schädigen,

Be"Äier

sein Vermögen vermindert, namentlich Vermögensstiicke veräussert, zerstört, beschädigt oder entwertet, sein Vermögen zum Scheine vermindert, namentlich Vermögensstücke beiseiteschafft oder verheimlicht, Schulden vortäuscht, vorgetäuschte Forderungen anerkennt oder deren Geltendmachung veranlagst, oder, besonders durch falsche Buchführung oder Bilanz, einen geringern Vermögensbestand vorspiegelt, wird, wenn über sein Vermögen der Konkurs eröffnet worden ist, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Der Dritte, der eine solche Handlung zum Vorteil des Schuldners vornimmt, wird, wenn über das Vermögen des Schuldners der Konkurs eröffnet worden ist, mit Gefängnis bestraft.

141.

l. Der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Pfänäungsbetme.

Schuldner, der in der Absicht, Gläubiger zu schädigen,

150

sein Vermögen vermindert, namentlich Vermögensstücke veräussert, zerstört, beschädigt oder entwertet, sein Vermögen zum Scheine vermindert, namentlich Vermögensstücke beiseiteschafft oder verheimlicht, Schulden vortäuscht, vorgetäuschte Forderungen anerkennt oder deren Geltendmachung veranlagst, wird, wenn gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Der Dritte, der eine solche Handlung zum Vorteil des Schuldners vornimmt, wird, wenn gegen den Schuldner ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Gefängnis bestraft.

142.

Leichtsinniger

Konkurs und Ver-

1. Der Schuldner, der durch argen Leichtsinn, un ver'

°

'

«ugensTerfaii. hältnismässigen Aufwand, gewagte Spekulationen oder grobe Nachlässigkeit in der Ausübung seines Berufes seine Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt oder im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit seine Vermögenslage verschlimmert hat, wird, wenn über sein Vermögen der Konkurs eröffnet oder wenn gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Gefängnis bestraft.

2. Gegenüber dem auf Pfändung betriebenen Schuldner tritt die Strafverfolgung nur auf Antrag eines Gläubigers ein, der einen Verlustschein gegen ihn erlangt hat.

Dem Gläubiger, der den Schuldner zu leichtsinnigem Schuldenmachen oder zu gewagten Spekulationen verleitet oder ihn wucherisch ausgebeutet hat, steht kein Antragsrecht zu.

Der Antrag ist innert drei Monaten seit der Zustellung des Verlustscheines zu stellen.

143.

Unterlassung der Der Schuldner, der die ihm gesetzlich obliegende Pflicht Biehfttlirnng.

' · , . ,,, , n zur ordnungsgemässen Führung und Aufbewahrung von Ore-

151

schäftsbüchern oder zur Aufstellung Deiner Bilanz verletzt, so dass sein Vermögensstand nicht oder nicht vollständig ersichtlich ist, wird, wenn über sein Vermögen der Konkurs eröffnet worden oder eine Pfändung gemäss · Art. 43 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs erfolgt ist, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

144.

Der Schuldner, der im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit und in der Absicht, einzelne seiner Gläubiger zum Nachteil anderer zu bevorzugen, darauf abzielende Handlungen vornimmt, insbesondere nicht verfallene Schulden bezahlt, eine verfallene Schuld anders als durch übliche Zahlungsmittel tilgt, eine Schuld aus eigenen Mitteln sicherstellt, ohne dass er dazu verpflichtet war, wird, wenn über sein Vermögen der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Gefängnis bestraft.

145.

1. Wer einem Gläubiger oder dessen Vertreter für seine Stimme in der Gläubigerversammlung oder im Gläubigerausschuss oder für seine Zustimmung zu einem gerichtlichen Nachlassvertrag besondere Vorteile zuwendet oder zusichert, wer dem Mitgliede einer Konkurs ver waltung für seine Stimme besondere Vorteile zuwendet oder zusichert, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Die gleiche Strafe trifft den Gläubiger oder dessen Vertreter oder das Mitglied einer Konkursverwaltung, die sich solche Vorteile zusichern oder zuwenden lassen.

146.

Wer über eine amtlich gepfändete oder mit Arrest belegte Sache oder über eine Sache, die in einem Betreibungs-, Konkurs- oder Retentions verfahren amtlich aufgezeichnet ist (Bundesgesetz über Schuldbetreibung und

BeTOrzigung äines Gläubiger».

Stiiumeukauf.

Verfügung Übet gepfändete, mit Arrest belegte oder untlicli aufgezeichnete Sachen.

152 Konkurs Art. 83, Abs. l, Art. 96, 162 bis 165, 183, 221, 275, 283, Abs. 3), 'eigenmächtig zum Nachteil der Gläubiger verfügt oder eine' solche Sache beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird mit Gefängnis bestraft.

147.

Ersehleichung eines NftehlasaYertrages.

Der Schuldner, der über seine Vermögenslage, namentlich durch falsche Buchführung oder Bilanz, seine Gläubiger, den Sachwalter oder die Nachlassbehörde irreführt, um dadurch eine Nachlassstundung oder die Genehmigung eines gerichtlichen Nachlassvertrages zu erwirken, der Dritte, der eine solche Handlung zum Vorteil des Schuldners vornimmt, wird mit Gefängnis bestraft.

Ehrenfolgen bei Konkurs- und BetreibnngsvergeheH.

148.

Bei den Vergehen der Art. 140, 141, 142, 144, 145, 146 und 147 kann in jedem Falle auf Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit erkannt werden.

149.

Juristische Per BOnen und Hindelsgesrilsehaften.

Werden die in den Art. 128, 140 bis 147 unter Strafe gestellten Handlungen im Geschäftsbetriebe einer juristischen Person begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die Direktoren, Bevollmächtigten, Liquidatoren und die Mitglieder der Verwaltungs- oder Aufsichtsorgane Anwendung, die diese Handlungen begangen haben.

Werden diese Handlungen im Geschäftsbetriebe einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die schuldigen Gesellschafter Anwendung. .

153 Dritter Abschnitt.

Vergehen gegen die Ehre.

150.

1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem Verleumdung.

andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung wider besseres Wissen verbreitet, wird, auf Antrag, mit Gefängnis bestraft.

2. Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter einem Monat.

151.

o \. Wer jemanden leichtfertig und nicht der Wahrheit uue Nachred«.

gemäss bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung leichtfertig weiter verbreitet, wird, auf Antrag, mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bestraft.

Zieht der Täter das, was er gesagt hat, vor dem Richter als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. Der Richter stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus.

2. · Wer jemanden bei einem andern, zwar der Wahrheit gemäss, aber ohne begründete Veranlassung und nur um ihm Übles vorzuwerfen, eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.

154

152.

BeìtìnunTM

8

6r

^ mündlichen Verleumdung und Nachrede ist die Äusserung durch Schrift, Bild, Gebärde oder durch andere Mittel gleichgestellt.

153.

Verleumdung und Richtet sich die Verleumdung oder üble Nachrede ö üble Nachrede «regen einen

gegen einen Verstorbenen, so steht das Antraejsreeht den

Verstorbenen. ° °

'

°

Angehörigen des Verstorbenen zu.

Sind zur Zeit der Tat mehr als dreissig Jahre seit dem Tode des Verstorbenen verflossen, so bleibt der Täter straflos.

Beschimpfung.

154.

1. Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Busse bestraft.

2. Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der'Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann der Richter den Täter von Strafe befreien.

Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann der Richter einen Täter oder beide von Strafe befreien.

Vierter Abschnitt.

Vergehen gegen die Freiheit.

Drohung.

Nötigung.

155.

Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

156.

Wer jemanden durch Gewalt oder schwere Drohung,' oder nachdem er ihn auf andere Weise zum Widerstand unfähig gemacht hat, nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

155

157.

1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unreehtmässig die Freiheit entzieht, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Der Täter wird mit Zuchthaus bestraft: wenn er der Person die Freiheit entzieht, um sie zur Unzucht zu missbrauchen oder sie der Unzucht zu überliefern ; wenn er der Person unter dem falschen Vorgeben, sie sei geisteskrank, die Freiheit entzieht oder entziehen lässt ; wenn er die Person grausam behandelt oder ihr über einen Monat die Freiheit entzieht.

158.

1. Wer eine Frau wider ihren Willen gewaltsam, oder nachdem er durch Anwendung von List oder Drohung ihre Einwilligung erlangt hat, entführt, wird, auf Antrag, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.

G-eht die Entführte die Ehe mit dem Entführer ein, so ist sie zum Antrag nur berechtigt, wenn die Ehe auf ihr Betreiben ungültig erklärt worden ist. Die Antragsfrist beginnt mit dem Tage, an dem das Urteil rechtskräftig wird.

2. Entführt der Täter die Frau, um sie zur Unzucht zu missbrauchen, so wird er mit Zuchthaus bestraft. Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt.

159.

Wer eine geisteskranke, blödsinnige, im Bewusstsein schwer gestörte oder zum Widerstand unfähige Frau in Kenntnis ihres Zustandes entführt, um sie zur Unzucht zu missbrauchen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.

160.

Wer ein Kind unter sechzehn Jahren entführt, um Gewinn aus dem Kinde zu ziehen oder um ein Lösegeld

Freiheitsberaubung;.

Entführung.

Enteil lir«üt' oiner WiUealo.nou oder Wehrlosen.

Entführung einda Kindea.

156

zu erlangen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

Entführt der Täter das Kind, um es zur Unzucht zu missbrauchen oder es der Unzucht zu überliefern, so wird er mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

Hauüfiiedene-

161.

Wer in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Fünfter Abschnitt.

Vergehen gegen die Sittlichkeit.

162.

i. Angriffe auf Wer eine Frau mit Gewalt oder durch schwere Drotfle geschlechtliche Freiheit hung zur Duldung des ausserehelichen Beischlafs zwingt, Notzucht. wird mit Zuchthaus bestraft.

Wer mit einer Frau den aus.serehelichen Beischlaf vollzieht, nachdem er sie zu diesem Zwecke bewusstlos oder zum Widerstand unfähig gemacht hat, wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

163.

Nötigung z« Wer eine Person mit Gewalt oder durch schwere eiaer unzüchtigen Handlang. Drohung, oder nachdem er sie auf andere Weise zum Widerstand unfähig gemacht hat, zur Duldung oder zur Vornahme einer andern unzüchtigen Handlung zwingt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

Sckanaung.

164.

1. Wer mit einer blödsinnigen oder geisteskranken, oder mit einer bewusstlosen oder zum Widerstand un-

157

fähigen Frau, in Kenntnis ihres Zustandes, den ausserehelichen Beischlaf vollzieht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.

2. Wer mit einer blödsinnigen oder geisteskranken, oder mit einer bewusstlosen oder zum Widerstand unfähigen Person, in Kenntnis ihres Zustandes, eine andere unzüchtige Handlung vornimmt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

165.

1. Wer mit einer schwachsinnigen Frau oder mit schwacheinnieen einer Frau, deren geistige Gesundheit wesentlich beeinträchtigt ist, in Kenntnis ihres Zustandes, den ausserehelichen Beischlaf vollzieht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

2. Wer mit einer schwachsinnigen Person oder mit einer Person, deren geistige Gesundheit wesentlich beeinträchtigt ist, in Kenntnis ihres Zustandes, eine andere unzüchtige Handlung vornimmt, wird mit Gefängnis bestraft.

166.

1. Wer ein Kind unter sechzehn Jahren zum Beischlaf oder zu einer ähnlichen Handlung missbraucht, wird mit Zuchthaus bestraft.

Ist das Kind der Schüler, Zögling, Lehrling, Dienstbote oder das Kind, Grosskind, Adoptivkind, Stiefkind, Mündel oder Pflegekind des Täters, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter drei Jahren.

2. Wer mit einem Kinde unter sechzehn Jahren eine andere unzüchtige Handlung vornimmt, wer ein solches Kind zu einer unzüchtigen Handlung verleitet, ' . wer eine unzüchtige Handlung vor einem solchen Kinde vornimmt, ' .

^inaänTM"

158

wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

Ist das Kind der Schüler, Zögling, Lehrling, Dienstbote oder das Kind, Grosskind, Adoptivkind, Stiefkind, Mündel oder Pflegekind des Täters, so ist die Strafe Zuchthaus.

167.

Unzucht mu un\ Wer mit seinem unmündigen, mehr als sechzehn mündigen Pflege° ' befohlene^ von Jahre alten Adoptivkind, Stiefkind, Pflegekind, Mündel, sechzehn Jahren. Schüler, Zögling, Lehrling oder Dienstboten den Beischlaf vollzieht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.

2. Wer mit seinem unmündigen, mehr als sechzehn Jahre alten Kind, Grosskind, Adoptivkind, Stiefkind, Pflegekind, Mündel, Schüler, Zögling, Lehrling oder Dienstboten eine andere unzüchtige Handlung vornimmt, wer die unmündige Person zu einer unzüchtigen Handlung verleitet, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

168.

Unzucht l. Wer mit dem Pflegling einer Kranken-, Armenroit Anstalts° ° ' Pfleglingen, Ge- oder Versorgungsanstalt, mit einem auf amtliche Anordnung schuldigten. i n eine Anstalt Eingewiesenen, mit einem Gefangenen, Verhafteten oder Beschuldigten den Beischlaf vollzieht, wird, wenn die Person unter seiner Aufsicht steht oder von ihm abhängig ist, mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

2. Nimmt der Täter mit der Person eine andere unzüchtige Handlung vor, so ist die Strafe Gefängnis.

169.

Widernatürliche 1. Die mündige Person,) die mit einer unmündigen Unzucht.

ö i o Person desselben Geschlechts im Alter von mehr als sechzehn Jahren eine unzüchtige Handlung vornimmt, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

159 2. Wer durch den Missbrauch der Notlage oder der durch ein Amts- oder Dienstverhältnis oder auf ähnliche Weise begründeten Abhängigkeit einer Person gleichen Geschlechts von ihr die Duldung oder die Vornahme unzüchtiger Handlungen erlangt, wer gewerbsmässig mit Personen gleichen Geschlechts unzüchtige Handlungen verübt, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

170.

Für diese Vergehen (Art. 162 bis 169) gelten folgende ^nZngeV Bestimmungen : Stirbt die Person infolge der Tat und konnte der Täter diese Folge voraussehen, so wird er mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.

Wird die Gesundheit der Person infolge der Tat schwer geschädigt, und konnte der Täter diesen Erfolg voraussehen, oder handelt der Täter unter Verübung von Grausamkeit, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter drei Jahren.

171.

Wer eine Unmündige von mehr als sechzehn Jahren v<^]J|TMnl|g e^er durch Missbrauch ihrer Unerfahrenheit oder ihres Vertrauens zum Beischlaf verführt, wird, auf Antrag, mit Gefängnis bestraft.

Geht die Verführte die Ehe mit dem Täter ein, so bleibt er straflos.

172.

Wer von einer Frau »durch Missbrauch ihrer Notlage Mjssbmucu der 0 Notlage oder oder ihrer durch ein Amts- oder Dienstverhältnis oder auf Abhängigkeit einer Jrrau.

ähnliche Weise begründeten Abhängigkeit den Beischlaf erlangt, wird mit Gefängnis bestraft.

Geht die Frau die Ehe mit dem Täter ein, so bleibt er straflos.

.

.

160

2. Begünstigung und Ausbeutung der Unzucht.

Kuppelei.

173.

l. Wer aus Gewinnsucht der Unzucht Vorschub leistet, ' wn-d mit Gefängnis bestraft.

° Diese Vorschrift findet auf die Gewährung von Wohnung keine Anwendung, sofern nicht der Vermieter die Unzucht ausbeutet.

2. Ist die verkuppelte Person unmündig, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter drei Monaten.

174.

^uppSef166

Betreibt der Täter die. Kuppelei gewerbsmässig, hält er namentlich ein Bordell, so wird er mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten und mit Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit bestraft.

Hat der Täter eine unmündige Person verkuppelt, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren.

Der Täter wird in jedem Falle überdies mit Busse bestraft.

175.

Begünstigung Wer ohne ögewinnsüchtige Absicht der Unzucht mit ö der Unzucht.

Personen unter achtzehn Jahren Vorschub leistet, wird mit Gefängnis bestraft.

176.

Zuhälterei.

Der Mann, der sich von einer weiblichen Person, die gewerbsmässig Unzucht treibt, unter Ausbeutung ihres unsittlichen Erwerbes ganz oder teilweise unterhalten lässt, oder der einer solchen weiblichen Person aus Eigennutz bei der Ausübung ihres Gewerbes Schutz gewährt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten und mit Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit bestraft.

177.

Mädchenhandel.

1. Wer eine weibliche Person anwirbt, verschleppt oder entführt, um sie einem andern zur Unzucht zu Überliefern,

161 wer dazu Anstalten trifft, wird mit Zuchthaus bestraft.

2. Die Strafe ist Zuchthaus nicht unter drei Jahren : vrenn die Person unmündig ist; wenn sie die Ehefrau, das Kind, Grosskind, Adoptivkind oder Stiefkind des Täters ist oder wenn sie ihm zur Pflege, Obhut oder Aufsicht anvertraut ist; wenn der Täter List, Gewalt oder Drohung angewendet hat; wenn die Person in das Ausland gebracht worden ist ; wenn sie einem gewerbsmassigen Kuppler überliefert werden soll; wenn der Täter den Mädchenhandel gewerbsmässig betreibt.

3. Der Täter wird überdies in jedem Falle mit Busse bestraft.

4. Der Täter ist auch strafbar, wenn er die Tat im Ausland begangen hat, in der Schweiz betreten und nicht ausgeliefert wird.

178.

Wer öffentlich eine unzüchtige Handlung begeht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

179.

1. Wer unzüchtige Schriften, Bilder, Zeichnungen oder andere unzüchtige Gegenstände zum Verkauf herstellt oder einführt, feilhält, an Personen sendet, die das nicht verlangt haben, öffentlich ankündigt, ausstellt, vorführt oder gewerbsmässig ausleiht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

2. Wer solche Schriften, Bilder, Zeichnungen oder Gegenstände Personen unter achtzehn Jahren übergibt, wird mit Gefängnis und mit Busse bestraft.

3. Der Richter lässt die unzüchtigen Schriften, Bilder, Zeichnungen oder Gegenstände vernichten.

Buoilesblatt. 70. Jahrgi

Bd. IV.

11

3. Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit.

öft'eutliche unzUchtige Handlungen. · Unzüchtige Verfiffeiitlichtingcn.

162 Sechster Abschnitt.

Vergehen gegen die Familie.

180.

Blutschande.

j

rjer Beischlaf zwischen Blutsverwandten in gerader Linie und zwischen voll- oder halbbürtigen Geschwistern wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

2. Wer mit einem unmündigen, mehr als sechzehn Jahre alten Verwandten gerader Linie den Beischlaf vollzieht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.

3. Unmündige, die der Verführung von Mündigen erlegen sind, bleiben straflos.

4. Das Vergehen verjährt in zwei Jahren.

181.

Eheiruch.

l. j)er Ehegatte, der einen Ehebruch begeht, und sein Mitschuldiger werden, auf Antrag des beleidigten Ehegatten, mit Gefängnis bestraft.

2. Der Antrag kann nur dann gestellt werden, wenn der antragsberechtigte Ehegatte die Klage auf Scheidungöder auf Trennung wegen dieses Ehebruches anhängig gemacht hat.

Kein Antragsrecht hat der Ehegatte, der dem Ehebruch zugestimmt oder ihn verziehen hat.

3. Stirbt der beleidigte Ehegatte, so fällt die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung dahin.

182.

Hfhrfache Ehe.

l. Wer eine Ehe schliesst, trotzdem er schon verheiratet ist, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.

2. Der Unverheiratete, der wissentlich mit einer verheirateten Person eine Ehe schliesst, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

163 3. Die Verjährung beginnt nicht, solange eine mehrfache Ehe besteht.

183.

Wer den Personenstand eines andern unterdrückt oder ,,"^^^g fälscht, so namentlich ein Kind absichtlich unterschiebt ieas^l°"ea' oder verwechselt, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.

Handelt der Täter aus achtungswerten Beweggründen, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse;

184.

1. Wer aus bösem Willen, aus Arbeitsscheu oder aus V?TM^S^ Liederlichkeit die ihm nach Gesetz obliegende oder durch "*« Pflichten.

Vertrag, richterlichen Entscheid oder Verfügung der zuständigen Verwaltungsbehörde auferlegte Unterhalts- oder Unterstützungspflicht nicht erfüllt, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Wer aus bösem Willen, aus Arbeitsscheu oder aus Liederlichkeit gegenüber einer von ihm ausserehelich Geschwängerten, von der er weiss, dass sie sich in bedrängter Lage befindet, die ihm gesetzlich obliegenden oder von ihm vertraglich übernommenen Pflichten nicht erfüllt, wird mit Gefängnis bestraft.

185.

Eltern,1 die sich eines Kindes dadurch entledigen, dass Verletzung der ° ' Erziehungssie es zu dauernder Pflege Personen übergeben, bei denen Pflicht, es, wie sie wissen oder, annehmen müssen, in sittlicher oder körperlicher Beziehung gefährdet ist, werden mit Gefängnis bestraft.

Geschieht die Übergabe aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten.

186.

Wer eine unmündige Person dem Inhaber der elter- Entziehen und ° Vorenthalten liehen oder vormundschaftlichen Gewalt entzieht oder vor- T0n Unmun%en.

enthält, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

164

Siebenter Abschnitt.

Gemeingefährliche Vergehen.

187.

Brandstiftung.

Fahrlässige Verursachung

Wer vorsätzlich eine Feuersbrunst verursacht, wird mit Zuchthaus bestraft.

Bringt der Täter wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr, so wird er mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Gefängnis erkannt werden.

188.

Wer fahrlässig eine Feuersbrunst verursacht,' wird mit ö

einerbrnnst.

Feuers- Gefängnis oder mit Busse bestraft.

°

Bringt der Täter fahrlässig Leib und Leben von Menschen in Gefahr, so ist die Strafe Gefängnis.

189.

Veruraaciieneiner j_. Wer vorsätzlich eine Explosion von Gas, Benzin, r Explosion.

' ' Petroleum oder ähnlichen Stoffen verursacht und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Zuchthaus bestraft.

Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Gefängnis erkannt werden.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

Gefährdung durch Sprengstoffe.

190.

Wer vorsätzlich und in verbrecherischer Absicht Sprengstoffe gebraucht und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Zuchthaus bestraft.

Gebraucht der Täter Sprengbomben, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter fünf Jahren.

165

Der Täter ist auch strafbar, wenn er die Tat im Ausland begangen hat, in der Schweiz betreten und nicht ausgeliefert wird.

191.

1. Wer Sprengstoffe oder Sprengbomben herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauch bestimmt sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

Herstellen, Varbergen und Weiterschaffen von Sprengstoffen.

2. Wer Sprengstoffe oder Stoffe, die zu deren Herstellung geeignet sind, oder Sprengbomben sich verschafft, einem andern übergibt, von einem andern übernimmt, aufbewahrt, verbirgt oder weiterschafft, wird, wenn er weiss oder annehmen muss, dass sie zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

3. Wer jemandem, der, wie er weiss oder annehmen muss, einen verbrecherischen Gebrauch von Sprengstoffen oder Sprengbomben plant, zu der Herstellung von Sprengstoffen oder Sprengbomben Anleitung gibt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

192.

Wer fahrlässig durch Sprengstoffe oder Sprengbomben Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Gefängnis von einem Monat bis zu fünf Jahren bestraft.

193.

1. Wer vorsätzlich eine Überschwemmung oder den Einsturz eines Bauwerks oder von Erd- oder Felsmassen verursacht und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Zuchthaus bestraft.

Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Gefängnis erkannt werden.

Fahrlässige Gefährdung durch Sprengstoffe.

Verursachen eiuer Überschwemmung oder eines Einsturzes.

166

Beschädigung Ton elektrischen Anlagen, von Wasserbauten und von Schutzvorrichtungen.

Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

194.

1. Wer vorsätzlich elektrische Anlagen, Wasserbauten, namentlich Dämme, Wehre, Deiche, Schleusen, Schutzvorrichtungen gegen Naturereignisse, so gegen Bergsturz oder Lawinen, zerstört oder beschädigt und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Zuchthaus bestraft.

Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Gefängnis erkannt werden.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

195.

1. Wer bei der Leitung oder Ausführung einer Baute oder eines andern Werkes oder eines Abbruches vorsätzlich die anerkannten Regeln der Baukunde so ausser acht lägst, dass dadurch Leib und Leben von Menschen gefährdet werden, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat und mit Busse bestraft.

2. Lässt der Täter die anerkannten Regeln der Baukunde fahrlässig ausser acht, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

Achter Abschnitt.

Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit.

Verbreiten gemeingefährlicher Krankheiten.

196.

\. Wer vorsätzlich eine gefährliche übertragbare menschliche Krankheit verbreitet, wird mit Gefängnis von einem Monat bis zu fünf Jahren bestraft.

Hat der Täter aus gemeiner Gesinnung gehandelt, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren.

167 2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

197.

1. Wer vorsätzlich eine Seuche unter Haustieren ver- Verbreiten einer Viehseuche, breitet, wird mit Gefängnis bestraft.

' Hat der Täter aus gemeiner Gesinnung einen grossen Schaden verursacht, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

198.

1. Wer vorsätzlich einen für die Landwirtschaft oder v|S,'önynom für die Forstwirtschaft gefährlichen Schädling verbreitet, wird mit Gefängnis bestraft.

Hat der Täter aus gemeiner Gesinnung einen grossen Schaden verursacht, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

199.

1. Wer vorsätzlich das Trinkwasser für Menschen oder alsTi'ÄZ,.

Haustiere mit gesundheitsschädlichen Stoffen verunreinigt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

200.

1. Wer vorsätzlich eine Ware so herstellt oder be- ^fÄshandelt, dass der Genuss oder Gebrauch, für den die Ware '"war^" bestimmt ist oder zu dem sie voraussichtlich dienen wird, die menschliche Gesundheit gefährdet, wird mit Gefängnis und mit Busse bestraft: Weiss der Täter, dass der Genuss oder der Gebrauch der Ware lebensgefährlich ist,

168 betreibt er das Herstellen oder Behandeln der Ware gewerbsmässig, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten. Mit der Freiheitsstrafe ist Busse zu verbinden.

Das Strafurteil wird veröffentlicht.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

3. Die Ware wird eingezogen.

201.

\ Wer vorsätzlich eine Ware einführt, lagert, feilhält

Inverkehrbringen gesmdhejts-

schädlicher

Herstellen von gesundheitsschädlichem Futter.

0(jer

'

°

'

jn Verkehr bringt, von der er weiss, dass der Genuas oder Gebrauch, für den die Ware bestimmt ist oder zu dem sie voraussichtlich dienen wird, die menschliche Gesundheit gefährdet, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Weiss der Täter, dass die Ware lebensgefährlich ist, so ist die Strafe Gefängnis und Busse.

Das Strafurteil wird veröffentlicht.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Kusse.

3. Die Ware wird eingezogen.

202.

Wer Futter oder Futtermittel für Haustiere so behandelt oder herstellt, dass sie die Gesundheit der Tiere gefährden, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Betreibt der Täter das Behandeln oder Herstellen gewerbsmässig, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter einem Monat und Busse.

Das Strafurteil wird veröffentlicht.

Neunter Abschnitt.

Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr.

203.

sinnig ° l.

Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr,' narnentde« öffentlichen Verkehrs.

iicn den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser oder

169

in der Luft hindert oder stört und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr bringt, wird mit Gefängnis bestraft.

Bringt der Täter dadurch wissentlich Leib und Leben vieler Menschen in Gefahr, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

204.

1. Wer vorsätzlich den Eisenbahnverkehr hindert oder stört und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, namentlich wer die Gefahr einer Entgleisung oder eines Zusammenstosses herbeiführt, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

205.

1. Wer vorsätzlich den Betrieb einer öffentlichen Verkehrsanstalt, namentlich den Eisenbahn-, Post-, Telegraphenoder Telephonbetrieb hindert oder stört, wer vorsätzlich den Betrieb einer zur allgemeinen Versorgung mit Wasser, Licht. Kraft oder Wärme dienenden Anstalt oder Anlage hindert oder stört, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

Störung des Eisenbahnverkehrs.

Störung von Betrieben, die ior All^cmeiubeit dienen.

Zehnter Abschnitt.

Fälschung von Geld, amtlichen Wertzeichen, amtlichen Zeichen, Mass und Gewicht.

206.

Wer Metallgeld, Papiergeld oder Banknoten fälscht, um sie als echt in Umlauf zu bringen, wird mit Zuchthaus bestraft.

Geldfüsclumi;.

170 la besonders leichten Fällen ist die Strafe Gefängnis.

Der Täter ist auch strafbar, wenn er die Tat im Ausland begangen hat, in der Schweiz betreten und nicht ausgeliefert wird.

207.

vei-aischan

Ausgeben falschen Geldes.

Münz-

Verringerung.

^6r Metallgeld, Papiergeld oder Banknoten verfälscht, um sie zu einem höhern Wert in Umlauf zu bringen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren odor mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

In besonders leichten Fällen ist die Strafe Gefängnis.

208.

\/v"er falsches oder verfälschtes Metallgeld oder Papierv ° geld, falsche oder verfälschte Banknoten als echt oder unverfälscht in Umlauf bringt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

Hat der Täter oder sein Auftraggeber oder sein Vertreter das Geld oder die Banknoten als echt oder unverfälscht eingenommen, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

l. w er

209.

Geldmünzen durch Beschneiden, Abfeilen oder '

auf andere Art verringert, um sie als vollwertig in Umlauf zu bringen, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Betreibt der Täter das Verringern gewerbsmässig, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Gefängnis nicht unter einem Monat.

2. Wer so verringerte Geldmünzen als vollwertig in Umlauf bringt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Hat der Täter oder sein Auftraggeber oder sein Vertreter die Münze als vollwertig eingenommen, so ist die Strafe Busse.

210.

Einfuhren, Wer falsches oder verfälschtes Metallgeld oder PapierErwerben, Lagern falschen Geldes, geld, falsche oder verfälschte Banknoten oder verringerte

l 171

Geldmünzen einführt, erwirbt oder lagert, um sie als echt, unverfälscht oder vollwertig in Umlauf zu bringen, wird ' mit Gefängnis bestraft.

Wer sie in grosser Menge einführt, erwirbt oder lagert, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.

211.

1. Wer amtliche Wertzeichen, namentlich Postmarken, ,,nüicier'wWtStempel- oder Gebührenmarken, fälscht oder verfälscht, um »««*<>nsie als echt oder unverfälscht zu verwenden, wer entwerteten amtlichen Wertzeichen den Schein gültiger gibt, um sie als solche zu verwenden, wird mit Gefängnis bestraft.

Der Täter ist auch strafbar, wenn er die Tat im Ausland begangen hat, in der Schweiz betreten und nicht ausgeliefert wird.

2. Wer falsche, verfälschte oder entwertete amtliche Wertzeichen als echt, unverfälscht oder gültig verwendet, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

212.

Wer amtliche Zeichen, die die Behörde an einem Gegenstand anbringt, um das Ergebnis einer Prüfung oder um eine Genehmigung festzustellen, zum Beispiel Stempel der Gold- und Silberkontrolle, Stempel der Fleischschauer, Marken der Zollverwaltung, fälscht oder verfälscht, um sie als echt oder unverfälscht zu verwenden, wer falsche oder verfälschte /eichen dieser Art als echt oder unverfälscht verwendet, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

,,"Sef zeichen.

213.

Wer Geräte zum Fälschen oder Verfälschen von Metallgeld, Papiergeld, Banknoten, amtlichen Wertzeichen oder amtlichen Zeichen anfertigt oder sich verschafft, um sie unrechtmässig zu gebrauchen,

F&ls c lß e r^ '~

172

wer Geräte, womit Metallgeld, Papiergeld, Banknoten, amtliche Wertzeichen oder amtliche Zeichen hergestellt werden, unrechtmässig gebraucht, wird mit Gefängnis bestraft.

214.

8

D

zum

von MMB niia Wer Zwecke der Täuschung in Handel und Glicht.

Verkehr an Massen, Gewichten, Wagen oder andern Messinstrumenten ein falsches Eichzeichen anbringt oder ein vorhandenes Eichzeichen verfälscht, an geeichten Massen, Gewichten, Wagen oder andern Messinstrumenten Veränderungen vornimmt, falsche oder verfälschte Masse, Gewichte, Wagen -oder andere Messinstrumente gebraucht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

215.

Einziehung.

Falsches, v erfälschtes 'oder verringertes Metallgeld, falsches oder verfälschtes Papiergeld, falsche oder verfälschte Banknoten, amtliche Wertzeichen, amtliche Zeichen, Masse, Gewichte, Wagen oder andere Messinstrumente, sowie die Fälschungsgeräte, werden eingezogen, unbrauchbar gemacht oder vernichtet.

216.

ueid und Die Bestimmungen dieses Abschnittes finden auch AnWertzeichen des Auslandes. wendung auf Metallgeld, Papiergeld, Banknoten und Wertzeichen des Auslandes.

Elfter Abschnitt.

Urkundenfälschung.

Urkunden-

filschung.

217.

l. Wer, um Jiemanden am Vermögen oder au andern ö ' .

.

Rechten zu schädigen oder um sich oder einem andern einen

173 unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde fälscht oder verfälscht oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unwahren Urkunde benützt, wer eine von einem Dritten hergestellte Urkunde dieser Art zur Täuschung gebraucht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Betrifft die Fälschung oder der Missbrauch ein öffentliches Register, eine öffentliche Urkunde, eine eigenhändige letztwillige Verfügung, ein Emissionspapier, einen Wechsel oder ein anderes Orderpapier, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten.

·3. In besonders leichten Fällen kann auf Gefängnis oder Busse erkannt werden.

218.

1. Wer, um sich oder einem andern das Fortkommen ·zu erleichtern, Ausweisschriften, Zeugnisse, Bescheinigungen fälscht oder verfälscht, eine von einem Dritten hergestellte Schrift dieser Art zur Täuschung gebraucht, echte, nicht für ihn bestimmte Schriften dieser Art zur Täuschung missbraucht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

2. Wer solche Schriften gewerbsmässig fälscht oder verfälscht oder mit solchen Schriften Handel treibt, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

V01f

Auswegen

219.

Wer durch Täuschung° bewirkt,' dass ein Beamter oder Erschieieuuns einer falschen eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Benrknndung.

Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschritt beglaubigt,

174 wer eine so erschlichene Urkunde gebraucht, um einen andern über die darin beurkundete Tatsache zu täuschen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

220.

Unterdrückung \ Wer eine Urkunde vernichtet, beschädigt, beiseiteTon Urkunden.

' °' schafft oder entwendet, um jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Die Unterdrückung von Urkunden /um Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird auf Antrag verfolgt.

221.

Urkunden

Dje Artikel 217 bis 220 finden auch Anwendung auf ° Urkunden des Auslandes.

Grenz-

l. Wer, um iemandcn am Vermögen oder an andern .

.

Rechten zu schädigen oder um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, einen Grenzstein oder ein anderes Grenzzeichen beseitigt, verrückt, unkenntlich macht oder falsch setzt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

des Anslandes.

222.

Terrückung.

2. Wer ein zur Feststellung der Landes-, Kantons- oder Gemeindegrenzen dienendes Grenzzeichen beseitigt, verrückt, unkenntlich macht oder falsch setzt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

223.

Beseitigung von Wer ein öffentliches Vermessungs- oder WasserstandsWMserstfnds0 zeichen beseitigt, verrückt, unkenntlich macht oder falsch setzt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

175

Zwölfter Abschnitt.

Vergehen gegen den öffentlichen Frieden.

224.

Wer die Bevölkerung durch Drohung mit einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum, namentlich durch Drohung mit Mord, Plünderung oder Brand in Schrecken versetzt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

225.

Wer öffentlich zu einem Vergehen, das mit Zuchthaus bedroht ist, auffordert, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

226.

Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

227.

Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt, wer eine verfassungsmässig gewährleistete Kultushandlung böswillig stört oder öffentlich verspottet, wer einen Ort oder einen Gegenstand, die für einen verfassungsmässig gewährleisteten Kultus oder für eine solche Kultushandlung bestimmt sind, böswillig verunehrt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bestraft.

228.

1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise rerunehrt, wer einen Leichenzug oder eine Leichenfeier böswillig stört oder verunehrt,

Schreckung der Berölkerung.

offen tlicue Aufforderung zu Vergehen.

Landfriedensbrach.

Störung der tìlaahens- und Kultusfreiheit.

Störung des TotenMeaens.

176

wer eine Leiche verunehrt oder öffentlich beschimpft, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

2. Wer eine Leiche oder Teile einer Leiche oder die Asche eines Toten aus dem Gewahrsam des Berechtigten wegnimmt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Dreizehnter Abschnitt.

Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung.

i. Vergehen

229.

Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist.

o i 0

gegen d e n Staat.

Hochverrat.

m it Gewalt

die Verfassung des Bundes oder eines Kantons abzuändern, die verfassungsmässigen Staatsbehörden abzusetzen oder sie ausserstand zu setzen, ihre Gewalt auszuüben, schweizerisches Gebiet von der Eidgenossenschaft oder Gebiet von einem Kanton abzutrennen, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren bestraft.

230.

\. Wer eine Handlung,vornimmt, die darauf Ö gerichtet ist,l °-1 '

Angriffe auf Aie Unabhängigkeit genossenschaft * die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft zu verletzen oder zu gefährden, eine die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft gefährdende Einmischung einer fremden Macht in die Angelegenheiten der Eidgenossenschaft herbeizuführen, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren bestraft.

2. Wer mit der Regierung eines fremden Staates odor mit deren Agenten in Beziehung tritt, um einen Krieg gegen die Eidgenossenschaft herbeizuführen, wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

1

177

231.

1. Wer vorsätzlich ein Geheimnis,1 dessen Bewahrung° Diplomatischer Landesverrat.

zum Wohl der Eidgenossenschaft geboten ist, einem fremden Staate, dessen Agenten oder der Öffentlichkeit bekannt oder zugänglich macht, wer Urkunden oder Beweismittel, die sich auf Rechtsverhältnisse zwischen der Eidgenossenschaft und einem ausländischen Staate beziehen, vernichtet, verfälscht, beiseite schafft oder entwendet und dadurch die Interessen der Eidgenossenschaft vorsätzlich gefährdet, der Bevollmächtigte der Eidgenossenschaft, der vorsätzlich Unterhandlungen mit einer auswärtigen Regierung zum Nachteil der Eidgenossenschaft führt, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren bestraft.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

232.

Wer ein von einer Behörde angebrachtes Hoheits- Tätliche Angnfte 0 auf Hoheitszeichen, insbesondere das Wappen oder die Fahne der Eid- zeichen aer Eia' genossenschaft genossenschaft oder eines Kantons, böswillig wegnimmt, beoder eines schädigt oder beleidigende Handlungen daran verübt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

233.

Wer die schweizerische Gebietshoheit verletzt, ins- Verletzung schweizerischer besondere durch unerlaubte Vornahme von Amtshandlungen Gebietshoheit.

im Namen eines fremden Staates, wer in Verletzung des Völkerrechts auf schweizerisches Gebiet eindringt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

234.

1. Wer Tatsachen, Vorkehrungen oder Gegenstände, die z- verräterei, mit Rücksicht auf die Landesverteidigung geheimgehalten Tvrerra1teetTMnhB werden, ausspäht, um sie einem fremden Staate, dessen militärischer r '

'

Bundesblau. 70. Jahrg. Bd. IV.

'

12

Geheimnisse.

178

Agenten oder der Öffentlichkeit bekannt oder zugänglich zu machen, wer vorsätzlich Tatsachen, Vorkehrungen oder Gegenstände, die mit Rücksicht auf die Landesverteidigung geheimgehalten werden, einem fremden Staate, dessen Agenten oder der Öffentlichkeit bekannt oder zugänglich macht, wird mit Zuchthaus bestraft.

2. Werden diese Handlungen in Zeiten eines aktiven Dienstes verübt, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter drei Jahren.

Militärischer Landesverrat.

Landesverräterische NachrichtenVerbreitung.

3. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

·235.

1. Wer vorsätzlich in Zeiten eines aktiven Dienstes die Unternehmungen des schweizerischen Heeres unmittelbar stört oder gefährdet, wer insbesondere die dem Heere dienenden Verkehrs- oder Nachrichtenmittel, Anlagen oder Sachen beschädigt oder vernichtet oder den Betrieb von Anstalten, die dem Heere dienen, hindert oder stört, wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

2. Wer vorsätzlich in Zeiten eines aktiven Dienstes die Unternehmungen des schweizerischen Heeres mittelbar stört oder gefährdet, wer insbesondere die öffentliche Ordnung stört oder Betriebe, die für die Allgemeinheit oder die Heeresverwaltung wichtig sind, hindert oder stört, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

3. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

236.

Wer vorsätzlich in - Zeiten eineß aktiven Dienstes die Unternehmungen des schweizerischen Heeres durch Verbreiten unwahrer Nachrichten stört oder gefährdet, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

179 Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis.

237.

Der Schweizer, der, ohne dazu gezwungen zu sein, in einem Kriege die Waffen gegen die Eidgenossenschaft trägt oder in ein feindliches Heer eintritt, wird mit Zuchthaus bestraft.

238.

Wer Gegenstände, die der Landesverteidigung dienen, dem Feinde überliefert, wer durch Dienstleistungen oder Lieferungen den Feind begünstigt, wer bei einer Anleihe eines feindlichen Staates mitwirkt oder auf sie zeichnet, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

239.

Wer einen Schweizer für fremden Militärdienst anwirbt oder ihn zum Zweck der Anwerbung einem Werber zuführt, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat und mit Busse bestraft.

240.

W er sich durch Verstümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Militärdienstpflicht bleibend oder zeitweise, ganz oder zum Teil untauglich macht oder untauglich machen lässt, wer einen andern, mit dessen Einwilligung, durch Verstümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Militärdienstpflicht'bleibend oder zeitweise, ganz oder zum Teil untauglich macht, wird mit Gefängnis bestraft.

LandesYenaterisch» Waffenhttlfe.

Landesverrüterische Begünstigung des Feindes.

3. Schwächung der Wehrkraft.

Falschwerbung.

Verstümmelung.

241.

Wer in der Absicht, sich oder einen andern der Er- Dienstpflicht, betïug.

füllung der Militärdienstpflicht bleibend oder zeitweise zu

180

entziehen, gegenüber den zuständigen militärischen oder bürgerlichen Behörden oder Stellen auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, wird mit Gefängnis bestraft.

242.

Verletzung TOB Lieferungsverträgen.

1. Wer vorsätzlich in Zeiten eines aktiven Dienstes einen Vertrag über die Lieferung von Heeresbedürfnissen nicht oder nicht gehörig erfüllt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

Liegt der Nichterfüllung Fahrlässigkeit zugrunde, so ist die Strafe Gefängnis.

2. Dieselben Strafen treffen Unterlieferanten, Vermittler oder Angestellte, die die Verletzung des Vertrages bewirken.

243.

4. Störung der militärischen Sicherheit.

Aufforderung und Verleitung zu militärischen Vergehen.

Störung des Militärdienstes.

Veröffentlichung ° unwahrer Darstellungen Über das Heer.

1. Wer öffentlich zum Ungehorsam gegen militärische Befehle, zur Dienstverletzung, zur Dienstverweigerung oder zum Ausreissen auffordert, wer einen Dienstpflichtigen zu einem Verbrechen oder Vergehen verleitet, das durch die Militärgerichte zu beurteilen ist, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Geht die Aufforderung auf Meuterei oder wird zu Meuterei verleitet, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis.

244.

Wer eine Militärperson in der Ausübung des Dienstes hindert oder stört, wer eine Militärperson, ohne dass sie dazu'Anlass gibt, öffentlich beschimpft, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

245.

Wer in Zeiten eines aktiven Dienstes unwahre Darstellungen über Zustände oder Vorgänge im Heer veröffent-

181

licht oder sonstwie verbreitet, durch die das Ansehen des Heeres geschädigt wird, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse bestraft.

246.

Wer einen Internierten oder einen Kriegsgefangenen TOnvîSa!ïS?ten aum Ungehorsam gegen militärische Befehle oder zu einer "^a^Jfa" Dienstverletzung verleitet, wird mit Gefängnis bestraft.

zum Ungehorsam.

Wer einen Internierten oder Kriegsgefangenen zu Meuterei verleitet, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis bestraft.

247.

1. Wer mit Gewalt,' Drohung° oder List einen In ter- Befreiung yen Internierten aA nierten oder einen Kriegsgefangenen befreit oder ihm zur gefangenen.

<* Krfegso o o Flucht behülflich ist, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Wird das Vergehen von einem zusammengerotteten Haufen begangen, so wird jeder, der an der Zusammenrottung teilnimmt, mit Gefängnis bestraft.

Der Teilnehmer, der Gewalt an Personen oder Sachen verübt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

248.

Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit in Zeiten eines 0 aktiven Dienstes den vom Bundesrat,7 vom schweizerischen Militärdepartement, von eidgenössischen Kommissären, von kantonalen Regierungen oder Militärbehörden, vom Armeekommando, von den Territorialkommandanten oder von andern zuständigen militärischen Stellen zur Wahrung der militärischen Interessen oder der Neutralität oder in Ausübung der ihnen zustehenden Polizeigewalt erlassenen, öffentlich bekanntgemachten allgemeinen Befehlen oder Verordnungen zuwiderhandelt, wird, sofern keine andere Strafbestimmung zutrifft, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

ungehorsam

gegen Befehle

"nd T, Verordnungen.

182

Vierzehnter Abschnitt.

Vergehen gegen den Volkswillen.

Störung und

Hindemng von

249.

Wer eine durch Verfassung oder Gesetz vorgeschriebene

Wahlen und ° ° Abstimmungen. Versammlung, Wahl oder Abstimmung m eidgenössischen, kantonalen, Gemeinde- oder kirchlichen Angelegenheiten durch Gewalt oder schwere Drohung hindert oder stört, wer die Sammlung oder die Ablieferung von Unterschriften für ein Referendums- oder ein Initiativbegehren durch Gewalt oder schwere Drohung hindert oder stört, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

250.

Eingriffe Wer einen Stimmberechtigten an der Ausübung des and Wahlrecht. Stimm- oder Wahlrechts, des Referendums oder der Initiative durch Gewalt oder schwere Drohung hindert, wer einen Stimmberechtigten durch Gewalt oder schwere Drohung nötigt, eines dieser Rechte überhaupt oder in einem bestimmten Sinne auszuüben, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

251.

bestechen

1. Wer einem Stimmberechtigten ein Geschenk oder einen andern Vorteil anbietet, verspricht, gibt oder zukommen lässt, damit er in einem bestimmten Sinne stimme oder wähle, einem Referendums- oder einem Initiativbegehren beitrete oder nicht beitrete, wer einem Stimmberechtigten ein Geschenk oder einen andern Vorteil anbietet, verspricht, gibt oder zukommen lässt, damit er an einer Wahl oder Abstimmung nicht teilnehme, der Stimmberechtigte, der sich einen solchen Vorteil versprechen oder geben lässt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

183

2. Die Zuwendung, die der Stimmberechtigte erhalten hat, oder deren Wert verfällt dem Staat.

252.

1. Wer ein Stimmregister fälscht, verfälscht, beiseiteschafft oder zerstört, wer unbefugt an einer Abstimmung oder Wahl oder an einem Referendums- oder Initiativbegehren teilnimmt, wer das Ergebnis einer Abstimmung, einer Wahl oder einer Unterschriftensammlung zur Ausübung des Referendums oder der Initiative fälscht, insbesondere durch Hinzufügen, Ändern, Weglassen oder Streichen von Stimmzetteln oder Unterschriften, durch unrichtiges Auszählen oder unwahre Beurkundung des Ergebnisses, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

2. Handelt der Täter in amtlicher Eigenschaft, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter einem Monat, womit Busse verbunden werden kann.

Wahlfälschung.

253.

Wer sich durch unrechtmässige Veranstaltungen Kenntnis davon verschafft, wie einzelne Berechtigte stimmen oder wählen, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Verletzung des Abstimmungsund Wahlgeheimnisses.

254.

Bei den Vergehen dieses Abschnittes kann in jedem Fall auf Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit erkannt werden.

Einstellung in 1er bürgerlichen Ehrenfilhiglteit.

Fünfzehnter Abschnitt.

Vergehen gegen, die Staatsgewalt.

255.

1. Wer eine Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohung an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, hindert, zu einer Amtshandlung nötigt

Gewalt uud Drohung gegou Beamte.

184

oder während einer Amtshandlung tätlich angreift, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

2. Wird das Vergehen von einem zusammengorotteten Haufen begangen, so wird jeder, der an der Zusammenrottung teilnimmt, mit Gefängnis bestraft.

Der Teilnehmer, der Gewalt an Personen oder Sachen verübt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft..

256.

Amtsanmassnng.

Wer sich in rechtswidriger Absicht die Ausübung eines Amtes oder militärische Befehlsgewalt anmasst, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Besteche«.

Bruch amtlicher Beschlagnahme.

257, \yer e j nem Mitglied einer Behörde, einem Beamten, einer zur Ausübung des Richteramtes berufenen Person, einem Schiedsrichter, einem amtlich bestellten Sachverständigen, Übersetzer oder Dolmetscher, einem Angehörigen des Heeres ein Geschenk oder einen andern Vorteil anbietet, verspricht, gibt oder zukommen lässt, damit er seine Amtsoder Dienstpflicht verletze, wird mit Gefängnis bestraft, womit Busse verbunden werden kann.

258.

Wer eine Sache,' die amtlich mit Beschlag° belegt ist,' °

der amtlichen Gewalt entzieht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

259.

Siegeitruch.

Wer ein amtliches Zeichen, namentlich ein amtliches Siegel, mit dem eine Sache verschlossen oder gekennzeichnet ist, erbricht, entfernt oder unwirksam macht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

185

260.

1. Wer das Gebiet der Schweiz betritt, trotzdem er durch gerichtliches Urteil oder durch Verfügung des Bundesrates des Landes verwiesen worden ist; wer das Gebiet eines Kantons betritt, trotzdem er durch Verfügung der Behörde daraus verwiesen worden ist, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Die Dauer dieser Strafe wird auf die Verweisungsdauer nicht angerechnet.

Venveisuugsbruch.

Sechzehnter Abschnitt.

Vergehen gegen fremde Staaten.

261.

Beleidigung Wer einen fremden Staat in der Person seines Ober- eines fremden Staates.

hauptes, seines Gesandten oder Geschäftsträgers, oder in seiner Regierung öffentlich beleidigt, wird auf Ersuchen der Regierung des fremden Staates mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

262.

Wer Hoheitszeichen eines fremden Staates,7 die von Tatliche Angriffe .

auf fremo e einer anerkannten Vertretung dieses Staates öffentlich an- Hoheitszeichen, gebracht sind, namentlich sein Wappen oder seine Fahne böswillig wegnimmt, beschädigt oder beleidigende Handlungen daran verübt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

263.

frem1. Wer die Gebietshoheit eines fremden Staates ver- Verletzung der Gebietshoheit.

letzt, insbesondere durch unerlaubte Vornahme von Amtshandlungen auf dem fremden Staatsgebiete, wer in Verletzung des Völkerrechtes auf fremdes Staatsgebiet eindringt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

2. Wer es versucht, vom Gebiete der Schweiz aus mit Gewalt die staatliche Ordnung eines Nachbarstaates zu stören, wird mit Gefängnis bestraft.

186 Feindliche Unternehmungen gegen einen Kriegführenden oder gegen fremde Truppen.

Nachrichtendienst gegen fremde Staaten.

Strafverfolgung.

264.

Wer vom neutralen Gebiet der Schweiz aus Feindseligkeiten gegen einen Kriegführenden unternimmt oder unterstützt, wer Feindseligkeiten gegen in die Schweiz zugelassene fremde Truppen unternimmt, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis bestraft.

265.

Wer auf dem Gebiete der Schweiz für einen fremden Staat zum Nachteil eines fremden Staates militärischen Nachrichtendienst betreibt, wer solchem Nachrichtendienst Vorschub leistet, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Die Korrespondenz und das Material werden eingezogen.

266.

Die Vergehen dieses Abschnittes werden nur auf Verfügung des Bundesrates verfolgt. In den Fällen des Art. 261 ordnet der Bundesrat die Verfolgung nur an, wenn er das Gegenrecht für zugesichert hält. In Kriegszeiten kann der Bundesrat die Verfolgung auch ohne das Ersuchen der Regierung des fremden Staates oder die Zusicherung des Gegenrechts anordnen.

Siebenzehnter Abschnitt.

Vergehen gegen die Rechtspflege.

Falsche Anschuldigung.

267.

1. Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Vergehens beschuldigt, um eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen, wer in anderer Weise arglistige Veranstaltungen trifft, um eine Strafverfolgung gegen einen Nichtschuldigen herbeizuführen,

187

wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft. Der Täter wird in jedem Falle in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt.

2. Betrifft die falsche Anschuldigung eine Übertretung, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse.

268.

Wer der Behörde eine strafbare Handlung anzeigt, die, wie er weiss, nicht begangen worden ist, wer sich selbst fälschlicherweise bei der Behörde einer strafbaren Handlung beschuldigt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

269.

Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzüge oder dem Vollzuge einer andern strafrichterlichen Massnah me entzieht, wird mit Gefängnis bestraft.

Steht der Täter in so nahen Beziehungen zu dem Begünstigten, dass sein Verhalten entschuldbar ist, so bleibt er straflos.

270.

Wer in einem Zivilrechtsverfahren als Partei eine falsche Beweisaussage zur Sache macht, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

271.

Ì. Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.

Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Gefängnis bis zu sechs Monaten.

Irreführung der Rechtspflege.

Begünstigung.

Falsche Beweisaussago der Partei.

Falsches Zeugnis falsches Gutachten, falsche Übersetzung.

188 2. Beschuldigt eia Zeuge durch sein Zeugnis den Angeschuldigten wider besseres Wissen eines Vergehens, so wird er mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft. Der Täter wird in jedem Fall in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt.

272.

Berichtigung Berichtigt der Täter. seine falsche Äusserungo aus freiem der falschen · o JUssenmg. Antrieb und bevor durch sie ein Rechtsnachteil für einen andern entstanden ist, so kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (Art. 63) oder von einer Bestrafung Umgang nehmen.

273.

verwaitungsDje Art. 270 bis 272 finden auch Anwendung auf das suchen.

° Verwaltungsgerichtsverfahren und auf das Verfahren vor Behörden und Beamten der Verwaltung, denen das Recht der Zeugenabhörung zusteht.

274.

Befreiung von 1. Wer mit Gewalt, Drohung oder List einen VerGefangenen.

· ' ° hafteten, einen Gefangenen oder einen andern auf amtliche Anordnung in eine Anstalt Eingewiesenen befreit oder ihm zur Flucht behülflich ist, wird mit Gefängnis bestraft.

2. Wird das Vergehen von einem zusammengerotteten Haufen begangen, so wird jeder, der an der Zusammenrottung teilnimmt, mit Gefängnis bestraft.

Der Teilnehmer, der Gewalt an Personen oder Sachen verübt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis nicht unter eiuem Monat bestraft.

Meuterei von (Sefangenen.

275.

1. Gefangene oder andere auf amtliche Anordnung; in ° ° eine Anstalt Eingewiesene, die sieh zusammenrotten, um vereint Anstaltsbeamte oder andere mit ihrer Beaufsichtigung beauftragte Personen anzugreifen,

189 um durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt Anstaltsbeamte oder andere mit ihrer Beaufsichtigung beauftragte Personen zu einer Handlung oder Unterlassung zu nötigen, um gewaltsam auszubrechen, werden mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

2. Der Teilnehmer, der Gewalt an Personen oder Sachen verübt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.

Achtzehnter Abschnitt.

Vergehen gegen Amts- und Berufspflicht.

1

276.

Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amts- Amtsmissbrauch.

gewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, werden mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

277.

Ein Beamter,' der in gewinnsüchtiger Absicht Taxen,' ° ° Gebühren oder Vergütungen erhebt, die nicht geschuldet werden, oder beim Bezug von Taxen, Gebühren oder Vergütungen die gesetzlichen Ansätze überschreitet, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

G-ebuhren-

Überforderung.

278.

Mitglieder einer Behörde oder Beamte,' die die öffent- Ungetreue Amtsn fuhrung.

liehen Interessen, die sie bei einem Rechtsgeschäft wahren sollen, schädigen, um sich oder einem andern einen unrechtmassigen Vorteil zu verschaffen, werden mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft. Mit der Freiheitsstrafe ist Busse zu verbinden.

190

279.

sich lassen.

bestechen

Mitglieder einer Behörde,' Beamte,' zur Ausübung ö des ° Richteramtes berufene Personen, Schiedsrichter, amtlich bestellte Sachverständige, Übersetzer oder Dolmetscher, die für eine Handlung, die eine Verletzung ihrer amtlichen Pflichten enthält, ein Geschenk oder einen andern ihnen nicht gebührenden Vorteil fordern, annehmen oder sich versprechen lassen, werden mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

Hat der Täter infolge der Bestechung die Amtspflichtverletzung begangen, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter einem Monat.

280.

Annahme von Geschenken.

Mitglieder einer Behörde. ' Beamte, ' zur Ausübung° des · ° Richteramtes berufene Personen, Schiedsrichter, amtlich bestellte Sachverständige, Übersetzer oder Dolmetscher, die für eine künftige, nicht pflichtwidrige Amtshandlung ein Geschenk oder einen andern ihnen nicht gebührenden Vorteil fordern, annehmen oder sich versprechen lassen, werden mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bestraft.

Die Zuwendung, die der Täter empfangen hat, oder deren Wert verfällt dem Staat.

281.

Falsche

Beurkundung.

l, Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens,' die eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkunden, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigen, werden mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Hat der Täter dafür eine besondere Belohnung gefordert, angenommen oder sich versprechen lassen, oder handelt er, um sich oder einem andern einen unrechtmassigen Vorteil zu verschaffen oder um einem andern

191 einen Nachteil zuzufügen, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten.

282.

1. Ärzte oder Tierärzte, die vorsätzlich ein unwahres u^^gTM'" Zeugnis ausstellen, das zum Gebrauche bei einer Behörde oder zur Erlangung eines unberechtigten Vorteils bestimmt oder das geeignet ist, wichtige und berechtigte Interessen Dritter zu verletzen, werden mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Hat der Täter dafür eine besondere Belohnung gefordert, angenommen oder sich versprechen lassen, so wird er mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse.

283.

Der Beamte, der einem Verhafteten, einem Gefangenen ^Äg»TM" oder einem andern auf amtliche Anordnung in eine Anstalt Eingewiesenen zur Flucht behülflich ist oder ihn entweichen lässt, wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

284.

1. Wer ein Geheimnis offenbart,> das ihm in seiner Verletzung des AmtsgeneimEigenschaft als Mitglied einer Behörde oder als Beamter ntsses.

anvertraut wird, oder das er in seiner amtlichen Stellung wahrnimmt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Die Pflicht zur Geheimnisbewahrung besteht auch nach der Beendigung des amtlichen Verhältnisses.

2. Die Offenbarung mit Einwilligung der vorgesetzten Amtsstelle ist nicht strafbar.

285.

1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Ärzte, Veil^JsB.dcs Apotheker, Gehülfen solcher Personen und Hebammen, geteimnisses.

die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen zufolge ihres Berufes anvertraut wird, oder das sie bei der Ausübung

192

ihres Berufes wahrnehmen, werden, auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Ebenso werden bestraft Medizinstudierende, die ein Geheimnis offenbaren, das sie bei ihren Studien wahrnehmen.

Die Pflicht zur Geheimnisbewahrung besteht auch nach der Beendigung der Berufsausübung oder der Studien.

2. Die Offenbarung ist nicht strafbar, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt oder zur Wahrung eines höhern Interesses notwendig ist.

286.

Vergehen von Postbeamten.

Der Postbeamte,

der das Postgeheimnis verletzt, namentlich über den Postverkehr bestimmter Personen Mitteilungen macht, eine verschlossene Postsendung öffnet, ihrem Inhalt nachforscht, ihren Inhalt Dritten mitteilt, der eine Postsendung vernichtet, beiseiteschafft oder dem Empfangsberechtigten vorenthält, der irgend jemandem Gelegenheit verschafft, solche Handlungen vorzunehmen, wird mit Gefängnis bestraft.

287.

Vergehen von Der Telegraphenoder Telephonbeamte, r Telegraphen- und ° r · ' Telephonder das Telegraphen- oder Telephonseheimnis verletzt, beamten.

namentlich den Inhalt eines Telegramms, Radiogramms oder Phonogramms oder eines Telephongesprächs einem Dritten mitteilt, der ein Telegramm, Radiogramm oder Phonogramm fälscht, unrichtig wiedergibt, verändert, unterdrückt oder dem Empfangsberechtigten vorenthält, der irgend jemandem Gelegenheit verschafft, solche Handlungen vorzunehmen, wird mit Gefängnis bestraft.

193

Zweites Buch: Von den Übertretungen.

Allgemeiner Teil.

288.

Die Bestimmungen des allgemeinen Teils des ersten Buches gelten mit den nachfolgenden Änderungen auch für die Übertretungen.

289.

Der Versuch wird nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen bestraft.

290.

1. Die Bestimmungen über die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern und über die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit finden nicht Anwendung.

Anwendung de» allgemeinen Teils des ersten Buches.

Versach.

Nebenstrafea and andere ÛTasHnahmeu.

2. Die Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt, die Einweisung in eine Trinkerheilanstalt, die Entziehung der elterlichen Gewalt und der Vormundschaft, das Verbot, einen Beruf, ein Gewerbe oder ein Handelsgeschäft zu betreiben, die Landesverweisung und die öffentliche Bekanntmachung des Urteils sind nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen zulässig.

291.

Bei bedingter Verurteilung beträgt die Probezeit ein Jahr.

292.

Für den Fall der Strafmilderung tritt Busse an Stelle der Haft.

293.

1. Der Rückfall wird nicht berücksichtigt, wenn zur Zeit der Tat wenigstens ein Jahr vergangen ist, seit der Täter eine Freiheitsstrafe erstanden hat oder aus der Arbeitserziehungsanstalt entlassen worden ist.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

13

Bedingte Verurteilung.

Strafmilderung.

Rüclrfsll und Wiederholung.

194

2. Bei wiederholter Begehung einer Übertretung, die nicht mit Haft bedroht ist, kann der Täter mit Haft bestraft werden. Mit der Haft kann Busse verbunden werden.

Verjitoning.

294.

Eine Übertretung verjährt in sechs Monaten, die Strafe einer Übertretung in einem Jahr.

Besonderer Teil.

^Übertretungen gegen Leib und Leben.

Tätlichkeiten.

Unterlassung Ser Nothtllfe.

Verabreichen geistiger Getränke an^Kinder.

295.

Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Haft oder mit Busse bestraft.

296.

Wer es unterlässt, einem Menschen in Lebensgefahr au helfen, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden konnte, wer jemanden, den er verletzt hat, oder der durch ein Fahrzeug, ein Reittier oder ein Zugtier, das der Täter benutzt, verletzt worden ist, im Stiche lässt, wer einer andern gesetzlichen Pflicht zur Nothülfe nicht nachkommt, wer der Aufforderung eines Polizeibeamten, ihm zur Nothülfe Beistand zu leisten, ohne genügenden Grund nicht nachkommt, wer andere davon abhält, Nothülfe zu leisten oder sie dabei stört, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

297.

1. Wer einem Kinde unter sechzehn Jahren geistige Getränke von einer Art oder in einem Masse zu trinken* gibt, die die Gesundheit des Kindes schädigen oder gefährden,' wird mit Haft oder^mit Busse bestraft.



195 2. Der Wirt, der einem Kinde unter vierzehn Jahren, das sich nicht in Begleitung von Erwachsenen befindet, geistige Getränke zu trinken gibt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Macht sich der Täter vor Ablauf eines Jahres nach der Verurteilung nochmals dieser Übertretung schuldig, so kann ihm der Richter die Ausübung des Wirtschaftsgewerbes untersagen.

298.

Wer jemandem eine fremde, bewegliche Sache von geringem Wert aus Not, Leichtsinn oder zur Befriedigung eines Gelüstes wegnimmt, wird, auf Antrag, mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Busse bestraft.

Übertretungen egen das ermögen.

Entwendung.

S

299.

Wer stehendes Holz oder nicht eingesammelte Feld- Wald"fr^Feld" oder Gartenfrüchte von geringem Werte wegnimmt, um sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

300.

Die Veruntreuung, die Unterschlagung und die Fund°' .

D O Unterschlagung an Sachen von a geringem Wert wird,) auf 0 0 o Antrag, mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Busse bestraft.

301.

Die Sachbeschädigung wird, wenn der Schaden gering ist, auf Antrag, mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Busse bestraft.

302.

Wer jemanden aus Bosheit durch Vorspiegeln oder Unterdrücken von Tatsachen arglistig irreführt oder den Irrtum eines andern arglistig benutzt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, durch das dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird, auf Antrag, mit Haft oder mit Busse bestraft.

Der Versuch ist strafbar.

Geringfügige und Unterschlagung.

Veruntreuung

Geringfügige Sachbeschädigung.

Boshafte Veraügensschadigung.

196 303.

Erechieichung

einer Leistung.

Ausbeutung der Leichtgi&uMgkeit.

Wer eine Leistung, die, wie er weiss, nur gegen .

Entgelt gemacht wird, ohne zu zahlen erschleicht, namentlich die Fahrt auf einer Eisenbahn, auf einem Dampfschiff, auf der Post, den Zutritt zu einer Aufführung, Ausstellung oder ähnlichen Veranstaltung, eine Leistung, die ein Automat vermittelt, wird, auf Antrag, mit Haft oder mit Busse bestraft.

Der Versuch ist strafbar.

304.

Wer ° gewerbsmässig die Leichtgläubigkeit der Leute ° o <-> durch Wahrsagen, Traumdeuten, Kartenschlagen, Geisterbeschwören oder Anleitung zum Schatzgraben ausbeutet, wer sich öffentlich zur Ausübung dieser Künste anbietet, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

305.

Zechprellerei.

Wer sich in einem Gasthaus oder in einer Pension beherbergen lässt, wer sich in einer Wirtschaft oder in einer Pension Speisen oder Getränke vorsetzen lässt, obschon er die Absicht hat, nicht zu zahlen oder, wie er weiss, nicht zahlen kann, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

306.

Einfuhren nnd Lagern ge-

Wer

nachgemachte, verfälschte oder im Wert ver-

·fiuschter waren, ringerte Waren, die, wie er weiss, zur Täuschung im Handel und Verkehr dienen sollen, einführt oder lagert, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Die nachgemachten, verfälschten oder verringerten Waren werden eingezogen.

Der Richter kann die Veröffentlichung des Strafurteils anordnen.

197

307.

Halten von Spiel1. Wer eine Spielbank hält, banken, Lotterien und andern wer ohne Bewilligung der zuständigen Behörde eine QltlcispielcD.

Lotterie oder ein anderes Glücksspiel veranstaltet, ein Wettbureau oder ein Lotteriegeschäft betreibt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

2. Wer zu einer Spielbank oder zu einem Glücksspiel, das ohne Bewilligung der Behörde betrieben wird, Platz gibt, wird mit Busse bestraft.

3. Die Einsätze und die Spielgeräte werden eingezogen.

308.

Mit Haft bis zu vierzehn Tagen oder mit Busse wird bestraft: 1. der Schuldner, der der Pfändung oder der Aufnahme eines Güterverzeichnisses, die ihm gesetzlich angekündigt worden sind, weder selbst beiwohnt, noch sich dabei vertreten lässt (Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Art. 91, 163) ; 2. der Schuldner, der seine Vermögensgegenständei befinden sie sich in seinem Gewahrsam oder nicht, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten nicht so weit angibt, als dies zu einer genügenden Pfändung oder zum Vollzuge eines Arrestes nötig ist (Art. 91, 275 des genannten Gesetzes) ; 3. der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, befinden sie sich in seinem Gewahrsam oder nicht, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten bei Aufnahme eines Güter Verzeichnisses nicht vollständig angibt (Art. 163 des genannten Gesetzes); 4. der Gemeinschuldner, der dem Konkursamt nicht alle seine Vermögensstücke angibt und zur Verfügung stellt, obwohl ihn das Konkursamt auf diese Pflicht aufmerksam gemacht hat (Art. 222, Abs. l, des genannten Gesetzes);

Uugehorsan des Schuldners iin Betreibungsnud Konkursverfahren.

198 5. der Gemeinschuldner, der während des Konkursverfahrens nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung steht, wenn er dieser Pflicht nicht durch besondere Erlaubnis enthoben wurde (Art. 229 des genannten Gesetzes).

309.

ungehorsam Mit Busse wird bestraft : dritter Personen im BetreibungsJ. die erwachsene Person, die dem Konkursamt nicht and Konkursverfahren, alle Vermögensstücke eines gestorbenen oder flüchtigen Gemeinschuldners, mit dem sie in demselben Haushalte gelebt hat, angibt und zur Verfügung stellt, obwohl das Konkursamt sie auf diese Pflicht aufmerksam gemacht hat (Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Art. 222, Abs. 2) ; 2. wer sich binnen der Eingabefrist nicht als Schuldner des Gemeinschuldners anmeldet, obwohl das Konkursamt dazu aufgefordert hat (Art. 232, Abs. 2, Ziff. 3, des genannten Gesetzes) ; 3. wer Sachen des Gemeinschuldners als Pfandgläubiger oder aus andern Gründen besitzt und sie dem Konkursamt binnen der Eingabefrist nicht zur Verfügung stellt, obwohl das Konkursamt dazu aufgefordert hat (Art. 232, Abs. 2, Ziff. 4, des genannten Gesetzes).

310.

Ordnungswidrige Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit der gesetzQeschaftsbucher liehen Pflicht, Geschäftsbücher ordnungsmässig zu führen,

«nd Unterlassung der Buchführung. DlCüt nachkommt,

wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit der gesetzlichen Pflicht, Geschäftsbücher, Geschäftsbriefe und Geschäftstelegramme aufzubewahren, nicht nachkommt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

311.

Juristische Werden die in den Art. 308 bis 310 unter Strafe Personen und Handelsgesell, gestellten Handlungen im Geschäftsbetriebe einer juristischen Schäften.

·

199

Person begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die Direktoren, Bevollmächtigten, Liquidatoren und die Mitglieder der Verwaltungs- oder Aufsichtsorgane Anwendung, die diese Handlungen begangen haben.

Werden diese Handlungen im Geschäftsbetriebe einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die schuldigen Gesellschafter Anwendung.

312.

Wer als Mitglied eines Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft, oder als deren Direktor, Bevollmächtigter oder Liquidator, in der Geschäftsführung, Vertretung oder Beaufsichtigung gesetzliche oder statutarische Vorschriften in einer Weise verletzt, die geeignet ist, die Aktiengesellschaft oder die Genossenschaft, deren Mitglieder oder Gläubiger zu schädigen, -wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Verletzung rcsetzlichevoder statutarischer Vorschriften über Aktiengesellschaften und Genossenschaften.

313.

Wer, ohne dazu berechtigt zu sein, eine verschlossene Schrift öffnet, um von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, wer Tatsachen, deren Kenntnis er durch Öffnen einer nicht für ihn bestimmten, verschlossenen Schrift erlangt hat, verbreitet oder ausnützt, wird, auf Antrag, mit Haft oder mit Busse bestraft.

314.

Wer eine Frau, die ihm keinen Anlass dazu gegeben hat, öffentlich in unzuchtiger Absicht belästigt, wird, auf Antrag, mit Haft oder mit Busse bestraft.

Verletzung de« Briefgeheimnlssos.

Übertretungen gegen dl« Sittlichkeit.

Unzttehtig« BeltntigDnf.

315.

Wer jemanden an öffentlichen Orten durch Zumutungen oder Anträge zur Unzucht auffordert, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Aufforderung zar Unztcht.

200

316.

Belästigung durch gewerbsmässige Unzucht.

Wer die Mitbewohner eines Hauses oder die Nachbarschaft durch die Ausübung gewerbsmässiger Unzucht belästigt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Der Richter kann dem Täter die elterliche Gewalt entziehen.

Macht sich der Täter vor Ablauf eines Jahres nach der Verurteilung nochmals dieser Übertretung schuldig, und ist er ein Inländer, so kann ihn der Richter in eine Arbeitserziehungsanstalt einweisen. Ist er ein Ausländer, so kann, neben der Hauptstrafe, auf Landesverweisung erkannt werden.

317.

Besondere Bestimmungen fUr Unmündige.

Macht sich eine unmündige Person, die zur Zeit der Tat das achtzehnte Altersjahr zurückgelegt hat, der Übertretung der Art. 315 oder 316 schuldig, so zieht der Richter über den körperlichen und den geistigen Zustand des Unmündigen und über seine Erziehung genaue Berichte, in allen zweifelhaften Fällen auch einen ärztlichen Bericht ein.

Der Richter kann die unmündige Person in eine Ar beitserziehungsanstalt einweisen oder sie, statt dessen, der Vormundschaftsbehörde oder einer freiwilligen Vereinigung zur Besserung verdorbener Unmündiger überweisen.

318.

Dulden gewerbsmäseiger Kuppelei in den Mietsräumen.

.

Der Vermieter, der in seinen Mietsräumen gewerbsmassige Kuppelei duldet, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Der Richter kann dem Täter die elterliche Gewalt entziehen.

.319.

Veröffentlichung Ton Gelegenheite zur Unzucht.

Wer, um der Unzucht Vorschub zu leisten, auf eine Gelegenheit zur Unzucht öffentlich aufmerksam macht, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

201

320.

1. Wer Gegenstände, die zur Verhütung der Schwangerschaft oder zur Verhütung von Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit dienen, öffentlich in einer Sitte und Anstand verletzenden Weise ankündigt oder ausstellt, wird mit Busse bestraft.

Anpreisung von Gegenständen · zur Verhütung der Schwangerschaft.

2. Wer solche Gegenstände oder deren Anpreisung Personen zusendet, die es nicht verlangt oder die kein berufliches Interesse daran haben, wird, auf Antrag, mit Haft oder mit Busse bestraft.

321.

Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit die Aufsicht über einen gefährlichen Geisteskranken pflichtwidrig vernachlässigt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Gemeingefährliche J|.

Übertretungen.

Nachlässige Beaufsichtigung von Geisteskranken.

322.

Wer ohne polizeiliche Bewilligung gefährliche wilde Tiere -hält, wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit ein wildes oder bösartiges Tier nicht gehörig verwahrt oder die Vorsichtsmassregeln, zu denen er nach den Umständen verpflichtet ist, nicht beobachtet, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Der Richter kann das Tier töten lassen.

Halten wilder Tiere.

323.

r

We durch Heizen oder Scheumachen von Tieren eine Gefahr für Menschen oder Sachen herbeiführt, wer einen Hund auf Menschen oder Tiere hetzt, wer einen Hund, der unter seiner Aufsicht steht, von Aogriffen auf Menschen oder Tiere nicht abhält, wird mit Haft bis zu vierzehn Tagen oder mit Busse bestraft.

Gefäardung durch Tiere.

202 Inverkehrbringen verdorbener Lebensrnittel und unreifen Essobstes.

Übertretungen gegen den Geldund Wertzeichenverkehr.

Einfuhren und Erwerben verrufenen Geldes.

Einführen und Erwerben von Silbermunzen und Scheidemünzen.

Nachmachen und Nachahmen von Geld, Banknoten und amtlichen Wertzeichen oune Fälschnngsabsicht.

324.

Wer vorsätzlich -oder aus Fahrlässigkeit verdorbene Lebensmittel oder unreifes Essobst feilhält oder in Verkehr bringt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Die verdorbenen Lebensmittel und das unreife Obst werden eingezogen.

Der Richter kann die Veröffentlichung des Strafurteils anordnen.

325.

Wer verrufenes oder abgenütztes Metallgeld des In oder Auslandes einführt oder erwirbt, um es in Umlauf zu bringen, wer solches Geld in grosser Menge in Umlauf bringt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Das Geld wird eingezogen.

326.

Wer, um sich oder einen andern unrechtmäseig zu bereichern, Silberkurantmünzen oder Scheidemünzen, die în der Schweiz keinen gesetzlichen Kurs haben, einführt oder erwirbt, um sie in Umlauf zu bringen, solche Münzen in grosser Menge in Umlauf bringt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

327.

Wer, ohne die Absicht zu fälschen, insbesondere zum Scherz oder zur Reklame, Metallgeld, Papiergeld, Banknoten oder amtliche Wertzeichen des In- oder Auslandes so nachmacht oder nachahmt, dass die Gefahr einer Verwechslung mit wirklichem Metallgeld, wirklichem Papiergeld, wirklichen Banknoten oder wirklichen amtlichen Wertzeichen herbeigeführt wird, wer solche Gegenstände einführt, feilhält oder in Verkehr bringt,

203

wird mit Busse bestraft.

Die nachgemachten oder nachgeahmten Gegenstände werden eingezogen.

328.

Wer Postwertzeichen des In- oder Auslandes nachrnacht, um sie als nachgemacht in Verkehr zu bringen, ohne die einzelnen Stücke als Nachmachungen kenntlich zu machen, wer solche Nachmachungen einführt, feilhält oder in Verkehr bringt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

N&chuachon von Postwertzeichen >hne FäLächungs-

»bsietit.

329.

Wer durch Lärm oder Geschrei die Nachtruhe stört, in einer Sitte und Anstand verletzenden Weise die öffentliche Ruhe zur Tageszeit stört, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Übertretungen gegen den öffentlichen Frieden.

Störung der Buhe.

330.

1. Wer vorsätzlich die Bevölkerung durch falsche Nach- derBeunruhigung BerttlkeraQc.

richten in Angst und Schrecken versetzt, wer vorsätzlich eine Menschenmenge ohne Grund, so namentlich durch falschen Feuerruf, erschreckt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse.

331.

Wer im Zustande der Betrunkenheit öffentlich Sitte und Anstand in grober Weise verletzt, wird mit Busse bestraft.

Der Richter kann einen Gewohnheitstrinker, statt ihn zu bestrafen, in eine Trinkerheilanstalt einweisen. Er kann ihm die elterliche Gewalt enteiehen.

Traukeohait,

204 332.

Landstrekiierei

i \ver aus Arbeitsscheu mittellos im Lande herumzieht oder sich fortgesetzt an einem Orte ohne festes Unterkommen umhertreibt, wer aus Arbeitsscheu oder Habsucht bettelt oder Kinder oder Personen, die von ihm abhängig sind, zum Bettel ausschickt, wird mit Haft bestraft.

Der Richter kann dem Täter die elterliche .Gewalt entziehen. Ist der Täter ein Ausländer, so kann, neben der Hauptstrafe, auf Landesverweisung erkannt werden.

2. Macht sich der Täter vor Ablauf eines Jahres nach der Verurteilung nochmals dieser Übertretung schuldig, so kann ihn der Richter in eine Arbeitserziehungsanstalt einweisen.

Tierquälerei.

j ^er vorsätzlich ein Tier roh misshandelt, arg vernachlässigt oder unnötig überanstrengt, wer Schaustellungen veranstaltet, bei denen Tiere gequält oder getötet werden, insbesondere wer Tierkämpfe oder Kämpfe mit Tieren oder Schiessen auf zahme oder gefangengehaltene Tiere abhält, wer vorsätzlich andere zur Verhütung von Tierquälerei erlassene Vorschriften übertritt, wird mit Haft bis zu einem Monat oder mit Busse bestraft.

2. Macht sich der Täter vor Ablauf eines Jahres nach der Verurteilung nochmals dieser Übertretung schuldig, so ist die Strafe Haft.

3. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse.

nnd Bettel.

333.

334.

Übertretungen Wer in Festungsgebiete.

Anstalten oder andere Örtlichgegendie Landes°ö ' Verteidigung, keiten, zu denen der Zutritt von der Militärbehörde verVerletzung ' militärischer boten ist, unbefugterweise eindringt, b Geheimnisse.

' ° '

205

wer Festungsanlagen, militärische Anstalten oder Gegenstände unbefugt abbildet, wer solche Abbildungen vervielfältigt oder veröffentlicht, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

.Der Versuch ist strafbar.

335.

Handel mit; Wer Gegenstände, die von der Heeresverwaltung zum beschlagnahmtem Material.

Zwecke der Landesverteidigung beschlagnahmt oder requiriert worden sind, unbefugterweise verkauft oder erwirbt, zu Pfand gibt oder nimmt, verbraucht, beiseiteschafft, zerstört oder unbrauchbar macht, wird mit Haft bis zu einem Monat oder mit Busse bestraft.

336.

Wer unbefugt die Uniform des schweizerischen Heeres trägt, wird mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Busse bestraft.

337.

Unbefugtes Tragen der Uniform.

Wer eine Behörde oder einen Beamten an einer Handlung hindert, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, wird mit Haft bis zu einem Monat oder mit Busse bestraft.

Übertretungen gegen die Staatsgewalt.

Hinderung einer Amtshandlung.

338.

Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

Ungehorsam gegen amtliche Vertagungen.

339.

Ungehorsam Wer der Anordnung oder Aufforderung nicht nach- gegen die Polize kommt, die ein Polizeibeamter innerhalb seiner Befugnisse erlässt, wird mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Busse bestraft.

206 340.

Weigerung der Namensangabe.

Yerhinderuug der Aufsicht aber dio Versorgung Htllfsheâllrftiger.

Ahreissen amtlicher Bekanntmachungen

Veröffentlichung geheimer Verhandlungen und Untersuchungen.

Wer einer Behörde oder einem Beamten auf berechtigte Aufforderung hin die Angabe seines Namens oder seiner Wohnung oder andere Angaben über seine Person verweigert oder unrichtig macht, wird mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Busse bestraft.

341.

Wer die amtliche Aufsicht über die Versorgung von Kranken, Irren, Kindern oder andern hülflosen Personen hindert oder unwirksam macht, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

342.

Wer öffentlich angeschlagene amtliche Bekanntmachungen böswillig wegnimmt, abreisst oder so beschädigt, dass ihr Inhalt ganz oder teilweise unverständlich wird, wird mit Busse bestraft.

343.

Wer, ohne dazu berechtigt zu sein, aus den geheimen Akten oder den geheimen Verhandlungen einer Behörde oder aus einer geheimen amtlichen Untersuchung etwas veröffentlicht, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

344.

Übertretung eines Berufsverbotes.

Übertretung tes Wirtshausverbotes.

Wer einen Beruf, ein Gewerbe oder ein Handelsgeschäft ausübt, dessen Ausübung ihm durch Strafurteil untersagt ist, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

345.

Wer ein gerichtliches Wirtshausverbot übertritt, wer als Wirt jemandem geistige Getränke verabreicht oder verabreichen lässt, dem, wie er weiss, der Besuch der Wirtschaften gerichtlich verboten ist, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.

207

346.

Wer eine Busse, zu der er verurteilt worden ist, aus Böswilligkeit, Arbeitsscheu, Liederlichkeit oder Nachlässigkeit nicht bezahlt, wird mit Haft bestraft.

Nichtzahlen von Bussen.

347.

einer Wer eine Leiche ohne Anzeige an die Behörde be- ' leseitigung Leiche.

erdigt oder verbrennt, wer eine Leiche oder Teile einer Leiche heimlich beiseiteschafft, wird mit Haft bis zu vierzehn Tagen oder mit Busse bestraft.

348.

Wer einen Fund, dessen Wert offenbar zehn Franken übersteigt, innert vierzehn Tagen weder dem Berechtigten noch der Polizei anzeigt, noch sonst in angemessener Weise bekanntmacht, wird mit Busse bestraft.

Nichtanzeigen eines Fundes.

. 349.

1. Auf Druckschriften, die nicht lediglich den Bedürfnissen des Verkehrs, des Gewerbes oder des geselligen oder häuslichen Lebens dienen, ist der Name des Verlegers und des Druckers und der Druckort anzugeben.

Fehlen diese Angaben, so werden der Verleger und der Drucker mit Busse bestraft.

2. Auf Zeitungen und Zeitschriften ist überdies der Name des verantwortlichen Redaktors anzugeben.

Leitet ein Redaktor nur einen Teil der Zeitung oder Zeitschrift, so ist er als verantwortlicher Redaktor dieses Teils zu bezeichnen. Für jeden Teil einer solchen Zeitung oder Zeitschrift muss ein verantwortlicher Redaktor angegeben werden.

Fehlen diese Angaben, so wird der Verleger mit Busse bestraft.

PressÜbertretungen.

208

Drittes Buch: Einführung und Anwendung des Gesetzes.

Erster Abschnitt.

Verhältnis dieses Gesetzes zu andern Gesetzen des Bundes und zu den Gesetzen der Kantone.

350.

i. BundesDie allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden Anwendung des f Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht au allgemeinen ' ° Teils auf andere sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht Bundesgesetze.

' cn o selbst Bestimmungen aufstellen.

Ist in einem andern Bundesgesetz die Tat mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten bedroht, so finden die allgemeinen Bestimmungen über Vergehen Anwendung, andernfalls die allgemeinen Bestimmungen betreffend Übertretungen, wobei, statt auf Gefängnis, auf Haft zu erkennen ist.

Der Vollzug der Bussen, die Verjährung und die Begnadigung richten sich stets nach den Vorschriften dieses Gesetzes.

351.

Vorweisungen Wird in Bundesvorschriften auf Bestimmungen vor° Bestimmungen, wiesen, die durch dieses Gesetz aufgehoben werden, so sind diese Hinweise auf die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes zu beziehen.

auf aufgehobene

352.

z. Gesetze der Kantone.

Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Polizei.

strafrecht innoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.

Sie sind befugt, die Übertretung kantonaler Verwaltungsund Prozessvorschriften mit Strafe zu bedrohen.

Als Freiheitsstrafe ist nur die Haftstrafe, so wie sie dieses Gesetz vorsieht, zulässig.

209 Zweiter Abschnitt.

Verhältnis dieses Gesetzes zum bisherigen Recht.

353.

Die Vollziehung von Strafurteilen, die auf Grund der ^SreT6 bisherigen Strafgesetze ergangen sind, unterliegt folgenden strafllrtei11-'Beschränkungen : a. Wenn dieses Gesetz die Tat, für welche die Verurteilung erfolgt ist, nicht mit Strafe bedroht, so darf die Strafe nicht mehr vollzogen werden.

b. Ein Todesurteil darf nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr vollstreckt werden ; die Todesstrafe ist in einem solchen Falle von Rechtes wegen in lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewandelt.

c. Kettensträflingen sind die Ketten abzunehmen.

d. Wenn ein Sträfling vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in mehreren Kantonen zu Freiheitsstrafen verurteilt worden ist und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes von den verhängten Freiheitsstrafen noch mehr als fünf Jahre zu verbüssen hätte, so setzt das Bundesgericht auf sein Gesuch eine Gesamtstrafe gemäss Art. 65 fest. Das Bundesgericht überbindet den Vollzug dieser Gesamtstrafe einem Kanton und legt den dadurch entlasteten Kantonen nach freiem Ermessen einen Kostenbeitrag auf.

e. Wenn ein Sträfling zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes eine Freiheitsstrafe verbüsst und eines andern, vor diesem Zeitpunkt verübten, mit Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens schuldig erklart wird, so fällt der Richter, unter Aufhebung der Freiheitsstrafe des ersten Urteils, eine Gesamtstrafe aus und rechnet dem Verurteilten die auf Grund des ersten Urteils erstandene Strafzeit an.

/. Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die bedingte Entlassung finden auch auf Sträflinge Anwendung, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verurteilt worden sind Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

14

210

354.

Verjährung.

Dje Bestimmungen dieses Gesetzes über die Verfolgungsund Vollstreckungsverjährung finden auch Anwendung, wenn vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Tat begangen oder eine Strafe erkannt worden ist, jedoch nur, wenn dieses Gesetz für den Täter günstiger ist als das frühere Gesetz.

Der vor Inkrafttreten dieses Gesetzes abgelaufene Zeitraum wird angerechnet.

355.

réhabilitation.

Die Rehabilitation richtet sich auch bei Urteilen, die nach einem aufgehobenen Strafgesetz ausgefällt worden sind, nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.

Ebenso richtet sich die Löschung der Eintragung eines vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangenen Urteils im Strafregister und die Entfernung solcher Eintragungen aus dem Strafregister nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.

356.

Anf Antrag 1. Bei strafbaren Handlungen, die nur auf Antrag des zu verfolgende ° ' ° Straftaten. Verletzten zu verfolgen sind, berechnet sich die Frist zur Antragstellung nach dem Gesetz, unter dessen Herrschaft die Tat verübt worden ist. 3 2, Wenn für die Verfolgung einer strafbaren Handlung, die nach dem frühern Gesetz von Amtes wegen zu verfolgen war, dieses Gesetz den Antrag eines Verletzten erfordert, so läuft die Frist zur Stellung des Antrages vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an.

War die Verfolgung bereits eingeleitet, so wird sie von Amtes wegen fortgeführt.

3. Wenn für die Verfolgung einer strafbaren Handlung, die nach dem frühern Gesetz nur auf Antrag eines Verletzten zu verfolgen war, dieses Gesetz die Verfolgung von Amtes wegen verlangt, so bleibt das Erfordernis des Strafantrages für strafbare Handlungen, die unter der Herrschaft des alten Gesetzes begangen wurden, bestehen.

211

Dritter Abschnitt.

Bundesgerichtsbarkeit und kantonale Gerichtsbarkeit.

357.

Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen die Vergehen gerich£bwkeit.

des dreizehnten bis fünfzehnten und des siebzehnten AbUmfang.

Schnittes dieses Gesetzes, sofern sie gegen den Bund, gegen den Volkswillen bei eidgenössischen Wahlen, Abstimmungen, Referendums- oder Initiativbegehren, gegen die Bundesgewalt oder gegen die Bundesrechtspflege gerichtet sind ; ferner die Vergehen gegen fremde Staaten (sechzehnter Abschnitt) und die von einem Bundesbeamten verübten Amtsvergehen (achtzehnter Abschnitt), endlich die Übertretungen gegen die Landesverteidigung und gegen die Staatsgewalt des Bundes (Art. 334 bis 343).

Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen ferner die politischen Vergehen, die Ursache oder Folge von Unruhen sind, durch die eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlasst wird.

Die in besondern Bundesgesetzen enthaltenen Vorschriften über den Umfang der Bundesgerichtsbarkeit bleiben vorbehalten.

358.

Das Bundesgerieht urteilt mit Zuziehung von Ge- Bundesassisen.

schworenen über a. Hochverrat gegen die Eidgenossenschaft, Aufruhr und Gewalttat gegen die Buudesbehörden ; b. Vergehen gegen das Völkerrecht (Art. 261 bis 264); c. politische Vergehen, die Ursache oder Folge von Unruhen sind, durch die eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlasst wird; d. Straffälle, in denen eine Bundesbehörde die von ihr ernannten Beamten den Bundesassisen überweist.

359.

Das Bundesstrafgericht beurteilt als einzige Instanz die Straffälle, die der Bundesgerichtsbarkeit unterstellt sind und

ßundos-

212

nicht nach Massgabe dieses Gesetzes in die Kompetenz der Bundesassisen fallen.

Der Bundesrat kann die Untersuchung und Beurteilung solcher Straffälle an die kantonalen Behörden weisen.

Übertragnng kantonaler · Gerichtsbarkeit an das Bundcsgoricht.

2. Kantonale Gerichtsbarkeit.

3. Kassationsbeschwerde.

; 4. Zusammentreffen mehrerer strafbarer HandL lungen und mehrerer Strafi bestimmungen.

360.

Die Bundesassisen urteilen ferner über Hochverrat gegen äen Kanton, Aufruhr und Gewalttat gegen eine Kantonsbehörde, das Bundesstrafgericht über andere Vergehen oder Übertretungen dieses Gesetzes, wenn durch die kantonale Verfassung oder Gesetzgebung die Beurteilung der Bundesgerichtsbarkeit zugewiesen ist und die Bundesversammlung diese Zuweisung genehmigt hat.

361.

Die kantonalen Behörden verfolgen und beurteilen nach den Vorschriften der kantonalen Strafprozessgesetze die unter dieses Gesetz fallenden strafbaren Handlungen, soweit sie nicht der Bundesgerichtsbarkeit unterstellt sind.

362.

In Strafsachen, die nach Strafgesetzen des Bundes zu beurteilen sind, kann gegen letztinstanzliche Endurteile der kantonalen Gerichte, sowie gegen letztinstanzliche ablehnende Entscheide der kantonalen Überweisungsbehörde beim Kassationshof des Bundesgerichtes nach Massgabe des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesreehtspflege Kassationsbeschwerde erhoben werden.

363.

1. Ist jemand mehrerer strafbarer Handlungen beschuldigt, von denen die einen dem Bundesstrafgericht, die andern der ' kantonalen Gerichtsbarkeit unterstellt sind, so kann der Bundesrat auf Antrag der Bundesanwaltschaft die Ver-

213 einigung der Strafverfolgung und Beurteilung in der Hand der Bundesbehörde oder der kantonalen Behörde anordnen.

Dasselbe gilt, wenn eine Handlung unter mehrere Strafbestimmungen fällt, von denen die einen vom Richter des Bundes, die andern vom kantonalen Richter zu handhaben sind.

2. Ist jemand mehrerer Vergehen beschuldigt, von denen die einen den Bundesassisen, die andern dem Bundesstrafgericht oder der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstellt sind, so sind die Bundesassisen ausschliesslich zuständig.

Dasselbe gilt, wenn ein Vergehen unter mehrere Strafbestimmungen fällt, von denen die einen von den Bundesassisen, die andern vom Bundesstrafgericht oder vom kan-, tonalen Richter zu handhaben sind.

Vierter Abschnitt.

Die kantonalen Behörden. Ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit. Rechtshülfe.

364.

" Die Kantone bestimmen die Behörden, denen die Ver- jäJ^JjL'jJjt, folgung und Beurteilung der in diesem Gesetze vorgesehenen, der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstellten strafbaren Handlungen obliegt.

Die Beurteilung von Übertretungen kann auch einer Polizeibehörde übertragen werden.

365.

Für die Verfolgung und Beurteilung einer strafbaren 2- örtlich» . ° ° Zuständigkeit.

Handlung0 sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Gerichtsstand ö ' des Ortos dor strafbare Handlung ausgeführt wurde. Liegt nur der Ort, Begehung.

wo der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig.

Ist die strafbare Handlung an mehrern Orten ausgeführt worden oder ist der Erfolg an mehrern Orten ein-

214 getreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde.

366.

Bei b ÄesBnd strafbaren Handlungen, die im Inlande durch das inTMana Mittel der Druckerpresse verübt wurden, sind, soweit für sie eine besondere Verantwortlichkeit begründet ist, ausschliesslich die Behörden des Ortes zuständig, wo die Druckschrift erschienen ist.

Ist der Erscheinungsort unbekannt, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Schrift gedruckt wurde.

Ist auch dieser Ort unbekannt, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Druckschrift verbreitet wird.

Erfolgt die Verbreitung · an mehrern Orten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wird.

Kann der Täter an keinem dieser Orte vor Gericht gestellt werden, weil sein Wohnortskanton die Zuführung verweigert, so sind die Behörden seines Wohnortes zuständig.

G r

367.

Gerichtsstand Ist die strafbare Handlung im Auslande begangen bei strafbaren Handlungen worden oder ist der Ort der Begehuno- der Tat nicht zu im Ausland.

o o ermitteln, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo der Täter wohnt. Hat der Täter keinen Wohnort in der Schweiz, so sind die Behörden des Heimatortes zuständig.

Hat der Täter in der Schweiz weder Wohnort noch Heimatort, so ist der Gerichtsstand an dem Orte, wo der Täter betreten wird, begründet.

Ist keiner dieser Gerichtsstände begründet, so sind dio Behörden des Kantons zuständig, der die Auslieferung veranlasst hat. Die kantonale Regierung bestimmt in diesem Fall die örtlich zuständige Behörde.

368.

Wird eine strafbare Handlung von mehreren Personen der Teilnehmer.

an verschiedenen Orten begangen, so sind die Behörden,

Gerichtsstand

215 denen die Verfolgung und die Beurteilung des Täters obliegt, auch, für die Verfolgung und die Beurteilung der Anstifter und Gehülfen zuständig.

Sind an der Tat mehrere als Mittäter beteiligt, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde.

369.

Gerichtsstand 1. Wird jemand wegen mehrerer, an verschiedenen bei Zusammentreffen mehrerer Orten begangener Vergehen verfolgt, so sind die Behörden Vergehen.

des Ortes, wo er die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen hat, auch für die Verfolgung und die Beurteilung der andern Taten zuständig.

Sind die mehreren Vergehen mit der gleichen Strafe bedroht, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wird.

2. Ist jemand entgegen der Vorschrift über Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (Art. 65) von mehreren Gerichten wegen Vergehen zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilt worden, so setzt das Gericht, das die schwerste Strafe ausgesprochen hat, auf sein Gesuch eine Gesamtstrafe fest.

370.

Streitiger Ist der. Gerichtsstand unter den Behörden mehrerer GeriehtSstana.

Kantone streitig, so bezeichnet das Bundesgericht den Kanton, der zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet ist.

371.

RechtehUlfe.

1. In Strafsachen, auf die dieses Gesetz oder ein 3.Verpflichtung gegenüber dem anderes Bundesgesetz Anwendung findet, sind die Behörden Bund und unter den Kantonen.

eines Kantons denjenigen des Bundes und der andern Kantone zur Rechtshülfe verpflichtet. Insbesondere sind Haft- und Zuführungsbefehle in solchen Strafsachen in der ganzen Schweiz zu vollziehen.

Der Zugeführte darf vom ersuchenden Kanton weder wegen «ines politischen Vergehens, noch wegen eines Pressvergehens,

216 noch wegen einer Übertretung kantonalen Rechtes verfolgt werden, es sei denn, dass die Zuführung wegen einer solchen Straftat bewilligt worden ist.

2. Ein Kanton darf einem andern Kantone die Zuführung des Beschuldigten oder Verurteilten nur dann verweigern, wenn die Strafsache ein politisches Vergehen oder ein Pressvergehen betrifft.

Verweigert bei politischen Vergehen oder bei Pressvergehen ein Kanton die Zuführung des Beschuldigten oder Verurteilten, so ist er verpflichtet, dessen Beurteilung selbst zu übernehmen.

372.

verfahren.

ßer Verkehr in Eechtshülfesachen findet direkt von Behörde zu Behörde statt.

Telegraphisch oder telephonisch übermittelte Haftbefehle sind sofort schriftlich zu bestätigen.

Die Beamten der Polizei haben auch unaufgefordert Rechtshülfe zu leisten.

Ein Beschuldigter oder Verurteilter ist vor der Zuführung an den ersuchenden Kanton von der zuständigen Behörde zu Protokoll zu vernehmen.

Unentgeltlich-

Dje Rechtshülfe wird unentgeltlich geleistet. Immerhin sind Auslagen für wissenschaftliche oder technische Gutachten durch die ersuchende Behörde zu ersetzen.

Die bei Leistung der Rechtshülfe entstandenen Kosten sind, auch wenn die ersuchende Behörde zum Ersatz nicht verpflichtet ist, dem zu den Kosten Verurteilten im Strafurteil zu überbinden.

373.

Äßlt.

374.

Amtshandlungen Eine Strafverfolsrungsbehörde oder ein Gericht darf . in andern ° ° Kantonen. eine Amtshandlung auf dem Gebiete eines andern Kantons nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde dieses Kantons vornehmen. In dringenden Fällen darf die Amtshandlung

217

zwar vorgenommen werden, indessen ist die zuständige Behörde hiervon unverzüglich unter Darlegung des Sachver haltes in Kenntnis zu setzen.

Beschuldigte und Zeugen, die in einem andern Kanton wohnen, können durch Vermittlung der Post vorgeladen werden. Zeugen können Vorschuss der Reisekosten verlangen.

375.

Die Beamten der Polizei sind berechtigt, -in dringenden Fällen einen Beschuldigten oder einen Verurteilten auf das Gebiet eines andern Kantons zu verfolgen und dort festzunehmen.

Der Festgenommene ist sofort dem nächsten zur Ausstellung eines Haftbefehls ermächtigten Beamten des Kantons der Betretung zuzuführen. Dieser vernimmt den Festgenommenen zu Protokoll und trifft die erforderlichen weitern Verfügungen.

376.

Über Anstände zwischen Kantonen betreffend die Rechtshülfe entscheidet das Bundesgericht. Bis dieser Entscheid erfolgt, sind angeordnete Sicherheitsmassregeln aufrecht zu erhalten.

Na hei1

» «-

Zwischen -

Zantonen

Fünfter Abschnitt.

Strafregister.

377.

Strafregister werden geführt: 1. bei dem schweizerischen Zentralpolizeibureau über alle Personen, die im Gebiete der Eidgenossenschaft verurteilt worden sind, sowie über alle im Auslande verurteilten Schweizer ; 2. in den Kantonen von einer durch diese zu bezeichnenden Amtsstelle über alle Personen, die von den Behörden des Kantons verurteilt worden sind, sowie über alle verurteilten Kantonsbürger.

bri^den"

218 378.

Inhalt.

In die Strafregister sind aufzunehmen : 1. die Verurteilungen wegen Vergehen ; die Verurteilungen wegen der in diesem Gesetz vorgesehenen Übertretungen gegen Leib und Leben, gegen das Vermögen, gegen die Sittlichkeit und gegen den öffentlichen Frieden; die Verurteilungen wegen der Übertretungen der in einer Verordnung des Bundesrates zu bezeichnenden andern Bundesgesetze ; 2. die aus dem Auslande eingehenden Mitteilungen über dort erfolgte, nach diesem Gesetz Vormerkungspflichtige Verurteilungen; 3. die Vormerke darüber, dass eine Verurteilung bedingt erfolgt sei; 4. die wesentlichen Tatsachen betreffend den Vollzug des Urteils ; 5. die Tatsachen, die eine Änderung erfolgter Eintragungen herbeiführen.

379.

Masenahmeu gegen

In das Strafregister sind auch aufzunehmen die Massjugendliche., nahmen Jugendlichen, die eine als Vergehen benen gegenüber Jugendlicl drohte Tat begangen haben.

380.

Mitteilung der vormerkunge-

pflichtigon Tatsachen.

Alle Vormerkungspflichtigen Tatsachen sind dein schweizerischen Zentralpolizeibureau mitzuteilen.

Das Zentralpolizeibureau trägt die ihm gemeldeten Tatsachen in das zentrale Strafregister ein und teilt sie dem Heimatkanton oder dem Heimatstaate des Verurteilten mit.

381.

Löschung und Entfernung von Eintragungen,

1. In den Strafregistern sind zu löschen: Eintragungen, deren Löschung der Richter verfügt hat.

219

2. Aus den Strtifregistern sind zu entfernen : Eintragungen bedingter Verurteilungen und aufgeschobener EinSchliessungen, wenn die Verurteilung infolge Bewährung während der Probezeit als nicht geschehen zu betrachten ist ; Eintragungen über gelöschte Verurteilungen, wenn seit der Löschung wenigstens fünf Jahre verflossen sind und keine neue Verurteilung erfolgt ist.

382.

1. Gerichtlichen und andern Behörden des Bundes, der Itntog'mfge^" Kantone oder der Gemeinden ist auf Ersuchen ein amtlicher Auszug aus dem Strafregister zu verabfolgen.

An Privatpersonen dürfen Auszüge weder vom Registerführer noch von andern Behörden abgegeben werden.

2. Untersuchungsämtern und Strafgerichten wird der vollständige Auszug mitgeteilt, wenn die Person, über die Auskunft verlangt wird, in dem Strafverfahren Beschuldigter ·ist. In diesem Falle sind auch gelöschte Eintragungen, unter Hinweis auf die Löschung, mitzuteilen.

Über andere Personen oder an andere Behörden werden gelöschte Eintragungen nicht mitgeteilt.

383.

Der Bundesrat erlässt durch Verordnung die ergän- ^i^"^1' zenden Vorschriften über das Strafrogister. Er stellt die Formulare fest.

Sechster Abschnitt.

Verfahren.

384.

Die Kantone bestimmen das Verfahren der kantonalen v£"£ledner Behörden. Vorbehalten sind die Vorschriften dieses Gesetzes strafbehtirden.

und die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege betreffend das kantonalgericht-

220 liehe Verfahren und die Weiterziehung der Urteile kantonaler Gerichte bei Anwendung eidgenössischer Strafgesetze.

385.

Strafverfolgung.

j)je Strafverfolgung ist durch die zuständige Behörde von Amtes wegen zu betreiben ; ist jedoch eine Tat nach diesem Gesetz nur auf Antrag zu verfolgen, so tritt die Strafverfolgung erst ein, nachdem ein Berechtigter den Antrag gestellt hat.

Die Kantone dürfen keine Strafverfolgung au den Weg des Zivilprozesses verweisen. Sie können jedoch für die Verfolgung von Tätlichkeiten und Ehrverletzungen ein Privatstraf klageverfahren vorsehen.

386.

Pariamentarische Immunität, Strafverfolgung gegen Mitglieder der obersten Behörden,

Die Bestimmungen des ßundesgesetzes über die Ver° antwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten, .

.

vom 9. Dezember 1850, und des Bundesgesetzes über die ' ° politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidr r o genossenschaft, vom 24. Dezember 1850, bleiben in Kraft.

Die Kantone bleiben berechtigt, Bestimmungen zu erlassen, wonach : a. die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder ihrer gesetzgebenden Behörden wegen Äusserungen in den Verhandlungen dieser Behörden aufgehoben oder beschränkt wird ; b. die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen Vergehen im Amte vom Vorentscheid einer nichtrichterlichen Behörde abhängig gemacht und das Urteil in solchen Fällen einer besondern Behörde übertragen wird.

387.

Verfahren bei

Übertretungen.

Die in diesem Gesetz oder in andern Bundesgesetzen ..

vorgesehenen Übertretungen sind, soweit sie der kantonalen Gerichtsbarkeit unterliegen, nach dem Verfahren zu behandeln, das der Kanton für Übertretungen vorschreibt.

221 388.

zur Die Kantone können die Verhängung sichernder Mass- Massnahmeu Versorgung nahmen über Angeschuldigte, gegen die wegen Unzurech- Unzurechnungsfähiger.

nungsfähigkeit das Verfahren eingestellt wird, der Behörde übertragen, der die Einstellung des Strafverfahrens zukommt.

389.

Kpsteutraguug Das kantonale Recht bestimmt, unter Vorbehalt der Unter- bei Massnahmeu Verwahrung stützungspflicht der Verwandten (Zivilgesetzbuch, Art. 328), zur und Versorgung UnzurechnungS' wer die Kosten der Verwahrung, Behandlung oder Versorfähiger vermindert gung Unzurechnungsfähiger oder vermindert Zurechnungs- und Zurechnungsfähiger.

fähiger (Art. 13 und 14) zu tragen hat, wenn weder sie selbst, noch, falls sie unmündig sind, die Eltern die Kosten bestreiten können.

Siebenter Abschnitt.

Verfahren gegen Kinder und Jugendliche.

390.

Die Kantone bezeichnen die für die Behandlung der Kinder zuständigen Behörden.

Die zuständige Behörde kann zur Unterbringung des Kindes oder zur Beaufsichtigung seiner Erziehung die Mitwirkung von freiwilligen Vereinigungen, wie von Vereinen zur Fürsorge für verwahrloste Kinder, von Kinderschutzgesellschaften, in Anspruch nehmen.

Behörden im Verfahren ;ogen Kinder.

391.

Die Kantone sind befugt, das Verfahren gegen Jugendliche besondern Behörden, wie Jugendgerichten, Jugendschutzämtern, vormundschaftlichen Behörden, zu übertragen.

Behörden im Verfahren gegen Jugendliche.

222

392.

Grundsätze des Verfahrens.

1. Das Verfahren gegen Kinder und Jugendliche ist von dem Strafverfahren gegen Erwachsene örtlich oder zeitlich möglichst getrennt zu halten. Zu den Verhandlungen haben nur Angehörige und gesetzliche Vertreter des Beschuldigten, sowie Vertreter von Kinder- und Jugendschutzorganisationen Zutritt. Im übrigen bestimmen die Kantone das Verfahren.

2. Das Verfahren gegen Jugendliche ist auch anzuwenden, wenn der Täter, der zur Zeit der Tat ein Jugendlicher war, am Tage der richterlichen Beurteilung das achtzehnte Lebensjahr zurückgelegt hat.

Zuständigkeit der Behörden.

Kostentragung bei Massnahmen zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen.

393.

Für das Verfahren gegen Kinder und Jugendliche sind die Behörden des Wohnsitzes und, wenn das Kind oder der Jugendliche dauernd an einem andern Orte sich aufhält, die Behörden des Aufenthaltsortes zuständig.

In Ermangelung eines Wohnsitzes oder eines dauernden Aufenthaltes finden die Bestimmungen über den Gerichtsstand Anwendung.

394.

Das kantonale Recht bestimmt, unter Vorbehalt der Unterstützungspflicht der Verwandten, wer die Kosten der Versorgung von Kindern oder Jugendlichen zu tragen hat, wenn weder der Versorgte, noch die Eltern die Kosten bestreiten können (Zivilgesetzbuch, Art. 284).

Achter Abschnitt.

Strafvollzug. Schutzaufsicht.

1. Im Allgemeinen.

Pflicht zum Strafvollzug.

395.

Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.

223

396.

der Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist unverkürzt ·inreclmung Sichorheitehaft m Straf vollzog.

die Haft anzurechnen, die der Verurteilte zwischen der' Fällung des letzten Urteils und dem Beginn der Vollstreckung der Freiheitsstrafe erlitten hat.

Kann das Urteil weitergezogen werden, so erfolgt die Anrechnung erst von dem Zeitpunkte an, da der Verurteilte auf EinleguDg eines Rechtsmittels verzichtet oder das eingelegte Rechtsmittel zurückgezogen hat, oder da die Frist zur Einlegung abgelaufen ist, ohne dass er eine Erklärung abgegeben hat.

397.

Der Bundesrat wird für Strafanstalten mit ausgedehntem Landwirtschaftsbetrieb einen von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichenden Strafvollzug gestatten. Er entscheidet im einzelnen Falle über die Bedingungen, unter welchen ein solcher Strafvollzug stattfinden kann.

Immerhin sind die Grundsätze dieses Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafen möglichst beizubehalten.

Strafanstalten mit Landwirtschaftsbotricb.

398.

Sträflingen, die in eine Strafanstalt, Verwahrungsanstalt oder Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen sind, soll bei gutem Verhalten und befriedigender Arbeitsleistung ein Verdienstahteil bestimmt werden, sowohl wenn sie in einem Gewerbe oder in der Landwirtschaft, als wenn zie zu Arbeiten für die Anstalt (Hausarbeit) verwendet werden.

2. Verdienstanteil.

Bestimmung dos Vordionetan teils.

399.

Der Verdienstanteil wird dem Sträfling während der Dauer der Freiheitsentziehung gutgeschrieben.

Über die Verwendung des Verdienstanteils während dieser Zeit bestimmt das Anstaltsreglement.

Verwendung während der Strafzeit.

224 400.

1

Verwendung nach der Entlassung,

Bei der Entlassung aus der Anstalt verfügt die Anstaltsleitung nach freiem Ermessen, ob der Betrag ganz oder teilweise dem Entlassenen, den Organen der Schutzaufsicht, der Vormundschaftsbehörde oder der Armenbehörde zu sachgemässer Verwendung für den Entlassenen auszubezahlen sei.

Das Guthaben aus Verdienstanteil, sowie die auf Rechnung des Guthabens ausbezahlten Beträge dürfen weder gepfändet, noch mit Arrest belegt, noch in eine Konkursmasse einbezogen werden. Jede Abtretung oder Verpfändung des Guthabens aus Verdienstanteil ist nichtig.

401.

3.aufslcht.

SchutzDie Kantone haben die Schutzaufsicht für die ° gesetzAufgabe der ijen vorgesehenen Fälle einzurichten.

Kantone.

°

Sie können die Schutzaufsicht freiwilligen Vereinigungen übertragen.

Ausgeschlossen ist die Ausübung der Schutzaufsicht durch Polizeiorgane.

402.

Pflicht zur Duldung der unter Schutzaufsicht stehenden Personen.

Die Kantone und die Gemeinden sind verpflichtet, den unter Schutzaufsicht stehenden Schweizerbürgern, die nicht ihre Bürger sind, den Aufenthalt zu gewähren, sofern diesen Personen durch die Organe der Schutzaufsicht dort Unterkunft oder Arbeit angewiesen worden ist. Vorbehalten bleibt Art. 45 der Bundesverfassung.

403.

4. Bussen, Die auf Grund dieses Gesetzes oder eines andern BundesKosten, Einziehung, Verfall gesetzes ergangenen rechtskräftigen Urteile sind mit Bezug Schadensersatz.'

auf Bussen,' Kosten,' Einziehung& von Gegenständen, Verfall VoUsti-eckußg.

ö » von Geschenken und andern Zuwendungen und Schadensersatz in der ganzen Schweiz vollstreckbar.

225

Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.

404.

Über den Ertrag der auf Grund dieses Gesetzes verhängten Bussen, Einziehungen und verfallen erklärten Geschenke und andern Zuwendungen verfügen die Kantone.

In den von den Bundesassisen und vom Bundesstrafgericht beurteilten Straffällen verfügt darüber der Bund.

Ver

^fJJ°es~

405.

Die Kantone richten Arbeitsgelegenheiten für solche ^"3^"*" ein, die eine Busse durch freie Arbeit abverdienen wollen.

Die Strafvollziehungsbehörde weist dem Nachsuchenden die Arbeitsstelle an.

Neunter Abschnitt.

Anstalten.

406.

Die Kantone haben die nötigen Anstalten für den i- Strafanstalten.

Vollzug der Zuchthaus-, Gefängnis- und Haftstrafe einzurichten und, soweit sie solche noch nicht besitzen, sie entweder zu erstellen oder sich das Mitbenutzungsrecht an den entsprechenden Anstalten anderer Kantone zu sichern.

407.

Die Kantone haben für die Errichtung und den Betrieb von Verwahrungsanstalten, von Arbeitserziehungsanstalten und von Trinkerheilanstalten zu sorgen. Arbeitserziehungsund Trinkerheilanstalten können bei durchgeführter Trennung von Innenbetrieb und Insassen miteinander verbunden werden.

Die Kantone können über die Errichtung gemeinsamer Anstalten Vereinbarungen treffen oder sich das Mitbenutzungsrecht an Anstalten anderer Kantone sichern.

Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

16

2. Anstalten zum Vollzug sichernder Massnahmen gegenüber Erwachsenen.

226

Sie können über die Einweisung in Trinkerheilanstalten auch mit Privatanstalten Vereinbarungen treffen, soweit diese Anstalten sich den Anforderungen dieses Gesetzes anpassen.

3. Anstalten fUr Kinder und Jugendliche.

Erziohungs-, Rettungs- nnd KorreKtionsanstalten.

Räume für die Einschliessung Jugendlicher.

4. Bundesbeiträge.

Verpflichtung des Bundes.

408.

Die Kantone haben dafür zu sorgen, 'dass die nötigen Erziehungsanstalten für Kinder und die nötigen Rcttungsund Korrektionsanstalten für Jugendliche zur Verfügung stehen.

Sie können über die Errichtung gemeinsamer Anstalten Vereinbarungen treffen oder sich das Mitbenutzungsrecht an Anstalten anderer Kantone sichern.

Sie können über die Einweisung in Erziehungsanstalten für Kinder und in Rettungsanstalten für Jugendliche auch mit Privatanstalten Vereinbarungen treffen, sofern diese Anstalten sich den Anforderungen dieses Gesetzes anpassen.

409.

Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass für dio Einschliessung Jugendlicher geeignete Räume zur VerfügungStehen.

410.

1. Der Bund leistet Beiträge an den Bau und den Ausbau der in diesem Gesetze geforderten Anstalten.

Diese Beiträge sollen nicht übersteigen: für Strafanstalten 40 %, für Verwahrungsanstalten 70 °/o, für andere Anstalten zum Vollzuge sichernder Massnahmen 40 °/o, für Anstalten für Kinder und Jugendliche 50 °/o2. Der Bund leistet in gleichem Mass Beiträge an Kantone, die im Hinblick auf die Einführung dieses Gesetzes und in Übereinstimmung mit seinen Vorschriften Anstalten gebaut oder ausgebaut haben, sofern die Arbeiten nach dem 1. Januar 1912 begonnen wurden.

227

3. Der Bundesrat stellt die Bedingungen fest, unter denen die Leistung der Beiträge erfolgt. Er kann namentlich bestimmen, dass in solche Anstalten gegen Ersatz der Selbstkosten auch Eingewiesene aus andern Kantonen aufgenommen werden.

411.

Der Bund kann Beiträge leisten an den Betrieb von Verwahrungsanstalten, von Arbeitserzichungsanstalten, von Trinkerheilanstalten, von Erziehungsanstalten für Kinder und von Rettungs- und Korrektionsanstalten für Jugendliche.

Der Bund kann ferner Beiträge leisten an den Bau, den Ausbau und den Betrieb von privaten Trinkerheilanstalten, von privaten Erziehungsanstalten für Kinder und von privaten Rettungsanstalten für Jugendliche, sofern diese Anstalten sich den Bestimmungen dieses Gesetzes anpassen.

412.

Der Bund kann Beiträge leisten an die Errichtung besonderer Abteilungen in Heil- oder Pflegeanstalten, die bestimmt sind, vom. Richter eingewiesene gefährliche Geisteskranke aufzunehmen.

413.

Der Bund fördert und unterstützt die Heranbildung und Fortbildung von Anstaltsbeamten.

414.

Die Kantone haben die für den Vollzug von erzieherischen und sichernden Massnahmen bestimmten Privatanstalten, sowie die Familienerziehung (Art. 82, 88 und 90) einer sachgemässen, insbesondere auch ärztlichen Aufsicht zu unterstellen.

415.

Der Bund führt die Oberaufsicht über alle zum Strafvollzug und zum Vollzuge der erzieherischen und sichernden Massnahmen bestimmten Anstalten.

Beiträge an deo Betrieb von Anstalten und an private Anstalten.

Beiträge an dfo Errichtung von Abteilungen für gefährliche Geisteskranke.

Anstaltsbeamte.

5. Aufsicht.

Aufsicht über die Privatali stalten und die Familienorziehung.

Oberaufsicht des Bnndt-s

228

416.

6 Durchführung Reformen.

Der Bundesrat bestimmt im Einvernehmen mit den Kantonen die Reihenfolge, in der die durch dieses Gesetz nötig werdenden Anstaltsreformen durchgeführt werden sollen.

Er trifft für die Zwischenzeit die nötigen Anordnungen.

Zehnter Abschnitt.

Begnadigung. Wiederaufnahme des Verfahrens.

417.

1. Begnadigung.

Zuständigkeit.

Das Recht der Begnadigung mit Bezug auf Urteile, die auf Grund dieses Gesetzes oder eines andern Bundesgesetzes ergangen sind, wird ausgeübt: a. in den Fällen, in denen die Bundesassisen oder das Bundesstrafgericht geurteilt haben, durch die Bundesversammlung ; b. in den Fällen, in denen ein kantonales Gericht geurteilt hat, durch die Begnadigungsbehörde des Kantons.

418.

Znlässigkeit.

1. Die Begnadigung ist zulässig bei Vergehen, wenn das Urteil auf eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten lautet.

Bei Verurteilung zu Busse allein, sowie bei Übertretungen ist die Begnadigung ausgeschlossen.

2. Bei politischen Vergehen und bei Vergehen, die mit einem politischen Vergehen in Zusammenhang stehen, ist die Begnadigung in allen Fällen zulässig.

419.

Begnadigungsgesuch.

Das Begnadigungsgesuch kann vom Verurteilten, von seinem gesetzlichen Vertreter und, mit Einwilligung des Verurteilten, von seinem Verteidiger oder von seinem Ehegatten gestellt werden.

229 Bei politischen Vergehen und bei Vergehen, die mit einem politischen Vergehen im Zusammenhang stehen, ist überdies der Bundesrat oder die Kantonsregierung zur Einleitung des Begnadigungsverfahrens befugt.

Die Begnadigungsbehörde kann bestimmen, dass ein abgelehntes Begnadigungsgesuch nicht vor Ablauf eines gewissen Zeitraums erneuert werden darf.

420.

Durch Begnadigung können die durch rechtskräftiges Strafurteil auferlegten Freiheitsstrafen, die damit verbundenen Bussen und Nebenstrafen und die Kosten ganz oder teilweise erlassen, die Strafen in mildere Strafarten umgewandelt werden.

Der Gnadenerlass bestimmt den Umfang der Begnadigung.

421.

Die Kantone haben gegenüber Urteilen, die auf Grund dieses Gesetzes oder eines andern Bundesgesetzes ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gerichte zur Zeit des frühern Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten zu gestatten.

Wirkungen.

2. Wiederaufnähme des Verfahrens.

- Elfter Abschnitt.

Schlussbestimmungen.

422.

Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes sind die damit Aufhebung von Bundesrecht.

in Widerspruch stehenden strafrechtlichen Bestimmungen des Bundes aufgehoben.

Insbesondere sind aufgehoben : a. das Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 4. Februar 1853; das Bundesgesetz betreffend die Werbung und den

230 Eintritt in den fremden Kriegsdienst, vom 30. Juni 1859 ; das Bundesgesetz betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht, vom 12. April 1894; der Bundesbeschluss betreffend Revision von Art. 67 des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht, vom 5. Juni 1902; das Bundesgesetz betreffend Ergänzung des Bundesstrafrechts in bezug auf die anarchistischen Verbrechen, vom 30. März 1906; b. die Art. 97, 169, 174 bis 177 des Bundesgesetzes betreffend die Bundesstrafrechtspflege, vom 27. August 1851 ; c. das Bundesgesetz über die Auslieferung von Verbrechern oder Angeschuldigten, vom 24. Juli 1852; das Bundesgesetz betreffend Ergänzung des Auslieferungsgesetzes, vom 2. Februar 1872; das Konkordat betreffend die Ausschreibung, Verfolgung, Festsetzung und Auslieferung von Verbrechern oder Beschuldigten, die diesfälligen Kosten, die Verhöre und Evokation von Zeugen in Kriminalfallen und die Restitution gestohlener Effekten, vom 8. Juni 1809 und 8. Juli 1818; d. Art. 880 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des schweizerischen Zivilgesetzbuches (V. Teil : Obligationenreçht), vom 30. März 1911 ; ' e. Art. 25, Ziff. 3, des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 11. April 1889; f. von Art. 125, Abs. 2, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, vom 22. März 1893, der dritte Satz : ,,Das Begnadigungsrecht bleibt der Bundesversammlung vorbehalten" ; ferner die Art. 150 und 151 des genannten Gesetzes und die in andern Bundesgesetzen enthaltenen Bestimmungen über die Umwandlung der Bussen : g. Art. 55 bis 59 des Bundesgesetzes betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen, vom 24. Juni 1902 ;

231 h. Art. 23, Ziff. 3, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz, vom 24. Juni 1904; i. Art. 66 bis 71 und 74 des Bundesgesetzes über die Schweizerische Nationalbank, vom 6. Oktober 1905 ; A. Art. 36 bis 40, 42 bis 47, 49 bis 53 des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom 8. Dezember 1905; /. Art. 114 bis 116 des Bundesgesetzes betreffend das schweizerische Postwesen, vom 5. April 1910, soweit diese Bestimmungen Postwertzeichen betreffen, und Art. 117, lit. c und h, dieses Bundesgesetzes; in. Art. 30 des Bundesgesetzes über Mass und Gewicht, vom 24. Juni 1909, soweit diese Bestimmung Eichzeichen betrifft, und Art. 32 dieses Bundesgesetzes; n. Art. 18 des Bundesgesetzes über die Heimatlosigkeit, vom 3. Dezember 1850.

·423.

Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes sind die straf- t^tcmàl"!

rechtlichen Bestimmungen der Kantone aufgehoben.

Rechts.

Vorbehalten bleiben die bestehenden strafrechtlichen Bestimmungen der Kantone über Gegenstände, die dieses Gesetz der kantonalen Gesetzgebung ausdrücklich überlassen hat.

424.

Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 19 in Kraft. dieses Inkrafttreten (.Tüsiitzus Die Kantone haben die nötigen Einführungsbestimmungen bis zum 1. Juli 19 dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen. Versäumt ein Kanton diese Frist, so erlässt der Bundesrat vorläufig, unter Anzeige an die Bundesversammlung, die erforderlichen Verordnungen an Stelle des Kantons.

Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Gesetzesentwurf enthaltend das schweizerische Strafgesetzbuch. (Vom 23. Juli 1918.)

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