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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde des Advokaten Emilio Bossi, namens des Luigi De-Marchi, in Lugano betreffend

einen Eintrag

im Zivilstandsregister B.

(Vom 23. Oktober 1918.)

Der schweizerische Bundesrat

hat über die Beschwerde des Advokaten Emilio Bossi, namens des Luigi De-Marchi, in Lugano, betreffend einen Eintrag im Zivilstandsregister B von Astano, auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartementes, folgenden Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: 1. Der Staatsrat des Kantons Tessin kam anfangs des Jahres 1918 in den Fall, über das Gesuch einer Familie Demarchi oder De-Marchi, von Astano, betreffend Feststellung der Schreibweise ihres Namens zu entscheiden. Dem Gesuche waren eine Anzahl Zivilstandsurkunden schweizerischer, wie ausländischer Herkunft beigelegt zum Nachweise, dass der in Frage stehende Familienname hauptsächlich in der Form De-Marchi geführt worden sei.

Der Staatsrat entschied, dass letztere Form die richtige sei.

Unter den vorerwähnten Urkunden befand sich ein vom Generalarchivar der Zivilstandsregister der Munizipalität Buenos-Aires (Argentinien) am 15. März 1917 ausgestellter Auszug aus dem Geburtsregister von Buenos-Aires, wonach dem schweizerischen Staatsangehörigen Luis De-Marchi, Sohn des Pietro, am 7. Oktober 1899 ein ehelicher Sohn, Namens Luis Domingogeboren sei. Die Urkunde ist erstellt auf dem in Argentinien

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gebräuchlichen amtlichen Formular für Standesregisterauszüge (-Abschriften), trägt ausser dem Gebührenstempel der Munizipalität von Buenos-Aires die Unterschrift des ausstellenden Archivars, dessen Amtsstempel und auf der Vorderseite den Stempel des argentinischen Vize-Konsulates in Lugano, mit dem Vermerke, dass die Urkunde am 29. November 1917 auf dem Vizekonsulate registriert worden sei.

In den Zivilstandsregistern der Heimatgemeinde des Vaters Luigi De-Marchi, Astano, war die Geburt nicht eingetragen, weshalb das Departement des Innern, als Aufsichtsbehörde über das Zivilstandswesen des Kantons Tessin verfügte, es sei eine Abschrift der Originalgeburtsurkunde, die der Staatsrat glaubte den Petenten zurückstellen zu sollen, anzufertigen und auf Grund dieser die Geburt des Luis Domingo De-Marchi im Geburtsregister B von Astano einzutragen.

2. Über diese Eintragung beschwert sich nun der Advokat Bossi namens des Luigi (Domingo) De-Marchi, indem er geltend macht, der Originalgeburtsschein sei weder von den zuständigen argentinischen, noch schweizerischen Behörden beglaubigt; er trage bloss den Stempel des argentinischen Vizekonsulates in Lugano, was einer Légalisation nicht gleich komme ; das argentinische Gesetz verlange, dass die Unterschrift des argentinischen Zivilstandsbeamten von der Regierung beglaubigt sein müsse, um im Auslande Geltung zu beanspruchen, und endlich sei die lediglich auf Grund einer unbeglaubigten Urkunde erfolgte Eintragung nicht im Einklang, weder mit den §§ 14, 19, 40 und 50 der Zivilstandsregisterverordnung, noch mit dem Kreisschreiben des Bundesrates vom 29. September 1905 betreffend den Zivilstaadsaktenaustausch mit dem Auslande. Infolgedessen sei die Eintragung ungültig und im Geburtsregister B von Astano zu löschen.

3. Zur Vernehmlassung über diese Beschwerde eingeladen, gab der Staatsrat des Kantons Tessin, an Stelle seines Departements des Innern, vorerst eine Darstellung der Tatsachen, die den Hintergrund der Beschwerde bilden. Der Rekurrent, der, als in Argentinien geboren, im Besitze eines argentinischen Militärbüchleins sei, habe sich gegen seine Eintragung in die schweizerische Militärkontrolle gewehrt mit der Begründung, er sei Argentinier und habe dort Militärdienst geleistet oder zu leisten.

Diese Beschwerde sei abgewiesen worden, weil der Rekurrent Sohn eines Schweizerbürgers und der Nachweis nicht geleistet sei, dass er sein Schweizerbürgerrecht verloren habe.

755 Inbezug auf die vorliegende Beschwerde führte der Staatsrat aus, er sei nicht im Falle, sich über die Notwendigkeit der Légalisation des Geburtsscheines nach den Normen eines fremden Rechtes auszusprechen. Der Akt weise in jedem Falle alle äussern Merkmale der Authentizität auf und die darin enthaltenen Angaben würden überdies durch den Inhalt des vom Rekurrenten (allerdings anlässlich einer ändern Verhandlung) vorgelegten argentinischen Militärbüchleins durchaus bestätigt. Es sei übrigens müssig, hierüber zu streiten. Wesentlich sei zu wissen, ob Luigi Be-Marchi in die Zivilstandsregister von Astano einzutragen sei oder nicht. Nun sei nirgends behauptet worden, dass dieser nicht von Luigi De-Marchi, Sohn des Pietro, abstamme und dass letzterer Bürger von Astano sei, werde ebensowenig bestritten. Der ausländische Aufenthalt der Familie De-Marchi, die übrigens seit einem Dezennium wieder in ihrem Heimatorte Astano wohne, dort Güter und in Lugano eine Villa habe, könne daran nichts ändern, dass sie die schweizerische Staatseigenschaft und das Bürgerrecht von Astano besitze. Nach der Auffassung des Staatsi-ates müsse demnach die Eintragung im Geburtsregister B von Astano nicht nur aufrechterhalten werden, sondern es sollten auf diplomatischem oder konsularischem Wege auch die Zivilstandsakten über die ändern Kindern des Luigi De-Marchi, Sohn des Pietro, beschafft werden, um die Zivilstandsregister von Astano zu vervollständigen. '· B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Die vorliegende Beschwerde wirft die Frage auf, ob eine im Auslande eingetretene Geburt deswegen von der Eintragung' in das Geburtsregister B des schweizerischen Heimatortes des Kindes ausgeschlossen sei, weil a. der der Eintragung zugrundeliegende Geburtschein nicht beglaubigt und b. das der Eintragung zugrundeliegende Beleg nicht vorschriftsmässig behandelt worden ist.

2. In dieser Beziehung ist festzustellen, dass die schweizerische Gesetzgebung keine Bestimmung enthält, wonach aus-' ländische Standesakten der rechtlichen Bedeutung als Grundlage für Eintragungen in die schweizerischen Zivilstandsregister dann entbehren, wenn die Unterschrift des ausstellenden Beamten Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. IV.

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nicht beglaubigt ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass ausländische Standesakten nur dann als beweiskräftig behandelt werden, wenn sie in formeller Hinsicht den Vorschriften entsprechen, die für deren Errichtung vorgesehen sind, was z. B. durch amtliche Beglaubigung festgestellt werden kann. In diesem Sinne sehen auch Art. 27 des Réglementes für die schweizerischen Konsularbeamten vom 26. Mai 1875, sowie die im März 1917 vom politischen Departemente herausgegebenen ,,Notizen zuhanden der schweizerischen Konsulate betreffend Zivilstandsaktenverkehr" die Beglaubigung derjenigen ausländischen Zivilstandsakten durch die Konsulate vor, die von ihnen an die Schweiz weitergeleitet werden. Die Eintragung der durch ausländische Standesakten ausgewiesenen Tatsachen in das Register B kann aber auch danrv erfolgen, wenn die fremde Urkunde nicht beglaubigt ist.

Über das Erfordernis der amtlichen Beglaubigung im Zivilstandsdienst hat sich unser Justiz- und Polizeidepartement in seinem Kreisschreiben an die Aufsichtsbehörden über das Zivilstandswesen der Kantone vom 9. Mai 1916 (Bundesblatt 1916, Band II, Seite 521) folgendermassen geäussert: ,,Die zur Eintragung in schweizerische Zivilstandsregister bestimmten ausländischen Urkunden müssen ausnahmslos beglaubigt sein, sobald sie nicht auf den im betreffenden Ursprungslande dazu bestimmten Formularen erstellt sind, oder sonst zu Zweifeln Anlass geben. Ist jedoch der Akt auf dem am Ursprungsorte Üblichen Formular ausgestellt und trägt er den Stempel oder das Siegel des ausstellenden und unterzeichnenden Beamten, so kann, sofern sonst keine wichtigen Bedenken dagegen vorliegen, auch beim Mangel einer Beglaubigung die Eintragung von den kantonalen Aufsichtsbehörden verfügt werden. Vom Erfordernis der Beglaubigung wird regelmässig auch dann abgesehen, wenn die Akten vom Ursprungsland der Schweiz amtlich mitgeteilt worden sind."

,,Wird ein nicht beglaubigter Akt von Privaten zur Eintragung vorgewiesen, so wird die Aufsichtsbehörde prüfen, ob von der Beglaubigung abgesehen werden kann ; andernfalls wird sie den Vorweiser veranlassen, auf seine Kosten die Beglaubigung herbeizuführen."

Diese Weisung des Departementes ist zutreffend, weil sie von den nämlichen Grundsätzen ausgeht, wie § 27, Absatz 2, der Zivilstandsregisterverordnung. Diese Bestimmung ermächtigt die Aufsichtsbehörden, selbst solche Zivilstandstatsachen in die Register B eintragen zu 'lassen, die im Auslande eingetreten,

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aber dort nicht standesamtlich beurkundet worden sind, sofern sie son'stwie gehörig nachgewiesen werden. Um sovielmehr muss den Aufsichtsbehörden das Recht gewahrt werden, Tatsachen, für die ein standesamtlicher Nachweis vorliegt, eintragen zu lassen, wenn der Nachweis auch einer Sicherungsmassregel entbehrt, die nicht ausdrücklich vorgeschrieben und für die Authentizität der Urkunden nicht entscheidend ist.

3. Der Rekurrent gründet sein Begehren um Löschung des Geburtseintrags im Geburtsregister von Astano im fernem auf angebliche Verletzung der Vorschriften der §§ 14, 19, 40 und 50 der Zivilstandsregister ver Ordnung, sowie auf die Weisung des Kreisschreibens des Bundesrates vom 29. September 1905.

Die angeführten Paragraphen der Verordnung beziehen sich nun teils auf die B e h a n d l u n g der B e l e g e durch den Zivilstandsbeamten (§§ 14--19) oder die kantonalen Aufbewahrungsstellen (§ 40), teils auf die Rechte und Pflichten der schweizerischen Konsuln in Zivilstandssachen (§ 50). Sie betreffen Ordnungsvorschriften, die wohl die widerhandelnden Beamten strafbar machen können, aber auf die Rechtsbeständigkeit eines E i n t r a g e s in den Zivilstandsregistern keinen Einfluss haben.

Die Berufung des Rekurrenten auf diese Vorschriften lässt erkennen, dass er annahm, die Eintragung sei ungültig, weil ihm die Originalgeburtsurkunde wieder ausgehändigt und nicht im Zivilstandsarchiv zurückbehalten worden ist. Diese Annahme beruht auf Irrtum. Das ,,Beleg" einer Eintragung kann nicht nur in einer Originalstandesurkunde, sondern auch in einer photographischen Wiedergabe, einer authentischen Abschrift, in irgendeiner Urkunde, im Falle des § 27, Absatz 2, selbst in der blossen schriftlichen Weisung der Aufsichtsbehörde, eine Eintragung vorzunehmen, bestehen. Es ist deshalb nicht erforderlich, dass die Originalstandesurkunde, deren Inhalt einem Eintrag zugrunde liegt, unter allen Umständen auch das Beleg für die Eintragung bilde. Übrigens würde der behauptete Beschwerdegrund ohne weiteres dahinfallen, wenn die tessinische Behörde von der ihr zustehenden Möglichkeit Gebrauch machen würde, sich eine Geburtsurkunde des Rekurrenten auf diplomatischem Wege zu beschaffen.

Was endlich die Heranziehung des Kreisschreibens vom 29. September 1905 anbelangt, so geht sie deswegen fehl, weil das Kreisschreiben
ausschliesslich Bezug hat auf den Zivilstandsaktenaustausch zwischen der Schweiz und gewissen fremden Staaten. Abgesehen davon, dass Argentinien, das etwa in Betracht fallen

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könnte, darin nicht erwähnt ist, so kann im vorliegenden Fall schon deswegen nicht auf das Kreisschreiben abgestellt werden, weil die Geburtsurkunde des Luigi Domingo De-Marchi nicht auf dem Wege des zwischenstaatlichen Zivilstandsaktenaustausches in die Hände der Tessiner Regierung gelangt ist, sondern infolge Vorlage seitens des Interessenten selber.

Aus diesen Gründen wird erkannt: Die Beschwerde wird abgewiesen.

B e r n , den 23. Oktober 1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Für den Bundespräsidenten:

Decoppet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schatzmann.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 23. Oktober 1918.)

In den eidgenössischen Medizinalprüfungen werden folgende Ersatzwahlen getroffen : Suppléant des Ortspräsidenten von Basel: Herr Dr. med. J.

Karcher, praktischer Arzt und Mitglied der Universitätskuratel, in Basel; Suppleantèn der Kommission für die naturwissenschaftlichen Prüfungen für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte in Basel, die Herren: Dr. Naum Lebedinsky, Privatdozent für Zoologie, in Basel, und Dr. Albert Huber, Lehrer an der obern Realschule, in Basel.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde des Advokaten Emilio Bossi, namens des Luigi De-Marchi, in Lugano betreffend einen Eintrag im Zivilstandsregister B. (Vom 23. Oktober 1918.)

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1918

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44

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30.10.1918

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753-758

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