632 Art. 8. Zur Auszahlung der Teuerungszulagen, einschliesslich der Konjunkturzulagen an die Arbeiter der Militärverwaltung, werden dem Bundesrat und der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen die nötigen Kredite eröffnet.

Art. 9. Der Bundesrat und die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen werden mit der Vollziehung dieses BeSchlusses beauftragt, soweit es die ihnen unterstellten Verwaltungen betrifft.

Art. 10. Anstände und Einsprachen, die sich bei der Vollziehung dieses Bundesbeschlusses ergeben, werden vom Bundesrat und von der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen endgültig erledigt, soweit es die ihnen unterstellten Verwaltungen betrifft.

Art. 11. Gegenwärtiger Beschluss tritt, als dringlich, sofort in Kraft.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Beteiligung des Bundes an den Vorkehren der Kantone und Gemeinden zur Beseitigung des Mangels an Wohnungen.

(Vom 9. Dezember 1918.)

Wir beehren uns, Ihnen unserer Prüfung des unter erheblich erklärten Postulates Düby und Müller in Bern zu lautet :

mit Gegenwärtigem das Ergebnis dem 27. März 1918 von Ihnen der Herren Nationalräte Grimm, unterbreiten, das folgendermassen

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,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen, ob zur Bekämpfung der infolge der gesteigerten Inanspruchnahme von Privatwohnungen durch die Bundesverwaltung in Bern hervorgerufenen Wohnungsnot der Bund nicht eine Anzahl Kleinwohnungen für das Personal der eidg. Regiebetriebe (Waffenfabrik, Remontendepot) erstellen oder die kommunale Wohnungsfürsorge der Gemeinde Bern durch die Gewährung von Darlehen zu billigem Zinsfuss unterstützen soll."1 Dieses Postulat hat durch Eingaben des Regierungsrates des Kantons Bern vom 19. Juni und des Gemeinderates der Stadt Bern vom 27. Juni eine Präzisierung in folgende Begehren erhalten : 1. Erstellung einer Anzahl Kleinwohnungen für das Personal der eidg. Regiebetriebe (Waffenfabrik, Remontendepot) durch den Bund.

2. Unterstützung der kommunalen Wohnungsfürsorge der Gemeinde Bern durch die Gewährung von Darlehen zu billigem Zinsfuss.

3. Erstellung von Baracken durch den Bund für die Bureaubedürfnisse aller seiner Kriegsorganisationen, Syndikate, Tnternierungs- und Kriegsfürsorgestellen.

4. Erlass einer Verordnung, die geeignet wäre, auch Privatindustrielle dazu zu verhalten, jeweilen gleichzeitig mit der Ausdehnung ihrer Betriebe auch auf die Schaffung von Wohngelegenheiten Bedacht zu nehmen. (Eingabe des Regierungsrates.)

Die Begehren unter Ziff. l und 3, welche Ausführung von Bauten durch den Bund verlangen, unterbreiteten wir zunächst unserer Baudirektion zur Begutachtung. Diese Stelle hat sich ablehnend ausgesprochen, indem sie folgendes ausführte: Die Erstellung von Wohnungen durch den Bund würde bedingen, dass diese Wohnungen von ihm an die Beamten und Angestellten des Bundes vermietet werden. Die bisherigen Erfahrungen mit der Vermietung von Wohnungen in eidgenössischen Gebäuden an eidgenössische Beamte und Angestellte gehen dahin, dass der zu entrichtende Mietzins in den seltensten Fällen einer richtigen Verzinsung der zum Bau und Unterhalt der betreffenden Gebäude notwendigen Kapitalien entspricht. Da die ßaupreise gegenwärtig und in der nächsten Zukunft 60 bis 100 % höher sein werden als vor dem Krieg, könnte von einer auch nur annähernden Verzinsung dieser vom Bund zu erstellenden Wohnhäuser nicht die Rede sein.

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Der Bund war allerdings genötigt, für seine Arbeiter in der Munitionsfabrik in Altdorf in deren Nähe \n einfachster Bauart gehaltene Wohnungen zu erstellen, weil die dortigen Gemeindebehörden nicht in der Lage waren, die dortige Wohnungsfürsorge mit Hülfe des Bundes zu übernehmen.

Es wird kaum möglich und auch nicht notwendig sein, für alle Arbeiter der in Bern bestehenden oder noch einzurichtenden eidgenössischen Regiebetriebe Wohnungen auf Bundeskosten zu erstellen. Ein grosser Teil dieser Bundesangestellten wird nach wie vor auf die von Privaten erstellten Wohnungen angewiesen sein und deshalb einen höheren Mietzins bezahlen müssen. Die Einräumung von Wohnungen an ßundesangestellte würde demnach auf Begünstigung nur eines Teiles der Bundesangestellten hinauslaufen. Es entzieht sich unserm Urteil, ob es im Interesse der eidgenössischen Regiebetriebe liegt, einen Teil der Arbeiter zu begünstigen oder durch Verabfolgung einer billigen Wohnung zu veranlassen, in der Nähe des betreffenden Betriebes zu wohnen.

In ländlichen Verhältnissen, wie sie zum Beispiel in Altdorf vorhanden sind, konnte dem Wohnbedürfnis mit einfachen Holzoder Riegelbauten Genüge geleistet werden, so dass die Einbusse des Bundes an Mietzins nicht so gross ist. Das gleiche System in Bern anzuwenden, wäre nur denkbar, wenn es sich um provisorische Bauten handeln würde, welche nach dem Kriege wieder entfernt werden müssten. Da für die abzubrechenden Gebäude oder deren Materialien nach dem Kriege eine entsprechende Verwendung kaum in Aussicht stände, würde der Vorteil dieser Wohnbauten provisorischen Charakters gegenüber den nach Massgabe der bestehenden Bauvorschriften erstellten definitiven Bauten nur in der bedeutend kürzeren Bauzeit bestehen. Wenn diese Wohngebäude definitiv und in leichter Bauart erstellt werden sollen, so müssten sie ausserhalb des Gemeindebezirkes Bern errichtot werden, an Orten, wo die Gemeindebauvorschriften mehr ländlichen Verhältnissen angepasst sind.

Da anzunehmen ist, dass nach dem Kriege das Bedürfnis nach Wohnungen für die Angestellten der Regiebetriebe bedeutend sinken wird, der Wohnungsbedarf der Gemeinde Bern dagegen sehr wahrscheinlich gleich bleiben oder sich noch steigern dürfte, schiene es uns richtiger, wenn der Wohnungsbau für diese Bevölkerungskreise der Stadt Bern oder gemeinnützigen
Gesellschaften überlassen und sich die Eidgenossenschaft darauf beschränken würde, sich an der Beschaffung der Baugelder zu billigem Zinsfuss zu beteiligen. Die Gemeindebehörden dürften besser in der Lage sein, denjenigen Einwohnern zu Verhältnis-

635 massig billigem Zins Wohnungen zu verschaffen, welche solcher infolge ihrer familiären Verhältnisse (grosse Kinderzahl und dgl.)

am meisten bedürfen und wo es auch im Interesse des Staates liegt, Beihülfe zu leisten.

Es scheint uns, die Verhältnisse der betreffenden Einwohner als Mieter und als Angestellte sollten nicht miteinander vermengt werden, was bei der Erstellung solcher Wohnungen durch den Bund kaum zu vermeiden wäre.

Wir halten deshalb dafür, dass auf die im Postulate der Herren Grimm, Düby und Müller verlangte Erstellung einer Anzahl Kleinwohnungen für das Personal der eidg. Regiebetriebe durch den Bund nicht eingetreten werden sollte.

Was die Verlegung der Bureaux für alle Kriegsorganisationen, Syndikate, Internierungs- und Kriegsfürsorgestellen des Bundes in Baracken anbelangt, möchten wir darauf hinweisen, dass diese Bureaux nunmehr zum grössten Teil untergebracht sind, allerdings zum grössern Teil in Räumen, die vorher zu Wohnzwecken verwendet wurden.

Die Verwendung von Baracken für Bureaux mit provisorischem Charakter wäre für diese Dienstzweige eher denkbar, besonders dann, wenn die Gemeinde Bern das nötige Bauland an günstig gelegenen Stellen vorübergehend zur Verfügung stellen würde.

Die Nachteile, die mit solchen Baracken verbunden sind uud in der Schwierigkeit einer richtigen Beheizung im Winter und des Schutzes gegen die äusseren Temperaturunterschiede im Sommer, sowie in den anderen Übelständen der mit Verhältnismassig geringen Kosten zu erstellenden provisorischen Bauten bestehen, haben jeweilen zur Opposition der betreffenden Verwaltungszweige gegen die Verlegung ihrer Bureaux in Baracken geführt. Diesen Nachteilen könnte allerdings unter Aufwendung grösserer Kosten für etwas bessere Einrichtung derselben begegnet werden. Man darf sich aber nicht verhehlen, dass auch die Erstellung solcher provisorischer Bauten bei den heutigen Materialund Lohnverhältnissen grosse Summen verschlingen würde und für diese Materialien nach dem Abbruch nur ein verhältnismässig geringer Erlös erzielbar wäre.

Neben den zwei oben angeführten Petitionen sind uns im Verlaufe des Sommers eine Reihe ähnlicher Gesuche von ändern Seiten zugegangen.

Durch Eingabe vom 27. August stellte das Initiativkomitee für Gründung einer bernischen Wohnungsbaugenossenschaft das Bundesblatt. 70. Jahrg. Bd. V.

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636 Begehren um Gleichbehandlung von Gemeinden und Genossenschaften bei der finanziellen Hülfeleistung des Bundes für den Wohnungsbau. Unter dem 14. September ersucht uns der Gemeinderat von Thun, wir möchten seiner Gemeinde als Beitrag an die zur Abhülfe des Wohnungsmangels gemachten Geldaufwendungen ein Darlehen zu niedrigen Zinsen gewähren.

Durch Eingabe vom 8. Oktober suchte auch die Zentralstelle Zürich der Gartenstädtebaugesellschaft um Unterstützung nach.

Sie führte aus, dass sie die Wohnungsnot der Arbeiterzentren durch die Bildung örtlicher Baugenossenschaften zum Zweckeder Erstellung freundlicher, solider, permanenter Wohnbauten mit dazu gehörenden Pflanzgärten zu heben bestrebt sei. Durch die Erstellung derartiger Wohnkolonien werden nicht nur materielle Vorteile für den einzelnen Bewohner, sondern grosse ethische und soziale Werte in der Weise geschaffen, dass bei Mithülfe von Gemeinde, Staat und Bund die unnatürliche Bodenspekulation ausgeschaltet werde, weil der Boden meist von der Gemeinde oder vom Staat zur Verfügung gestellt, wenigstens aber in Erbpacht gegeben werde.

Die einzige Hülfe gegen das Wohnungselend bestehe in der Schaffung neuer Wohnungen. Nehme die Kalamität, wie sie z. B.

in Zürich und Bern bestehe, weiter zu, so werde wohl oder übel der Staat bauen müssen.

Dieser werde aber selbst nie rationell bauen können. Um so mehr hofft die Gesuchstellerin, er werde bereit sein, Genossenschaften, die keine Villen-, sondern wirklich Arbeiterwohnkolonien erstellen, tatkräftig zu unterstützen. Bekanntlich werden die in Not geratenen Transportanstalten durch Darlehen, die nur zu 3 °/o verzinslich seien, unterstützt. Das gleiche Entgegenkommen erhofft die Petentin auch für die Arbeiterbaugenossenschaften.

Vermittels Eingabe vom 9. Oktober gelangte ferner der Stadtrat von Zürich mit einem Gesuch um Hülfe gegen die seit zwei Jahren dort drückende Wohnungsnot bei uns ein. Er äussert ebenfalls die Ansicht, dass eine sichere und wirksame Hülfe gegen den Wohnungsmangel nur in der Schaffung neuer Wohnungen bestehe. Alle seine Versuche, die privaten Bauunternehmer zur Wiederaufnahme des Baues von Mietwohnhäusern zu bewegen, seien gescheitert und haben scheitern müssen, weil der private Bauunternehmer bei der Verteuerung des Bauens, die in Zürich 100 °/o überschritten habe, eine Gewähr für eine volle Verzinsung des aufgewendeten Kapitals nach dem Kriege nicht besitze.

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Die Verhandlungen mit gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaften haben ergeben, dass diese nur bauen können, wenn die Stadt nicht nur die zweite Hypothek bis auf 90 °/o der Anlagekosten übernehme, sondern auch sozusagen das gesamte Genossenschaftskapital zeichne und zudem die Deckung der wegen der heutigen ausserord entlichen Baukosten zu ge-wärtigenden Rückschläge übernehme; also tatsächlich selber baue.

In Betracht dessen habe die Stadt Zürich im Jahre 1916 die Vorbereitung zur Erstellung städtischer Wohnhäuser getroffen, sei bis heute, durch die Wohnungsnot gezwungen, auf diesem Wege vorwärts geschritten und in den Jahren 1917 bis 1919 zu einer Ausgabe von rund Fr. 14,000,000 veranlasst worden, ohne zu .einer Entlastung des Wohnungsmarktes zu gelangen.

Es müsse auf den 1. Oktober 1919 eine weitere, erst noch zu beschliessende Wohnkolonie erstellt werden. Zu seinem Bedauern müsse der Stadtrat aber feststellen, dass er völlig ausserstande sei, den weiter nötigen Kriegswohnungsbau zu finanzieren. Die Stadt sei am Ende ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit angelangt.

Entweder müsse nun die Hülfe von Bund und Kanton kräftig einsetzen, oder es höre der Wohnungsbau in der Stadt Zürich auf.

Die Ausgabe für den weiter nötigen Wohnungsbau beziffert die Eingabe auf Fr. 14,000,000 und rechnet darauf, dass die Mithülfe 'von Privaten sich auf einen Beitrag von Fr. 3,250,000 beziffern werde. Mit Bezug auf die ungedeckt bleibende Summe von Fr. 10,750,000 enthält die Eingabe das Gesuch, der Bund möchte den grössten Teil dieses Betrages übernehmen und die Bekämpfung der Wohnungsnot in der Stadt Zürich durch die Gewährung eines zu 2*/a % verzinslichen Darlehens von Fr.

7,000,000 unterstützen. Den Rest von Fr. 3,750,000 soll nach Erachten des Stadtrates der Kanton Zürich unter den gleichen Modalitäten tragen wie der Bund.

Zu den im vorstehenden kurz dargelegten Petitionen hat sich unter dem 29. Oktober noch eine gleichartige des Gemeinderates von La Chaux-de-Fonds gesellt, welche ausführt, dass auf den 31. Oktober 1919 in jener Stadt der Neubau von 100 bis 150 Wohnungen vollendet sein müsse. Um den Preis dieser Wohnungen nicht auf eine unerschwingliche Höhe stellen zu müssen, erwartet die Eingabe ebenfalls die Mithülfe des Bundes sowie der Kantone und fragt an, welchen Betrag die Gemeinde La Chaux-de-Fonds vom Bunde erwarten dürfe.

Die Äusserung unserer Baudirektion, sowie der im vorstehenden kurz dargelegte Inhalt der Petitionen der vorn

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Wohmmgsmangel am stärksten gedrückten Städte zeigen uns, in welcher Weise dem Postulat zu entsprechen ist.

Der Auffassung unserer Baudirektion zustimmend, halten wir dafür, dass die Gemeindebehörden ungleich besser als der Bund in der Lage sind, die Bedürfnisse der Bevölkerung und diejenigen der Beamtenfamilien zu kennen und ihnen entgegenzukommen.

Die hohen Preise für Baumaterial und Arbeit würden den Bund nötigen, zur Amortisierung des in diesen Bauten angelegten Kapitals sehr hohe Mietzinse zu verlangen, so dass die Beamten zweifellos vorziehen würden, in der Stadt oder den Vorstädten bescheidene Wohnungen zu suchen, statt von den vom Bunde dargebotenen Gebrauch zu machen.

Auch die Erstellung von Baracken für Bureauzwecke erscheint für den Bund wegen der grossen Mängel, die diesen Bauten anhaften, nur in den dringendsten Fällen augezeigt. Wenn man für die Unterbringung des Ernährungsamtes zu solchen Bauten geschritten ist, so hat dafür der Umstand gesprochen, dass man für sie noch Verwendung hat, wenn sie nicht mehr für jenes Amt nötig sein werden.

Entsprechend diesem Standpunkte können wir auch nicht auf die in der Petition des Regierungsrates von Bern enthaltene Anregung eintreten, welche den Erlass geeigneter Verordnungen wünscht, um die Privatindustriellen anzuhalten, jeweilen gleichzeitig mit der Ausdehnung ihrer Betriebe auch auf die Schaffung von Wohngelegenheiten Bedacht zu nehmen. Die Aufstellung derartiger Verordnungen würde für den Bund die moralische Pflicht nach sich ziehen, die Privatindustriellen in der Beschaifung von Wohnungen auch materiell zu unterstützen.

Zur Bekämpfung der Wohnungsnot haben wir zudem in anderer Richtung mehrere Änderungen getroffen, von denen folgende hier erwähnt seien.

Ein Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1918 betreffend Bekämpfung der Wohnungsnot durch Beschränkung der Freizügigkeit ermächtigt die Kantonsregierungen, in den unter Wohnungsnot leidenden Gebieten zureisenden Personen, die die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit daselbst nicht hinreichend zu begründen vermögen, die Niederlassung oder den Aufenthalt zu verweigern und ausnahmsweise auch bereits in dem Gebiet wohnenden Personen unter der gleichen Voraussetzung die Niederlassung oder den Aufenthalt zu entziehen. Dadurch kann eine Beschränkung der Zuwanderung und eine Entlastung übervölkerter Ortschaften erreicht werden.

639 Um die in einigen bernischen Gemeinden (Bern, Madretsch, Strättligen) auf den Umzugstermin vom 1. November 1918 zu gewärtigende Obdachlosigkeit vieler Personen und Familien möglichst zu verhüten, haben wir mit Beschlüssen vom 29. Oktober und 4. November 1918 die dortigen Gemeindebehörden unter bestimmten Kautelen ermächtigt, Mietern, die kein neues Obdach finden konnten, nach Prüfung der Umstände das vorläufige Verbleiben in ihren Wohnungen zu gestatten.

Ferner gibt der Bundesratsbeschluss vom 8. November 1918 betreffend Inanspruchnahme unbenutzter Wohnungen den Kantonsregierungen die Möglichkeit, in den unter Wohnungsnot leidenden Gebieten Wohnungen und zu Wohnungen sich eignende Räume, welche unbenutzt sind oder zu ändern als Wohnzwecken benutzt werden, ohne dass der Eigentümer hierfür triftige Gründe darzutun vermag, zwangsweise zuhanden der Gemeinde für die Unterbringung obdachloser Personen und Familien in Anspruch zu nehmen, damit alle bewohnbaren Räume soweit als möglich ausgenützt werden.

Endlich beschäftigt sich das Volkswirtschaftsdepartement zurzeit mit der Prüfung der Frage, ob nicht in Ausdehnung des Bundesratsbeschlusses vom 23. September 1918 betreffend den land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaftsverkehr auch der Handel mit städtischen Liegenschaften Beschränkungen zu unterwerfen sei, die geeignet wären, der Häuserspekulation und ihren nachteiligen Folgen entgegenzutreten.

Nach der Ablehnung der ersten Anregung des Postulates, welche wünscht, dass der Fund selbst zum Bau von Wohnungen schreite, bleibt noch zu entscheiden, ob und eventuell in welcher Weise er die kommunale Wohnungsfürsorge der Gemeinde Bern, beziehungsweise aller vom Wohnungsmangel heimgesuchten Gemeinden unterstützen wolle, Bei der ausserordentlichen, durch die Zeitereignisse herbeigeführten wirtschaftlichen Lage haben wir dem Gesuche von vornherein grundsätzlich zustimmen müssen, und es galt für uns nur die Form zu suchen, in der die Hülfe des Bundes zu bringen sei. Hierzu sind, wie schon angedeutet, die oben angeführten Eingaben wegleitend geworden.

Wir haben denn beschlossen, Ihnen die Unterstützung des Wohnungsbaues vermittels Gewährung von Vorschüssen zu geringem Zins und auf lange Frist vorzuschlagen. Die Unterstützung des Bundes soll in jeglichem Falle aber, nur eintreten zu einem Dritteil der Bauausgaben und unter der Bedingung,

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dass der Kanton und die Gemeinde, auf deren Gebiet die Wohnungsbaute aufgeführt wird, auch je einen Dritteil an die Ausgaben beitragen.

· Der Bund verhandelt bei der Gewährung der Unterstützung nur mit den Kantonen, und auch sie allein sind ihm für die Rückzahlung der Vorschüsse verantwortlich. Es würde für ihn zu weit führen, wenn er sich auf direkte Verhandlungen mit Gemeinden und Baugenossenschaften einlassen wollte. Dagegen bleibt es den Kantonen und den Gemeinden unbenommen, mit Baugenossenschaften direkt zu verhandeln und sie an der Bundesunterstützung teilnehmen zu lassen.

Als Totalbelauf der Bundeshülfe nehmen wir vorläufig eine Summe von zehn Millionen in Aussicht. Sollte er der Entwicklung des Wohnungsbaues nicht genügen, so behalten wir uns vor, mit einem Antrag um Erhöhung einzukommen.

Eine Organisation der Bundesunterstützung des Baues von Wohnungen in oben dargelegter Weise halten wir als geeignet, den dringendsten Bedürfnissen rasch entgegenzukommen. Anderseits scheint sie uns durch die starke Heranziehung der Kantone und Gemeinden auch die Gewähr zu bieten, dass die Gelder in wirklich zweckentsprechender Weise verwendet werden.

Diese Organisation der Bundeshülfe haben wir im folgenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss über den Gegenstand niedergelegt und empfehlen Ihnen daher solchen zur Gutheissung.

B e r n , den 9. Dezember

1918.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Calonder.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

641 (Entwurf.)

Bundesbeschlnsa betreffend

die Beteiligung des Bundes an den Bestrebungen der Kantone und Gemeinden zur Linderung der Wohnungsnot.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsichtnahme einer Botschaft des Bundesrates vom 9. Dezember 1918, beschliesst: Art. 1. Dem Bundesrate wird ein Kredit von 10 Millionen Franken eröffnet für Unterstützung der Kantone und Gemeinden zur Linderung des Mangels an Wohnungen.

Art. 2. Der Bund beteiligt sich zu einem Dritteil an den Ausgaben, welche Kantone und Gemeinden zu diesem Zwecke zu machen besohliessen, jedoch unter der ausdrucklichen Bedinguog, dass die Kantone und die Gemeinden je einen gleich grossen Teil an diese Ausgaben ' beitragen.

Art. 3. Diese Vorschüsse werden den Kantonen gegen einen jährlichen Zins gewährt, der 21/« °/o nicht übersteigt, und gegen die Verpflichtung zur Rückzahlung binnen einer Frist von 40 Jahren, welche fünf Jahre nach dem Verfluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Vorschuss bewilligt wurde.

Art. 4. Die Kantone sind dem Bund für die Rückzahlung dieser Vorschüsse allein haftbar. Sie haben sich mit den beteiligten Gemeinden über die auszuführenden Arbeiten unmittelbar zu verständigen.

Art. 5. Dieser Beschluss tritt als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft.

Art 6. Der Bundesrat ist mit dessen Vollziehung beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Beteiligung des Bundes an den Vorkehren der Kantone und Gemeinden zur Beseitigung des Mangels an Wohnungen. (Vom 9. Dezember 1918.)

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Jahr

1918

Année Anno Band

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52

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959

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18.12.1918

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632-641

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