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Schweizerisches Bundesblatt.

X. .Jahrgang. .I.

Nr. .....

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18. Januar 1858.

Bundesrathsbeschluß, über

die Beschwerde der Regierung von Luzern gegen diejenige von Schaffhausen, betreffend die Gültigkeit der von Joseph Schmidlin von Triengen eingegangenen Ehe.

(Vom 1. Juni 1857.)

Der

schweizerische Bundesrath hat

in Sachen der Regierung von Luzern gegen diejenige von Schaffhausen, betreffend Gültigkeit der von Joseph Schmidlin von Triengen eingegangenen Ehe ; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements, und .nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben: 1. Laut Urkunde, d. d. Schaffhausen 12. Juli 1856, haben der seit 2l. Mai gl. J. mit Niederlasfungsbewilligung in Schaffhausen wohnhaft gewesene Jos. Schmivlin von Triengen, Kts. Luzern , und die Witwe Maria Elisabetha von Regler, geb. von Waldkirch , von Schaffhausen, sich die Ehe versprochen, wobei festgestellt wurde, daß die Kopulation binnen einem Monat stattfinden müsse ., der all fällig reuige Theil habe dem andern eine Entschädigung von Fr. 5000 zu bezahlen ; endlich anerkennen beide Kontrahenten S c h a f f h a u f e n als Gerichtsstand. Die Aechtheit der

Unterschriften , so wie daß Schmidlin zugleich uber die Jdentität seiner

Person sich ausgewiesen habe, ward durch die Staatsranzlei Schaffhauseu

.am 14. Juli 1856 bezeugt.

2. Am .'. August 1856 stellte der Gemeindexath von Triengen zwei Erklärungen ans , einerseits , daß gegen die Ehe zwischen vorbenannten Personen kein Hinderniß bestehe und daß allen dortseitigen Gesezen und Regierungsverordnungen über die ,,Ehebefngniß.. Genüge geleistet sei; andererseits, daß nach §. 46 des bürgerlichen Gesetzbuches die Braut den Ge..

Bundesblatt. Jahrg. X. Bd. I.

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^ schlechtsnamen und das Ortsbürgerrecht des Bräutigams erhalte und da^ die Ehe mit allen Folgen dort rechtlich anerkannt werde. Auch ertheilte.

der Regierungsrath des Kantons Luzern am l. August 1856 ,,in Beobachtu^.g des Konkordats über Eheeinsegnungen und Kopulativ....scheine, vom.

4. Heumonat 1820 und l 5. Heumonat 1842^) die Bewilligung, ,,nach

Vorweisung der Verkündigungsfcheine^ die Ehe außer dem Kanton Luzeru.

einsegnen zu lassen.

3.. Aln 3. August 18.^ w^rd fragliche E^ iu der Pf^rr^rche zu.

Triengeu verkündet, und es stellte das dortige Pfarramt am 3. und 8. August hierüber Zeugniß aus, am leztern Tage verbunden mit der.

Erklärung, daß nun ,,eben dieselbe ..^heverkündigung dureh den betreffender^ Psarrgeistlichen in Schaffhausen auf übliche Weise kann vorgenommen werden...

4. Diese Ehevexkündignng fand jedoch in Schaffhausen nicht statt ..

auch machte Schmidlin von der Bewilligung, die Ehe außer dem Kanton ^uzern einsegnen zu lassen, keinen Gebrauch, sondern ^s ward die Kopu^ lation zu Triengen, Kts. Luzern, am 6. Oktober 1856 dureh den dorti^ gen Ortsgeistlichen, nach den Gebräuchen der katholischen Kirche, vollzogen,

und es ertheilte nachträglich der Nuntius oder geistliche Geschäftsträger des^ apostolischen Stuhls die l^ispensatio super disparitale cultus, wodurch nach dem Zeugnisse des Pfarramtes Triengen vom 12. Oktober 185^ ,,das Ehehinderniß , welches wegen Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses noch im Wege stand, aufgehoben und der ehelichen Verbindung dex^ Obgenannten von Seite der Kirche Kraft und Bestätigung gegeben.. wurde.

5.^ Am 15. Oktober 1856 machte dann der Gemeinderath von Triengen dem Stadtrath von Schaffhausen Mittheilung von der am 6.

gleichen Monats vollzogenen Kopulation, mit dem Gesuche, daß über das.

Vermögen der iezigen Frau Schmidlin eine Jnventur gezogen und eine Ver^ mögensübergabe bewerkstelligt werden möchte. Wenige Tage später war^ auch das Departement des Jnnern des Kantons Luzern mit dieser Sache^ behelligt, welches seinerseits am 22. Oktober das Wai^engericht der Stadt^ Schaffhausen um Aufschlug ersuchte. Der Stadtra^h sowol als das Waisen^ gericht haben jedoch das Gesuch abgelehnt, im Wesentlichen übereinstim^ mend ans dem Grunde, weil dortseits die Ehe der Frau von Ziegler mit^

Joseph Schmidlin nicht als gültig und somit auch nicht als rechtswirksam

angesehen werden könne, indem hiebei weder die Vorschriften des Konkor^ dates vom 4. Juli 1820, noch diejenigen des Schaffhausenschen Ehegefezes.

.^. 24, 29, 30, 40 und 45 erfüllt worden, welche Vorfchristen um s^ mehr hätten beobachtet werden sollen, als die Frau von Ziegler bevogtet und verwitwet, und der Verlobte Niedergelassener in der Stadt Schaffhausen sei, fom.t beide unter dortiger Jurisdiktion stehen.

6. Jn Folge dieser Weigerung entspann sich zwischen den Reg..e^ rungen der Kantone Luzern und Schaffhaufen eine Korrespondenz, die inde^

^ Siehe ältere ofsiz. Sammlnng, Bd. 11, S. 24 und Bd. III, S. 204.

17 ^u keinem Resultate führte, vielmehr die Folge hatte, daß die Regierung .von Lnzern unterm 26. Jänner d. J. an den Bundesrath gelangte, mit ^em Gesuche, daß, in Anerkennung der Gültigkeit der erwähnten Ehe, die Regierung von Schaffhausen angehalten werden möchte, das Vermögen der.

Frau von Ziegler herauszugeben und den gegen sie angehobenen Bevogtigungspxozeß aufzuheben, intern aber jedenfalls bis zur definitiven Erledigung ihrer Beschwerde zu sistiren.

Die Kompetenz des Bundesrathes glaubt die Regierung von Luzer...

Dadurch begründet, daß es sieh um Auslegung des Konkordates vor^ 4.. Juli 1820 und des Nachtrages dazu vom 15. Juli 1842 handle.

Sie glaube nämlich, es könne das leztere, wodurch ersteres wesentlich modisizirt worden , und das nun hier allein maßgebend sei , nicht in dem Sinne Geltung haben, daß die Ehe (wie Schaffhausen behaupte) ungültig erscheine , weil nicht auch ein Verkündfchein aus der Heimath der Braut vorgelegen ha...^ ^iefe Auslegung widerstreite sowoi der Luzerniseheu Praxis, als auch der Anschauungsweise anderer Kantone, z. B. ^. 95 des Zivilgesezbuches für den Danton Zürich. Der Kanton des Bräutigams erscheine in einem Falle, wie der vorliegende, allein betheiligt. Wenn dieser kein Bedenken trage, die fremde Braut als Bürgerin aufzunehmen, so liege in dem Mangel einer Bescheinigung von Seite ihres Kantons k^in Hinderniß sür die Ehe. Aus diesem Grunde gerade fei die durch das Konkordat vou l 820 geforderte Erklärung des Heimathkanlons der Braut durch das Kontordat von 1842 beseitigt worden.

Uebrigens würde a..s dem Mangel der Verkündung der Ehe in der Heimaih der Braut , j.. selbst beim Mangel jeglicher Verkündung weder n^ch geistlichen, noch nach weltlichen Gesezen eine Ehe ungültig sein. Der Zwek der erwähnten .Konkordate fei einzig der, die Folgen unregelmäßiger Kopulationen und insbesondere allfällig daraus entstehende Heimatlosigkeit von den konkordirenden Kantinen abzuwenden, wie dieß aus dem (l 842 in Kraft verbliebenen^ ...trt .' des Konkordates von 1820 sich ergebe. Jn Dieser Begehung könne aber Schaffhausen ^ch vollständig beruhigt halten d. rch d^e Erklärung des Gemeinderathes von ^riengen, welche von ihr (der Regierung von Luzern) die Bestätigung erhalten. daß die Witwe von Ziegler das Ortsbürgerrecht ihres Bräutigams erhalte und als Bürgerin von Triengen
zu ..allen Zeiten anerkannt werde.

Wenn aus der Nichtbeachtung der Schaffhausenscheu Geseze die UuGültigkeit der Ehe gefolgert werden wolle, so müsse entgegnet werden, daß die Geseze d^s Heimathkantons des Bräutigams die maßgebenden seien.

Da diese in der Hauptsache mit jener von Schaffhaufen, so weit sie nicht durch die Konkordate modifizirt worden, übereinstimmen, so erscheinen auch die le^teru als erfüllt.

Auch aus der Bevogtigung der Frau Schmidlin könne Nichts folgen; denn die am i 8. August v. J. vom Waisengericht der .^tadt Schaffhausen erkannte Bevormundung fei durch die dortige Regierung am ^7. September .wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben worden, und der erst nach

18 erfolgter Verehelichung eingeleitete Bevogtigungsprozeß könne -- abgesehen vvn der streitigen Kompetenz -- aus das frühere Eheversprechen und die seitherigen Schritte keine rükwirkende Kraft üben.

7. Die Regierung des Kantons Schaffhaufen beantwortet die Eingabe der Regierung von Luzern dahin: Sie anerkenne zunächst die Kompetenz des Bundesrathes für Prüfung ^er Frage, in wie weit bei der fraglichen Trauung die Vorschriften der Konkordate von 1820 und 1842 innegehalten worden feien, ,,müsse aber ..für den Fall der Verneinung diefer Frage und der hieraus abzuleitenden^

.^Nichtverbindlichkeit diese Ehe als unbedingt gültig anzuerkennen, die

..Würdigung der dem Abschlusse einer Ehe zwischen den genannten Personen ^etwa entgegenstehenden, aus der Person der Witwe Elisabetha von Ziegler, ..beziehungsweise ihrer natürlichen Rechtsfähigkeit beruhenden Hindernisse ..mit aller Entschiedenheit den durch Verfassung und Geseze des Kantons ^.Schaffhaus^n hiemit betrauten Behörden vorbehalten.^ Jn der Hauptsache wird darauf hingewiesen , daß die Regierung von Luzern von vornherein verzichtet habe, aus den Worten des hier maßgebenden Konkordates von l 842 ,,Vorweisung der erforderlichen Verkündungs...scheine und einer Erklärung der Regierung des heimathlichen Kantons ...des Versprochenen (Bräutigams)^ zu folgern, es sei hierunter nur der Vertundungsschein des Bräutigams verstanden. Gegenüber einer solchen unzweideutigen Konkordatsbestimmung könne aus die allfällig einer andern Auslegung günstigen Praxis anderer konkordirenden Kantone nichts ankommeu. Uebrigens seien gerade die Bestimmungen der ^. ^, 103 und 111 des privatrechtlicheu Gesetzbuches für den Kanton Zürich der Ansicht von Luzern entgegen, indem auch dieses Gesez das Ausgebot am Heimathsund Wohnorte beider Verlobten vorschreibe und die Trauung nur gestatte, wenn hierüber gehöriger Ausweis vorliege und allfällige Einbrachen erle^ digt seien. Nur aus besondern Gründen, wo einzelne formelle Vorschriften, z. B. das Aufgebot in der Heimath eines Verlobten, nicht erfüllt werden k ö n n e , sei das Obergericht ^nötigenfalls im Einverständniß mit dem Regierungsrath , ..^^ä.^i^t, diese zu erlassen und durch andere passende Anordnungen zu erfezen.

Das Konkordat von 1842 habe neben einer Vereinfachung der Vorschriften des Konkordates von 1820 doch das Requisit der ......e.^uuduugsscheine (Mehrzahl) beibehalten, dagegen statt der Erklärungen beider Verlobten nur diejenige der Regierung des Bräutigams beibehalten, da wirklich, so weit es die staatliche Stellung der neuen Ehe betreffe, nur diefe dabei iutereffirt erscheine. Anders verhalte es sich aber mit denjenigen Hindernissen, ,,welche aus Grund privatrechtlicher Beziehungen beider Verlobten ,,dem Abschluß einer Ehe ^wischen ihnen sich entgegenstellen und deren ^Nichtvorhandensein n..^ durch eine vorhergehende Bekanntmachung am ,,Heimaths^ und Wohnorte beider Verlobten konstatirt werden tonne. ^ Durch di... minde^ens ..ulpose Nichterfüllung des Konkordates von 1842 haben die aus den privatrechtlichen Beziehungen der Witwe von Zieglex

1^ ^ich ergebenden Hindernisse nicht beseitigt, somit auch die Einsprachsrechte dritter Personen, die erst durch das Aufgebot Gelegenheit zu ihrer Geltendn.achung erlangt hätten, nicht verwirkt werden können. Die Ansicht der Regierung von Luzern sei ganz richtig, daß aus der mangelhaften, beziehungsweise vollständig unterlassenen Verkündung der Ehe am Heimathsorte der Braut noch keineswegs die Ungültigkeit der Ehe an sich folget es werde daher aus diesem Thatbestande (auch hier übereinstimmend mit ^. 122 der zürcherischen Gesezgebung, welcher mit ..... 174 der Schaff^

hausenscheu völlig gleichlautend sei) nur die Folgerung abgeleitet, daß di^

wegen Unterlassung des Aufgebotes nicht zur Geltuug gekommenen Ein^ sprachen gegen die Vollziehung der Ehe auch jezt noch in demselben Um...

fange, in derselben Weise und mit derselben Wirkung, als hätte die Trauung noch nicht stattgefunden, geltend gemacht werden können.

Nach Schaffhausenschem Eherechte können nun gegen Heirathen Ei^wendungen erhoben werden, ^aut ^. 24. 2, ,,wenn einem oder beiden Ver...lobten anerkannte Liederlichkeit oder notorischer Hang zum Trunke zur Last ..säll^ und laut ..'.. 25 leg. cit. können ,,wegen Verschwendung bevvx,,mundete Personen ohne Bewilligung der Vormundschaftsbehörde keine ,,rechtsgültige Ehe abschließen.^ Auf diese geseze gestüzt, seien nun wirklich Einsprachen angemeldet worden: l) von dem Waisengerichte der Stadt Schaffha^sen, als Vormundschaftsbehörde der Frau von Ziegler, und von dem Vogte derselben; 2) von Herrn Stadtrathspräsident von Ziegler, als Vogt ihrer einigen Tochter aus erster Ehe, und ihrem Bruder, Hrn. Stadtrath von Waldkirch, für sich und im Namen ihrer übrigen nächsten Anverwandten ; 3) von dem Stadtrath Schaffhausen, als Heimathsbehörde der Frau von Ziegler.

Wenn nun auch dem aus ..... 24. 2 hergeleiteten Einsprachsgrunde keine selbstständige Bedeutung beigelegt zu werden vermöge, da durch die Ehe Frau von Ziegler ans ihrem bisherigen Gemeinde und Staatsverbande austrete und bei Verarmung demjenigen ihres Ehernannes zur Last falle; wenn auch ferner den Kollateralen und der Tochter nach ^. 24 des Eherechtes kein Einsvrachsrecht zustehe, so seien dennoch nach ^. 214 b.

leg. cit. allein d^e ^chaffhausenschen Gerichte kompetent, hierüber zu eut-

scheiden. Dasselbe sei der Fall bezüglich auf die übrigen Einsprachen, und

namentlich auch bezüglich auf die Bevormundung der Frau von Ziegler ; denn ein Entscheid anch über leztere stehe nach dem für Schaffhausen und Luzern ebenfalls verbindlichen Konkordate vom 15. Juli 1822^ nur dem Heimatbsorte zu, und es sei unrichtig, daß der Bevogtigungsprozeß erst nach der Kopulation Angeleitet worden sei.

Die Regierung von Schaffhausen schließt mit de... Antrag.. , es möge das .Besuch der Regierung von Ludern in allen Theile^ abgewiesen werden.

<^. Bezüglich der Bevormundung der Frau r^on Ziegler ergibt sich aus der eben erwähnten Vernehmlassung der Regierung von Schaffhau^ *^ Aeltere ossiz. Sa.nml.ing, B.. II, S. .^.

^0 und den übrigen Akten, daß auf Klage mehrerer Anverwandten das Waisengericht der Stadt Schaffhausen am 16. Juli 1856 beschlossen hat, es sei die frühere Geschlechtsbeistandschast derselben in eine Vogtsehaft umznwandeln u..d sei Herr Verhörrichter is^r. von Waldkirch als deren Vogt eruannt. Aus erhobenen Rekurs der Frau von Ziegler hat der Regieruugsrath, weil sie vorher nicht einvernommen worden, diese Angelegenheit an das Waisengericht zurükgewiesen, behufs Ergänzung dieses Mangels. Am 18. August fand dann förmliche kontradiktorische Verhandlung vor Waisen..

Bericht statt, bei welcher Frau von Ziegler verbeiständet war durch H^rru Fürsprecher 1^r. Schauberg in Zürich. Hiebei wurde zur Begründung der .Bevogtigung in Betracht gezogen: Frau von Ziegler stehe im Begriffe in die Ehe zu treten mit einem schlecht beleumdeten Menschen, der schon wiederholt zuchtpolizeilich bestraft worden, ohne Vermögen und Erwerb, ja selbst bis dahin ohne bestimmten Wohnort gewesen sei, was als eine solch^ leichtsinnige und übereilte Handlung angesehen werden müsse, daß sie hierdurch nicht nur ihre Ehre und guten Namen, sondern auch ihre ganze moralische und ökonomische Stellung auf^ Spiel seze, somit ein gefahrdrohendes Vorhaben hege, das in seinen Folgen einer verfchwenderifchen Handlungsweise gleich zu schäzen sei und die frühere gute Vermögensobsorge nicht mehr er^ warten lasse, daher die staatliche Obsorge nöthig und durch ^. 3, Litt. g, 10 und 14 ^es Vormundfchafts.zesezes gerechtfertigt erscheine, indem die Bevogtigung überhaupt den Zwek habe, vor ökonomischem und moralischem Ruin zu schüzen, und daher nicht erst eintreten dürfe, wenn das Unglük schon vorhanden sei. Das Waisengericht hat daher seinen Beschluß über .Bevogtignng der Frau von Ziegler vorn 1.'. Juli bestätigt.

Aus abermaligen Rekurs hat die .Regierung von Schaffhansen am 17. September 1856, erwägend, daß nach Art. 10 des Vorn.undschasts^ gesezes die Waisenbehörden, wenn sie in Fällen, wo ein Ehemann stirbt.

für die Vogtschaft entscheiden, den Vogt s o f o r t zu bestellen haben: daß aber eine nachträgliche Vogtschaft über eine Witwe unter veränderten Umständen nicht ausgeschlossen sei , der Entscheid in einem solchen Falle aber uicht in das Gebiet der Administrativbehörden gehöre, --. erkannt: ,,Es

..fei die endgültige Entscheidung der Klage der Verwandten der Frau Maria

^Elisabetha von Ziegler, geb. von Waldkirch, anfBevogtigung derselben, ..nicht Sache der ^dministrativbehörden , beziehungsweise des löblichen ,,Waisengerichts der Stadt Schaffhausen. .^ 9. Jn Folg.. dessen haben die Verwandten der Frau von Regler ihre Klage bei dem Waisengerichte wiederholt, und zwar nun gestüzt ans ^ . 1 4 und 16 des V.^rmundfchastsgesezes bei der auf 25. September eingeräumten Verhandlung, in Wiederholung der früher vorgetragenen Begründung, den Antrag gestellt, daß nunmehr die Bevogtigung förmlich ausgesprochen und nach Anleitung jener Gesezesbestimmungen an die zuständige Gerichtsstelle.

überwiesen werden möchte. Frau von Ziegler ward auf genannten 25. September ebenfalls vorgeladen, erschien jedoch nicht, sondern gab die schrist^

2I ..iche Erklärung ein , daß fie nicht freiwillig unter Vogtschaft trete, sondern ^s auf den gegen fie zu führenden Prozeß ankommen lassen wolle.

Das Waisengericht fand in dem Vorhaben der Frau von Ziegler, ^.en Joseph Schmidlin zu ehelichen, einen der Verschwendung gleichkommen.den Leichtsinn. der den Verdacht rechtfertige, daß fie in der Folge ihr Vermögen zu Grunde richten werde, weßhalb fie vorläufig bevogtigt un.^ sodann gerichtlich als Verschwenderin erklärt werden müsse, erkannte daher die Bevogtigung , ernannte Hrn. Verhörxichter l^r. von Waldkirch zum Vogt, mit dem Auftrage, bei der zuständigen Behörde auf Genehmigung .dieser Bevogtigung anzutragen und Frau von Ziegler als Verschwenderin erklären zu lassen, und verordnete ferner, nach Anleitung von .^. 16, die Veröffentlichung dieses Beschlusses, was dann im Amtsblatte für den Kanton Schaffhausen Nr. 39 vom 27. September 1856 geschah. Durch diese Publikation wird ,,Jedermann vor allem Verkehr mit der Bevogteten unter .^der Androhung verwarnt, daß für den Fall diese Bevogtigung die gerichtBliche Bestätigung erhält , alle nach gegenwärtiger Bekanntmachung , be... ziehungsweise derjenigen vom 16. Juli dieses Jahres, mit derselben ^abgeschlossenen Rechtsgeschäfte ungültig erklärt und ganz so beurtheilt wer^deu würden wie diejenigen. welche nach der definitiven Bevogtigung ein^gegangen werden...

10.

Unter Berufung auf diese Vorgänge bemerkt die Regierung vou Schaffhausen weiter, daß auf erfolgte Weigerung der Frau von Ziegler, ^ch dieser leztern Schlußnahme zu unterziehen, am 29. September die Klage auf Bevormundung bei dem für deren Benrtheilung zuständigen Bezirksgerichte Sehaffhausen eingeleitet worden, wo sie zur Zeit noch pendent ^sei, indem Frau von Ziegler seit der am 6. Oktober erfolgten konkordats^vidrigen^ Kopulation als nunmehrige angeblich Luzernerische Staatsangehörige ihr Erscheinen verweigere; nach ^ . 1 4 , 15 und 16 des Schaffhausenschen Vormundschaftsgesezes treten aber die Wirkungen der BevorRundung sofort mit der Erkanntniß der Waisenkommifsion ein, und während ^. 25 des Eherechtes bestimme , daß wegen Verschwendung bevormundete ^Personen ohne besondere Bewilligung der Vormundschaftsbehörde keine rechtsgültige Ehe eingehen können, räumen zugleich die ^. 167 und 1^8 des gleichen Gesezes das Recht ein, daß eine ohne solche
Zustimmung von einem ^Bevogteten abgeschlossene Ehe stets als ungültig angefochten werden könne.

Die Regierung von Schaffhausen hebt daher als besonders maßgebend her^or, daß die lezte Schlußnahme der städtischen Waisenbehörde am 25. September erlassen und am 27. im Amtsblatt publizirt worden sei, daß somit Frau von Ziegler durch die erst am 6. Oktober erfolgte Kopulation nicht .in gültiger Weife habe die Ehefrau des Joseph Schn.idlin werden können, ^so lange nicht die Bevormundung gerichtlich aufgehoben oder die Einwilli.gung der Waifenbehötden ertheilt sei.

11. Die in den erwähnten Beschlüssen der Waisenbehörden enthal^en Qualifikationen des Jos. Schmidlin stüzen sich laut den betreffenden

22

^

Protokollen auf folgende Thatsachen : Joseph Schmidlin werde von einzelnem Privatpersonen ,,als Betrüger, Schuldenmacher und Verführer, ^ als ein ,,höchst .

unzuverlässiger und leichtsinniger Mensch.. bezeichnet, der voll Schulden steke.

und demnach durchaus kein Zutrauen verdiene, der sich überdieß erst neuerdings wieder in Zurich eines Diebstahls von Bettdeken und Nas.tüchern verdächtig gemacht habe; der sich angemaßt, ohne Auftrag für den Geschäftsreisenden.

eines Handlungshauses in Aarburg sich auszugeben und Bestellungen aufzunehmen; ja selbst seit seinem Aufenthalte in Schasshaufen als Reisender.

des Hauses R o s e n d o xn sich ausgegeben und Bestellungen gemacht habe, während das Haus zum Rosendorn nicht sein Geschäftshaus, sondern nur sein Miethhaus sei. Ueberdieß habe Schmidlin folgende strafrechtliche Ver^ folgungen erlitten : 1. Sei er durch das Tribunal der Sarine, Kantons Freiburg, am.

10. Juli 1851 wegen Entwendung im Betrage von Fr. 54 a. W.

zu einmonatlicher Zuchthausstrafe verurtheilt worden, wobei in Be^ rüksichtigung gekommen, daß er schon einmal wegen Prellerei min^ dern Betrages bestraft^ noch jung sei und eine schlechte Erziehung genossen habe.

. ^ 2. Jm Jahr 18^2 fei er daselbst wieder in Untersuchung gestanden^ von der Juch sei jedoch das Nichtschuldig erklärt, woraus seine Schadenersazsorderung abgewiesen worden , weil er nicht rein vor^ allem Verdachte sei.

3. Jm Oktober 1 854 sei er wegen einer von Luzern nach Thun mit^ genommenen Ehaise fammt Pferd polizeilich verfolgt, verhaftet, indeß nach einer Voruntersuchung entlassen und in die Kosten verfällt worden.

4. Am 1l. Mai 1855 sei Schmidliu vor Schwurgericht Zürich wege^ falscher Verzeignng aus Unbesonnenheit (entgegen der von S.^aatsan^ walt und der Anklagekammer angenommenen gerichtlichen Verleumdung) zu einem Jahr Gesangensehaft verurtheilt worden, wovon jedoch die lezten 4 Monate in ein Jahr Landesverweisung verwandelt sein sol^ len, ferner in eine Buße von Fr. 300 und zu Fr. 100 Schaden.^ ersaz und in die Kosten.

Bei der Verhandlung r.or Waisengericht wurde, unter Bezugnahme auf obige Strafen des Schmidlin, von der Klägerfchaft weiter vorgebracht,..

daß er für bedeutende Schulden rechtlich betrieben werde, welche zu be-.

zahlen er außer Stande fei^ und daß er bereits mit einer Katharina Laufen von Eglisau
sich versprochen habe. Wenn nun ungeachtet alles dessen di...

bereits 50 Jahre alie Witwe von Regler auf dem Vorhaben bestehen.

könne, Schmidlin zu heirathen, dem d.ese Verehelichung offenbar eine reine .Spekulationssache sei, so lönne mit Sicherheit angenommen werden. daß.

fie an der Nymphomanie leide, die auf die Sinnes.. und Wil.lensthätigkeit der damit behafteten Perfonen bedeutenden Einfluß übe, und da fie nui...

im Begriffe stehe, ihr Vermögen in e i n e m Mal auf's Spiel zu feze^

so erscheine die .Bevogtigung gerechtfertigt.

12.

Das Bezirksgericht Schaffhausen hat behufs Verhandlung des Bevogtigungsprozesses die Frau von Ziegler auf den 10. November v. J. vorgeladen , und da sie nicht erschien , die Vorladung den 22. gl.

Mts. unter Kontumazandrohung erneuert. Das Obexgericht des Kantons Luzern hat jedoch ihre Weigerung , dieser Zitation Folge zu geben , be-

gründet gefunden , da sie mit Schmidlin förmlich getraut und mithin Luzexnerische Kantonsbürgerin fei,

.

inErwägung: 1. daß das Konkordat vom 4. Heumonat 1820 die Bestimmung enthält , daß die Ehe zwischen dem Angehörigen eines Kanton.^ und der Angehörigen eines andern Kantons nur nach geschehener Vorweisung der Verkündigungsscheine sowol von dem Wohnorte als der Heimath, so wie einer Erklärung der Regierung der Versprochener^ (der Braut), daß kein gesezliches Hinderniß gegen die Ehe obwalte,.

eingesegnet werden solle; 2. daß, um die Vorschriften über die Eheeinsegnungen im Allgemeinen möglichst zu erleichtern, in einem nachträglichen Konkordat vom 15. Heumonat 1842 die Bestimmung fallen gelassen wurde, daß eine nicht dem Heimathkanton des Bräutigams angehörige Braut zur Eheeinsegnung auch eine Erklärung der Regierung ^hxes heimath-.

lichen Kantons, es walte gegen ihre Ehe kein gesezliches Hinderniß ob, beizubringen habe; 3. daß zur genauen Erfüllung aller Formalitäten bei der am 6. Ok.^ tobex 1856 zu Triengen stattgehabten Kopulation zwischen J.

Schmidlin und Witwe Ziegler ein Verkündschein von dem kompe^ tenten Geistlichen aus Schaffhausen, daß die Ehe auch dortseits gehörig verkündet worden, hätte vorliegen sollen, was aber eben nicht der Fall war ; 4. daß aber dieser Mangel nicht von maßgebender Bedeutung ist, weit die Verkündung einer Ehe am Wohnorte der Braut nach bürgen liehen und kirchlichen Gesezen . zwar wol vorgeschrieben, aber nicht.

als so relevant erscheint, daß eine solche Unterlassung die Ungültig^

keit einer sonst gehörig abgeschlossenen Ehe nach sich zieht;

:5. daß auch das angerufene Konkordat in Betreff des Unterlassens vor^ geschriebener Formalitäten nicht von Ungültigkeit der Ehe fpricht ...

sondern nur der. Grundsaz anerkennt, daß alle Folgen unregelmäßig ger Kopulationen auf denjenigen Kanton zurükfallen sollen , in wel^ ehem eine solche Ehe eingesegnet worden ; 6. d^ß die Regierung de^ Kantons Luzern , wo ^ .^he eingesegnet worden, und welchem der Bräutigam heimathrechtig angehört, die^

Erklärung abgibt, daß die Ehe nach dortseitigen Gesezen in geh^

riger Form geschlossen worden und die Frau des Sch.n.idlin für .^lle Zeiten als eine Angehörige der Gemeinde Triengen und des Kanton^

...^ Luzern werde anerkannt werden, wie es das Konkordat vom 9. Juli

1818 bestimmt^);

7. daß , wenn übrigens auf die Ungültigkeit der Ehe nicht ans dem Konkordat fließt und angesichts der Erklärung der heimathlichen Regierung des Mannes dieselbe so lange als gültig anzuerkennen ist, als nicht deren Nullität durch die kompetente Behörde erklärt worden, es doch den kontrahirenden Kantonen und allen bei der Eingehung der Ehe betheiligten Personen ermöglicht sein solle , ihre Rechte in Bezug auf allfällige Hindernisse, beziehungsweise der Gültigkeit der Ehe, geltend zu machen, ansonsten die Nichtbeobachtung des Konkor^ dats begründete Rechte verkürzen könnte; ^. daß, wenn es sich aber frägt, wo solche .Einreden, welche den Be^ stand oder Nichtbestand einer sonst nach den Landesgesezen gültig abgeschlossenen Ehe zum Gegenstand haben, angebracht werden sollen, der kompetente Gerichtsstand hiefür in demjenigen Kantone ist, auf dessen Gebiet und unter dessen Gesezen die Ehe geschlossen worden und wo die Eheleute ihren Hei.naths- und Wohnort haben ; .^. daß Schafshausen mit seiner Einrede,

Witwe

Ziegler sei wegen

Mangels ihrer persönlichen Rechtsfähigkeit zu der Eingehung der Ehe

mit J. Schnndlin nicht befugt gewesen, um so mehr an die Luzeruerischen Behörden verwiesen werden darf, weil der Art. 4 des dortigen bürgerlichen Gesezbuches vorschreibt, daß Fremde, die im Kanton Lnzern ein Geschäft oder eine Handlung vornehmen, in Hinsicht auf ihre persönliche Fähigkeit zu denselben von den Luzernerischeu Gerichten nach den Gesezen des Landes ihrer Herkunft beurtheilt werden sollen , beschlossen: Sosern die Regierung ^on Schasshausen die von Witwe Ziegler, ^eb. W^ldkirch, mit J. Schmidlin eingegangene Ehe mit ihren bürgerlichen Folgen n^cht anerkennen will, so habe sie ihre daherigen Einreden vor den ^mpetenten Behörden des Kantons L u z e r n anznbringen.

Also beschlossen, Bern, den 1. Juni 185.^.

J... Namen des schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräfident : .^. ^oruerod.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

^) S. ältere ossiz. Sammlung, ...d. I, S. ^7.

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Bundesrathsbeschluß, über die Beschwerde der Regierung von Luzern gegen diejenige von Schaffhausen, betreffend die Gültigkeit der von Joseph Schmidlin von Triengen eingegangenen Ehe. (Vom 1. Juni 1857.)

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