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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Ergebnis der eidgenössischen Volksabstimmung vom 2. Juni 1918 (Volksbegehren betreffend Einführung einer direkten Bundessteuer).

(Vom 12. Juli 1918.)

Am 17. Juli 1917 reichte die Geschäftsleitung der sozialdemokratischen Partei der Schweiz ein von 116,864 Schweizerbürgern gestelltes Volksbegehren auf Einführung einer direkten progressiven Bundessteuer ein.

Das Volksbegehren hatte folgenden Wortlaut: ,,1. Die Bundesverfassung wird durch folgenden Artikel ergänzt : Art. 41bie. Der Bund erhebt jährlich eine direkte progressive Steuer, auf Vermögen und Einkommen natürlicher Personen. Steuerfrei sind Reinvermögen unter Fr. 20,000, sowie Einkommen, einschliesslich des Vermögensertrages, unter Fr. 5000. Der Nachlass der Bundessteuerpflichtigen unterliegt der amtlichen Inventarisation.

Der Bund erhebt ferner jährlich eine direkte Steuer von juristischen Personen. Steuerfrei sind alle öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Betriebe, soweit deren Vermögen und Ertrag öffentlichen Zwecken dienen; ferner die übrigen Körperschaften und Anstalten, soweit deren Vermögen und Ertrag Kultus- oder Unterrichtszwecken oder der Fürsorge für Arme und Kranke dienen.

Die Aufstellung der nähern Bestimmungen über den Umfang der Steuerpflicht, die Anlage der Steuer und die Steuersätze für natürliche und juristische Personen, sowie über das Steuerverfahren ist Sache der Bundesgesetzgebung. Der Steuerbezug liegt den Kantonen ob. Die Kosten des Verfahrens und des Steuerbezuges trägt der Bund. Ein Zehntel des Bruttosteuerertrages verbleibt den Kantonen.

682

2. Art. 42, lit. f, der Bundesverfassung, lautend: ,,. .. aus den Beiträgen der Kantone, deren nähere Regulierung, vorzugsweise nach Massgabe der Steuerkraft derselben, der Bundesgesetzgebung vorbehalten ist", wird aufgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt: ,,.. . aus dem der Bundeskasse zufliessenden Ertrag der direkten Bundessteuern nach Massgabe von Art. 41bi|tt.tt Unterm 12./22. März 1918 haben Sie das Volksbegehren abgelehnt und beschlossen, es dem Volke und den Ständen mit 'dem Antrag auf Verwerfung zur Abstimmung zu unterbreiten.

Diese Abstimmung hat am 2. Juni abhin stattgefunden und laut den Berichten der Kantonsregierungen das nachfolgende Ergebnis gezeitigt (siehe Tabelle Seite 3) : Das Volksbegehren ist demnach vom Volke sowohl als von den Ständen verworfen worden, und zwar vom erstem mit 325,814 Stimmen gegen 276,735 und von den letztern mit 14J/2 Stimmen gegen 7 1 /s. Es ist also gemäss Art. 15 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend die Volksabstimmungen über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse als dahingefallen zu betrachten.

Die Fassung des Stimmzettels hat zu Bemerkungen Veranlassung gegeben.

Wir haben nämlich auf dem Stimmzettel die Anmerkung angebracht: ,,Die Bundesversammlung beantragt dem Volke die Verwerfung des Volksbegehrens. Wer das Volksbegehren annehmen will, schreibe ,Ja', wer dasselbe verwerfen will, schreibe ,Nein'.a Herr Nationalrat Dr. Platten in Zürich hat das Drucksachenbureau der Bundeskanzlei angefragt, ,,ob bei frühern Volksabstimmungen in Fällen, wo die Bundesversammlung Verwerfung des Volksbegehrens beantragte, auf dem Stimmzettel und nicht nur in der Weisung die Bemerkung angebracht wurde : ,Die Bundesversammlung empfiehlt die Verwerfung der Initiative"*., oder ,,handelt es sich bei dem jetzigen Stimmzettel (direkte Bundessteuer) um eine gewollte oder ungewollte Wahlbeeinflussung?".

Die Bundeskanzlei hat ihm am 4. Juni geantwortet: ,,Eine Durchsicht der Stimmzettel für Abstimmungen über frühere Volksbegehren hat ergeben, dass bisher der Stimmzettel diesen Zusatz nicht enthielt, wohl aber der Abzug des Volksbegehrens nebst Bundesbeschluss über dieses, so bei der Abstimmung vom 4. November 1900 über die beiden Volksbegehren für die Proportionalwahl des Nationalrates und die Wahl des Bundesrates durch das Volk und vom 3. Juni 1894 über das

te

Ergebnis der Volksabstimmung vom l. Juni 1918 über das Volksbegehren für Einiiriuijr einer direkten progressiven Bnndessteuef.

G.

Stimmberechtigte

Kantono

I I

S

I W

Oi

Zürich Bern Luzern Uri Schwyz .

Obwalden .

Nidwaiden Glarus . . . .

Zug

Freiburg Solothum Baselstadt Baselland Schaffhausen . .

Appenzell A.-ßh.

Appenzell I.-Eh. .

St. Gallen Graubünden . .

Aargau Thurgau Tessin Waadt Wallis Neuenburg Genf

. .

. .

. .

. .

Total

132,673 166,925 42,754 5,688 14,862 4,364 3,285 8,429 7,394 34,223 32,058 29,478 18,077 13,299 13,685 3,140 65,249 30,085 56,366 31,588 41,654 77,601 32,563 34,071 36,585 936,096

Abgegebene Stimmen Gültig

Leer

95,379 93,745 26,012 4,391 9,052 2,669 1,835 5,479 4,564 25,247 22,247 16,146 9,861 10,337 9,901 2,301 51,725 21,203 46,110 25,330 13,451 48,376 22,443 18,261 16,484 602,549 ,

2,178

Ja

Nein

58,098 48,277 8,515 2,059 3,022 884 512 3,031 2,016 4,123 13,589 10,687 6,151 6,301 5,971 789 23,876 8,160 25,683 11,608 6,005 11,489 3,331 7,702 4,856 276,735

37,281 45,468 17,497 2,332 6,030 1,785 1,323 2,448 2,548 21,124 8,658 5,459 3,710 4,036 3,930 1,512 27,849 13,043 20,427 13,722 7,446 36,887 19,112 10,559 11,628 325,814

Standesstimme

Ungültig

79 3C)8

106 C

0

38 " 9 4

143 185 3 3

52 44 40 162 22

84 120 31 04 346

244 49 . 1,9 )3 264 1,4 27 830 103 90 47 83 52

34 6 22 41 60 139 67 31 79

Ja Ja Nein Nein Nein Nein Nein Ja Nein Nein Ja Ja Ja Ja Ja Nein Nein .

Nein Ja Nein Nein Nein Nein Nein Nein

i i

', !

'

Ja : 6 ganze und 3 halbe Stimmen Nein : 13 ganze und 3 halbe Stimmen '

684 Volksbegehren betreffend das Recht auf Arbeit. Bei diesen Abstimmungen wurden die Volksbegehren auf dem Stimmzettel wiederholt. Dies unterblieb diesmal, um den Stimmzettel zu vereinfachen. Dagegen wurde gemäss der Ziffer 3 des Bundesbeschlusses und in Ausführung dieses Beschlusses die Anmerkung aufgenommen : ,,Die Bundesversammlung beantragt dem Volkedie Verwerfung des Volksbegehrens. Wer das Volksbegehren annehmen will, schreibe ,Ja', wer dasselbe verwerfen will, schreibe ,Nein'.a ,,Dasselbe wurde bei den Abstimmungen vom 4. November 1900 und 3. Juni 1894 in dem begleitenden Abzug des Bundesbeschlusses gesagt. Die Wiederholung des Satzes als Anmerkung im Stimmzettel ist nur eine Verdeutlichung. Es sollte dem Bürger, der den Abdruck des Bundesbeschlusses nicht zur Hand hatte, klarmachen, dass es sich nicht, wie bei einer andern Gesetzes- odor Verfassungsabstimmung, um ein von den gesetzgebenden Räten erlassenes Gesetz oder eine Verfassungsvorlage der Räte handle, sondern um ein Volksbegehren, das von der Bundesversammlung nicht gutgeheissen wurde, dessen Ablehnung dem Volke beantragt wird. Es war diese Verdeutlichung weder eine gewollte noch ungewollte Wahlbeeinflussung, wie Sie bemerken, sondern die Ausübung eines Rechtes der Bundesversammlung. Art. 10 des Bundesgesetzes über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung vom 27. Januar 1892 bestimmt: ,,Beschliesst die Bundesversammlung, dem Entwurfe nicht zuzustimmen, so unterbreitet sie denselben dem Volke und den Ständen zur Abstimmung. G l e i c h z e i t i g k a n n sie e i n e n V e r w e r f u n g s a n t r a g s t e l l e n oder einen von ihr selbst ausgearbeiteten, die nämliche Verfassungsmaterie beschlagenden Revisionsentwurf ebenfalls der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreiten."

,,Der Bundesrat hat die ihm von der Bundeskanzlei vorgelegten Abstimmungsvorlage, Kreisschreiben, Bundesratsbeschluss über die Abstimmung, Bundesratsbeschluss über die Teilnahme der Wehrmänner an der Abstimmung und Stimmzettel am 28. März 1918 unverändert genehmigt. Der Bundesrat hatte das Recht und die Pflicht, dem zur Abstimmung über das Volksbegehren einberufenen Bürger, sei es auf dem Abdruck des Bundesbeschlusses, sei es auf dem Stimmzettel, sei es auf beiden, bekanntzugeben, dass die Bundesversammlung
das Volksbegehren nicht zu dem ihrigen gemacht habe, vielmehr dessen Verwerfung beantrage."1 Wir fügen bei, dass die erwähnte Bestimmung des Art. 10
685

Wiedergabe des letzten Absatzes des neuen Art. 121 der Bundesverfassung über die Revision der Bundesverfassung.

Für die Geschäftsleitung der sozialdemokratischen Partei des Kantons Zug hat Herr Josef Kröpfli, Präsident, am 12. Juni 1918 gegen die Fassung des Stimmzettels Einwendung erhoben, diese als ,,Beeinflussung der Stimmenden im Abstimmungslokal" bezeichnet, welche nach § 26, Absatz 4, des zugerischen Gesetzes über das Verfahren bei Wahlen und Abstimmungen verboten ist, und, gestützt darauf, sowie auf Art. l und 10 des Bundesgesetzes vota 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen, die Kassation der Abstimmung verlangt.

Art. l des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen besagt allerdings : ,,Die Wahlen in den schweizerischen Nationalrat . . . . und die Abstimmung über die Revision der Bundesverfassung finden n a c h den V o r s c h r i f t e n der k a n t o n a l e n G e s e t z e statt, unter Vorbehalt jedoch der nachstehenden Bestimmungen des vorliegenden Bundesgesetzes.tl Der Art. 121 der Bundesverfassung und das Bundesgesetz vom 27. Januar 1892 sehen aber ausdrücklich vor, dass die Bundesversammlung gleichzeitig mit der Abstimmung einen Verwerfungsantrag oder einen Gegenvorschlag dem Volke und den Ständen zur Abstimmung vorlegen "kann. Die angeführte Bestimmung des zugerischen Wahlgesetzes kommt hier daher gar nicht in Frage.

Wir beantragen Ihnen, dieser Einsprache keine Folge zu geben und vom Ergebnis der Abstimmung am Protokoll Vormerk zu nehmen.

B e r n , den 12. Juli

1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Calonder.

Der Vizekanzler : David.

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17.07.1918

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