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Bundesblatt 102. Jahrgang

:

Bern, den 12. Oktober 1950

Band III

Ericheint wöchentlich. Preis US franken im Jahr, 15 Franken im Salbjahr zuzüglich Nachnahme-, und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 60 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern

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5921

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie :

(Vom 6. Oktober 1950)

Herr Präsident!

Sehr geehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen mit der beiliegenden Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie zu unterbreiten.

.

L Die Bedeutung der Uhrenindustrie

Die schweizerische Uhrenindustrie bildet einen der Hauptzweige unserer Volkswirtschaft. Sie ist auf einige Kantone konzentriert, nämlich Neuenburg, Bern, Solothurn, Genf; Waadt, Basel-Landschaft und Schaffhausen. Daneben bestehen aber auch einzelne Uhrenunternehmungen im Tessin, Wallis, Freiburg, Aargau und sogar im Kanton Zürich.

Die Sektion für Uhrenindustrie des Generalsekretariats des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements führt ein Register der Uhrenunternehmungen; Ende Juli 1950 waren 2434 solcher Betriebe in diesem Register eingetragen.

Die nachstehende Aufstellung gibt ein Bild über die Zahl der Uhrenunternehmungen, aufgeteilt in Gruppen je nach der Anzahl der beschäftigten Arbeiter.

In % der Gesamtzahl · Unternehmungen, die dem Fabrikgesetz unterstellt Unternehmungen sind und das Recht haben, mehr als 50 Personen zu beschäftigen 269 11,05 Unternehmungen, die dem Fabrikgesetz unterstellt sind und das Eecht haben, höchstens 50 Personen .

· : zu beschäftigen 657 26,99 Andere Betriebe . 1508 61,96 Gesamtzahl der Uhrenunternehmungen Bundesblatt, 102. Jahrg. Bd. III.

2434

100 % 5

54 · '

-

;

Es ist interessant, sich die Zahl der in den Jahren 1989-1949 in der Uhrenindustrie, der Metallindustrie und der Maschinenindustrie beschäftigten Arbeiter vor Augen zu halten. Die folgende Aufstellung gibt hierüber Aufschluss: Uhrenindustrie

Jahr

Metallindustrie

Maschinenindustrie

1929. . . . . . . . . .

48378 38464 76512 1930 .

41784 35 468 76 803 1931 34 679 33178 69 241 1932 28084 29503 59446 1933. .

25393 29142 57546 1934 24733 29967 59507 1935 25 375 29 397 58131 1936 27714 28711 60342 1937.

.

37685 35173 74378 1938 37 425 34 724 75 673 1939 32709 38444 84347 *) 1941 39 248 46 359 109 041 1942 38705 46982 111276 1943 40710 43453 110281 1944 37498 42730 108247 1945 .

42171 43063 106157 1946 48688 49532 116191 1947 49932 55864 124169 1948 49830 57044 132269 1949 48623 55520 116993 Nach einer glaubwürdigen Schätzung exportiert die Uhrenindustrie rund 95 % ihrer Produktion. Diese Tatsache beweist die Bedeutung dieser Industrie für unsere Handels- und Zahlungsbilanz mit dem Ausland.

Aus der nachstehenden Tabelle geht der Anteil der Uhren industrie an unserem Gesamtexport im Laufe der letzten Jahre hervor: Jahr

In Prozent

1938 1944.

1945 1946 1947 1948.

1949

18,30 26,80 33,45 22,60 23,53 21,60 20,30

Verteilt auf die einzelnen Erdteile ergeben sich bezüglich der Uhrenausfuhr für die Jahre 1938, 1947, 1948 und 1949 folgende Zahlen: *) Für das Jahr 1940 wurden die Zahlen wegen der Mobilisation nicht erhoben.

· .

. .

.

55

a. in Millionen Franken ·' '

'

1938

131,8 Europa . . . .

Nordamerika (Vereinigte Staaten, 46,5 Kanada Mexiko) Südamerika und Zentralamerika .

22,3 23.2 Asien 8.9 Afrika 8.6 Ozeanien Total 241,3 1}. in Prozent 55 Europa .

Nordamerika (Vereinigte Staaten, 19 Kanada, Mexiko) Südamerika und Zentralamerika .

9 10 Asien 4 Afrika . .

3 Ozeanien 100

1947

1948

1949

212,9

i203,3

216,7

303,3 135,9 70,9 34,9 10,9

292,1 : 116,3 81,1 !

40,1 , 10,5

263,4 80,6 108,5 23,1 10,9

768,8

743,4

703,2

28

27

31

39 18 9 4,5 1,5 100

39 16 11 5,5 1,5 100

38 11,5 15 3 1,5 100

Die Ausfuhr nach den hauptsächlichsten A b n e h m e r s t a a t e n belief sich in den Jahren 1948 und 1949 auf: 1948 1949 (in Millionen Franken)

in %

Total-Uhrenexport 743,4 · 703,2 100 1. Vereinigte Staaten von Amerika . . . . 267,1 229,2 32,6 2. Italien 42,8 50,0 7,1 3. China 28,7 42,9 6,1 4. Belgien 54,9 42,6 6,1 5. Brasilien : 49,6 32,2 4,6 6. Grossbritannien 34,8 29,8 4,2 7. Kanada 16,6 24,6 3,5 8. Indien 22,6 Pakistan / 2 2 . 8 \ 4,8f3.99 9. Deutschland ; . . . . . .

1,7 16,6 2,4 10. Frankreich 14,4 13,3 1,9 11. Venezuela 15,6 [ 13,1 1,9 12. Spanien 13,1 11,6 1,6 13. Siam 5,9 10,9 1,5 14. Kuba . .

13,7 8,3 15. Südafrikanische Union 22,9 3,0 16. Argentinien 16,1 1,8

56

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika bleiben der wichtigste Kunde der schweizerischen Uhrenindustrie. Im Jahre 1948 machte wertmässig unsere Uhrenausfuhr nach den USA 35,9 % und im Jahre 1949 82,6 % der gesamten Uhrenausfuhr aus ; von unserem Gesamtexport. nach diesem Lande entfielen im Jahr 1948 58,6 % und im Jahre 1949 53,3 % auf die Uhrenindustrie.

Die nachstehende Tabelle gibt über die Zahl der in den Jahren 1926-1949 exportierten Uhren (Uhren und fertige Uhrwerke) und deren Durchschnittswert pro Stück Aufschluss: Exportierte Stückzahl (Uhren u. fertige Uhrwerke)

Jahr

1926 1927.

1928.

1929.

1930.

1931 1932 1933 1934 1935.

1936 1937 1938 1939.

1940 1941.

1942 1943.

1944.

1945 1946.

1947.

1948.

1949

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. ......

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

17184629 18454165 20131347 20757653 16247830 11553588 8205998 10598944 12533627 15191749 17739945 23915818 21849761 16816072 15226981 14440557 13974786 14536595 11837952 18819504 20665022 24007267 24357310 23545257

Mittlerer Wert pro Stück Fr.

13.51 13.20 12.93 12.88 12.43 10.48 8.65 7.40 7.22 6.74 7,10 8.57 9.43 9.90 11.76 14.19 18.63 21.88 23.81 24.04 26.32 28.03 26.90 26.65

Die folgenden Tabellen geben in bezug auf die Uhrenindustrie einerseits und die Maschinen- und "Werkzeugindustrie andererseits Auskunft über den Wert der Ausfuhr und der Einfuhr in den Jahren 1920 bis und mit 1949:

57 Ausfuhr und Einfuhr an Uhren und Uhrenbestandteilen Ausfuhr

Jahr

in tausend Franken

1920. ; L 325849 1921 ;.

169286 1922. . .

:.

180047 1923. : :.

216 552 1924 273150 1925.

302331 1926.

258260 1927.

273245 1928. ; 300437 1929.

, 307339 1930 .233453 1931..........

143 643 1982.

86304 1933 96016 1934 109081 1985 124510 1936 151570 1987 , 240381 1938.

241 318 1939 195678 1940.

214177 1941 230569 1942 l 284642 1943 337794 1944. : 303359 1945.

;.

492620 1946 605171 1947.

768 756 1948.

.

743372 1949. . ..'

703228 8912138

Einfuhr

;

6583 2933 1472 1898 2 585 8676 3482 4136 5840 ; 7029 6826 4 924 2866 4740 4857 4550 4720 7484 6 976 4509 2241 2388 2142 1738 1011 593 1283 2 553 '. 5183 5615 i 116833

Ausfuhr und Einfuhr an Maschinen und Werkzeugen Ausfuhr Einfuhr in tausend Franken

Jahr

1920 1921 1922.

1923. . . . . . . . . .

1924.

281057 232 648 166759 150797 165244

Übertrag

996505

103019 57 424 : 36704 89036 54836 i 291019

58 Ausfuhr , Einfuhr in tausend Franken

Jahr

1925 1926.

1927.

1928 1929 1930 1931.

1932.

1933 1934 1935 1936.

1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947.

1948 1949

Übertrag .

.

..

.

. '.

.

. . . . . . . . .

.

.

996505 185156 166092 182218 232783 241 256 223508 150356 86 922 90198 93369 97865 110448 168 759 205882 200 090 183816 216943 267746 312 308 138821 220701 418795 571396 684675 772267 7218875

291019 66399 59730 72094 90527 106 566 98253 85346 «5 986 61811 58637 47809 40568 61125 71399 77 392 61178 61023 58806 54 613 33207 13484 76237 182932 242956 195814 2334911

In den Jahren 1920 bis 1949 sind somit für 8912 Millionen Franken Produkte der Uhrenindustrie exportiert worden; für die Maschinen- und Werkzeugindustrie beträgt der entsprechende Wert 7218 Millionen Franken. Wertmässig war also die Ausfuhr von Produkten der Uhrenindustrie um l Milliarde 694 Millionen Franken höher als jene der Maschinen- und Werkzeugindustrie.

Von 1920 bis 1949 hat die Schweiz für 116 Millionen Franken Produkte der Uhrenindustrie eingeführt; Maschinen und Werkzeuge sind demgegenüber für 2334 Millionen Franken importiert worden.

Aus diesen Zahlen geht hervor, dass für die fraglichen 30 Jahre der Aktivüberschuss der Handelsbilanz für die Uhrenindustrie 8 Milliarden 796 Millionen Franken und für die Maschinenindustrie 4 Milliarden 884 Millionen Franken beträgt.

Zweifellos sind diese Zahlen nicht in jeder Hinsicht vergleichbar. Sie zeigen aber die Bedeutung der schweizerischen Uhrenindustrie als einer aus-

59

g e s p r o c h e n e n E x p o r t i n d u s t r i e . Die Uhrenindustrie trägt in einem grossen Masse zum Wohlstand nicht nur der Kantone, in denen sie beheimatet ist, sondern des ganzen Landes bei.

Die von der Uhrenindustrie ins Land hineingebrachten Summen bedeuten für den Fiskus sowohl des Bundes wie der Kantone und Gemeinden eine sehr wichtige Steuersubstanz.

Bin Grossteil dieser Gelder wird für Lohnzahlungen verwendet, weil die Uhrenindustrie ' sehr wenig Eohstoffe benötigt und da bei den Produktionskosten die an die Arbeitskräfte ausbezahlten Löhne an erster Stelle stehen.

Aus Aufstellungen der Schweizerischen Unf all versicherungs-Anstalt ist ersichtlich, dass die Löhne der Versicherten in der Uhrenindustrie und in der Bijouterie folgende Summen erreicht haben: Jahr

in Mio. Franken

1944 1945 1946 . ; 1947 ;

.

131,7 174,7 236,9 256,6

Laut einem Bericht einer ' Expertenkommission an den Neuenburger Staatsrat vom Januar 1928 über die Lage in der Uhrenindustrie entfallen bei einem Uhrwerk 70-85 % des Einstandspreises auf die Löhne (Seite 37 des Berichtes). Die'in der Uhrenindustrie bezahlten Löhne zählen zu den höchsten der schweizerischen Industrie. Nachstehend führen wir auf Grund einer Erhebung , des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit vom Oktober 1949 die mittleren Stundenlöhne in Eappeu für jede Wirtschaftsbranche und Lohnkategprie auf: . :

Erwerbszweig

'

Graphisches Gewerbe Uhren- und Bijouterieindustrie . . . .

Chemische: Industrie Private Verkehrsanstalten . . . . . . .

Handel. . . > . . . . , . . . . . .

Papier- und Lederindustrie . . . . .

Bekleidung und Ausrüstung . . . . .

Nahrungs-, Genussmittel- und Tabakindustrie .

Industrie der Erden und Steine . . .

Metall- und Maschinenindustrie. . . .

Gewerbliche Betriebe Textilindustrie'' Holzindustrie .

. . .

Gesamtdurchschnitt.. . .

gelernte Arbeiter

an- und ungelernte Arbeiter

Frauen

337 330 304 293 291 288 288

234 152 262 ; 201 258 170 230 -- 245 174 249 156 239 163

282 274 273 271 266 256 283

229 233 229 226 222 211 234

148 164 164 : 168 164 ; 152 : 167

jugendl.

Arbeiter

121 157 135 -- 17 38 29 . .

25 144 137 125 125 127 134

'

60

,

'

'

, 1 1 .

Die Krisen in der schweizerischen Uhrenindustrie Da die schweizerische Uhrenindustrie fast ausschliesslich1 für den Export arbeitet -- auf dem inländischen Markt werden nur 5 % der Gesamtproduktion abgesetzt --, ist sie für die auf den ausländischen Märkten sich abzeichnenden Strömungen'sehr empfindlich. Die Ziffern in den Tabellen über die Ubrenausfuhr in den Jahren 1920-1949 (siehe Seiten 4 und 5) geben die Schwankungen dieser Epoche wieder.

Die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 11. September 1931 über die "Unterstützung der Uhrenindustrie1) enthält aufschlussreiche Angaben über die Missgeschicke, denen diese Industrie in der Zeit von 1914-1931 ausgesetzt war. In den Jahren 1921 und 1922 herrschte in der Uhrenindustrie, grosse Arbeitslosigkeit. Die Auswirkungen der Krise von 1921 waren um so unheilvoller, als während der unmittelbar vorangegangenen kurzen Periode der Prosperität mangels jeglicher gesetzlicher Vorschriften eine grosse Zahl von neuen Betrieben eröffnet und viele der bestehenden Betriebe vergrössert worden waren. Infolgedessen stieg die Zahl der Arbeitslosen in der Uhrenindustrie, und in der Bijouterie, die Anno 1920 nur 100 betragen hatte, auf 30 000 im Jahre 1921.

Angesichts einer solch schweren Krise sah sich der Bund gezwungen, einzugreifen. Die Bundesversammlung stellte dem Bundesrat am 6. Dezember 1921 einen Kredit von 5 Millionen Franken zur Verfügung; im Herbst 1922 gewährte sie einen weitem Kredit von 6 Millionen Franken, total somit 11 Millionen Franken. Die Hilfe wurde in Form von Beiträgen an Fabrikanten ausgerichtet, welche Produkte nach Ländern mit schwacher Währung exportierten. Sie diente zur teilweisen Deckung der Kursverluste. Während der Jahre 1922 und 1923 besserte sich die Lage wiederum. Der Bund konnte daher ab Februar 1923 seine finanzielle Hilfe zugunsten der Uhrenindustrie einstellen. Der Betrag der zur Auszahlung gelangten Entschädigungen erreichte die Summe von 9% Millionen Franken bei einem von der Bundesversammlung zugesprochenen Gesamtkredit von 11 Millionen Franken.

Seit 1922 nahm der Export langsam zu. Diese Besserung hielt bis 1929 -- abgesehen vom Eückschlag des Jahres 1926 -- an. Im Jahre 1929 wurden für 307 Millionen Franken Produkte der Uhrenindustrie ausgeführt, was nahezu den Exportziffern der Jahre 1919 und
1920 entsprach. , Ende 1929 zeichnete sich aber eine neue Krise ab. Deren Ursachen waren vielgestaltig2). Die in Amerika und in andern Ländern aufgerichteten Zollschranken, der Eückgang der Kaufkraft und die rückläufige Sachfrage bildeten J

) Bundesblatt, 1931, II, 193 ff.

) In einem an den Staatsrat des Kantons Neuenburg gerichteten Bericht vom 30. Januar 1928 zeichnete eine Expertenkommission ein eindrückliches Bild von der schwierigen Lage der schweizerischen Uhrenindustrie. Dieser Bericht wies auf die Ursachen der Krise sowie ihre Auswirkungen hin und nannte Mittel und Wege, 2

61 die hauptsächlichsten Gründe dieser Krise. Unsere Uhrenindustrie war weniger als jede andere Branche unserer Volkswirtschaft in der Lage, sich den Folgen der Weltkrise :zu entziehen. Immerhin wurde die Lage nebst diesen allgemeinen Ursachen auch noch durch andere erschwert; wir denken insbesondere an das Chablonnage und die P r e i s u n t e r b i e t u n g .

Unter «Chablonnage» versteht man die Ausfuhr von Rohwerken und der einzelnen nicht zusammengesetzten Bestandteile des Laufwerkes. Diese Ausfuhr nahm zum Nachteil, des Exportes von fertigen Uhren und Uhrwerken beunruhigende Ausmässe an. Sie wurde zudem noch durch die Zollpolitik des Auslandes begünstigt. So wurden auf,den fertigen Uhren sehr hohe Einfuhrzölle erhoben, während für die einzelnen' Bestandteile die Zölle verhältnismässig niedrig waren.

Das «Chablonnage» war schon,vor dem Kriege 1914--1918 bekannt. Damals setzte man aber die Uhr vor dem Export der einzelnen Bestandteile zusammen, um ihr Funktionieren zu überprüfen. Nachher wurde sie wieder in ihre Bestandteile zerlegt ; letztere gelangten in der Folge als Schablonen zur Ausfuhr. Dank dieser in der Schweiz vorgenommenen Überprüfung konnten die Präzisionsuhren im Ausland auch durch Arbeiter wieder zusammengesetzt werden, die weniger qualifiziert waren als die unsrigen. Die Arbeitsteilung führte jedoch zu einer Verbesserung der Produktion, und als man mit der Serienfabrikation von sehr sorgfältig bearbeiteten Rohwerken begann, wurde das Zusammensetzen der Bestandteile vor deren Export überflüssig. Das «Chablonnage» beraubte die Schweiz um eine lohnende Arbeit und trug zur Verpflanzung der Uhrenindustrie ins Ausland bei. Zudem wurden die Möglichkeiten, fertige Uhren zu exportieren, in dem Masse geringer, in dem das «Chablonnage» zunahm.

Die rücksichtslose P r e i s u n t e r b i e t u n g hatte ebenfalls schwerwiegende Folgen. Sie wurde durch den Umstand begünstigt, dass es für Leute, die ein Uhrenunternehmen eröffnen wollten, ein leichtes war, von den Banken Geld zu die gewählt1 werden sollten, um der Überproduktion, der Anarchie auf : dem Gebiete der Preise, der allzu leichten Kreditgewährung durch die Banken, den schädlichen Handelsmethoden, der Fabrikation von Uhren minderwertiger Qualität, dem Verkauf von Schablonen und Bestandteilen ins Ausland und der unlauteren Konkurrenz
.ein Ende zu setzen. Die:Experten schlugen u. a. einschränkende Massnahmen auf dem Gebiete der Neugründung von Uhrenunternehmungen vor.

Es sei erwähnt, dass bereits im Jahre 1925 die Neuenburgische Handelskammer sich hierüber wie folgt ausgesprochen hat: ; · «Es.ist angesichts der durch die Verfassung garantierten Handels- und Gewerbefreiheit äusserst schwierig, vom Staat durchgreifende sofortige Massnahmen, wie sie die Lage erheischt, zu verlangen. Wir überlassen es den Juristen; sich über die Möglichkeit einer Änderung der Gesetze oder des Erlasses neuer Vorschriften auszusprechen, sehen aber, angesichts des Umstandes, dass die erwähnten Tatsachen dauernden Charakter haben, nur ein wirklich wirksames Heilmittel, nämlich allgemeine Massnahmen, durch die die Freiheit, sich als Uhrenfabrikant zu installieren, d. h. neue Unternehmungen zu gründen, eingeschränkt wird. Nach unserer' Auffassung könnte das, was zugunsten der Hôtellerie d a n k des Bundesbeschlusses vom 16. Oktober 1924 v o r g e k e h r t wurde, auch zugunsten der Uhrenindustrie unternommen werden (siehe den erwähnten Bericht Seite 10).

62

erhalten. Hatten diese Leute einmal einen Betrieb gegründet, so verkauften sie, um ihr Unternehmen zu festigen, zu tiefern Preisen als die Konkurrenz, ja sie waren bereit, zu Verlustpreisen zu liefern. Jedermann konnte also einen Uhrenbetrieb eröffnen. Diese neuen Fabrikanten'verfügten nicht immer über die notwendigen technischen und kaufmännischen Fähigkeiten und wachten nicht genügend über die Qualität ihrer Produkte. Sie konnten sich auf den fremden Märkten nur Eingang verschaffen, indem sie ihre Ware zu Spottpreisen absetzten. Diese ungesunden Machenschaften führten zu Konkursen, Nachlassverträgen, Liquidationen und Arbeitslosigkeit.

III.

Der Wiederaufbau A. Massnahmen der Uhrenindustrie Die Schwierigkeiten der Uhrenindustrie rührten zu einem grossen Teil daher, dass die Industriellen nur ungenügend organisiert waren und dass ihnen das unerlässliche Gefühl der Solidarität fehlte. Mit der Zeit sahen sie aber diesen Mangel selbst ein, und der Wunsch, durch gemeinsame Anstrengungen der Krise Herr zu werden, verstärkte sich zusehends.

Im Jahre 1923 ergriff die Schweizerische Uhrenkammer die Initiative zu einer Zusammenkunft der Vertreter der regionalen Arbeitgeberorganisationen.

Es sollten die Möglichkeiten, einer Organisierung der nationalen Produktion abgeklärt werden, um Massnahmen zur Wahrung der allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie treffen zu können. Es wurden verschiedene Vorschläge geprüft. Schlussendlich einigte sich der Zentralvorstand der Uhrenkammer auf die nachstehenden drei grundlegenden Empfehlungen: 1. Gründung einer Vereinigung der Fabrikanten von Bohwerken: 2. Abschluss von Vereinbarungen zwischen den verschiedenen Branchen der Uhrenindustrie; 3. Verständigung zwischen den Banken der Uhrenindustriegegenden.

Die Uhrenfabrikanten waren die ersten, die sich zusammenschlössen. Am 17. Januar 1924 vereinigte die Schweizerische Uhrenkammer die Vertreter der Uhrenfabrikantenorganisationen im Bathaus in Neuenburg zur Grün dungsversammlüng des Schweizerischen Verbandes der Uhrenfabrikanten-Vereinigungen (Fédération suisse des Associations de fabricants d'horlogerie [F. H.]). Dieser Verband umfasst sowohl die Unternehmen, welche die für die fertigen Uhren benötigten Bohwerke und Bestandteile ganz oder zum Teil selbst herstellen (Uhrenfabriken = «manufactures») wie die «Etablisseurs» («Verleger»), welche alle zur Fabrikation erforderlichen Bohwerke kaufen1).

Am 27. Dezember 1926 riefen die hauptsächlichsten Fabriken von Bohwerken unter dem Namen «Ébauches S.A.» eine Aktiengesellschaft ins Leben.

*) Ende Juli 1950 zählte man in der Schweiz 62 «manufactures» und 452 «établisseurs», die Mitglieder der P. H. sind.

63

Unterm 12. Dezember 1927 wurde der Verband der Hilfsgewerbe der Ührenindustrie (Union des branches annexes de l'horlogerie [Ubah]) gegründet. Dieser Verband umfasst die Unternehmen, welche die verschiedenen Bestandteile der Uhr, ausgenommen die Bohwerke, herstellen. Dazu gehören z.B. die Fabrikanten von Unruhen, Spiralfedern, Hemmungen, Uhrensteinen, Aufzugfedern, Zifferblättern, Zeigern, Uhrengehäusen, Uhrengläsern und anderer Bestandteile.

Am 1. Dezember 1928 schlössen die vorerwähnten 3 Gruppen, nämlich die F. H., die Ubah und die Ebauches S.A., unter den Auspizien des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements die folgenden vier Vereinbarungen ab: 1. eine Konvention zwischen der Ebauches S.A. und den Etablisseurs; 2. eine Konvention zwischen der Ebauches S.A. und den Manufactures; 3. eine Konvention zwischen den verschiedenen Gruppen der Ubah und der E.H.; 4. eine Konvention zwischen den verschiedenen Gruppen der Uhrenindustrie genannt «Convention chablonnage».

Diese Konventionen bezweckten, die Ausfuhr von Schablonen und von einzelnen Bestandteilen einzuschränken, den Export von Uhren und fertigen Uhrwerken zu fördern und die Gründung von Uhrenunternehmungen im Ausland soweit als möglich zu verhindern.

Die Vereinbarungen von 1928 wurden im Jahre 1931 erneuert und am 1. April 1936 durch eine stark in die Einzelheiten gehende Kollektivkonvention ersetzt. Diese Kollektivkonvention wurde ihrerseits am 1. April 1941, 31. März 1946 und 1. April 1949 erneuert. Die Konvention vom 1. April 1949 ist bis zum 31. März 1954 gültig.

Bei jeder Erneuerimg der Kollektivkonvention intervenierte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement auf Gesuch der Parteien, um als Vermittler oder sogar als Schiedsrichter gewisse Meinungsdifferenzen zu beheben.

So hat der Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements am 25. Mai 1949 einen Schiedsspruch gefällt; dieser ermöglichte die Erneuerung-der Kollektivkonvention, die am 31. März 1949 abgelaufen war.

Die Kollektivkonvention bezweckt den Schutz, die Förderung und die Sanierung der Uhrenindustrie. Sie wurde zwischen den 3 grossen Gruppen F. H., Ubah und Ebauches S.A. sowie zwischen allen Mitgliedern dieser Gruppen als solche abgeschlossen. Durch die Unterzeichnung dieser Konvention haben sich die beteiligten Kreise im allgemeinen Interesse
verschiedene Einschränkungen in bezug auf den: Kauf und Verkauf wie bezüglich der Preise und der Ausfuhr ihrer Produkte auferlegt. So sind die konventionellen Industriellen durch die gegenseitige Kauf- und Verkaufstreue gebunden, d.h. ein der Kollektivkonvention angeschlossener Fabrikant von Bestandteilen kann seine Produkte nur an einen Uhrenfabrikanten liefern, der die Konvention unterzeichnet hat. Ein Uhrenfabrikant, der Mitglied der. F. H. ist, kann seine Eohwerke nur bei Ebauches S.A.und seine übrigen Bestandteile -- soweit diese unter die Kollektiv-

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konvention fallen -- nur bei einem Mitglied der Ubah einkaufen. Ferner sind die konventionellen Firmen verpflichtet, die gemäss dem in der Konvention vorgesehenen Verfahren angenommenen Minimaltarife einzuhalten.

Auch auf dem Gebiete des Exportes sieht die Konvention für unsere Uhrenindustriellen verschiedene Einschränkungen vor. Sie sollen die Entwicklung einer Konkurrenz im Ausland verhindern. Die Ausfuhr von Bollwerken und Bestandteilen -wurde nicht vollständig unterbunden. Sie wurde jedoch nach dem Grundsatz der wohlerworbenen Eechte beschränkt. Nur jene Firmen, welche seit vielen. Jahren mit unsern Industriellen Beziehungen gepflogen hatten, konnten diese weiterführen und in der Schweiz ihren Bedarf decken, unter der Bedingung, dass sie sich verpflichteten, eine der Zielsetzung der Organisationen der schweizerischen Uhrenindustrie nicht zuwiderlaufende Haltung einzunehmen. Unsere Fabrikanten von Eohwerken und Bestandteilen lehnen indessen jede Belieferung ,von neuen ausländischen Firmen ab.

Im weitern gingen die konventionellen Industriellen die Verpflichtung ein, im Ausland keine Uhrenunternehmung zu gründen und weder einer nichtkonventionellen Firma noch einem ausländischen Unternehmen eine Hilfe -- gleichgültig in welcher Form -- zu gewähren. Sie haben eine den konventionellen Bestimmungen entsprechende Buchhaltung zu führen und leisten in bar oder in Bankkrediten eine Garantie zur Sicherstellung der Bezahlung konventioneller Bussen. Die Konvention überbindet den Parteien noch weiter e Verpflichtungen.

So verzichten die «Manufactures» auf den Handel mit Eohwerken und Bestandteilen, um weder die Ebauches S.A. noch die Ubah zu konkurrenzieren. Die den beiden letztgenannten Gruppen angehörenden Firmen verpflichten sich ihrerseits, keine Fertigprodukte zu fabrizieren.

Die Konvention sieht verschiedene Organe vor; sie regelt auch deren Befugnisse.

Die «Délégations Béunies» (D. E.) sind das ausführende Organ. Sie setzen sich zur einen Hälfte aus Vertretern der Lieferanten (Ebauches S.A. und Ubah) und zur andern Hälfte aus Vertretern der Kunden (F. H.) zusammen. Den Vorsitz der D. E. hat eine neutrale Persönlichkeit inné, die nicht dem Kreis der drei erwähnten Organisationen -- von denen sie bezeichnet wird -- angehört. Die D. E. sind mit dem Vollzug, der Auslegung und, sofern sie dies im
allgemeinen Interesse der Uhrenindustrie für notwendig erachten, mit der Abänderung der . Konvention beauftragt. Sie sind zuständig, Abweichungen von den konventionellen Vorschriften zu bewilligen und die Fidhor (Treuhandgesellschaft der schweizerischen Uhrenindustrie), die sehr weitgehende Untersuchungskompetenzen besitzt, mit Erhebungen zu beauftragen. Die D. E. beurteilen die Widerhandlungen unter Vorbehalt des Eekursrechtes an das Schiedsgericht.

Letzteres ist aus sechs Personen zusammengesetzt (8 Berufsrichter und 3 Industrielle). Das Schiedsgericht beurteilt als letzte Instanz alle zwischen den Organisationen oder zwischen Organisationen und Mitgliedern auftauchenden Streitfragen betreffend den Vollzug und die Auslegung der Konvention; es entscheidet auch über die Anwendung der konventionellen Strafen, Ferner steht

-

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.

:

,

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ihm der Entscheid über Bekurse gegen Beschlüsse der D. B. zu. Zuwiderhandlungen gegen die Konvention können mit Bussen von Fr. 1000 bis Fr. 5000 bestraft werden, sofern es sich um einzelne Firmen handelt. Organisationen und Gruppen können mit Bussen bis zu Fr. 10 000 belegt werden.

Die paritätischen Kommissionen befassen sich mit der- Ausarbeitung und der Gutheissung. von Minimaltarifen für die unter die Konvention fallenden Bestandteile. Sie setzen sich aus einem neutralen Präsidenten und einer gleichhohen Zahl von durch:die Lieferanten einerseits und die Kunden andererseits bezeichneten Industriellen zusammen. , Die der vorliegenden Botschaft beigefügte Tabelle I gibt über die Organisation der schweizerischen "Uhrenindustrie Aufschluss. Diese Organisation entspricht der sehr weitgetriebenen Spezialisierung der Arbeit in der Uhrenindustrie und erscheint daher ziemlich kompliziert; sie bildet aber ein wohldurchdachtes und gut aufgebautes Gebäude. Die seit 1934 auf dem Gebiete der Uhrenindustrie zur Anwendung gelangte gesetzliche Ordnung spielt dabei --· wie noch zu zeigen sein wird -- für den Bestand dieser Organisation eine ausschlaggebende Bolle. Neben den in der Tabelle aufgeführten Branchen gibt es noch andere, die nicht der grossen Organisation angeschlossen sind, aber dennoch vom sozialen und demographischen Standpunkt aus ihre Bedeutung haben wie z. B. das Terminage (Zusammensetzen der Uhr), das «perçage» (Bohren von Uhrensteinen), das «grandissage» (Vergrössern des Steinloches auf den gewünschten Durchmesser), das «empierrage» (Einpressen von Steinen), das «polissage» (Polieren der .Schalen).

Sodann'sind noch 3 weitere Organe der Uhrenindustrie zu erwähnen: 1. Die Schweizerische Uhrenkammer: Sie hat ihren Sitz in LaGhauxde-Fonds und bezweckt, die Gesamtinteressen der Uhrenindustrie und verwandter Branchen ständig zu prüfen und zu verteidigen sowie deren · Wünsche geltend zu'machen, insbesondere: ; a. anlässlich der Beratung von Bundesgssetzen betreffend Handel, Industrie und Organisation der Arbeit; h. bei der Ausarbeitung von Handelsverträgen; c. bei der Vorbereitung nationaler oder internationaler Ausstellungen ; die Entwicklung der ausländischen Konkurrenz zu überwachen ; .

zwischen den industriellen und kaufmännischen Organisationen der ' schweizerischen Uhrenindustrie und verwandter
Branchen eine ständige Verbindung herzustellen; diese Organisationen als bevollmächtigtes Organ bei den Bundesbehörden und dem Schweizerischen Handels- und Industrieverein, dem sie als Sektion angehört, zu vertreten; mit den Handelskammern zur Prüfung industrieller und handelspolitischer Fragen im Interesse der Uhrenindustrie und verwandter Branchen in ständiger Fühlung zu bleiben; das Solidaritätsgefühl, das zwischen den verschiedenen Interessenverbänden der schweizerischen Uhrenindustrie bestehen soll, zu stärken und die gütliche Schlichtung von Konflikten zwischen den verschiedenen Organisationen der Uhrenindustrie zu erstreben.

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2. Die Treuhandgesellschaft der schweizerischen Uhren indus trie (Fidhor). Die Fidhor ist beauftragt, in allen Unternehmungen der Uhrenindustrie die Einhaltung der in den Konventionen, Statuten, Beglementen und Entscheidungen der Organisationen enthaltenen Verpflichtungen sowie der öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bundes zu überwachen. Die Fidhor steht den Uhren organisation en, den an der Uhrenindustrie interessierten Banken, den Behörden und Gerichten für alle die Uhrenindustrie betreffenden Untersuchungen zur Verfügung.

3. Machor AG. Diese Aktiengesellschaft, an der die Uhrenindustrie, die Maschinenindustrie und der Schweizerische Uhren- und Metallarbeiterverband (SUMV) beteiligt sind, bezweckt den Kauf ausgesprochener Uhrenmaschinen und ihre Vermietung ins Ausland im Hinblick auf die Wahrung der allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie. Ihr obliegt der Vollzug einer am 1. Juli 1946 zwischen englischen und schweizerischen Industriellen abgeschlossenen Vereinbarung, welche die Vermietung von ausgesprochenen Uhrenmaschinen nach England ordnet. Zudem gibt dieses Abkommen der Schweiz die Möglichkeit, ein bestimmtes Kontingent Uhren und fertige Uhrwerke nach England zu exportieren.

B. Die Intervention der Behörde Die durch die Konvention von 1928 geschaffene Ordnung befriedigte nicht vollauf. Allein vermochte sie das «Chablonnage» nicht zu beseitigen. Eine gewisse Anzahl von Industriellen war ihr nicht angeschlossen und bildete die sogenannte Dissidenz. Diese Dissidenz versuchte aus den Einschränkungen, denen sich die konventionellen Firmen im allgemeinen Interesse der Uhrenindustrie unterworfen hatten, für sich Kapital zu schlagen und den der Konvention angeschlossenen Unternehmungen die Kundschaft abspenstig zu machen. Um dies zu erreichen, verkauften die der Konvention nicht angehörenden Firmen ihre Produkte zu tieferen als den in den konventionellen Tarifen vorgesehenen.

Preisen. Sie förderten auch den Export von Bohwerken und losen Bestandteilen, was den konventionellen Firmen verboten war. So war das kaum begonnene Werk bereits ernstlich bedroht. 'Die Verhältnisse wurden direkt beunruhigend. Die Entwicklung fand ihr Echo im Parlament. Der Bundesrat wurde aufgefordert, einzugreifen. Der Sprecher der Begierung antwortete, dass es in erster Linie Sache der Uhrenindustrie selbst sei,
zum Bechten zu sehen und dass der Bund nur die der privaten Initiative entspringenden Bemühungen unterstützen könne. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob nicht im Interesse der schweizerischen Volkswirtschaft die Handels- und Gewerbefreiheit eingeschränkt werden sollte. In Bestätigung seiner früheren Erklärungen führte der Vertreter des Bundesrates aus, es sei notwendig, in die Bundesverfassung eine Bestimmung aufzunehmen, die den Bund, unter dem Vorbehalt gewisser den Kantonen zukommender Befugnisse, ermächtige, auf dem Gebiete der Industrie, des Handels, des Gewerbes, der Landwirtschaft und der Arbeit gesetzliche Vorschriften

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zu erlassen. Der neue Verfassungsartikel müsse dem Bund die Möglichkeit geben, in bestimmten Ausnahmefällen vom Grundsatz der Handels-; und Gewerbefreiheit abzuweichen.

In der Gegend, wo die Ührenindustrie beheimatet ist,, bildete sich eine starke Volksbewegung. Eine Petition mit 56 000 Unterschriften verlangte vom Bundesrat im Juli 1931, dass er sofort eingreife, um das Chablonnage zu unterdrücken und eine Gesundung der Verhältnisse in der Uhrenindustrie herbeizuführen, nachdem.die private Initiative nicht in der Lage war, die Schwierigkeiten zu meistern. Die Intervention der Behörden war also ausdrücklich verlangt worden. Sie fand ihren Ausdruck hauptsächlich in den beiden folgenden Formen: Die vom Bund bei der G r ü n d u n g der Allgemeinen Schweizerischen U h r e n i n d u s t r r e - A k t i e n g e s e l l s c h a f t ( A S U A G ) gewährte Hilfe und der Erlass des iBundesratsbeschlusses zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie.

a. Die Allgemeine Schweizerische U h r e n i n d u s t r i e - A k t i e n g e s e l l schaft Um dem «Chablonnage» Einhalt zu gebieten, reifte in der Uhrenindustrie der Gedanke, einen Organismus zu schaffen, der sich die Kontrolle über die Fabrikation von Rohwerken (ébauches) sowie der sogenannten regulierenden Bestandteile der Uhr, nämlich der Spiralfedern (spiraux), Unruhen (balanciers) und Hemmungen (assortiments) sichern sollte. Auf diese Weise gelangte man unter Mitwirkung der Industrie, der Banken und des Bundes zur Gründung einer Superholdinggesellschaft unter dem Namen «Allgemeine Schweizerische Uhrenindustrie-Aktiengesellschaft» (ASUAG), welche die Aktienmehrheit der Fabriken von Eohwerken, Hemmungen, Spiralfedern und Unruhen erwarb. Durch einen Buudesbeschluss vom 26. September 1931 über die Unterstützung der Uhrenindustrie ermächtigte die Bundesversammlung den Bundesrat, sich im Namen des Bundes an der Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie-Aktiengesellschaft mit einem Betrag von Fr. 6000000 zu beteiligen und dieser Gesellschaft Fr, 7 500 000 als zinsloses Darlehen zur Verfügung zu stellen. Dieses Darlehen ist dem Bunde vollständig zurückbezahlt worden. Die Beteiligung von Fr. 6 000 000 war zur Abschreibung der ertragslosen Aktiven der Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie-Aktiengesellschaft bestimmt; der Bund hat dafür 6000 Aktien zum
Nennwert von einem Franken erhalten. Der Verwaltungsrät der ASUAG zählt dreissig Mitglieder, wovon fünf durch den Bundesrat ernannt ;werden. Von diesen fünf sind zwei Vertreter der Arbeiterschaft.

Die ASUAG kontrolliert folgende vier Gruppen: 1. Ebauches S.A.; 2. die Fabriques d'Assortiments réunies S.A.; 3. die Fabriques de Balanciers réunies S.A.; 4. die Société des fabriques de spiraux réunies S.A.

Das Aktienkapital der ASÜAG beträgt Fr. 10 006 000, das wie folgt eingeteilt ist:

68,

.

.

1. 5000 Aktien der Serie A, die je auf Fr..1000 lauten und ausschliesslich von den beteiligten Banken gezeichnet worden sind.

2. 5000 Aktien der Serie B, die je auf Fr. 1000 lauten und die ausschliesslich von der Uhrenindustri*.gezeichnet worden sind.

3. 6000 Aktien der Serie C, die von der Eidgenossenschaft zu je einem Franken Nominalwert gezeichnet und entgegengenommen, jedoch mit je Fr. 1000 einzeln oder Fr.'6 000 000 insgesamt einbezahlt wurden. Die Differenz zwischen dem Nominalwert und dem einbezahlten Kapital der Aktien der Serie C von 6 Millionen Franken stellt einen verfügbaren Betrag von Fr. 5 994 000 dar> der gemäss dem zitierten Bundesbeschluss vom 26. September 1931 zur Abschreibung der Aktiven der ASUAG zu verwenden war. Es handelt sich also um eine Subvention des Bundes.

Im Jahre 1933 schuldete die AS.UAG den beteiligten Banken Fr. 15 500 000 der Eidgenossenschaft .

Fr. 7 500 000 einzelnen Gläubigern an Kaufpreisrestanzen Fr. 4 571 800 und den Obligationären Fr. 4 286 000 Seitdem konnte die gegenüber den Banken eingegangene Schuld von ursprünglich 15,5 Millionen Franken vollständig abgetragen werden. Die Schuld bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft wie die Kaufpreisrestanzen betreffend die aufgekauften Unternehmungen sind ebenfalls restlos beglichen. Die letzte Kückzahlung an den Bund erfolgte im Geschäftsjahr 1943/44. Ende Juni 1949 betrug die konsolidierte Obligationenschuld 2,75 Millionen, gegenüber 4,3 Millionen Franken im Jahre 1933.

Die Gewinn- und Verlustrechnung der ASUAG schloss bis zum Sommer 1937 jeweils mit einem Verlust ab, so dass die vorgetragenen Verlust-Saldi scbliesslich den Betrag von Fr. 3 613 569 erreichten ; seither konnten glücklicherweise Gewinnsaldi verbucht werden, die es im Sommer 1942 ermöglichten, die Verlustvorträge aus den ersten Geschäftsjahren gänzlich auszugleichen.

Artikel 4 des Bundesbeschlusses vom 26. September 1931 über die Unterstützung der Uhrenindustrie hat folgenden Wortlaut: ., Vom Eeingewinn, der sich nach Deckung der Unkosten und Vornahme der nötigen Abschreibungen ergibt, erhält das private Aktienkapital eine Dividende bis auf 4%%.

, Aus einem allfälligen Überschuss, wenn dieser nicht zu ausserordentlichen Abschreibungen und Reservestellungen verwendet wird, erhält der Bund eine Dividende bis auf 2 % des von ihm einbezahlten
Subventionskapitals von 6 Millionen Pranken.

Ein allfällig noch verbleibender Überschuss wird proportional auf das private Aktienkapital und auf das Subventionskapital des Bundes von 6 Millionen verteilt.

Die Gesamtdividende, die auf das private Aktienkapital entfällt, darf 6 % nicht übersteigen.

In den ersten 12 Jahren seit Bestehen der ASUAG wurden keine Dividenden ausbezahlt. Eine Dividendenausschüttung erfolgte erstmals im Jahre 1943/44.

Die Dividende belief sich auf 4 % für die Aktien der Serien A und B. Im Geschäftsjahr 1946/47 wurde erstmals für die Aktien der Serie C eine Dividende ausge-

69 schüttet (2,5 %).; Im Jahre 1947/48,betrugen die Dividenden für die Serien À und B 5,5 % und für die Serie G 3%. Für das Jahr 1948/49 wurde die Dividende für die Aktien der Serie G auf 3,5 % festgesetzt. Die vom Bund der ASUAG gewährte Subvention zeitigte also folgenden Ertrag: i · für 1946/47 Fr. 150000 für 1947/48 Fr. 180 000 ; für 1948/49. .

Fr. 210 000 1

Total . . . . ' ·

Fr. 540000

Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat auf den Aktien des Bundes eine.

Stempelabgabe verlangt, und zwar nicht auf dem Nominalbetrag von Fr. 6000, sondern auf dem ganzen als Subvention ausgerichteten Betrag von 6 Millionen Franken. Diese von der ASUAG bezahlte Stempelsteuer ergab den Betrag von Fr. 180 000. Die der genannten Gesellschaft zugeflossene Subvention brachte somit dem Bund bis heute einen Ertrag von Fr. 720 000 ein. Der Fall ist vielleicht in seiner Art einmalig*).

' Die Allgemeine Schweizerische Uhrenindustrie-Aktiengesellschaft ist nicht eine gewöhnliche Aktiengesellschaft, welche eine Gewinnerzielung bezweckt.

Man kann in ihrem Fall auch nicht von einem Trust im landläufigen Sinne dieses Wortes sprechen. :Sie wurde nicht ins Leben gerufen, um einzig und allein den Interessen einiger grosser Firmen oder Banken zu dienen. Im Gegenteil. Sie be, zweckt die Wahrung der allgemeinen Interessen einschliesslich der kleinen Betriebe wie der Arbeiterschaft. Der oberste Grundsatz der ASUAG wird in ihren Statuten wie folgt umschrieben: «Oberster Grundsatz für die Tätigkeit und Leitung der Gesellschaft ist, alle Massnahmen zu treffen und zu unterstützen, die der Erhaltung, Gesundung und' Entwicklung der schweizerischen Uhrenindustrie dienlich und förderlich sind.» Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates, der Vertreter des Bundes (wovon 2 aus Arbeiterkreisen), der Banken sowie der Industriellen -- und zwar nicht nur der Lieferanten, sondern auch der Kunden -- umfasst, bietet die beste Garantie für die Einhaltung dieser Zielsetzung. Dem Direkti'onsausschuss gehört ebenfalls ein Vertreter des Bundesrates an.

Der Präsident der Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie-Aktiengesellschaft hat selber anlässlich der Generalversammlung1 vom 14. November 1942 das Ziel dieses Organismus wie folgt umschrieben: Die Rendite steht bei der ASUAG "nicht im Vordergrund, sondern wenn diese die Aktienmehrheit der 4 Trusts in ihren Händen vereinigte, so geschah dies, um einen massgebenden Einfluss auf ihre Geschäftsgebarung auszuüben. Diese Geschäftsgebarung soll die allgemeinen Richtlinien, wie sie die Verbände der Uhrenindustrie festgelegt hatten, einhalten, und die wichtigste dieser Richtlinien geht dahin, eine weitere Verschleppung der Uhrenindustrie ins Ausland, wie sie in den 20er Jahren drohte, zu
verhindern. Wir sind deshalb keine «Finanzgesellschaft» im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern wir verfolgen eine bestimmte Industrie;*) s. Beilage II.

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. III.

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70 politik, wie dies sonst durch Industrieverbände, welche gewöhnlich die Form eine» Vereins haben, geschieht.

Wenn die A SUA G -- in Abweichung von dieser Übung -- die Form einer Holding-Gesellschaft annahm, so geschah das deshalb, .um ihrer Politik mehr Durchschlagskraft zu geben und um ihre Kontinuität sicherzustellen. Aus einem Verein oder aus einer Genossenschaft kann man jederzeit austreten, aus einem Trust nicht, solange seine finanzielle Grundlage hält.

b. Die g e s e t z g e b e r i s c h e n Massnahmen zur E r h a l t u n g der Uhreni n d u s t r i e und zur Eegelung der Arbeit in der n i c h t fabrikmässigen Uhrenindustrie.

Schon im Jahre 1931 anlässlich der Gründung der Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie-Aktiengesellschaft hatte der damalige Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, Bundesrat Schulthess, darauf hingewiesen, die von den Industriellen und dem Bund getroffenen Massnahmen müssten -- um wirksam zu sein -- durch gesetzliche Bestimmungen verstärkt werden. Diese Vorschriften seien so abzufassen, dass damit die Eröffnung neuer Betriebe durch Aussenseiter unterbunden und die Tätigkeit der bereits bestehenden Unternehmungen einer Kontrolle unterstellt werden könne. Bundesrat Schulthess erklärte, es gelte, «den Kreis zu scbliessen». Er war mit Eecht der Auffassung, dass die im Hinblick auf die Zusammenfassung der Produktion von Bollwerken und der sogenannten regulierenden Bestandteile der Uhr von der Industrie, den Banken und dem Bund gebrachten finanziellen Opfer nicht voll zur Auswirkung kämen, solange einerseits neue Betriebe frei gegründet, d. h.

wieder eine Dissidenz geschaffen werden könne und andererseits die bestehenden Unternehmungen sich in unbegrenzter Weise vergrössern könnten. Die Industriellen waren indessen der Ansicht, dass der Vollzug der konventionellen Verpflichtungen und die Gründung der Allgemeinen Schweizerischen UhrenindustrieAktiengesellschaft es ihnen ermöglichen würden, das angestrebte Ziel, nämlich die Sanierung der Uhrenindustrie, aus eigenen Kräften zu erreichen. Die Tatsachen haben aber diesen Optimismus mit Lügen gestraft. Innert 3 Jahren erfuhr die Zahl der Uhrenbetriebe eine starke Vermehrung, wodurch die Reihen der Dissidenz verstärkt wurden. Die dissidenten Betriebe übernahmen keine von den sogenannten konventionellen Eirmen eingegangenen Verpflichtungen und waren infolgedessen in bezug auf die Preisgestaltung und den Export von Schablonen und losen Bestandteilen vollständig frei. Die Tätigkeit dieser Betriebe wirkte sich in einer den Anstrengungen der konventionellen Unternehmungen entgegengesetzten Eichtung aus und drohte, die Verwirklichung der von diesen Kreisen ins Auge gefassten Massnahmen zu verhindern.

Nachdem sie versucht hatten, mit ihren eigenen Mitteln den
Schwierigkeiten Herr zu werden, verlangten die 3 hauptsächlichsten konventionellen Organisationen der Uhrenindustrie, nämlich die F. H., die Ubah und die Ebauches S.A., vom Bundesrat für die Gültigkeitsdauer der konventionellen Ordnung gesetzliche Massnahmen betreffend die Einführung der Bewilligungspflicht für die Eröffnung neuer Betriebe. Anlässlich verschiedener Besprechungen zwischen Vertretern der Bundesbehörden und der Organisationen der

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Uhrenindustrie wurde festgestellt, dass auch die Erhöhung der Arbeiterzahl, die Erweiterung, Umgestaltung und Verlegung bestehender Betriebe beschränkt werden müssen. Endlich schien es angezeigt, die einschränkenden Vorschriften auf dem Gebietendes Exportes, denen sich die konventionellen Firmen unterworfen hatten, auch auf die Dissidenz auszudehnen.

In der Zwischenzeit war der Export in einem beunruhigendem :Masse zurückgegangen. Von 307,3 Millionen Pranken im Jahre 1929 war er auf 95,9 Millionen Franken im Jahre 1933 gesunken. Die Zahl der Arbeitslosen hatte sich infolgedessen entsprechend erhöht. Im Jahre 1929 wurden im Jahresdurchschnitt 245 Totalarbeitslose gezählt; im Jahre 1933 waren es 13 379. Zu diesen Zahlen sind noch die Teilarbeitslosen hinzuzurechnen. Nach den statistischen Angaben der Arbeitslosenversicherungskassen waren im Jahre 1933 34,1 % Teilarbeitslose vorhanden gegenüber nur 5,5% im Jahre 1929.

Die Bevölkerung der Uhrengegend beunruhigte sich immer mehr. In zahllosen öffentlichen Versammlungen wurden die Behörden \im ihre möglichst nachdrückliche Intervention ersucht.

Angesichts dieser Zustände erliess der Bundesrat am 12. März 1934 einen .Beschluss, durch den die Eröffnung neuer Betriebe der Uhrenindustrie, die Erhöhung der Arbeiterzahl, die Erweiterung, Umgestaltung (Übergang von einer Fabrikationsbranche zu einer andern oder Hinzufügen einer neuen Fabrikationsbranche) und Verlegung bestehender Unternehmen der Bewilligungspflicht unterstellt wurden. Diese Bewilligung durfte nur erteilt werden, wenn dadurch die allgemeinen Interessen der schweizerischen Uhrenindustrie.nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Der gleiche Beschluss erklärte auch die Ausfuhr und den Verkauf zum Zweck der Ausfuhr von Schablonen, Bohwerken und Uhrenbestandteilen als bewilligungspf lichtig.

Mit Bücksicht auf den technischen Charakter dieser Massnahmen zog der Bundesrat die Schweizerische Uhrenkammer zur Mitarbeit heran. Sie wurde mit der Ausstellung der Ausfuhrbewilligungen beauftragt. Da der Schmuggel auf diesem Sektor an der Grenze nicht wirksam bekämpft werden kann, sah man eine Kontrolle in den Betrieben selbst vor. Diese Aufgabe wurde der Fidlior anvertraut. Die Verfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen wurde den Kantonen übertragen; Sie waren auch verpflichtet, die Eröffnung neuer
Betriebe oder die Erweiterung, Umgestaltung oder Verlegung bestehender Unternehmungen, soweit sie mit den Vorschriften des Bundesratsbeschlusses in Widerspruch standen, zu verhindern.

Der Bundesratsbeschluss vom 12. März 1934 stützte sich auf den Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland. Dieser Grunderlass ist am 11. Dezember 1935, 23. Dezember 1937, 22. Juni 1939, ;28. September 1942, 28. März 1945 und 17. Juni 1948 verlängert worden.

Artikel l des zitierten Bundesbeschlusses lautet wie folgt:

72 Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, zum Schutze der nationalen Produktion, soweit diese in ihren Lebensbedingungen bedroht ist, zur Vermehrung der Vorratshaltung für die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern sowie zur Förderung des Exportes und im Interesse der schweizerischen Zahlungsbilanz wird der Bundesrat ermächtigt, die nötigen Massnahmen zu treffen.

Der Bundesbeschluss vom 28. März 1945 und 17: Juni 1948 enthält wie jener vom 22. Juni 1939 und 28. September 1942 die Eeferendumsklausel. Da das Eeferendum nicht verlangt worden war, hat der Souverän diesem Beschluss seine stillschweigende Zustimmung gegeben. Er hat somit Gesetzeskraft wie übrigens auch alle Massnahmen, die gestützt auf ihn ,erlassen wurden, sofern sie sich im Kahmen des Bundesbeschlusses halten.

Die Bestimmungen dieses Bundesbeschlusses waren zweifellos auch auf die Uhrenindustrie anwendbar; der Beschluss vom 14. Oktober 1933 hatte übrigens bereits einem Beschluss des Bundesrates vom 9. Januar 1934 betreffend die Kontrolle der Uhrengehäuse aus Gold und aus Platin als Eechtsgrundlage gedient. Dieser letztere Beschluss bezweckte die Unterstützung des interessierten Berufsverbandes, nämlich des Schweizerischen Verbandes der GoldUhrenSchalenfabrikanten -Vereinigungen, in seinem Kampf um die Sanierung der Preise für Goldschalen.

Der Bundesratsbeschluss vom 12. März 1934 war bis Ende 1935 befristet.

Er zeitigte gute Eesultate. Seine Gültigkeitsdauer wurde durch Bescbluss vom 30. Dezember 1935 bis Ende 1937 verlängert. In diesem Beschluss wurden einige Punkte genauer umschrieben.

Die Beschlüsse vom 12. März 1934 und 30. Dezember 1935 ermöglichten es den Behörden, die Entwicklung der Dissidenz einzudämmen und die bereits bestehenden nichtkonventionellen Firmen den gleichen Einschränkungen zu unterstellen, denen sich die konventionellen Unternehmungen auf dem Gebiete der Ausfuhr von Schablonen und losen Bestandteilen unterzogen hatten. Auf dem Sektor der Preise waren aber die Dissidenten immer noch frei, weiterhin.

Preise zu fordern, die unter den in den Minimaltarifen der konventionellen Organisationen vorgesehenen Ansätzen lagen. Diese Preisunterbietung schuf eine gewisse Mißstimmung in den der Konvention angeschlossenen Kreisen. Die im Hinblick auf den Abschluss der Kollektivkonventionen vom 1. April
1936 geführten Verhandlungen wurden dadurch alles andere als erleichtert. Nachdem im Laufe verschiedener Besprechungen mit Vertretern der Dissidenz lange vergeblich versucht worden war, die nichtkonventionellen Industriellen zu einem der konventionellen Preispolitik entsprechenden Verhalten zu veranlassen, ermächtigte der Bundesrat mit Beschluss vom 13. März 1936 das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die von den konventionellen Organisationen angenommenen Minimaltarife auch für die Dissidenz allgemein verbindlich zu erklären. Im Interesse einer wirksamen Kontrolle der Einhaltung der Tarife wurde durch diesen Beschluss auch die Ausfuhr von Uhren und fertigen Uhrwerken der Bewilligungspflicht unterstellt. Zudem mussten sich die nichtkonventionellen Firmen gleich wie die konventionellen der Kontrolle der Treuhandgesellschaft der schweizerischen Uhrenindustrie unterziehen.

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Durch Beschluss vom 29. Dezember 1937 wurden die Bestimmungen der Beschlüsse vom 00. Dezember 1935 und 18. März 1936 in einem Erlass zusammengefasst. i ; : Die Kollektivkonvention der Schweizerischen Uhrenindustrie vom l. April 1936 sah vor, dass die Sanierung sich auch auf die Fabrikation von E o s k o p f uhren erstrecken soll. Nach langen und mühevollen Anstrengungen gelang es, die Fabrikanten dieser billigen Uhren in einem Verband zu vereinigen. Am 2. Mai 1939 wurde der Verband Schweizerischer Eoskopfuhren-Industrieller gegründet; er ersuchte das Departement um Genehmigung und Allgemeinverbindlicherklärung seiner verschiedenen internen Preisvorschriften. Der Beschluss vom 29,. Dezember 1937 erlaubte es aber dem Departement nicht, auf diesem Gebiet einzugreifen. Der Bundesrat fasste deshalb am 30. Juni 1939 einen Beschluss, wonach das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt wurde.

die verschiedenen Eoskopftarife zu genehmigen und für die Dissidenz obligatorisch zu erklären. Beim gleichen Anlass wurde von ihm im Einvernehmen mit der F. H. und dem Eoskopfverband festgestellt, dass die Fabrikation von Eoskopfuhren einerseits und diejenige der genre Eoskopfuhren avec grande moyenne au centre andererseits besondere Zweige der Uhrenproduktion darstellen.

Am 29. Dezember 1939 erneuerte der Bundesrat seinen Beschluss vom 29. Dezember 1937. Die Bestimmungen des Beschlusses vom 30. Juni 1939 betreffend die Eoskopfuhren wurden in diesen neuen Erlass aufgenommen. Zudem wurde die Ausfuhr von Stanz- und andern Werkzeugen der Uhrenindustrie sowie von besondern für die Uhrenfabrikation bestimmten Apparaten der Bewilligungspflicht unterstellt. Diese Artikel waren tatsächlich unter Umständen geeignet, die ausländische Konkurrenz zu fördern. Gleichzeitig wurde auch die Ausfuhr von Stand-, Wand- und Weckeruhren sowie von! Bestandteilen für Grossuhren als bewilligungspflichtig erklärt.

Ein vom 10. September 1940: datierender Beschluss des Bundesrates übertrug gewisse, bis anhin vom. Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit ausgeübte Funktionen dem Generalsekretariat des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements.

Die erwähnten Bestimmungen wurden am 14. Dezember 1942, 21. Dezember 1945 und 23. Dezember 1948 erneuert. Der Bundesrat benützte jeweils die Gelegenheit, jene Abänderungen oder
Lockerungen an den geltenden Vorschriften anzubringen, die sich gestützt auf die Erfahrung der Praxis als angezeigt erwiesen. Auf dem Gebietender Lockerungen ist die Aufhebung der Bewilligungspflicht für die Erweiterung der maschinellen Ausrüstung eines Betriebes zu erwähnen. Die Erfahrung bewies, dass jede Einschränkung auf diesem Sektor geeignet war, den technischen Fortschritt zu behindern. Später wurde auch die Bewilligungspflicht für die Verlegung von Betrieben in der gleichen Ortschaft sowie für die bauliche Erweiterung eines Unternehmens aufgehoben.

Je mehr die Sanierung in der Uhrenindustrie fortschritt, um so mehr zeigte es sich, dass auch die Ar bei t in der ni chtfabrikmässigen Uhrenindus t rie,

74

i

d. h. die Heimarbeit und die Arbeit in den kleinen Betrieben, einer Eegelung bedurfte.

In dieser Hinsicht darf nicht übersehen werden, dass gerade diese beiden Arbeitsformen in den Anfängen der Uhrenindustrie die üblichen waren. Die technische Vervollkommnung und die rationelle Organisation der Produktion führten in der Folge zu einer Konzentration der Uhrenfabrikation in grossen Unternehmungen. Die Heimarbeit ist aber nie ganz verschwunden. Die Bedingungen, unter denen die Heimarbeit ausgeführt wurde, hatten aber Missbräuche in bezug auf die Dauer der Arbeit und deren Bezahlung im Gefolge, was sich wiederum auf die Qualität der Produktion auswirkte. Ein Eingriff mittels gesetzlicher Vorschriften entsprach deshalb auf diesem Sektor sowohl den Interessen der Unternehmer wie der Arbeiterkreise. Nachdem das BIGA im Jahre 1934 eine Untersuchung über die Missbräuche auf dem Gebiete der Heimarbeit und über die Mittel, mit denen diesen Missbräuchen gesteuert werden könnte, durchgeführt hatte, nahm das genannte Amt mit den Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkreise wie auch mit den interessierten kantonalen Behörden. Fühlung. Im Anschluss daran wurde eine kleine Expertenkommission ins Leben gerufen, der die Ausarbeitung eines Vorentwurfes zu einem Beschluss über die Arbeit in der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie übertragen wurde.

Der von dieser Kommission ausgearbeitete Text wurde den Kantonen und den interessierten Berufsverbänden unterbreitet. In der Folge erliess der Bundesrat am 9. Oktober 1986 seinen ersten Beschluss über die Ordnung der Arbeit in der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie. Dieser Beschluss beschränkte die Möglichkeit der Vergebung von Heimarbeit auf gewisse Branchen, bei denen im Hinblick auf die Natur der Arbeit keine Unzulänglichkeiten betreffend die Sicherheit des Arbeiters und die Qualität der Produkte zu befürchten waren. Die Arbeitgeber wurden verpflichtet, die Heimarbeiter nach den gleichen Grundsätzen zu entlöhnen wie die Fabrikarbeiter. Sie durften ferner nicht mehr Aufträge in Heimarbeit vergeben, als in der Fabrik ausgeführt wurden.

Um Missbräuchen noch wirksamer vorzubeugen, wurde ferner verfügt, dass die Heimarbeiter sich nicht durch Dritte in ihrer Arbeit unterstützen lassen dürfen.

Diese Massnahme, deren Zweckmässigkeit in der Öffentlichkeit nicht immer
verstanden worden ist, soll gewisse Arbeitgeber daran hindern, einem Heimarbeiter Aufträge für mehrere Arbeiter zu übergeben, wobei aber nur eine Arbeitskraft oder eine geringere Zahl von Arbeitern, als effektiv beschäftigt sind, entlöhnt werden. Die erwähnte Begelung wurde somit zum Schutze des Arbeiters gegen Missbräuche auf dem -Gebiete der Entlöhnung und nicht zur Einschränkung seiner Freiheit getroffen.

Der gleiche Erlass enthielt verschiedene Vorschriften, um den Arbeitern in kleinen Unternehmungen und Familienbetrieben einen minimalen Schutz zu gewähren, und zwar im gleichen Sinne, wie ihn das Fabrikgesetz vorsieht. Es handelt sich -um die Arbeitszeit, die Entlöhnung und um hygienische Bedingungen betreffend die Arbeitsstätten. Einzelne strengere Vorschriften bezweckten sodann den Schutz der Frauen und der Jugendlichen.

75 Der Beschluss vom 9. Oktober 1936, der auch der Sanierung der 'Uhrenindustrie, d.h. einer Exportindustrie, dienen sollte, basierte ebenfalls auf dem Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland., Er wurde mit ge-wissen Änderungen verlängert und ist heute noch gültig.

Als der Bundesrat die Gesetzgebung auf dem Gebiete der Uhrenindustrie Ende 1945 erneuerte, hielt er es für angezeigt, das Kapitel über die Heimarbeit in der Uhrenindustrie in den Beschluss zum Schutze der Uhrenindustrie aufzunehmen, so dass; sich seit diesem Datum der Bundesratsbeschluss über die Ordnung der Arbeit in der nichtfabrikrnässigen Uhrenindustrie darauf beschränkt, die Arbeiter in den kleinen Unternehmungen und in den Familienbetrieben zu schützen.

Die Anwendung dieses Beschlusses konnte den Kantonen übertragen werden, war es doch auf diesem Sektor für die Eegelung der sich allenfalls stellenden Probleme nicht notwendig, die Lage der schweizerischen Uhrenindustrie in ihrer Gesamtheit oder einer gesamten Branche in Betracht zu ziehen, wie dies beim Entscheid über Gesuche um Neueröffnung von Betrieben, Genehmigung von Tarifen oder um Bewilligung der Ausfuhr bestimmter Uhrenbestandteile der Fall ist. Die Kantone haben den eidgenössischen Behörden über die Art und Weise, wie sie diesen Beschluss vollziehen, Bericht zu erstatten.

Unter den Massnahmen, die der Bundesrat seit 1920 zugunsten der Uhrenindustrie getroffen hat, ist noch die den kleinen, durch die Krise b e t r o f f e n e n Industriellen der U h r e n i n d u s t r i e g e w ä h r t e H i l f e zu erwähnen.

Dieses Hilfswerk, das seinen Niederschlag im Bundesratsbeschluss vom 23. Dezember 1932 über eine vorübergehende Hilfsaktion zugunsten notleidender Kleinindustrieller der Uhrenindustrie gefunden hat, war Ende 1936 abgeschlossen.

Die für die Vollziehung dieses Beschlusses ins Leben gerufene Treuhandstelle benötigte nicht die gesamte zur Verfügung gestellte Bundessubvention von 1,2 Millionen .Franken. Nur 2/3 dieser Summe wurden ausgegeben.

c. Der Aufkauf der dissidenten Fabriken von Rohwerken,und regulier en den B es tandteilen.

Anlässlich der Gründung der Allgemeinen Schweizerischen UhrenindustrieAktiengesellschaft war es nicht möglich gewesen, alle Fabriken von Eohwerken, Unruhen, Spiralen und Hemmungen
aufzukaufen. Einzelne Inhaber dieser · Unternehmungen weigerten sich vor allem aus gefühlsmässigen Überlegungen, ihre Firma aufzugeben, oder verlangten einen Preis, der mit dem wirklichen Wert .des Unternehmens in keinem angemessenen Verhältnis stand. So blieb ein Kern von unabhängigen Betrieben zurück, welche als Dissidenten bezeichnet wurden und die während mehreren Jahren das konventionelle Begirne bekämpften. Diese Fabriken von Rohwerken und regulierenden Bestandteilen lieferten ihre Produkte Ubrenindustriellen, die auch ihrerseits eine mit den konventionellen Vorschriften in Widerspruch stehende Tätigkeit weiterführen konnten. Der Entwicklung dieser Dissidenz wurde erst Einhalt geboten, als im März 1934 durch einen Beschluss des Bundesrates die Eröffnung neuer und

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die- Vergrössemng bestehender Betriebe von einer Bewilligung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepärtements abhängig gemacht wurden.

Im Laufe der Jahre verlor die Opposition der Dissidenten, die anfänglich sehr scharf war, ständig an Kraft. Die führenden Persönlichkeiten dieser Bewegung sahen schlussendlich die grossen Vorteile, welche das von der Uhrenindustrie geschaffene Statut bot, ein. Sie ergriffen selbst die Initiative zu Besprechungen zwecks Eingliederung der Dissidenz in die Konvention.

Die Allgemeine Schweizerische Uhrenindustrie-Aktiengesellschaft nahm sich dieser mühsamen und langdauernden Verhandlungen an. Es gelang, eine Eeihe von Verträgen und Konventionen abzuschliessen.

Die Ebauches S.A., die F. H., die Ubah, die Fabriken von Unruhen, Hemmungen und Spiralen beteiligten sich am Aufkauf der Dissidenz. Der Aufkauf erheischte eine Ausgabe von rund 8,3 Millionen Franken. Der Bund stellte hiefür einen Betrag von Fr. 900 000 zur Verfügung. Diese Subvention wurde von folgenden Bedingungen abhängig gemacht: 1. Allen von der A SU A G aufgekauften Kunden vorj Ebauches-Fabriken und Fabrikanten sogenannter regulierender Bestandteile der Uhr musste die Möglichkeit geboten werden, in die konventionellen Gruppen einzutreten, und zwar zu den gleichen Eechten und Pflichten wie die übrigen Mitglieder dieser Verbände.

' 2. Die Organisationen der Uhrenindustrie mussten sich verpflichten, sich in 1 berücksichtigungswerten Fällen in bezug auf die finanziellen Verpflichtungen neueintretender Mitglieder vernünftig zu zeigen. Es handelte sich insbesondere um die Gewährung angemessener Zahlungsfristen und nötigenfalls um die Bewilligung der ratenweisen Zahlung der Eintrittsgelder.

3. Die Organisationen der Uhrenindustrie mussten sich verpflichten, in absolut loyaler Weise und in einem Geiste weitherziger Verständigungsbereitschaft für das wichtige Problem .der Preise für das Fertigmachen (Zusammensetzen) der Uhr eine Lösung zu suchen.

Diese letztere Bedingung erheischt einige Erläuterungen : Gewisse Uhrenfabriken machen ihre Uhren nicht selbst in ihren eigenen Betrieben fertig. Manchmal übergeben sie alle Bestandteile einer Uhr den Termineuren, d.h. den Leitern von kleinen Betrieben, welche das Zusammensetzen der Uhr besorgen.. Das Terminage hat aber zu Missbräuchen Anlass gegeben.

Die Uhrenfabrikanten
bezahlten ihre Termineure nicht immer in einer Weise, die es den Termineuren gestattet hätte, ihre Arbeiter angemessen zu entlöhnen.

Oftmals isoliert und wirtschaftlich schwach, waren die Termineure nicht in der Lage, dem Druck der Uhrenfabrikanten zu widerstehen; sie mussten vielmehr deren Bedingungen annehmen. Dies gab Anlass zu zahlreichen Beschwerden.

Aus diesem Grunde benützte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die Gelegenheit der Beteiligung am Aufkauf der Dissidenz, um auf diesem Gebiete einzugreifen, Die F.'H. arbeitete daraufhin in Zusammenarbeit mit der

: '

·

:

.

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Bernischen und Neuenburgischen iVereinigung der Termineure einen Entwurf über Mindestpreise für das Terminage aus. Diese Preise sollten den Termin euren die Möglichkeit geben: 1. ihren Arbeitern die im Urteil des Schiedsgerichts der Uhrenindustrie vom · 21. Juli 1987 vorgesehenen Grundlöhne zuzüglich der verschiedenen Teuerungszulagen zu bezahlen; · 'i 2. die allgemeinen Kosten zu decken und 3. einen normalen Gewinn zu erzielen.

Die Grundpreise sollten erhöht werden, um die Termineure in die Lage zu versetzen, nebst den Teuerungszulagen die Beiträge an die Ausgleichskassen und die Familienzulagen zu entrichten, sowie die Aufwendungen für die bezahlten Ferien der Arbeiter zu decken. Das Departement hiess in der Folge diesen Entwurf durch eine auf den Bundesratsbeschluss zum Schutze der Uhrenindustrie gestützte Verfügung gut.

Auf diese Weise konnte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement dank seiner Beteiligung am Aufkauf der Dissidenz eine Branche der Uhrenindustrie, welche fast ausnahmslos nur kleine Arbeitgeber umfasst, ausserhalb der Kollektivkonventioh steht und unter der Anarchie besonders zu leiden hatte, in den Genuss der Vorteile der Organisation versetzen. Die bei den Termineuren beschäftigten Arbeiter wurden damit in bezug auf die Entlöhnung den Arbeitern in den grossen Betrieben gleichgestellt.

d. Das Funktionieren der Beschlüsse des Bundesrat es betreff end die Uhrenindustrie.

Die Ausfuhr von Uhrenprodükten und Werkzeugen für die Uhrenindustrie ist nur mit einer Bewilligung der Schweizerischen Uhrenkammer möglich. Diese erteilt die Bewilligung, wenn die Ausfuhr mit der Kollektivkonvention der Uhrenindustrie in Übereinstimmung steht. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement kann jedoch nach Begrüssung der konventionellen Organisationen und des Eoskopfverbandes die Uhrenkammer anweisen, auch andere Exporte zu verweigern oder zu bewilligen. Die Uhrenkammer übt die,Tätigkeit einer Bewilligungsinstanz gestützt auf eine Kompetenzdelegation des Bundesrates ausi Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement genehmigt die ihm unter; breiteten, von den konventionellen Organisationen auf Grund einer gegenseitigen Verständigung angenommenen Minimaltarife und erklärt sie als allgemein verbindlich. Handelt es sich um einen Tarif, der die Beziehungen zwischen einer konventionellen
und einer nichtkonventionellen Branche -i- wie z. B. das Terminage von Werken oder das Steinbohren -- regelt, so verlangt das,Departement, dass der Tarif vorgängig sowohl von den Lieferanten wie von den Kunden angenommen wird. Treten Schwierigkeiten auf, so stellt es auf Wunsch der interessierten Kreise seine Dienste als; Vermittler zur Verfügung. Diese Intervention der eidgenössischen Behörden ermöglichte es manchen kleinen, nichtkonventionellen Branchen, in den Genuss eines Minimaltarifs zu gelangen, was dazu beitrug, ihre Lage merklich zu verbessern. Es war nicht mehr als recht, dass

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'

auch .diese kleinen Branchen wie das Terminage, das Steinbohren, das «pivotage» (Zapf en arbeit), das «empierrage» (Einpressen von Steinen) aus den Sanierungsmassnahmen gleich wie die Hauptbranchen ihren Nutzen zogen.

Beim Entscheid über Preiserhöhungsgesuche hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement besonders in den letzten Jahren darüber gewacht, dass jegliche Preiserhöhung, welche die Konkurrenzfähigkeit unserer Uhrenindustrie auf den ausländischen Markten in Mitleidenschaft ziehen könnte, vermieden wird.

Die Handhabung der Bewilligungspflicht auf dem Gebiete der Eröffnung neuer Betriebe, der Erweiterung, Umgestaltung oder Verlegung bestehender Betriebe oder der Erhöhung der Arbeiterzahl'gibt manchmal zu Kritik Anlass.

Einerseits finden die Organisationen der Uhrenindustrie, dass das Departement zuviel Bewilligungen erteile; andererseits haben die Gesucbsteller, von denen jeder nur seinen Fall sieht, Mühe, einen ablehnenden Bescheid zu verstehen, glauben sie doch, dass sie alle Voraussetzungen erfüllen würden.

Es dürfte daher nicht überflüssig sein, etwas näher auf das Bewilligungsverfahren einzutreten.

Erhält das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement oder sein Generalsekretariat ein Bewilligungsgesuch, so beauftragt es in erster Linie einen eidgenössischen Fabrikinspektor oder einen Experten der dem Generalsekretariat unterstellten Sektion für Uhrenindustrie, eine Untersuchung an Ort und Stelle durchzuführen und einen Bericht über die technische Seite des Falles abzugeben.

Bevor das Eidgenössische Volkswirtscbaftsdepartement oder gegebenenfalls sein Generalsekretariat über ein Bewilligungsgesuch entscheidet, muss es eine beratende Kommission begrüssen. Letztere setzt sich aus Vertretern der hauptsächlichsten daran interessierten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen zusammen. Sie tagt durchschnittlich einmal im Monat. Mitarbeiter des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements nehmen an den Beratungen dieser Kommission teil. Die Meinungsäusserungen der Kommission binden die eidgenössischen Behörden nicht. Sofern ernsthafte Gründe es rechtfertigen, weicht das Departement oder das Generalsekretariat von der Stellungnahme der Kommission ab; dies geschiebt fast ausnahmslos in einem dem Gesuchsteller günstigen Sinne.

Die in der Kommission nicht direkt vertretenen Branchen
der Uhrenindustrie werden schriftlich begrüsst ; auch sie haben also die Möglichkeit, ihrer Auffassung Ausdruck zu geben.

Der Kommission, genannt «Consulthor», wird vorgeworfen, sie stelle einzig und allein auf die Meinungsäusserung der Konkurrenten des Gesuchstellers ab.

Dieser Vorwurf ist nicht begründet. Man darf nicht vergessen, dass die Kommission aus Vertretern aller Kreise der Uhrenindustrie zusammengesetzt ist. Die allfälligen Kunden des Gesuchstellers sowie die Vertreter der Arbeiter haben auch ein Wort mitzusprechen. Wenn es sich z. B. darum handelt, die Frage zu prüfen, ob die Eröffnung einer neuen.Zifferblattfabrik angezeigt sei, so erkundigt man sich nicht BUT bei den Zifferblattfabrikanten über die Beschäftigüngslage in

79 ihrer Branche, sondern auch bei den Uhrenfabrikanten nach den Lieferfristen der Zifferblattfabrikanten und über die Zweckmäßigkeit der Gründung neuer Zifferblattunternehmen. Die Vertreter der Hilfsgewerbe der Uhrenindustrie haben im Schosse der Kommission bei der Beurteilung der ihnen unterbreiteten Fälle immer ihr Bestreben nach Unvoreingenommenheit unter Beweis gestellt.

Wenn es auch verständlich ist, dass Leute, welche an den Kommissionssitzungen nicht teilnehmen, die Fabrikanten von Zifferblättern ·-- um bei unserrn Beispiel zu bleiben -- der Opposition gegen einen neuen Konkurrenten verdächtigen, selbst wenn der Gesuchsteller neue Ideen besitzt und technische Fortschritte Verwirklichen möchte, so kann immerhin den Uhrenfabrikanten eine solche negative Haltung nicht zugemutet werden, haben sie doch alles Interesse daran, möglichst vollwertige Bestandteile geliefert zu erhalten. Andererseits ist nicht anzunehmen, weshalb die Vertreter der Arbeiter unter allen Umständen den Standpunkt der bereits bestehenden Betriebe verteidigen Sollten.

Soweit es sich um die Eröffnung einer neuen Uhrenfabrik handelt, werden die eidgenössischen Behörden nicht nur durch die Vertreter der F. H., sondern auch durch die Lieferanten der Uhrenfabrikanten wie die Ebauches S.A. und die Hilfsgewerbe der Uhrenindustrie, die nicht als Konkurrenten betrachtet werden .können, unterrichtet. Desgleichen greifen die Vertreter der Arbeiterschaft in, völlig unparteiischer Weise ein.

Von welchem Kriteriiim sollen sich die eidgenössischen Behörden bei der Prüfung von Bewilligungsgesuchen leiten lassen? Gemäss Artikel 4, Absatz l, des in Kraft befindlichen Bundesratsbeschlusses zum Schutze der Uhrenindustrie vom 28. Dezember 1948 werden Bewilligungen nur dann erteilt, «wenn dadurch die Gesamtinteressen der schweizerischen Uhrenindustrie nicht verletzt werden».

Dieser Grundsatz ist sehr elastisch und gewährt der entscheidenden Behörde einen grossen Spielraum. Sie berücksichtigt bei ihren Entscheidungen die besondern Umstände des Einzelfalles.

Bei der Prüfung eines Gesuches um Bewilligung der Eröffnung eines Uhren-, betriebes gilt es in erster Linie abzuklären, ob der Gesuchsteller die xmerlässlichen technischen, kaufmännischen und moralischen Voraussetzungen besitzt. Es wäre zweifellos mit den allgemeinen Interessen der Uhren
industrie unvereinbar, wenn diesem Wirtschaftszweig Elemente zugeführt würden, die ihm nur schaden könnten. Sodann handelt es sich darum, die Verhältnisse in der betreffenden Branche, die Bedürfnisse der Kundschaft und die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung beziehungsweise der Verbesserung der Qualität der Produkte in Berücksichtigung zu ziehen.

Das Bewilligungssystem bezweckt, eine unbesonnene Entwicklung des Produktionsapparates der Uhrenindustrie zu vermeiden. Während der guten Jahre der Nachkriegszeit hatten die Gesuchsteller einige Mühe, zu verstehen, dass das Departement trotz der augenblicklich günstigen Verhältnisse nicht alle Gesuche guthiess. Es ging aber gerade darum, die Irrtümer der Jahre nach dem Weltkrieg 1914-1918 zu vermeiden. Damals wurden mangels jeglicher Beschränkung eine

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Menge neuer Betriebe ins Leben gerufen, was seit 1921 eine starke Erhöhung der Zahl der Arbeitslosen und der Konkurse im Gefolge hatte. Hätte das'Departement nach dem Kriege 1939-1945 allen jenen, welche ein Gesuch eingereicht haben, eine Bewilligung zur Eröffnung eines neuen Betriebes erteilt, wäre die Zahl der Uhrenunternehmungen bald auf das Doppelte oder Dreifache gestiegen, die Qualität der Produkte hätte darunter gelitten, und der gegenwärtig festzustellende Bückgang der Geschäfte hätte zweifellos bereits beängstigende Ausmasse angenommen. Dank der Bewilligungspflicht haben die Industriellen die Erledigung der Aufträge auf einen ziemlich langen Zeitraum verteilt, womit unserer Uhrenindustrie eine regelmässige Beschäftigung für mehrere Jahre gesichert wurde.

Es ist selbstverständlich, dass die Bewilligungspflicht unsere Uhrenindustrie nicht zu einem abgeschlossenen Berufszweig, ähnlich den Zünften des ancien régime, umgestalten darf. Den jungen Leuten, welche über die erforderlichen technischen und kaufmännischen Fähigkeiten verfügen, sowie die unerlässlichen moralischen Garantien bieten, muss soweit als irgendwie möglich' Gelegenheit gegeben werden, in der Schweiz eine Existenz zu gründen.

Wenn es sich um ein Gesuch um Erhöhung der Arbeiterzahl, die Hinzufügung einer neuen Fabrikationsbranche oder den Übergang von einer Fabrikationsbranche zu einer andern handelt, so werden ebenfalls die Lage in der betreffenden Branche, die Bedürfnisse der Kundschaft und die Qualität der Produkte des Gesuchstellers geprüft.

Die Bewilligung zur Verlegung eines Betriebes in eine andere Ortschaft wurde nur in ganz seltenen Fällen verweigert.

Die von den Dienstzweigen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements aufgestellten Statistiken beweisen, dass bei diesem Departement in der Zeit von 1937 bis Ende 1949 2569 Gesuche um Bewilligung der Eröffnung eines neuen Betriebes eingegangen sind. Die Bewilligung wurde in 639 Fällen erteilt.

Man kann also nicht behaupten, dass die Behörden auf dem Gebiete der Uhrenindustrie zu einer Politik der verschlossenen Türe Hand geboten hätten. Der mässigende Einfluss der eidgenössischen Behörden ist ganz besonders aus den nachstehenden Ziffern ersichtlich, die auch das Ansteigen der Gesuche auf dem Gebiete der Eröffnung neuer Betriebe im Laufe der letzten Jahre veranschaulichen: Jahr

1943 1944 .

1945 1946 1947 1948 1949 . .

1950 I.Halbjahr

Eröffnung neuer Betriebe Gesuche Bewilligungen

82 119 240 394 428 452 352 167

33 34 68 66 96 92 102 59

81 Von 1937 bis Ende Juni 1950 ist die Zahl der in der Uhrenindustrie beschäftigten Arbeiter um 15240 angestiegen. Man kann somit nicht sagen, dass das Eidgenössische : Volkswirtschaftsdepartement die Ubrenindustrie als ein für: Dritte unzugängliches Reservat betrachtet habe.

; Beilage III der Botschaft gibt näheren Aufschluss über die von 1937 bis Ende, 1950 eingereichten Bewilligungsgesuche sowie über deren Schicksal. Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass sich in, diesen 14% Jahren das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement mit 7755 Gesuchen zu befassen hatte und 4218 Bewilligungen verschiedener Art ausgestellt hat.

, Der Beitrag der eidgenössischen Behörden zum Sanieruhgswerk der Uhrenindustrie vermochte die Lage der konventionellen Organisationen, welche die Initiative zur Sanierung ergriffen hatten, zu festigen. ! Es galt aber auch, allfällige auf die neue Ordnung zurückzuführende Missbräuche zu verhindern. In ; dieser Beziehung ist vor allein an die, die Unterzeichner der Kollektivkonvention bindende Kaufs- und Verkaufstreue zu erinnern. AVir haben bereits unter lit. A .die Bedeutung dieser Klausel dargestellt. Es ist nun vorgekommen, dass die Inhaber von Bewilligungen, die das Departement entgegen der Auffassung der konsultativen Kommission oder auch nur der direkt interessierten Berufsorgani. sation erteilt hatte, nicht in die Kollektivkonvention aufgenommen wurden.

'Die. Bewilligung wurde damit illusorisch, da ihr Inhaber, ,wenn es sich z. B.

um einen Uhrenfabrikanten handelte, nicht in der Lage war, sich die für die Uhrenfabrikation notwendigen Eohwerke oder Bestandteile zu verschaffen oder wenn der' Gesuchsteller Fabrikant von Bestandteilen war, konnte er die Uhrenfabrikanten nicht beliefern, weil die letzteren nicht das Recht hatten, bei ihm zu kaufen. Im allgemeinen vermochten die Vertreter des Departements die Dinge auf gütlichem Wege zu regeln. In einem Fall -- es handelte sich um ein Atelier zur Fabrikation von Uhrengläsern -- bewirkte jedoch die Opposition des direkt interessierten Verbandes, dass die Inhaber der Bewilligung während Monaten nicht davon Gebrauch machen konnten. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement setzte sich jedoch schlussendlich gegenüber diesem unzulässigen Widerstand durch. Der Beschluss zum Schutze der Uhrenindustrie bezweckt . die Verhinderung
jeder neuen Dissidenz. Die interessierten Berufsorganisationen ziehen ihren Nutzen aus diesem;Beschluss. Man darf deshalb auch verlangen, dass sie die Inhaber einer behördlichen Bewilligung, die z. B. jungen Leuten oder fähigen Technikern vom Departement in der Meinung ausgestellt wurde, dass diese Bewerber würdig seien, eine unabhängige Tätigkeit in der Uhrenindustrie auszuüben, nicht von der Aufnahme in den interessierten Verband ausschliessen. Aus diesem Grunde hat der Bundesrat in 'den Beschluss über die Uhrenindustrie eine Bestimmung aufgenommen, wonach das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement im Falle von Meinungsverschiedenheiten in bezug auf die Erteilung der Bewilligung:zur Eröffnung eines neuen Betriebes vollständig unabhängig entscheidet. Dem direkt interessierten Berufsverband ist immerhin vorgängig des Entscheides Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der interessierte Verband ist verpflichtet, den Inhaber der Bewilligung aufzunehmen.

82 · Bei der Anwendung der Bestimmungen zum Schutze der Uhrenindustrie hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement nie vergessen, dass dieser Schutz der gesamten Uhrenindustrie und nicht nur den grossen Betrieben zugute kommen soll. So hat es den kleinen und mittleren Unternehmungen, welche der Arbeiterschaft der von den Uhrenzentren entfernten Gegenden Arbeitsgelegenheiten verschaffen, seine besondere Sorge angedeihen lassen.

Die Tätigkeit der Behörden auf diesem Gebiete hat vor allem in zwei Bichtungen ihren Ausdruck gefunden : Vorerst stellte einmal das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement oder sein Generalsekretariat seine Vermittlerdienste zur Verfügung, wenn es galt, einen Tarif aufzustellen, der gewissen Branchen, wie dem Terminage, dem Polieren der Schalen, dem pivotage oder dem Steinbohren gestatten sollte, die Arbeiter unter gleichzeitiger Erzielung eines angemessenen Gewinnes gerecht zu entlöhnen. Die der Aufstellung eines solchen Tarifs vorangegangenen Besprechungen waren oft sehr mühsam, und es war nötig, dass das Departement sein ganzes Gewicht in die Waagschale warf, um die gegenüber den Lieferanten wirtschaftlich stärkeren Kunden zu den erforderlichen Konzessionen zu veranlassen. Diese Intervention hat in hohem Masse dazu beigetragen, die Verhältnisse in den fraglichen Branchen zu bessern.

Andererseits hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement entschieden, gewisse Berufe in der Uhrenindustrie als Spezialbranchon zu betrachten, die ohne besondere Erlaubnis nicht einer andern bestehenden Uhrenfabrik angegliedert werden durften. Damit sollte eine ungesunde Konzentration der Uhrenindustrie in grossen Zentren und in Grossunternehmungen, welche die Bewohner der kleineren Ortschaften ihrer Arbeitsmöglichkeiten beraubt hätte, vermieden werden. So hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement z. B. erklärt, dass das polissage (Polieren) oder das lapidage (Schleifen) von Uhrenschalen einen besonderen Zweig der Schalenfabrikation darstelle und das Steinbohren eine besondere Branche der Uhrensteinindustrie. Das Einpressen von Werken und die Fabrikation von sogenannten «pare-chocs» wurden ebenfalls als Spezialbranch en bezeichnet. Infolgedessen kann eine Schalenfabrik, die nie ihre Produkte selbst poliert oder seit mehreren Jahren diese Tätigkeit eingestellt hat,
diesen Arbeitszweig nicht in ihren eigenen Werkstätten aufnehmen und damit den Polisseuren die Bestellungen entziehen, ohne vorgängig eine entsprechende Bewilligung erhalten zu haben. Das gleiche g|lt für den Steinfabrikanten, der das Bohren selbst besorgen möchte und für den Uhrenfabrikanten, der die Werke selbst einpressen will. Diese Politik ist manchmal durch die grossen Unternehmungen kritisiert worden, die dadurch in ihrem Konzentrationsbestreben gehindert werden ; sie hat aber zweifellos einer ganzen Anzahl von kleineren und mittleren Betrieben, deren Arbeit durchaus befriedigt und die ohne die Intervention der Behörden die Gefahr gelaufen wären, ihrer Bestellungen verlustig zu geben, das Leben gerettet.

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e. Die erzielten Ergebnisse ' Das Eeorganisationswerk hat erfreuliche Ergebnisse gezeitigt. Die unter Mithilfe der eidgenössischen Behörden von den Berufsverbänden der Uhrenindustrie getroffenen Massnahmen haben sich in verschiedener Beziehung als vorteilhaft erwiesen.

; Die Zusammenfassung der Produktion von Bohwerken und der regulierenden Bestandteile der Uhr erlaubte es den leitenden Persönlichkeiten der Uhrenindustrie, ihre Anstrengungen im Kampfe gegen eine Verpflanzung ihrer Industrie ins Ausland zu koordinieren. Dank der Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie-Aktiengesellschaft bestellt auf diesem Gebiet eine einheitliche Politik, welche von niemandem mehr durchkreuzt werden kann.

Die Preisvorschriften geben unsern Uhrenindustriellen die Möglichkeit, zu lohnenden Bedingungen zu arbeiten und ihr Personal gerecht zu entschädigen.

Die lange Eeihe von Konkursen, Nachlassverträgen und Liquidationen, die das Wirtschaftsleben eines wichtigen Teiles unseres Landes ungünstig beeinflusst hatte, fand ihren Abschluss, und die Beziehungen zwischen den Uhrenfabrikanten und ihren;Lieferanten wickeln sich jetzt unter gesunden Bedingungen ab, was für jedermann von Vorteil ist. Die Mindestpreise und die Zahlungsbedingungen,der, F. H. schützen unsere Uhrenfabrikanten vor jedem Versuch der Preisunterbietung.

'.Es sei daran erinnert, dass am 15. Mai 1937 unter dem Patronat von Bundesrat Hermann Obrecht sei., der damals Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements war, in der Uhrenindustrie ein Friedensabkomrnen ins Leben gerufen worden ist. In diesem Abkommen verzichteten die Arbeitgeber auf den lock-out und die Arbeitnehmer avif den Streik. Beide Parteien verpflichteten sich ganz allgemein, alles zu unterlassen, was die guten Beziehungen unter ihnen stören könnte. Die Arbeitgeber erklärten sich ini Grundsatz bereit, soweit als möglich die ungenügenden Löhne zu verbessern und die bezahlten Ferien wieder einzuführen. Ein Schiedsgericht wurde bestellt. Dieses entscheidet letztinstanzlich über allfällige Differenzen in bezug auf die Höhe der Löhne, die Ferienordnung und die Vollzugsmassnahmen.

Das Abkommen vom 15. Mai 1937 wurde durch eine Vereinbarung vom 1. März 1938 ergänzt, die am 11. November 1943 durch eine, neue Konvention abgelöst wurde; letztere wurde seitdem jeweils stillschweigend
erneuert und ist immer noch in Kraft.

; Dem Abkommen vom 15. Mai 1937 waren als Parteien angeschlossen: die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerorganisationen der welschen und der deutschen Schweiz. Am 29. November 1943 wurde ein besonderer Kollektivvertrag zwischen den Uhrenfabrikanten und den Rohwerkfabriken der deutschen Schweiz einerseits sowie den Arbeitersyndikaten andererseits abgeschlossen.

Der Arbeitsfrieden in der schweizerischen Uhrenindustrie ist somit Gegenstand von zwei Vereinbarungen. Das deutschschweizerische Abkommen ist gekündigt worden; die Besprechungen zu dessen Erneuerung sind vor dem Abschluss.

84 Auf Grund dieses Abkommend haben Vereinbarungen zwischen den Parteien und Schiedssprüche, sei es getrennt pro Branche oder einheitlich für die gesamte Uhrenindustrie, die Löhne, die Teuerungszulagen und die Familienzulagen, die bezahlten Ferien, die Feiertage sowie die Beteiligung der Arbeitgeber an der Kranken- und Arbeitslosenversicherung der Arbeiter geregelt.

Seit 1936 hat es in der Uhrenindustrie keinen Streik mehr gegeben, mit Ausnahme desjenigen, der im November 1946 in der Metallzifferblattbranche ausgebrochen war. Dieser Streik konnte aber erst nach Kündigung des Friedensabkommens ausgelöst werden. Diese Kündigung betraf einzig die Metallzifferblattranche; für die übrigen Zweige blieb die Konvention in Kraft. Auf Gesuch der Parteien hatte damals das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement interveniert. Die Arbeiter fanden sich bereit, in die Konvention zurückzukehren und die Arbeit wieder aufzunehmen unter der Bedingung, dass der Streit vor einem andern als dem im Abkommen vorgesehenen Schiedsgericht ausgetragen werde. In diesem Sinne wurde Beschluss gefasst, und der Streik wurde vor der Fällung des Schiedsspruches beendigt.

Die soeben dargelegten Abkommen haben viel zum sozialen Frieden in der Uhrenindustrie beigetragen.

Die Einschränkungen auf dem Gebiete der Eröffnung neuer Betriebe, der Erweiterung, Verlegung und Umgestaltung bestehender Betriebe sowie der Erhöhung der Arbeiterzahl erwiesen sich ebenfalls als heilsam. Dank dieser Vorschriften war es möglich, nicht nur das Aufkommen einer neuen, Dissidenz, sondern auch eine übertriebene Ausdehnung unseres Produktionsapparates -- insbesondere in den ausserordentlich günstigen Nachkriegsjahren -- zu verhindern. Ohne die bremsende Wirkung der Vorschriften des Bundesratsbeschlusses hätte sich die Zahl der Uhrenbetriebe beträchtlich erhöht. Dadurch wäre es möglich geworden, alle eingegangenen Aufträge innert einer verhältnismässig kurzen Zeitspanne zu erledigen. Da aber die Aufnahmefähigkeit' der ausländischen Märkte nicht unbegrenzt ist, wären diese bald gesättigt gewesen. Vielleicht , würde unsere Uhrenindustrie bereits heute wieder von der Arbeitslosigkeit heimgesucht.

Übrigens hat die in der Ubrenindustrie geltende Bewilligungspflicht auch andern Zweigen unserer Wirtschaft genützt, wurden sie doch dadurch gegen ein massives
Abwandern von Arbeitskräften geschützt. Das, Abspenstigmachen von Arbeitskräften wäre wohl von all jenen praktiziert worden, die sich unter dem Eegime der absoluten Freiheiti in der Uhrenindustrie installiert hätten. Diese Abwanderung von Arbeitskräften hätte ganz bestimmt in der Landwirtschaft und in verschiedenen industriellen Unternehmungen schwere Störungen verursacht.

Die seit 1934 auf dem Gebiete der U h r e n i n d u s t r i e zur A n wendung, gelangte gesetzliche Ordnung ist dieser Industrie nicht gegen ihren Willen auferlegt worden. Es gibt eine Tatsache, die man nicht vergessen d a r f : Der Bund hat erst auf ausdrückliches

;

.ss

Verlangen der i n t e r e s s i e r t e n Kreise, und zwar sowohl der A r b e i t geber wie der Arbeitnehmer, eingegriffen.

, Entgegen gewissen Stimmen ist es abwegig; in diesem Zusammenhang von einer gelenkten Wirtschaft zu sprechen. Unsere U h r e n i n d u s t r i e besitzt keine allgemeine Eegelung der Produktion. Es w a r ; n i e die Eede davon, für die Uhrenindustrie einen Dreijahres- oder F ü n f j ä h r e s p l a n a u f z u s t e l l e n , der die ganze U h r e n p r o d u k t i o n oder deren Qualität auf Grund von vorausgehenden B e d a r f s s c h ä t z u n g e n regeln w ü r d e . Weder die Behörden noch die U h r e n o r g a n i s a t i o n e u haben den einzelnen Betrieben je Produktionskontingente vorgeschrieben, wie sie gewissen Kartellen nicht f r e m d sind. In der U h r e n i n d u s t r i e gibt es auch keine Spur von einem Marktkartell, in welchem eine Zentralstelle j e d e m E x p o r t e u r die von ihm ausschliësslich zu beliefernden Absatzmärkte zuweist. Es bestehen in dieser Industrie auch keine Vereinbarungen über die Verteilung der K u n d s c h a f t , wie dies in bestimmten Branchen der P r o d u k t i o n der Fall ist.

Die Industrie ist in bezug auf ihre technische Entwicklung in keiner Weise g e h i n d e r t . Sie ist nicht v e r p f l i c h t e t , Serienprodukte herzustellen. Es ist ihr freigestellt, Neues zu s c h a f f e n , ihrem Geschmack freien Lauf zu lassen, sich auf ihr Eisiko hin der Mode und den Wünschen der K u n d s c h a f t a n z u p a s s e n . Die Bewilligungspflicht hat nie .den technischen F o r t s c h r i t t lenken o d e r b e h i n d e r n wollen. Die I n i t i a t i v e zu den von den Behörden getroffenen Massnahmen ging von den Industriellen und A r b e i t e r n aus.

IV. Die zwingenden Gründe für eine dauernde Uhrengesetzgebung Die geltende gesetzliche Ordnung betreffend die schweizerische Uhrenindustrie und die Arbeit in der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie gründet sich, wie bereits gesagt, auf den Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland vom 14. Oktober 1933. Nach mehreren Verlängerungen ist dieser Beschluss am 17. Juni 1948 ein letztes Mal erneuert worden. Seine Gültigkeit läuft am 31. Dezember 1951 ab. Er wird nicht über dieses Datum hinaus als Eechtsgrundlage für die Uhrengesetzgebung herangezogen
werden können. Die Aufrechterhaltung dieses Eegimes hat sich auf die sogenannten Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung zu stützen und muss zum Gegenstand eines dem Eeferendum unterworfenen. gesetzgeberischen Erlasses gemacht werden.

Seit Anfang 1949 hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdeparternent die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen der Uhrenindustrie gebeten, ihm mitzuteilen, ob sie wünschen, dass die seit dem 12. März 1934 zur Anwendung gelangte Ordnung in die ordentliche Gesetzgebung übergeführt und inskünftig auf eine verfassungsmässige Grundlage gestützt werde. Grundsätzlich erklärten Bundesblatt. ; 102. Jahrg. Bd. ITI.

.

, 7

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die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, dass eine Ordnung, die sich während rund 16 Jahren als wirksam erwiesen habe, nicht aufgehoben werden könne, ohne die Uhrenindustrie schwersten Gefahren auszusetzen.

Es stellt sich daher die Frage, ob die für die Uhrenindustrie zurzeit geltende Ordnung in ihrer gegenwärtigen oder in einer andern Form beibehalten werden soll. Um diese Frage zu beantworten, genügt es, sich vorzustellen, was geschähe, wenn die geltende Eegelung fallen gelassen würde.

Wir glauben nicht, dass jemand die vollständige Beseitigung der Schutzmassnahmen verlangt.

Wenn die ganze Ordnung verschwinden würde, käme es sehr bald zur Schaffung einer neuen Dissidenz. Fabriken von Bohwerken, Unruhen, Hemmungen und anderer Bestandteile, Uhrenfabriken (établisseurs et manufactures) könnten ausserhalb der konventionellen Organisation gegründet werden ; letztere liefe die Gefahr, in sich zusammenzufallen. Zum mindesten würde sie ihre Wirksamkeit verlieren; die Erfahrung der Jahre 1931-1984 beweist dies zur Genüge.

Das Chablonnage würde wieder aufleben, dessen unheilvolle Auswirkungen wir bereits dargelegt haben. Zudem würden die durch keinerlei Minimaltarife ge^ bundenen dissidenten Uhrenfabrikanten versuchen, sich durch ungesunde Preisunterbietungen Kunden zu verschaffen. Die Qualität der Uhr würde darunter leiden, was für unsere ganze Uhrenindustrie nachteilige Folgen hätte und die Löhne ungünstig beeinflussen würde. Es wäre wieder ernstlich mit einer endlosen Kette von Konkursen, Nachlassverträgen und Liquidationen zu rechnen. Die Fabrikanten von Bestandteilen wären versucht, grosse Bestellungen für die ausländische Konkurrenz auszuführen und die Uhrenfabrikanten, denen die Preisvorschriften keinen wirksamen Kampf gegen die Konkurrenz der Dissidenz gestatten, könnten sehr wohl mit der Zeit die konventionellen Organisationen verlassen und ihre Freiheit zurücknehmen. Damit würde die Frucht einer 25jährigen zähen Arbeit unweigerlich zunichte gemacht.

Was würde sich aber ereignen, wenn die neue Gesetzgebung sich darauf beschränken würde -- wie dies einige vorschlagen --, nur die Bewilligungspflicbt für die Ausfuhr von Eohwerken und losen Bestandteilen aufrechtzuerhalten und die Eröffnung neuer Betriebe der Uhrenindustrie völlig frei wäre ? In diesem Falle würden ausserhalb der Allgemeinen
Schweizerischen Uhrenindustrie-Aktiengesellschaft und ausserhalb der Kollektivkonvention der Uhrenindustrie neue Fabriken von Eohwerken, Hemmungen, Unruhen, Spiralfedern und anderen Bestandteilen sowie neue Uhrenfabriken entstehen, welche die dank langer und mühsamer Anstrengungen geschaffene Organisation in ihren Grundfesten erschüttern würden. Die Dissidenten wären durch keine der für die konventionellen Firmen auf dem Gebiete der Produktion, der Ausfuhr und der Preise gültigen Vorschriften gebunden. Das Chablonnage und die Preisunterbietung würden neue Triumphe feiern.

Einige schlagen die Bewilligungspflieht für die Ausfuhr von Eohwerken und andern losen Bestandteilen sowie eine Vorschrift vor, wonach bloss die Eröffnung

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von Fabriken für Kohwerke und für die sogenannten regulierenden Bestandteile der Uhr, nämlich die Hemmungen, Unruhen und Spiralfedern, einer behördlichen Bewilligung bedarf. Was würde sich in diesem Falle aller Wahrscheinlichkeit nach ereignen?

Alle Unternehmungen der Uhrenindustrie, ausgenommen die Fabriken für, Bollwerke, Hemmungen, Unruhen und Spiralfedern, könnten frei gegründet werden wie z. B. Uhrenfabriken'und Fabriken für Bestandteile. Man wird viel-; leicht einwenden, dass dank der gegenseitigen Kaufs- und Yerkaufstreue eine neue Uhrenfabrik nicht arbeiten könnte, solange die von der A SU A G überwachten Unternehmungen keine Eohwerke, Hemmungen, Unruhen und Spiralfedern liefern. Theoretisch ist dies zutreffend. Die Eröffnung einer neuen Uhrenfabrik würde nicht mehr von einem behördlichen Entscheid, sondern vom Gutdünken der ASUAG abhängen. Diese Unzulänglichkeit für sich allein" genügt unseres Erachtens, dieses System abzulehnen. Die Behörden stehen über den privaten Interessen. Sie entscheiden in aller Freiheit und in Kenntnis der Sachlage, ob eine Bewilligung zur Neueröffnung eines Betriebes erteilt werden soll oder nicht.

Ist eine solche Bewilligung einmal erteilt, so muss ihr Inhaber davon Gebrauch machen können, und der interessierte Verband ist gehalten, ihn aufzunehmen.

Was würde geschehen, wenn die Behörde eine Bewilligung zur Eröffnung einer Fabrik für Eohwerke, Unruhen, Spiralfedern oder Hemmungen erteilen würde ? Ein durch ein Gesetz geschaffenes System der! Bewilligungspflicht darf nicht auf ein absolutes Verbot hinauslaufen, ansonst hätte dies der Ehrlichkeit halber im Gesetz gesagt werden müssen. Durch die Ausstellung von Bewilligungen zur Eröffnung von Fabriken für B.ohwerke und regulierende Bestandteile der Uhr würden die Behörden selbst dazu beitragen, eine neue Dissidenz zu schaffen. Das mit so viel Mühe errichtete Gebäude würde in Kürze einstürzen.

Selbst wenn angenommen würde, dass die Behörden keine Bewilligungen . zur Eröffnung neuer Fabriken für Eohwerke oder regulierende Bestandteile erteilen würden, so könnten doch Betriebe dieser Art im Ausland, in der Nähe unserer Grenze, gegründet werden. Diese Betriebe könnten ihre Produkte in die Schweiz liefern und damit die Uhrenfabriken versorgen. Auf die Dauer wäre es sehr schwierig, die Gründung neuer Manufacturen
der Uhrenindustrie, die alle oder fast alle Teile einer Uhr herstellen, in der Schweiz zu verhindern.

Würde überhaupt eine Vorlage, welche die Bewilligungspflicht nur für die Eröffnung von Fabriken für Eohwerke, Hemmungen, Unruhen und Spiralfedern vorsähe, mit der Unterstützung der öffentlichen Meinung,, insbesondere der alle andern Bestandteile der Uhr wie Zifferblätter, Zahlen, Zeiger, Uhrengläser usw. herstellenden Unternehmer und Arbeiter rechnen können? Wäre eine auf den Widerstand dieser Kreise stossende Vorlage nicht zum vornherein in Frage gestellt ?

Wie immer das Problem betrachtet wird, so gelangt man stets zum gleichen Schluss, dass die Uhrenindustrie ein Ganzes bildet, und dass die öffentlichrechtliche Bewilligungspflicht, wie sie heute besteht, für den Fortbestand der

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ganzen Organisation der Uhrenindustrie ausschlagend ist; sollte die Bewilligungspflicht verschwinden, so würde unsere Uhrenindustrie grossen Schwierigkeiten entgegengehen.

Nach einer solchen Einbusse wäre es schwierig, die Leute guten Willens wieder zusammenzubringen, um eine neue Sanierung einzuleiten.

Kommentar zum Ingress und zu den einzelnen Artikeln des Bundesbeschlusses 1. Die Verfassungsmässigkeit der Vorlage

Der Ihnen unterbreitete Entwurf zu einem Bundesbeschluss beruht auf den Artikeln 31Ms und 64Ms der Bundesverfassung.

Gemäss Artikel 31bls, 3. Absatz, lit. a BV, ist der Bund befugt, wenn das Gesamtinteresse es rechtfertigt, nötigenfalls in Abweichung von der Handels- und Gewerbefreiheit, Vorschriften zur Erhaltung wichtiger, in ihrer Existenzgrundlage gefährdeter Wirtschaftszweige zu erlassen. .Laut Artikel Sl1318, 4. Absatz, dürfen solche Vorschriften nur erlassen werden, wenn der betreffende Wirtschaftszweig diejenigen Selbsthilfemassnahmen getroffen hat, die ihm billigerweise zugemutet werden können.

Anlässlich der Behandlung des Bundesbeschlusses vom 24. Juni 1949 über die Bewilligungspflicht für die Eröffnung und Erweiterung von Gasthöfen in den eidgenössischen Eäten hat niemand bestritten, dass die Bedingungen des Artikels 31Ws, 3. Absatz, lit. o, im Ealle der Hôtellerie erfüllt seien. Die Hôtellerie ist bekanntlich seit 1915 ununterbrochen im Genüsse von Schutzmass. nahmen und seit 1921 fliessen ihr Bundessubventionen zu. Man nahm an, dass die Hôtellerie in ihrer Existenzgrundlage gefährdet wäre, wenn sie von einem Tag auf den andern ab 1. Januar 1950 sich selbst überlassen worden wäre.

Die Lage in der Uhrenindustrie ist weitgehend die gleiche. Was das Ges a m t i n t e r e s s e betrifft, so wird die Anwendbarkeit von Artikel 31bls nicht in Zweifel gezogen. Tatsächlich rechtfertigen das Gesamtinteresse unseres Wirtschaftslebens und die sozialen Belange gesetzliche Massnahmen zur Erhaltung unserer Uhrenindustrie. Dass diese Industrie ein wichtiger Zweig unserer Wirtschaft darstellt, wird niemand ernstlich in Frage stellen.

W i r t s c h a f t l i c h sind Massnahmen betreffend die Überwachung der Ausfuhr gewisser.Uhrenprodukte zum Schutze unserer Uhrenindustrie unerlässlich.

Die Überwachung der Ausfuhr war die erste Massnahme, welche der Gesetzgeber zur Bettung der Uhrenindustrie im Jahre 1934 ergreifen musste. Es scheint uns über alle Zweifel erhaben, dass die Existenz der schweizerischen Uhrenindustrie ernstlich gefährdet wäre, wenn heute diese Massnahme fallen gelassen würde. Die durch die Ausfuhr von Schablonen, Bohwerken, Bestandteilen und Werkzeugen heraufbeschworene Gefahr würde im Laufe der Jahre keines-

89 wegs zurückgehen, sondern nur grösser werden. Der Beweis dafür, dass i diese Massnahmen unerlässlich sind, ist übrigens auch darin zu, erblicken, dass die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer in ihren Entwürfen ähnlich lautende Bestimmungen vorsehen.

Wäre die ührenindustrie in ihrer Existenzgrundlage gefährdet, wenn die Schutzmassnahnien, welche mit Hilfe der Behörden ihre Organisierung und Sanierung erlaubt haben, ab 1. Januar 1952 verschwinden würden? Es handelt sich hier nicht um eine Rechtsfrage, sondern vor allem um eine Frage des Sachverhaltes.

Wir glauben bestätigen zu können, dass die Rückkehr zum absoluten Liberalismus die Existenz unserer Uhrenindustrie in Mitleidenschaft ziehen würde.

Dies ist nicht;, nur die Ansicht der hauptsächlichsten Organisationen der Uhrenindustrie, und zwar sowohl der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer, sondern auch des Justiz- und Polizeidepartements und des Bundesrates. Die Rückkehr zur absoluten und ungezügelten Freiheit würde sehr schwere Gefahren in sich bergen.

Über die Verfassungsmässigkeit unseres Entwurfes , zu einem Bundesbeschluss befragt, erklärten die Herren Bundesrichter Couchepin und Abrecht, dass in der französischen Sprache das Wort «menacé» (gefährdet) nicht notwendigerweise eine unmittelbare und aktuelle Gefahr bedeuten müsse. Unter gefährdet versteht man nach Littré «Dinge, die zu befürchten sind». Eine Industrie ist in ihrer Existenzgrundlage gefährdet, wenn zu befürchten ist, dass im Falle, gewisser Ereignisse -- z. B. im Falle der Aufhebung einer besonderen gesetzlichen Ordnung -- diese Industrie so schwere Rückschläge erleiden würde, dass sogar ihre Existenz in Gefahr käme.

In der deutschen Sprache hat das Wort « Gefährdung» den gleichen Sinn wie das Wort «menacé» im.Französischen. Die Lage muss derart sein, dass sich -- . sofern man nicht besondere Massnahmen ergreift -- aller Wahrscheinlichkeit nach und gemäss dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Frage der Existenz des gefährdeten Wirtschaftszweiges stellen wird. Es genügt nicht, dass das Gedeihen dieses Wirtschaftszweiges rückläufig ist, dass seine Entwicklung zum Stillstand gekommen ist, dass die Läge schwieriger, die Konkurrenz: drückender und die Gewinnmöglichkeiten geringer wurden. Die Dinge müssen vielmehr so liegen, dass ohne entsprechende Massnahmen der Wirtschaftszweig nur noch
unter so ausserordentlich schwierigen Bedingimgen existieren könnte, dass man in einem mehr oder weniger naheliegenden Zeitpunkt mit seinem Ruin rechnen müsste.

Die Herren Couchepin und Abrecht gelangen zu nachstehender Schlussfolgerung: «Angesichts des juristischen Begriffes der Gefährdung, wie wir ihn weiter oben umschrieben haben, und mit Rücksicht auf die Folgen, welche die Aufhebung der gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen für die Uhrenindustrie nach sich ziehen würde, halten wir die Uhrenindustrie als in ihrer Existenz gefährdet, wenn diese Aufhebung in Betracht gezogen wird.»

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Der beiliegende Entwurf zu einem Bundesbeschluss entspricht einer Notwendigkeit.

Endlich kann nicht bestritten werden, dass die Uhrenindustrie Selbsthilfemassnahmen im Sinne von Artikel 31Ms, 4. Absatz, der Bundesverfassung getroffen hat. Die gesamte Geschichte der Sanierung der Uhrenindustrie, insbesondere die Konventionen, die Gründung der ASUAG, die Tätigkeit dieser letzteren zeigen mit aller Eindrücklichkeit, dass die Uhrenindustrie vorerst versucht hat, sich aus eigenen Kräften zu helfen und dass sie sich erst später, im Sinne eines letzten Auswegs, an .die Behörden gewandt hat (siehe Botschaft des Bundesrates von 11. September 1931, Seite 22).

Es sei daran erinnert, d&ss anlässlich der Ausarbeitung der s o g e n a n n t e n W i r t s c h a f t s a r t i k e l der B u n d e s v e r f a s s u n g die der U h r e n i n d u s t r i e gewährte Hilfe als Beispiel eines t y p i s c h e n Anwendungsfalles von Artikel 31Ws erwähnt worden ist.

Am 28. April 1938 hat Herr Albert Eais, Berichterstatter der Mehrheit der nationalrätlichen Kommission, zum Artikel 32 des Entwurfes des Bundesrates (der zum heutigen Artikel 81Ms wurde) erklärt: Artikel 32, lit. a, ermöglicht die notwendige Anpassung an die in ständigem Fluss befindliche Lage unseres Landes und gewährt unserer internationalen Handelspolitik die unerlässliohe Bewegungsfreiheit. Es sei daran erinnert, dass inskünftig die auf dem Gebiete der Uhrenindustrie zwecks Wahrung der allgemeinen Interessen dieses Wirtschaftszweiges und zu -dessen Sanierung bls erlassenen Vorschriften ihre Rechtsgrundlage und Rechtfertigung im Artikel 31 , 2. Absatz, lit. a, (jetzt Art. 31bls, 3. Abs., lit. a) finden können, und zwar einschliesslich der Festsetzung der Preise, weil es sich um eine Exportindustrie handelt und das allgemeine Interesse oder dasjenige der Konsumenten dem nicht entgegensteht (StenB 1938, Seite 337).

Artikel 31bls beschränkt die dem Gesetzgeber zwecks Erreichung des angestrebten Zieles zur Verfügung stehenden Mittel in keiner Weise. Im Grundsatz ist keine Massnahme ausgeschlossen, und zwar weder nach dem Wortlaut der Bestimmung noch nach dem Geist der Verfassung. Dieser Artikel kann somit für die Bewilligungspflicht zur Eröffnung neuer Betriebe der Uhrenindustrie, zur Erhöhung der Arbeiterzahl, der Umgestaltung und Verlegung bestehender Betriebe sowie für die Ordnung der Ausfuhr und der Preise der Uhrenprodukte als Grundlage dienen.

Artikel 34ter der Bundesverfassung gibt dem Bund das Eecht, gesetzliche Vorschriften zum Schutze der Angestellten und Arbeiter sowie über die Beziehungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufzustellen.

Dieser Artikel könnte den Bestimmungen über die Arbeit in der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie als Grundlage dienen. Dieses Gebiet wird durch das gegenwärtig in Vorbereitung befindliche Gesetz über die Arbeit in Industrie, Handwerk, Handel, Verkehr und verwandten Wirtschaftszweigen (Arbeitsgesetz) geregelt werden. Es ist sicher, dass dieses Gesetz nicht vor dem 31. Dezember 1951 in Kraft tritt, d. h. vor dem Datum, an welchem der Bundesratsbeschluss vom 23. Dezember 1948 über die Arbeit in der nichtfabrikmässigen

91 Uhrenindustrie dahinfallen wird. Die fraglichen Vorschriften müssen deshalb provisorisch in einen andern Erlass übernommen werden. Artikel 10, 2. Absatz, des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 über die Heimarbeit bildet hiefür eine ausreichende Grundlage. Er ermächtigt den Bundesrat > die Arbeit in der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie besondern Einschränkungen zu unterstellen. Diese Vorschrift ist absichtlich in das Gesetz aufgenommen worden, um dem Bundesrat die Möglichkeit zu geben, im Falle, dass er sich nicht mehr auf die wirtschaftlichen Massnahmen gegenüber dem Ausland stützen könnte, doch noch gesetzliche Bestimmungen über die Arbeit in der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie zu erlassen. Dies ist aus den Ausführungen des Berichterstatters, Herrn Amstalden, in der Sitzung des Ständerates vom 27. März 1940, klar ersichtlich; er stellte damals in bezug auf Artikel 10, 2. Absatz, des Bundesgesetzes über die Heimarbeit folgendes fest: Absatz 2 nimmt Bezug auf die Bundesratsbeschlüsse vom 9. Oktober 1936 und vom 29. Dezember 1937 über die Ordnung der Arbeit in der nichtfabrikmässigen 'Uhrenindustrie. Da sich dieser Besohluss auf den befristeten Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Auslande stützt, muss dafür gesorgt werden, dass er auch nach Wegfall des Noterlasses eine gesetzesmässige Grundlage besitzt. Das ist der Grund, weshalb hier für die Heimarbeit in der Uhrenindustrie ein besonderer Vorbehalt gemacht werden muss (BS. 1940,174).

Da es sich um eine Übergangsmassnahme handelt, ziehen wir es vor, von der 'Möglichkeit, die uns das Gesetz über die Heimarbeit -gibt, Gebrauch zu machen. Wir werden die Frage durch einen besondern Beschluss des Bundesrates regeln.

Der im Ingress erwähnte Artikel 64bls erlaubt, in den Bundesbeschluss vom Strafgesetzbuch abweichende Bestimmungen aufzunehmen.

2. Kommentar zu den einzelnen Artikeln Der beiliegende Entwurf zu einem Bundesbeschluss enthält z w i n g e n d e Vorschriften, d. h. solche, die vom Bundesrat unter allen Umständen erlassen werden müssen und Vorschriften f a k u l t a t i v e r Natur, die gegebenenfalls nur auf Verlangen der interessierten Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisationen in die Vollziehungsverordnung aufgenommen werden und die, je nach den Umständen, aufgehoben oder abgeändert werden können, : Zu Artikel l Der Entwurf übernimmt die Definition der Uhrenindustrie und der Uhr, wie sie, im gegenwärtig gültigen Bundesratsbeschluss vom 23. Dezember 1948 zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie enthalten ist.

Zu Artikel 2 1. Absatz: Angesichts der Bedeutung, die dem Kampf gegen die Verpflanv zung imserer Ubrenindustrie ins Ausland zukommt, wird der Bundesrat die Aus-

92 fuhr von Bollwerken, Schablonen und Bestandteilen der Bewilligungspflicht unterstellen.

2. Absatz: Desgleichen wird der Bundesrat die Ausfuhr von Stanz-und Spezialwerkzeugen jeder Art zum Zwecke der Herstellung von Eohwerken, Uhrengehäusen, Bestandteilen und Teilfabrikaten als bewilligungspflichtig erklären.

Im weitern wird auch die Ausfuhr von Plänen für die Kaliberkonstruktion und von Werkzeugzeichnungen für die Uhrenfabrikation wie von Apparaten, die dem Zusammensetzen und Vollenden der Eohwerke, der Uhrengehäuse, der Bestandteile und Teilfabrikate dienen, von einer Bewilligung abhängig sein.

3. Absatz: Der Bundesrat wird, wenn dies verlangt werden sollte, die Bewilligungspflicht auf die Ausfuhr von Uhren, Stand-, Wand-, und Weckeruhren, Uhrwerken und Uhrengehäusen ausdehnen.

4. Absatz: Der Buhdesrat wird auch die Ausfuhr von ausgesprochenen Uhrenmaschinen als bewilligungspflichtig erklären können. Er wird eine solche Massnahme nur nach vorgängigem Einvernehmen zwischen den Berufsverbänden,der Uhren- und Maschinenindustrie treffen. Sollte die Ausfuhr von Maschinen der Bewilligungspflicht unterstellt werden, so wird diese Vorschrift auch auf die Vermietung von Maschinen Anwendung finden.

5. Absatz: Der Beschluss verzichtet darauf, die für die Ausstellung der Bewilligungen zuständigen Organe zu bezeichnen. Es wird Sache des Bundesrates sein, dies in seiner Vollziehungsverordnung zu tun. Er wird, wie dies heute der Fall ist, die Uhrenkammer als Bewilligungsinstanz für die Ausfuhr von Uhrenprodukten und die Oberzolldirektion als Bewilligungsinstanz für die Ausfuhr von Uhrenmaschinen einsetzen. Er möchte sich aber nicht für alle Zukunft binden.

"Zu Artikel 3 1. Absatz: Der Bundesrat ist frei, die Eröffnung, Wiedereröffnung, Umgestaltung und Verlegung von Uhrenbetrieben sowie die Erhöhung der Arbeiterzahlen in diesen Betrieben der Bewilligungspflicht zu unterstellen. Wir sind zum Schlüsse gelangt, dass es dem Bundesrat überlassen werden sollte, je nach den Umständen diese Massnahmen einzuführen, abzuändern oder gar aufzuheben, ohne dass es jeweils nötig ist, den Beschluss zu ändern und das lange parlamentarische Verfahren einzuschlagen. Eine zu starre Ordnung ist nicht zu empfehlen. Der fakultative Charakter dieser Vorschrift gibt dem Bundesrat die Möglichkeit, die Bewilligungspflicht der
Entwicklung der Wirtschaftslage anzupassen und sie von sich aus zu mildern. Wir werden von unserer Befugnis nur soweit als notwendig Gebrauch machen. Übrigens werden die eidgenössischen Räte regelmässig Gelegenheit haben, sich über die vom Bundesrat getroffenen Massnahmen auszusprechen (Artikel 10 des Entwurfes).

Wie dies heute schon der Fall ist, wird die Übernahme eines Uhrenunternehmens mit Aktiven und Passiven nicht als bewilligungspflichtig erklärt werden können.

.

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2. Absatz: Um jeglichem Missverständnis vorzubeugen, haben wir festgehalten, dass unter Umgestaltung eines Betriebes nicht die Vergrösserung der Lokalitäten verstanden wird, sondern der Übergang von einem Fabrikationszweig zu einem andern oder das Hinzufügen eines neuen Fabrikationszweiges zu einem bereits bestehenden (z. B. Übergang von der Fabrikation von EmailZifferblättern zur Fabrikation vom Metall-Zifferblättern, von Silberschalen zu Metallschalen, von Zylinderubreri zu Anker- oder Boskopfuhren oder vom Terminage zur eigentlichen Uhrenfabrikation).

i

Zu Artikel 4

1. Absatz: Diese Bestimmung ist von der geltenden Ordnung übernommen worden. Das mit der Entscheidung der Bewilligungsgesuche betraute Organ wird im Rahmen, in dem die Bewilligungspflicht gegebenenfalls eingeführt wird, in erster Linie abzuklären haben, ob die Erteilung der Bewilligung mit den allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie vereinbar ist. Unser Volkswirtschaftsdepartement hat dies seit 1934 stets getan. Es hat die Uhrenindustrie nie als eine geschlossene Berufsgruppe betrachtet, die im Besitze einer Art von Monopol wäre, sondern es war immer bemüht, dieser Industrie 'den Zustrom neuer Kräfte offen zu halten. Die Zahl der erteilten Bewilligungen ist der beste Beweis dafür. Hätte aber jedermann, selbst ohne die für die Führung eines Betriebes erforderlichen Kenntnisse zu besitzen, ein Uhrenunternehmen eröffnen können, so wäre dieser ] Wirtschaftszweig, bald überfüllt worden. Die Qualität der Produkte hätte darunter gelitten, die Preisunterbietung wäre an der Tagesordnung gewesen und die schweizerische i Uhrenindustrie, die sozusagen ansschliesslich von den ausländischen Märkten abhängig ist, wäre in den Schlamassel und die Anarchie vor 1931 und 1934 zurückgefallen.

Die zum 'Entscheid über die Bewilligungsgesuche zuständigen Organe werden den Begriff der allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie in gleicher Weise1 auszulegen haben.

2. Absatz: Beim Entscheid über Gesuche um Eröffnung neuer Betriebe hat unser Volkswirtschaftsdepartement immer in erster Linie die technischen und kaufmännischen Kenntnisse des Gesuchstellers geprüft. Es wird dies auch inskünftig so halten. Wir erachten es als angezeigt, in den Beschluss eine Vorschrift aufzunehmen, wonach Bewilligungen zur Eröffnung neuer: Betriebe vorzüglich solchen Gesuchstellern, und zwar vor allem den jungen Anwärtern darunter, erteilt werden, welche sich über technische und kaufmännische Kenntnisse ausweisen. Durch diese konkrete Bestimmung wird eines der Elemente, die bei der Entscheidung von Bewilligungsgesuchen zu beachten sind, besonders hervorgehoben. Den jungen, gut qualifizierten Leuten soll es nicht verwehrt sein, eine selbständige Tätigkeit in der Uhrenindustrie auszuüben.

Einige möchten das Recht, ein Uhrenunternehmen zu eröffnen, einfach von . einem Fähigkeitsausweis abhängig machen. Unser Volkswirtschaftsdepartement prüft bereits heute -- wie wir soeben dargelegt, haben -- in erster

94 Linie, ob der Gesuchsteller über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt. Der Besitz eines Diploms ist zweifellos für den Gesuchsteller ein günstiges Zeichen.

Es kann aber nicht das einzige Kriterium für die Fähigkeiten des Bewerbers bilden. So sind die technischen Kenntnisse für die Führung eines kleinen Betriebes eines Hilfsgewerbes der Uhren industrie sehr wichtig. Sie sind aber schon weniger wichtig, wenn es sich um ein grosses Unternehmen handelt, wo der Chef vor allem Organisator und Kaufmann sein muss. Sodann muss man, um eine eigentliche Uhrenfabrik mit Erfolg zu führen, in erster Linie ein fähiger Kaufmann sein, der in der Lage ist, die entferntesten Märkte zu bearbeiten. Solche besondere, der praktischen Erfahrung entspringende Kenntnisse können nicht durch ein Diplom ausgewiesen werden. Für den technischen Teil des Betriebes kann ein Fabrikant immer Spezialisten beiziehen.

Zudem können Leute Gesuche einreichen, welche, ohne im Besitze eines Diploms zu sein, über bemerkenswerte Fähigkeiten verfügen. Verschiedene, einen merklichen technischen Fortschritt bedeutende Erfindungen stammen von Autodidakten. Solche Gesuchsteller dürfen nicht zum vornherein ausgeschlossen werden, wenn auch die allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie stets im Auge behalten werden müssen.

3. Absatz: Der Bundesrat kann im Sinne von Artikel 3 u. a. die Erhöhung der Arbeiterzahl als bewilligungspflichtig erklären. Gegenwärtig hat jedes Unternehmen ein Anrecht darauf, den Höchstbestand an Arbeitern in den Jahren 1929--1933 zu beschäftigen. Die Bewilligung zur Erhöhung der Arbeiterzabl ist in vielen Fällen erteilt worden. Der Bundesrat behält sich vor, für die Festsetzung des höchstzulässigen Arbeiterbestandes der einzelnen Betriebe eine näherliegendere Basisperiode zu wählen.

Um die Bewilligungspflicht auf dem Gebiete der Erhöhung der Arbeiterzahl etwas zu mildern, haben wir in den Beschluss eine Bestimmung aufgenommen, wonach der Bundesrat die Grenzen festlegen kann, innerhalb welcher ein Uhrenunternehmen seinen Arbeiterbestand ohne Bewilligung erhöhen darf.

4. Absatz: Diese Bestimmung erheischt keinen Kommentar.

5. Absatz: Wie in der Vergangenheit wird eine vom Volkswirtschaftsdepartement bestellte und die Vertreter der hauptsächlichsten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände der Uhrenindustrie umfassende
beratende Kommission berufen sein, ihre Meinung zu den Bewilligungsgesuchen im Sinne von Artikel 3 kundzugeben. Diese Stellungnahme wird die zum Entscheid zuständige Behörde nicht binden.

6. Absatz: Derjenige, der eine Bewilligung erhält, muss in der Lage sein, davon Gebrauch zu machen. Es ist aber nicht angängig, dass ein Berufsverband oder eine Drittperson diese Bewilligung illusorisch macht, beispielsweise dadurch, dass dem Inhaber der Bewilligung die Aufnahme in den Berufsverband verweigert wird. Die Kollektivkonvention der Uhrenindustrie sieht den Grundsatz der gegenseitigen Kaufs- und Verkaufstreue vor. So muss ein Uhrenfabrikant, um Bohwerke und Bestandteile zu erhalten, Mitglied einer Sektion des Schwei-

95

zerischen Verbandes der Uhrenfabrikanten-Vereinigungen sein. Solange er nicht Mitglied dieses Verbandes ist, ist es den ihrerseits in Verbänden organisierten Fabrikanten von Eohwerken und Bestandteilen verboten, ihm diese Produkte zu liefern. Es ist also notwendig, dass der Be-willigungsinhaber in den interessierten Verband aufgenommen wird. Wenn dieser Verband die Aufnahme ablehnt oder sie von probibitiven Bedingungen abhängig macht, so muss die eidgenössische Behörde über die Mittel verfügen, diesen Widerstand zu brechen.

7. Absatz: Diese Bestimmung gibt zu kernen Bemerkungen Anlass; sie rechtfertigt sich von selbst.

8. Absatz: Es hat sich die Frage gestellt, ob nicht die Weiterziehbarkeit eines in Anwendung von Artikel 8 des Beschlussesentwurfes gefällten Entscheids an das Bundesgericht (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) anstatt wie bis anhin an den Bundesrat (Verwaltungsbeschwerde) vorgesehen werden soll. Wir haben es als zweckmässig erachtet, das Bundesgericht selbst zu begrüssen. In einem Bericht vom 30. November 1949 an das Justiz- und Polizeidspartement hat sich das Bundesgericht wie folgt geäussert: « 1. Das Bundesgericht hat sich in seiner Plenarsitzung vom 22. November 1949 mehrheitlich mit Entschiedenheit gegen die Unterstellung von Verwaltungs·entscheiden über Errichtung und Veränderung von Betrieben der Uhrenindustrie unter die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgesprochen. Massgebend ist dabei ·die Feststellung, dass die Hauptfrage, um die es bei diesen Entscheiden geht, wirtschaftspolitischer Natur ist. Es handelt sich darum, ob das Vorhaben, um dessen Bewilligung nachgesucht wird, die allgemeinen Interessen der Uhrenindustrie nicht beeinträchtigt («ne doivent pas porter atteinte aux intérêts .généraux de l'industrie horlogère»). Die Bewilligungspflicht wird vorgesehen, um die Entwicklung der einzelnen Unternehmungen und Branchen zu überwachen und sie in den Schranken zu halten, deren Beobachtung als zur Sicherung, der Gesamtheit der Berufstätigen der Uhrenbranche für notwendig angesehen wird. Die Frage: wirtschaftlicher Notwendigkeit oder Wünschbarkeit steht im Vordergrund. Auf sie kommt es letzten Endes an. Ihr gegenüber tritt alles andere durchaus zurück, auch die Eechtsfragen, die sich bei den in Frage stehenden Gesuchen etwa stellen können. Unter diesen Umständen wäre es sachlich
unrichtig, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorzusehen.

Übrigens läge die Einführung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wohl auch nicht im Interesse der betroffenen Personen und Unternehmungen. Sie hätte zur Folge, dass die Betroffenen von der Anrufung des Bundesrates gegenüber Departementsentscheiden ausgeschlossen wären (Artikel 126, lit. a OG).

Das Verwaltungsgericht aber müsste sich bei der Beurteilung von Fragen der Wirtschaftspolitik naturgemäss grosse Beschränkungen auferlegen, während der Bundesrat als Beschwerdeinstanz in der Überprüfung völlig frei wäre. Eine richterliche Überprüfung dürfte den Betroffenen kaum das bieten können, was die Urheber des Entwurfes und ihr wissenschaftlicher Berater von ihm erwarten.

96

Dagegen wäre die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Einklang mit der bestehenden Ordnung vorzusehen gegenüber einer Verfügung, die den Entzug von Bewilligungen betrifft.

2. Eine Minderheit des Gerichtshofes erachtet die Einführung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch bei Verfügungen über Gesuche um Bewilligung von Veränderungen von Betrieben als möglich und zweckmässig. Sie geht davon aus, dass sich bei Prüfung der in Frage stehenden Gesuche auch Rechtsfragen stellen, die durchaus in den Bereich richterlicher Beurteilung fallen und dass bei der Hauptfrage wirtschaftlicher Wünschbarkeit rechtliche Gesichtspunkte wenigstens in einem gewissen Umfange mitspielen. Sie hält daher dafür, dass die Unterstellung dieser Verhältnisse unter richterliche Kontrolle den Betroffenen gewisse Garantien zu bieten vermöchte und dass diese den Interessenten nicht vorenthalten werden sollten.» Angesichts der Antwort des Bundesgerichtes hielten wir es nicht für angezeigt, imBeschluss eine von der geltenden Begelung des Verwaltungsbeschwer- · derechts an den Bundesrat abweichende Ordnung vorzusehen. Es sei daran erinnert, dass das Justiz- und Polizeidepartement mit der Instruktion der Beschwerden an den Bundesrat, beauftragt ist. Es ist seine Sache, in voller Unabhängigkeit dem Bundesrat seine Anträge zu stellen. Das Departement, das den angefochtenen Entscheid erliess, beschränkt sich darauf, seine Bemerkungen bekannt zu geben, welche das Justiz- und Polizeidepartement in keiner Weise binden.

Es wäre denkbar, in den Beschluss eine Bestimmung aufzunehmen, wonach die vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement in Anwendung von Artikel 3 gefällten Entscheide an eine Rekurskommission weitergezogen werden können. Der Bundesrat würde die Zusammensetzung dieser Kommission und das Verfahren ordnen. Unseres Erachtens wäre eine solche Lösung nicht in jeder Hinsicht befriedigend; wir möchten es aber den eidgenössischen Bäten überlassen, diese Frage zu beurteilen.

Immerhin glauben wir, dass, soweit der Widerruf einer Bewilligung wegen Missbrauch im Sinne von Artikel 4, 7. Absatz, des Beschlusses in Frage steht, dieWeiterziehbarkeit jedes Entscheides an das Bundesgericht mittels der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgesehen werden sollte. Dasselbe gilt für die Entscheide, welche die Rückgängigmachung einer geschäftlichen
Transaktion über eine im Sinne von Artikel 3 erteilte Bewilligung zum Gegenstand haben.

Zu Artikel 5 Artikel 10, Ziffer 2, des Bundesgesetzes über die Heimarbeit vom 12. Dezember 1940 gibt dem Bundesrat die Befugnis, die Arbeit in der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie einschränkenden, von den auf dem Gebiete der Heimarbeit allgemein angewandten, abweichenden Vorschriften zu unterwerfen.

Gestützt auf diese Befugnis wird der Bundesrat Massnahmen zur Ordnung der Heimarbeit in der Uhrenindustrie treffen. Dabei wird er den besondern

:

g?

Usanzen dieser Industrie Bechnung tragen. Der Heimarbeiter soll gemäss den gleichen Normen entlöhnt werden wie der Arbeiter im Atelier oder in der Fabrik.

Gegenwärtig ist die Arbeit in der nichtfabrikmässigen Uhrenindustrie (kleine Betriebe und Famihenunternehrnungen) durch einen Bundesratsbeschluss geregelt. Dieser stützt sich auf den Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933, der am 31. Dezember 1951 dahinfallen und nicht mehr erneuert werden wird. Nachdem das Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Handwerk, Handel, Verkehr und verwandten Wirtschaftszweigen an diesem Datum noch nicht in Kraft sein wird, muss, wie bereits gesagt, die Arbeit in den nicht dem Fabrikgesetz unterstellten kleinen Betrieben und Familienunternehmungen durch eine sich, auf die vorerwähnte Bestimmung des Bundesgesetzes über die Heimarbeit stützende Verordnung des Bundesrates geregelt werden.

Die vom Bundesrat gestützt auf das erwähnte Gesetz zu erlassenden Verordnungen werden einen sozialen Charakter haben. Es handelt sich um eine Materie, die mit den auf alle Betriebe -- grosse und kleine -- anwendbaren Vorschriften über die Eröffnung neuer Uhrenunternehmungen nichts zu tun hat.

'Zu Artikel 6 Die seit 1936 gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass die eidgenössischen Behörden die Frage der Preisfestsetzung in der Uhrenindustrie nicht aus dem Auge lassen können. Wenn auch die Kollektivkonvention der schweizerischen Uhrenindustrie es den ihr angehörenden Verbänden erlaubt, ohne die Mithilfe der Behörden auf diesem Gebiete Ordnung zu schaffen, so ist dies doch nicht der Fall für jene Berufsverbände, welche nicht der Kollektivkonvention angeschlossen sind und Industrielle und Gewerbetreibende umfassen, die wirtschaftlich gesehen schwächer sind als ihre Kunden. Oft sind diese'Verbände nicht einmal im Genuss der Vorteile der gegenseitigen Kaufs- ,und;Verkaufstreue. Sie haben immer grosse Mühe, von ihren Kunden einen Tarif zugestanden zu erhalten, der ihnen eine gerechte Entlöhnung ihrer Arbeiter und die Erzielung eines minimalen Gewinnes gestattet. Die Schwierigkeiten,.welche die Termineure von Uhren .und die Steinbohrer -- um nur zwei Branchen zu erwähnen -- zu überwinden hatten, waren in dieser Beziehung bezeichnend. Wenn aber die Uhrenindustrie geschützt sein soll, so muss dieser Schutz allen zukommen, d. : h. sowohl den
kleinen Betrieben wie den grossen Unternehmungen. Übrigens beschäftigen diese kleinen Betriebe in ihrer Gesamtheit 'mehrere tausend Arbeiter, die nicht schlechter bezahlt sein, sollen, als ihre in den konventionellen Firmen arbeitenden Kameraden. Dies ist der Grund, warum der Beschlussesentwurf dem Bundesrat : die Möglichkeit gibt, auf diesem Gebiet zu intervenieren. Es, ist selbstverständlich Sache der interessierten Arbeitgeberorganisationen, die zu genehmigenden und allgemein verbindlich zu erklärenden Tarife selbst aufzustellen.

Zu Artikel 7 Nebst den zwingenden Vorschriften (Ausfuhr von Eohwèrken, Schablonen, Bestandteilen, Stanz- und andern Werkzeugen für die Uhrenindustrie und Heim-

98

arbeit) gibt der Beschluss dem Bundesrat die Befugnis, im Falle der Notwendigkeit auch noch andere den. Umständen angepasste Massnahmen zu ergreifen.

Er begrenzt indessen den Eahmen dieser Massnahmen aufs genaueste. Es handelt sich also nicht um einen Vollmachtenbeschluss. Zudem kann der Bundesrat auch in diesem Eahmen nur gesetzgeberisch tätig sein, wenn die hauptsächlichsten daran interessierten Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisationen dies verlangen. Damit liegt die Initiative zu solchen Massnahmen stets bei der Industrie selbst. Immerhin entscheidet der Bundesrat in völliger Unabhängigkeit, ob dem Begehren der interessierten Kreise ganz oder teilweise stattgegeben werden soll.

Zu den Artikeln 8 und 9 Diese Bestimmungen übernehmen Vorschriften der heute schon in Kraft befindlichen Eegelung.

Zu Artikel 10 Die Bestimmung des Artikel 10 ermöglicht es dem Parlament, die Massnahmen, welche der Bundesrat in Ausführung des Beschlusses trifft, zu überprüfen. Die eidgenössischen Eäte entscheiden, ob die getroffenen Massnahmen in Kraft bleiben, ergänzt oder abgeändert werden sollen. Diese parlamentarische Kontrolle ist geeignet, jene zu beruhigen, die befürchten, der Bundesrat könnte über das unerlässliche Mass hinaus intervenieren. Wir sind entschlossen, den Beschluss mit jeder nur wünschbaren Vernunft und in einem möglichst liberalen Geiste anzuwenden.

Zu Artikel 11 Die Widerhandlungen gegen die gestützt auf den Beschluss erlassenen Vorschriften können mit Bussen geahndet werden. Sie werden somit den Charakter von Übertretungen und nicht von Vergehen haben. Daher ist es nötig, eine 5jährige Verjährungsfrist vorzusehen. Würde man sich mit einer ornonatigen Verjährungsfrist begnügen, wie sie das Strafgesetzbuch für die Verfolgung von Übertretungen vorsieht, wäre es in den meisten Fällen praktisch unmöglich, die Widerhandlungen zu ahnden.

Die Schweizerische Uhrenkammer wird in den Strafprozessen als Zivilpartei auftreten können. Dies ist heute schon möglich. Der Vertreter der Uhrenkammer wird gemäss dem gegenwärtigen Verfahren in der Lage sein, vor den Gerichten die allgemeinen Interessen der Uhrenkammer zu wahren. Vielleicht sind die Vertreter der kantonalen Staatsanwaltschaften nicht alle mit den sehr speziellen Problemen der Uhrenindustrie vertraut.

Zu Artikel 12 Der Bundesrat .wird eine
Vollziehungsverordnung erlassen. Sie wird alle zwingenden Vorschriften enthalten und gegebenenfalls auch andere Bestimmungen, zu deren Erlass der Bundesrat durch den Beschluss ermächtigt wird.

99

Der Bundesrat -wird wohlverstanden keine fakultativen Massnahmen aus eigenem Antrieb erlassen, wenn die Uhrenindustrie dieselben nicht ausdrücklich verlangt. So wird er die Ausfuhr von Uhren und fertigen Uhrwerken oder die Verlegung von Betrieben in andere Ortschaften nicht der Bewilligungspflicht unterstellen, sofern dies nicht von der Uhrenindustrie nachgesucht wird. Er wird zudem in voller Unabhängigkeit entscheiden. Sollte sich eine solche Massnahme als notwendig erweisen, so wird sie der Bundesrat treffen können, ohne dass der Bundesbeschluss revidiert und der lange parlamentarische Weg, den eine solche Eevision erheischt, bescbritten werden muss. Umgekehrt wird der Bundesrat fakultative Massnahmen aufheben können, sobald sie sich als überflüssig erweisen.

'·· , Die gestützt auf den Bundesbeschluss getroffenen Massnahmen wie deren Änderung oder Aufhebung müssen den eidgenössischen Räten zur Genehmigung vorgelegt werden ; ihr Inkrafttreten wird jedoch dadurch nicht verzögert.

Una den sozialen Frieden zu erhalten, haben die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen der Üb renin dustrie eine Konvention abgeschlossen, die gleichzeitig mit dem Bundesbeschluss in Kraft treten soll. Diese Konvention hat subsidiären Charakter. Sie tritt automatisch an die Stelle jeder Sonderkonvention, die gekündigt werden und nach Ablauf der Kündigungsfrist ihre Anwendbarkeit verlieren sollte. Die fragliche Konvention überbindet den Parteien die Friedenspflicht, und zwar für eine Reihe von genau bestimmten Punkten, die Gegenstand eines Schiedsspruches sein können, und für alle andern Fragen, welche, gemäss Vereinbarung der Parteien, dem Schiedsgericht vorzulegen sind.

Beizufügen ist, dass die subsidiäre Konvention nicht kündbar ist ; sie kann aber alle 3 Jahre auf Gesuch einer Partei revidiert werden. Dieses Gesuch ist 3 Monatevor Ablauf der dreijährigen Frist zu stellen.

· Im Falle der Revision umfasst die Kompetenz des Schiedsgerichts mindestens die durch die Konvention geregelten Punkte. Die Konvention gewährleistet somit die Fortdauer des Arbeitsfriedens. Unter diesen Umständen konnten.

wir auf die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in den Beschluss ver.zichten. .

· : : * * .

* Gemäss Artikel 32, 2. und 3. Absatz der Bundesverfassung, bat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement vor der Unterbreitung des Entwurfes die Kantone sowie die interessierten Wirtschaftskreise begrüsst. Es holte auch die Stellungnahme der Spitzenverbände der Wirtschaft ein.

100

Schlussfolgerungen Der Ihnen zur Genehmigung vorgelegte gesetzgeberische Erlass bezweckt die Erhaltung einer sehr wichtigen Industrie, -welche eine ganze Gegend ernährt, ausgesprochen exportorientiert ist und in weitem Masse zum guten Buf , der schweizerischen Produkte im Ausland beigetragen hat. Unsere 'Uhrenindustrie hat dank der' Anstrengungen, des erfinderischen Geistes und der Ausdauer zahlreicher Industrieller, Techniker und Qualitätsarbeiter einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht. Im Laufe der Jahre musste sie viel Krisen über sich ergehen lassen; mit Hilfe der Behörden verstand sie es aber, dem Schicksal die Stirne zu bieten. Sie hat sich den Erfordernissen der Mode angepasst und nie aufgehört, Neues zu schaffen.

Der Bund hat auf Gesuch der interessierten Kreise -- Arbeitgeber und Arbeitnehmer -- zugunsten der Uhren industrie eingegriffen. Von der Notwendigkeit der für die Uhrenindustrie angewandten Ordnung überzeugt, haben die eidgenössischen Eäte nach Annahme des Beschlusses vom 26. September 1931 betreffend die Hilfe an diese Industrie ihre Zustimmung zu den Beschlüssen des Bundesrates vom 12. März 1934, 30. Dezember 1935, 13. März 1936, 29. Dezember 1937, 29. Dezember 1939, 10. September 1940, 14. Dezember 1942, 21. Dezember 1945 und 23. Dezember 1948 gegeben. Die Bundesversammlung hat damit während mehr als 16 Jahren die Kontinuität der von der Uhrenindustrie für ihre Existenz als unerlässlich bezeichneten Ordnung gewährleistet.

Das, was seit 1931 auf dem Gebiete der Uhrenindustrie verwirklicht wurde, beweist, dass die Intervention der Behörden auf wirtschaftlichem Gebiete wirksam sein kann, sofern sie nicht an die Stelle der individuellen Anstrengungen tritt, sondern sich darauf beschränkt, die private Initiative zu unterstützen, die Missbräuche und Ungerechtigkeiten zu vermeiden oder zu bekämpfen, die Ordnung aufrechtzuerhalten und jene zu bestrafen, welche die Vorschriften übertreten.

Alle dem Volkswirtschaftsdepartement unterbreiteten Fälle werden von diesem in engstem Kontakt mit den interessierten Organisationen behandelt. Die im gegenseitigen Einverständnis zwischen der Uhrenindustrie und dem Bund geschaffene Ordnung hat gute Ergebnisse gezeitigt. Beizufügen ist, dass das Volkswirtschaftsdepartement als Vermittler und manchmal sogar als Schiedsrichter interveniert hat,
wenn die Parteien darum nachgesucht haben. Auch dieses System war sehr nützlich. Es hat Streitigkeiten, die schädliche Eolgen hätten haben können, ein Ende gemacht und den kleinen Branchen der Uhrenindustrie die Möglichkeit gegeben, sich zu organisieren, vernünftige Tarife zu erhalten und sich gegen die Stärkeren zu schützen.

Die Bückkehr zu einer absoluten, ungeordneten Freiheit wäre ein schwerer Irrtum. Es wäre sehr gefährlich, die unbeschränkte Eröffnung neuer Betriebe und die unbegrenzte Entwicklung bestehender Unternehmen zuzulassen. Es würde

loi eine neue Dissidenz entstehen, die sich in Missachtung der von den konventionellen Firmen zum gemeinsamen Wohl auf sich genommenen Einschränkungen entwickeln würde. Die Zukunft der schweizerischen Uhrenindustrie wäre gefährdet. Nicht zuletzt würden die Arbeiter unter der wiederausbrechenden Anarchie leiden.

Besondere Massnahmen zur Erhaltung unserer Uhrenindustrie drängen sich um so mehr auf, als das Ausland vielmehr versucht, der Einfuhr von Schweizeruhren Hindernisse in den Weg zu legen, da es diese nicht als lebensnotwendige Artikel ansieht. Um dieser Lage Herr zu werden, muss die wegen ihrer Abhängigkeit von der Ausfuhr sehr verwundbare Ubrenindustrie alle ihre Anstrengungen, zusammenfassen :und eine einheitliche Front bilden. Der Augenblick ist aber sehr schlecht gewählt, um die im Jahre 1934 geschaffene Ordnung zu zerstören. Wir können hiefür nicht die Verantwortung übernehmen.

i Die Uhrenindustrie weist zahlreiche kleine Betriebe mit gewerblichem Charakter auf. Ihre Inhaber gehören dem für das soziale und politische Gleichgewicht unseres Landes so bedeutsamen Mittelstand an. Diese kleinen auf die Dörfer und Flecken verteilten Unternehmen geben vielen Leuten die Möglichkeit, ihr Leben zu verdienen, ohne ihren Wohnort verlassen zu müssen. Sie sichern zugleich der Gemeinde eine beträchtliche Fiskalquelle. Besitzt der Inhaber einen bescheidenen Landwirtschaftsbetrieb, so verschafft ihm das kleine Ührenunternehmen ein willkommenes Neben ein kommen. Die kleinen und mittleren Betriebe müssen gleich wie die grossen geschützt werden, und es gilt, in der Uhrenindustrie eine gewisse Dezentralisation -- die vielleicht ,eher zu verwirklichen ist als in andern Industrien -- aufrechtzuerhalten. Die Konzentration der Uhrenindustrie in einigen Städten könnte unerwünschte Folgen mit sich bringen.

Es. besteht ein grosses Interesse an der Unterstützung der kleinen Branchen der Uhrenindustrie, deren Schicksal in Gefahr wäre,' wenn der ihnen durch die geltende Ordnung gewährte Schutz dahinfallen würde.

i Es ist unerlässlich, dass die Arbeitgeberorg'anisationen weiterhin in bester Harmonie unter sich und mit den !Arbeithehmerorganisationen sowie den eidgenössischen Behörden zusammenarbeiten. Selbstverständlich dürfen die gesetzlichen Massnahmen zur Erhaltung unserer 'Uhrenindustrie nicht nach einem starren
Schema angewendet werden. Man wird sich stets bemühen müssen, den, jungen qualifizierten Leuten die Möglichkeit zu verschaffen, sich in der Schweiz eine Existenz zu 'gründen.

: Die Sorge um die allgemeinen Interessen unserer Uhrenindustrie, die Notwendigkeit, den Zusammenhalt in der Organisation dieser spezifischen, neuen Schwierigkeiten auf den ausländischen Märkten ausgesetzten Exportindustrie zu wahren, die bis heute erzielten guten Ergebnisse, die Vorteile, welche die Uhrenindustrie der Gesamtheit, und zwar Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft verschafft, das Gleichgewicht und die Stabilität, wie sie durch1 die gegenwärtige Ordnung verwirklicht wurden, sowie die verderblichen Folgen der Schaffung einer neuen Dissidenz sind Balles Gründe genug, um die schweizerische UhrenBundesblatt. 102. Jahrg. Bd. III.

8

102 industrie nicht ihrem Schicksal zu überlassen und den Zusammenbruch des Schritt für Schritt, dank den Bemühungen und dem guten Willen aller, gefestigten Werkes zu verhindern.

In seinem Werke «La Suisse, démocratie-témoin» hat André Siegfried, der kluge und -wohlwollende Kritiker unserer Institutionen, versichert, dass unsere Uhrenindustrie von allen unsern Produktionszweigen am meisten Schweizerisches an sich hat. Der gleiche Autor schreibt weiter: «Heute, wo immer mehr mit der Zeit gerechnet wird, und zwar nicht nur mit Stunden wie ehemals, oder Minuten wie gestern, sondern mit Sekunden, wo durch die zeitlich aufs genaueste abgestimmten militärischen Operationen unsere Bedürfnisse stark vermehrt wurden, ist die Uhr in allen ihren Formen zu einem wesentlichen Element unserer modernen Ausrüstung geworden.» Weil es gilt, die Existenz derjenigen zu erhalten, die an der Fabrikation der Schweizeruhr, diesem wesentlichen Element der Technik und des modernen Lebens, mitarbeiten, empfehlen wir Ihnen, den beiliegenden Beschlussesentwurf anzunehmen.

Wir beantragen Ihnen, den beiliegenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den G.Oktober 1950.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber

103

Entwurf

Bundesbeschluss ,

:

'

über

Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie

Die schweizerische Bundesversammlung, gestützt auf die Artikel 31bls und 64bls der Bundesverfassung, nach Einsichtnahme in eine Botschaft des Bundesrates vQm 6. Oktober 1950 und in der Absicht, die Existenzgrundlagen der schweizerischen Uhrenindustrie zu erhalten, :

;.

.

1

'

beschliesst:

Art. l

:

'

I. Begriffsbestimmungen Zur Uhrenindustrie im Sinne dieses Beschlusses gehören:

1. die Herstellung und das Zusammensetzen von Uhren, Uhrwerken und Hemmungsträgern ; 2. die Herstellung von Bollwerken, Uhrenbestandteilen (Fournitures) und Uhrengehäusen, sowie von Teilfabrikaten, mit Einschluss aller zu dieser Fabrikation gehörenden Hilfsarbeiten; ' ; ·· 8. die Herstellung von Stanzwerkzeugen und Spezialwerkzeugen jeder Art zum Zwecke der Fabrikation von Eohwerken, Uhrengehäusen, Uhrenbe. standteilen oder Teilfabrikaten von solchen für die Uhrenindustrie, ebenso die Herstellung von Apparaten, die dem Zusammensetzen und Fertigmachen der Eohwerke, Uhrengehäuse, Uhrenbestandteile und Teilfabrikate von solchen dienen.

.

2 Unter Uhren oder Uhrwerken im Sinne dieses Beschlusses sind Zeitmessinstrumente zu verstehen, deren Werk in der Breite, Höhe oder im Durchmesser 60 Millimeter oder in der Dicke 80 Millimeter, gemessen am Boden und an der Brücke, nicht überschreitet. Hiebei werden nur die technisch erforderlichen Masse in Betracht gezogen. Jedes Uhrwerk, dessen Grosse diese Höchstmasse überschreitet, gehört in die Kategorie der Grossubren.

104

. '

·

,

II. Ausfuhr Art. 2 1 Der Bundesrat wird den Verkauf zum Zwecke der Ausfuhr, die Ausfuhr selbst sowie den .Verkauf an einen im Ausland niedergelassenen Kunden von Bohwerken, Schablonen und Bestandteilen jeder Art von Gross-, Taschen- und Armbanduhren, gleichgültig ob in losem oder zusammengesetztem Zustande (638a, 925, 926, 928a (in Form von Schablonen), 928b (porte-échappements und Bestandteile von Werken und porte-échappements), 929 (in Form von Schablonen), 930a, b, c, 934a und c des Zolltarifs) der Bewilligungspflicht unterstellen.

2 Er wird auch den Verkauf zum Zwecke der Ausfuhr, die Ausfuhr selbst und den Verkauf an einen im: Ausland niedergelassenen Kunden von Stanzwerkzeugen und Spezialwerkzeugen jeder Art, gleichviel ob neu oder gebraucht, zum Zwecke der Herstellung von Bohwerken, Uhrengehäusen, Uhrenbestandteilen oder Teilfabrikaten sowie von Plänen für die Kaliberkonstruktion und von Werkzeugzeichnungen für die Uhrenfabrikation, ebenso von Apparaten, die dem Zusammensetzen und dem Vollenden der Bohwerke, Uhrengehäuse, Uhrenbestandteile und Teilfabrikate dienen, bewilligungspflichtig erklären..

3 Der Bundesrat kann auch den Verkauf zum Zwecke der Ausfuhr, die Ausfuhr selbst und den Verkauf an einen im Ausland niedergelassenen Kunden von Uhren, Uhrwerken, Stand-, Wand- und Weckeruhren und von Uhrengehäusen (927, 928 und 929 [in Form von fertigen Uhrwerken], 931 bis und mit 933c, 934b, 935 bis und mit 936i des Zolltarifs) bewilligungspflichtig erklären.

4 Der Bundesrat kann ferner den Verkauf zum Zwecke der Ausfuhr, die Ausfuhr selbst und den Verkauf an einen im Ausland niedergelassenen Kunden von ausgesprochenen Uhrenmaschinen der Bewilligungspflicht unterstellen. Er wird eine solche Massnahme nur im Einverständnis mit den Berufsverbänden der Uhren- und Maschinenindustrie ergreifen.

5 Der Bundesrat bezeichnet die zum Entscheid über Bewilligungsgesuche im Sinne von Absatz 1-4 dieses Artikels zuständigen Organe und umschreibt die Voraussetzungen solcher Begehren. Die Entscheide dieser Organe können auf dem Bekurswege an eine vom Bundesrat zu ernennende Bekursbehörde weitergezogen werden.

HI. Fabrikation Art. 3 1 Der Bundesrat kann die Eröffnung neuer Unternehmungen der Uhrenindustrie, die Erhöhung der Arbeiterzahl, die Umgestaltung und die Verlegung bestehender Betriebe der Bewilligungspflicht
unterstellen. Die Bewilligungspflicht kann auch für die Wiedereröffnung von Betrieben .eingeführt werden, die ihre industrielle Tätigkeit unterbrochen haben. Die Übernahme eines Uhrenunternehmens mit Aktiven und Passiven ist nicht bewilligungspflichtig.

2 Unter Umgestaltung versteht man nicht die Vergrösserung der Lokalitäten, sondern den Übergang von einem Fabrikationszweig zu einem andern, oder das Hinzufügen eines Fabrikationszweiges zu einem andern..

105

Art. 4 1

Eine Bewilligung im Sinne von Artikel 3 wird nur erteilt, wenn dadurch die Gesamtinteressen der schweizerischen Uhrenindustrie nicht verletzt werden.

2 Die Bewilligung zur Eröffnung eines neuen Betriebes wird vorzüglich Gesuchstellern, und besonders den jungen unter ihnen, erteilt, die sich über technische und kaufmännische Kenntnisse ausweisen.

3 Der Bundesrat kann den Eahmen bestimmen, innerhalb welchem der Inhaber eines Uhrenbetriebes berechtigt ist, die Zahl der Arbeiter ohne Bewilligung zu erhöhen.

' \ ; 4 Der Bundesrat bestimmt die für den Entscheid über Bewilligungsgesuche im Sinne des Artikels 3 zuständige Behörde.

; 5 Vor der Erledigung der Bewilligungsgesuche begrüsst die zuständige Behörde eine aus Vertretern der hauptsächlichsten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände der Uhrenindustrie zusammengesetzte beratende Kommission.

Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bezeichnet, nach Begrüssung der darin vertretenen Organisationen, die Mitglieder dieser Kommission.

6 Der Bundesrat trifft die erforderlichen Massnahmen,, damit eine einmal 'erteilte Bewilligung im Sinne des Artikel 3 nicht durch die Opposition eines oder mehrerer Berufsverbände unwirksam gemacht wird.

7 Bewilligungen im Sinne von Artikel 3 können bei missbräuchlicher Anwendung zurückgezogen werden. Eine Bewilligung darf nicht Gegenstand einer geschäftlichen Transaktion werden. Jeder Handel dieser Art ist rechtlich nichtig.

· 8 Alle Entscheide im Sinne von Absatz 7 dieses Artikels können auf dem Wege der Verwältungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden.

IV. Heimarbeit .

:

;

Art, 5

'

Der Bundesrat wird Massnahmen zur Ordnung der Heimarbeit in der Uhrenindustrie ergreifen. Zu diesem Zwecke wird er den besondern Gewohnheiten dieser Industrie Bechnung tragen. Der Heimarbeiter ist nach den gleichen : Normen zu entschädigen wie der im Atelier oder in der Fabrik beschäftigte Arbeiter.

V. Preise ;

Art. 6

Der Bundesrat kann im Interesse einer gesunden Entwicklung der Unternehmungen der Uhrenindustrie und einer angemessenen Entlöhnung der Arbeiter das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigen, die von den interessierten Arbeitgeberverbänden angenommenen Minimaltarife und Verkaufsbedingungen für alle Unternehmen einer Branche obligatorisch zu erklären.

106 VI. Vollzug

Art. 7 Der Bundesrat kann die in den Artikeln 2, Absatz 8 bis 5, 8, 4, Absatz 8, und 6 erwähnten Massnahmen nur auf Gesuch der interessierten Arbeitgeberoder Arbeitnehmerverbände treffen.

Art. 8 Der Bundesrat kann das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigen, beim Vollzug der gestützt auf diesen Beschluss erlassenen Vorschriften die Mithilfe der kantonalen Behörden und der Schweizerischen Uhrenkammer in Anspruch zu nehmen.

2 Er kann ferner dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement die Befugnis erteilen, zu untersuchen oder abklären zu lassen, ob die erwähnten Vorschriften eingehalten werden.

' ' : 1

Art. 9 Für die Erteilung der verschiedenen in diesem Erlass (Artikel 2 und 3) vorgesehenen Bewilligungen kann eine Gebühr verlangt werden, deren Höhe vom Bundesrat festgelegt wird.

2 Der Ertrag der Gebühren hat alle durch den Vollzug dieses Beschlusses dem Bund erwachsenden Ausgaben zu decken.

1

Art. 10 Der Bundesrat hat über die gestützt auf diesen Bundesbeschluss getroffenen Massnahmen der Bundesversammlung jeweils auf die der Inkraftsetzung folgende Session Bericht zu erstatten. Die Bundesversammlung entscheidet, ob diese Massnahmen in Kraft bleiben, ergänzt oder abgeändert werden sollen.

VII. Strafbestimmungen

Art. 11 Widerhandlungen gegen die gestützt auf diesen Beschluss erlassenen Vorschriften werden mit Busse bestraft. Die Strafverfolgung verjährt indessen innert 5 Jahren. Im übrigen finden die allgemeinen Bestimmungen des schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 Anwendung.

2 Die Verfolgung und die Beurteilung der Widerhandlungen obliegen den Kantonen. Die Schweizerische Uhrenkammer ist befugt, im Strafverfahren Anträge zu stellen, als Zivilpartei die allgemeinen Interessen der Ubrenindustrie geltend zu machen und im Palle der Verurteilung die Vergütung der Kosten einer gemäss Artikel 8, Absatz 2, angeordneten Untersuchung und ihrer Parteikosten zu verlangen.

3 Wird die Widerhandlung im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person, einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft oder Einzelfirma begangen, so 1

107 finden die Strafbestimmungen auf die Personen Anwendung, die für sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen, jedoch unter solidarischer Mithaftung der juristischen Person, der Gesellschaft oder des Inhabers der Einzelfirma für Bussen und Kosten.

, 4 Die Tatsachen, die während der Gültigkeit der aufgehobenen Bestimmungen eingetreten sind, werden nach diesen beurteilt. Immerhin werden die "Widerbandlungen gegen die aufgehobenen Bestimmungen nach den Strafbestimmungen von Absatz l dieses Artikels beurteilt.

6 Die kantonalen Piegierungeri haben dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement sämtliche Strafentscheide oder Einstellungsbeschlüsse mitzuteilen.

vm. Inkraftreten Art. 12 1

Dieser Bundesbeschluss tritt am 1. Januar 1952 in Kraft. Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt. Er erlässt die notwendigen Vorschriften.

2 Der Bundesrat wird beauftragt, diesen Beschluss gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse bekanntzumachen.

9272

^

108 Beilage I

Organisation der Uhrenindustrie

109 I

·

·

.

Beilage II

Der Bundesrat hat die Schweizerische Uhrenkammer j mit der Ausstellung der Bewilligungen für den Export von Produkten der Uhrenindustrie beauftragt.

Die Uhrenkammer erhebt bei der Erteilung dieser Bewilligungen eine Gebühr.

Bei den Bewilligungen, die das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ausstellt, werden ebenfalls Gebühren erhoben.

: Die nachstehende Aufstellung gibt Aufschluss über die Beträge, welche der Bund von. der Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie-Aktiengesellschaft, der Schweizerischen Uhrenkammer und von den Inhabern von Bewilligungen, die durch das Volkswirtschaftsdepartement oder sein Generalsekretariat ausgestellt wurden, erhalten hat*).

l ASUAG (Dividende): Geschäftsjahr 1946/1947 . . . . . Fr. 150000.-- » 1947/1948 » 180000.» i 1948/1949 » 210000.-- » i 1949/1950 . . . . . » 210000.-- **) Stempelsteuer, die von der Eidgenössi| ; sehen Steuerverwaltung auf den Aktien des Bundes bei der ASUAG im Nominalbetrag von Fr. 6000 erhoben wurde: Fr.

180000.-- Fr. 980000.-- Uhrenkammer:

Anteil des! Bundes an den von der Uhrenkammer bei der Ausstellung von Exportbewilligungen erhobenen Gebühren : 1947 Fr. 750000.-- 1948 . . . . . . . . . . . . . . » 1152464.99 1949 » 298519.46 1950 » 486531.13 :

Ertrag der Gebühren, die für die vom Volkswirtschaftsdepartement und seinem Generalsekretariat ausgestellten Bewilligungen erhoben werden: : 1947 . .

Fr.

17655.-- 1948 » 28495.-- 1949 .

» 19 702.1950 (I--VIII) » 11975.-- :

»

2 687 515.58

»

72827.--

Total Fr. 8690842.58 *) In dieser Aufstellung werden die Steuern, insbesondere die Kriegsgewinnsteuer, welche von der Uhrenindustrie an die Gemeinden, die Kantone und den Bund bezahlt wurden, nicht erwähnt.

**) Diese Summe wird dieses Jahr noch ausbezahlt.

110 Vom 1. Januar 1937 bis znm 30. Juni 1950 Betriebseröffnungen Fab rikationszweige

Rohwerke . . . .

. . . .

Uhrenfabriken (Manufactures) . .

Verlegerfabriken (Etablisseurs) .

Termineure Uhrengehäuse aus Gold Uhrengehäuse aus Silber . . . .

Uhrengehäuse aus Metall, Edelstahl, Walzgold .

Zubehörteile für Uhrengehäuse .

Polieren, Lapidieren, Chromieren von Uhrengehäusen Emailzifferblätter .

. . .

Metallzifferblätter . .

. . .

Aufzugsfedern . . . .

. . . .

Spiralen Fassondreherei Triebe und Räder Zapfendreherei (pivotage) . . . .

Rücker und Rückerplättchen . .

Zeiger Vergoldung, Vernicklung, Versilberung Uhrengläser Stanzen und Werkzeuge . . . .

Pierres - Uhrensteine : Préparages . . .

. . .

Bohren Grandieren . . .

. . .

Drehen und Creusieren . . . .

Creusieren . . .

. . .

Hebungs- und Hebelsteine . .

Fertigfabrikation.

. . .

Uhrensteinsetzerei Verschiedene

Betriebserweiterungen Fabrikationsräume ·)

Erhöhung des Arbeiterbestandes

Gesuche

bewilligt

Gesuche

bewilligt

. Gesuche

bewilligt

10 25 487 629 31 1

5 2 85 190 10 1

31 55 91 13 16

30 52 82 12 16

26 83 382 236 38 2

15 67 249 148 30 1

82 22

21 8

37 5

163 9

116 7

264 5 32 6 . 8 15 10 73 36 29 3 3

59 1 6 5 1 14', 12 5 1 1

39 5 · 9 2 29 9 2 3 13 17 23 9 4 4

9 2 27 8 2 3 13 17 21 9 4 3

121 12 98 65 10 7 20 29 48 67 5 15

81 8 66 56 7 7 18 21 36 51 4 11

25 98 48

6 17 4

5 9 3

,5 9 3

32 120 25

21 70 16

69 355 35 21 81 2 54 42 135

20 86 22 8 31

8 27 5 2 3

7 19 3 2 3

12 10 55

41

41

2

2

51 243 52 22 61 11 114 24 93

35 137 33 15 39 5 78 21 60

2736

698

479

446

2284

1529

*) Seit dem 1. Januar 1949 rlicht m«hr der '. Bewilligungspfl icht uni erstellt.

111 eingereichte Gesuche und erteilte Bewilligungen Betriebsumgestaltungen *)

Betriebs· Verlegungen

Andere Zwecke wie Betriebsteilungen,Zusammenlegüngen, Änderungen der Gesellschaftsform

Gesuche

bewilligt

Gesuche

bewilligt

21

47 173 194 22 8

10 25 57 46 14 6

6 20 183 71 14 1

6 14 169 65 13 1

8 16 166 76 18 1

80 10

42 3

36 6

30 6

41 5

37 12 8 1 1 1 7 8 17 13 6 2

17 8 7 1 1 3 4 5 9 1 2

43 4 19 11 1 5 7 13 10 10 -- 6

38 4 19 11 1 5 7 13 10 10 -- 6

20 26 5

13 15 1

19 20 5

17 12 13 9 20 7 36 5 20

10 6 : 4 4 6 1 8 2 9

22 57

859

-- ·

340

Beilage III

Total

der

der bewilligt Anzahl Gesuche

Gesuche

Erhöhung der Zahl

Bewilligungen

Arbeiter

--

102 246 1483 1219 139 13

72 175 758 524 93 9

34 5

441 57

280 34

1321 152

33 2 20 8 -- 5 8 20 20 17 12 1

27 1 18 8 -- 5 5 15 17 16 8 1

507 37 206 100 22 36 65 160 154 145 30 31

231 24 143 84 11 25 47 84 101 100 18 24

502 52 952 321 90 229 542 104 463 256 136 60

17 20 5

19 21 ,7

16 20 6

120 294 93

78 151 35

123 424 42

3 15 5 30 15 17

20 53 4 3 15 5 26 15 17

24 59 11 6 20 5 32 11 27

22 49 9 6 14 3 28 11 23

191 753 120 63 200 30 307 97 294

114 350 75 ,38 108 14 193 59 166

390 934 157 61 237 22 796 124 362

678

628

719

577

7755

4218

15 240

4

1 14 116

63 10 1 !

406

1404 2983

1297

291 7

*) D.h Angliederung eines neuen Fabrikationszweiges oder Ü Dergang zu einer anderen Betriebsform.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über Massnahmen zur Erhaltung der schweizerischen Uhrenindustrie (Vom 6. Oktober 1950)

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1950

Année Anno Band

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Volume Volume Heft

41

Cahier Numero Geschäftsnummer

5921

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

12.10.1950

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