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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen zum Beschluss vom 12. Juli 1918 betreffend Massnahmen der Kantonsregierungen zur Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung.

(Vom 16. August 1918.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Da sich über die Tragweite des Bundesratsbeschlusses vom 12. Juli 1918 betreffend Massnahmen der Kantonsregierungen zur Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung Meinungsverschiedenheiten ergeben haben, sehen wir uns veranlasst, Ihnen unsere Auffassung zur Kenntnis zu bringen.

Es hat sieh gezeigt, dass mehrere Kantonsregierungen nach der Gesetzgebung ihres Kantons zur Anordnung wirksamer Massnahmen gegen die immer zahlreicher werdenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung nicht befugt sind. Die Rücksicht auf die innere und äussere Sicherheit des Landes verlangt aber gebieterisch, dass solche Unruhen energisch bekämpft werden.

Der Bundesratsbeschluss vom 12. Juli 1918 will den Kantonsregierungen die gesetzliche Grundlage zur Anordnung aller für die Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung notwendig werdenden Massnahmen schaffen. Die Kantonsregierungen haben selbständig zu entscheiden, welche Massnahmen sich zur Vermeidung und Unterdrückung von Unruhen nach den gegebenen Verumständungen als notwendig erweisen. Der Bundesratsbescblussführt nur die nächstliegenden Massnahmen (Überwachung und Verbot von Versammlungen und Umzügen, Verbot und Auflösung von Zusammenrottungen und Ansammlungen) besonders auf. Die Massnahmen der Kantonsregierungen können nur dann wirksam werden, wenn die Widerhandlungen hiergegen mit empfindlichen Strafen belegt werden. Der Bundesratsbeschluss bringt durch die-

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Straf bestimmungen des Art. 2 zum Ausdruck, dass die Widerhandlungen als Vergehen und nicht als blosse Polizeiübertretungen bestraft werden sollen. Erfüllt die Widerhandlung den Tatbestand eines schwereren Deliktes des Bundesstrafrechts oder der kantonalen Rechte, so sind diese Strafbestimmungen anzuwenden. Für Delikte, die bei einer Ansammlung oder Zusammenrottung begangen werden, kommen neben der Strat'bestimmung des Art. 2 die auf diese Delikte bezüglichen Bestimmungen des kantonalen Rechtes oder des Bundesstrafrechtes zur Anwendung.

Der Bundesratsbeschluss richtet sich gegen keine Partei und keinen Teil der Bevölkerung und ebensowenig gegen verfassungsmässige Rechte der Bürger. Die Massnahmen, die den Kantonsregierungen zur Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung an die Hand gegeben werden, sind lediglich bestimmt, die Wiederholung von Ruhestörungen, wie sie in Zürich, Basel und Biel vorgekommen sind, zu verhindern oder solchen Vorkommnissen wirksam zu begegnen. Der Bundesrat erwartet, dass die Kantonsregierungen solchen Ruhestörungen energisch entgegentreten.

Versammlungen, Umzüge und ähnliche Veranstaltungen, bei denen keine Störung der Ruhe und Ordnung zu befürchten ist, sollen dagegen von keinen behördlichen Massnahmen getroffen werden.

Die Kantone sind in erster Linie berufen, für Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dem Ermessen ihrer Regierungen muss es daher auch anheimgestellt bleiben, welche Massnahmen sie für geboten erachten.

Wir benutzen auch diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 16. August 1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schatzmann.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen zum Beschluss vom 12.

Juli 1918 betreffend Massnahmen der Kantonsregierungen zur Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung. (Vom 16. August 1918.)

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1918

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21.08.1918

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373-374

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