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Schweizerisches Bundesblatt.

X. Jahrgang. II.

Nr. 50.

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23. Oktober 1858.

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Herrn Ständerath Häberlin) über den Rekurs des evangelischen Schulrathes der Stadt St. Gallen.)

(Vom 20. Juli 1858.)

Tit. l ^ Unter'm . 7. März 18.^6 erließ der Große Rath des Kantons St.

Gallen ein neues Gesetz uber das Steuerwesen der Gemeinden, dessen Art. 18 also lautet: .. Wenn zur Bestreitung der Bedürfnisse des Kirchen-, Pfrund- und Primarschulwesens Steuern erhoben werden müssen, so find dieselben nach Maßgabe des Staatssteuerregisters auf die Genossen und Niedergelassenen, welche im Umfange der betreffenden Kirch- oder Schulgenossenschaft wohnen, zu verlegen.

Von den N i e d e r g e l a f s e n e n d ü r f e n S t e u e r n nur dann, und z w a r nach dem g l e i c h e n Maßstab e r h o b e n w e r d e n , wenn solche auch von den G e n o f f e n erh o b e n werden."

Durch dieses Gesetz glaubt sich die evangelische Schulgenossenfchaft der Stadt St. Gallen in ihrem ausschließlichen Eigentumsrechte an den städti-

schen Schulfonds beeinträchtiget und die St. Gallische Staatsverfassnng,

insbesondere den Art. 15 verlezt, welcher die Unverletzlichkeit des Privat-.

eigenthums garantirt. Sie richtet demnach das Gesuch an die Bundesversammlung. ,,es wolle dieselbe entweder von sich aus den angefochtenen Art. 18 des Gemeindesteuergesetzes aufheben, oder die Beschwerdesührung dem Bundesgerichte zur Untersuchung und Entscheidung überweisen."

Was das erste dieser Begehren anbetrifft, so scheint hiefür schon deßhalb kein hinreichender Grund vorhanden zu fein, weil das betreffende ..') Die Immission, in dexen Namen Her Häberlin referixk, bestand -.- neben ihm - aus den Herren Ständeräthen Vigier, Humbert, Briatte und

Salts.

^) Vergleiche den Bericht des Herrn Nationalrath Karrer über den nämlichen Gegenstand, ans Seite ^1.^ hievox.

Bundesblatt. Jahrg. .^. Bd. II.

.^

500 Gefetz, ungeachtet seiner allgemeinen Gültigkeit, von keiner andern Seite angestxitten ist, und wenn eine Rechtsverletzung vorliegen sollte, der Klage durch die Ueberweisung des Spezialfalles an das Bundesgericht ein volles.

Geniige geschehen wäre. Zudem würde sich der Gegenstand wegen der Konkurrenz öffentlicher und privatxechtlicher Streitpunkte vorzugsweise zur materiellen Verhandlung vor Bundesgericht eignen, vorausgesetzt, daß.

überhaupt eine Läsiou verfassungsmäßiger Rechte in Frage steht.

Hinsichtlich des zweiten Rechtsbegehrens ist der Art. 105 der Bun-

desverfassung maßgebend. ,,Das Bundesgericht urtheilt im Fernern über Verletzung der durch die Bundesverfassung garantirten Rechte, wenn hierauf bezügliche Klagen von der Bundesversammlung an dasselbe gewiesen werden.^ Die Bundesversammlung ist also einzig und ausschließlich wegeu Läfion v e r f a s s u n g s m ä ß i g e r Rechte einzuschreiten befugt. Jnnert der verfassungsmäßigen Schranken dagegen unterliegt die kantonale Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege keiner Bundesaufficht. Um dieses Prinzip möglichst ficher zu stellen, sollen derartige Klagen nicht etwa unmittelbar au das Bundesgericht gelangen dürfen, sondern die beiden Räthe pasfirert.

müssen, damit diese, als politische K ö r p e r , vor Allem ans prüfen, ob eine Läsiou verfassungsmäßiger Rechte ernstlich in Frage komme.

Dadurch soll eben verhütet werden, daß nicht das Bundesgericht seine Kompetenzen als wahrhafte Appellationsinstanz über alle Akte der Kantonalgewalten ausdehne, während dagegen die Bundesversammlung, wenn sie die^ Klage auf Läsiou verfassungsmäßiger Rechte e r h e b l i c h findet, fich dennoch nicht wie ein Richterkollegium mit der Untersuchung aller tatsächliche^ Verhältnisse und mit der Beurtheilung der Streitfrage im Detail in denjenigen Fällen befaßt, welche fich im Uebrigen passender zur richterlichen Erledigung eignen.

Liegt nun, Tit., im vorliegenden Falle mit Wahrscheinlichkeit eine

Verletzung oder Beeinträchtigung von Rechten vor, welche durch die Bundesverfassung garantirt sind...

Vor mir liegt das ,,rechtliche Gutachten der Juristenfakultät zu Zürich^ d. d. 28. Juni, das im Resultate folgendermaßen lautete

1) ,,Der Artikel 18 des Gemeindesteuergesetzes .^om 7. März 1856 ent-.

,,hält, bei richtiger Jnterpretation, an und für fich keine Verfassungs,,verletzung. Jn das Privateigentum von Korporationen wird durch ,,denselben nicht eingegriffen.

.2) ,,Der Schulfond der Stadt St. Gal.len ist nicht eine Privatstiftung,

,,sondern ein öffentliches Gut.

Eigenthümer desselben ist gesetzlich ,,und urkundlich die Genossenbürgerschaft von St. Gallen.

3) ,,Ein indirekter Eingriff in das bestehende Eigentumsrecht der Ge,,nossenschaft von St. Gallen ließe sich denken entweder durch einen ,,ungerechtfertigten Regierungsakt oder durch eine falsche Jnterpretation ,,des Gesetzes.

4) ,,Auch einen solchen indirekten Eingriff kann die Genossenschaft von ,,St.

Gallen mit vollem Rechte zurü.^weisen.

Sie ist namentlich

501 ,,berechtiget, zu verlangen, daß der von ihr abgetretene Theil des ,,altgemeinen städtischen Schulsonds vor Allem zur Deckung des auf ,,die Genossenbürger fallenden Steuerantheils verwendet werde. ^ Bei der nähern Prüfung dieses^ Gutachtens bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, daß dasselbe einerseits dem Art. 18 und anderseits dem Gesetzgebungsakte des Staates überhaupt eine allzu enge Auffassung gibt.

Nach dieser Ansicht würde nämlich der Art. 18 für die Frage des Mit-

eigenthnms, refp. Mitbenutzungsrechtes der Niedergelassenen an den städtischen Schulfonds ganz unvorgreiflich sein. Der ^rt. 18 läßt, wie sieh

das Gutachten ausdrückt, die privatrechtliche Seite, die Rechtsstellung der Genossengemeinde als Jnhab errn des Schulfonds unberührt,

und spricht lediglich die Gleichbesteurung der Bürger und Niedergelassenen sür Schulzwecke aus, ohne in das ausschließliche Eigentumsrecht der Fondsantheilhaber in St. Galten irgendwie einzugreifen.

So weit ist wohl Jedermann einverstanden, selbst der evangelische Schulrath in St.

Gallen, daß keine Verfassungsverletzung vorliegt.

Allein es unterliegt in der That keinem Zweifel, daß der Art. 18 eine größere Tragweite hat.

Es handelt sich keineswegs bloß darum, die Art und Weise zu bestimmen, wie das durch S t e u e r n a u f z u b r i n . ^ gen de Kapital zu beschaffen sei, .sondern das Gesetz sagt positive ,, e s sollen von den Niedergelassenen keine Steuern erhoben werden, wenn solche n..cht auch von den Genossen bezogen werden.^ Mit andern Worten^ Der Ertrag der Schulgüter soll vorab sür die gemeinsamen Bedürfnisse der Einwohnergemeinde verwendet und das Mangelnde gleichmäßig durch die Gemeindesteuern der Bürger und Ansaßen gedeckt^ werden. Damit werden die letztern allerdings in den Mitgenuß der Schulgüter, wenn inan überhaupt diese ^nsdrnck^weise gebrauchen darf, eingesetzt. Und es i s t ^ d i e Voraussetzung bereits gegeben, unter welcher das Rechtsgutachten (suh Ziff. 3 und 4)^ einen indirekten Eingriff in das bestehende ausschließe liehe Eigentumsrecht der Genossenschaft St. Gallen erkennt. Durch den Art. 18 ist die vorbehaltene Ausscheidung des Bürgernutzens für das Steuerbetxeffniß der Genossenbürger ausgeschlossen.

Uebrigens ist vom Standpunkte der Juristensakultät in Zürich aus nicht abzusehen , weßhalb die Genossenschaft St. Gallen nicht berechtigt wäre, abgesehen von dem Falle der Steuererhebung, zum V o r a u s eine verhältnismäßige Einkaufsquote der Niedergelassenen zu verlangen, damit, wenn immer möglich, überhaupt keine Steuern erhoben werden müßten. Die Konsequenz des Prinzips

würde dieß nothwendig mit sich führen.

Mir scheint ferner die Anweisung des St. Gallischen Richters (Ziff. lll des Gutachtens) wenig Beruhigung zu gewähren, und zwar in doppelter Hinsicht. Für' s Erste ist der Richter angewiesen, das G e s e t z anzuwenden, und wie dieses zu verstehen sei, kann schon nach dem Wortlaute demselben und vollends nach der Entwicklungsgeschichte und nach der ganzen Anlage des St. Gallischen Gemeindewefens nicht zweifelhaft sein. Der Kommis^

502 .

sionalbe^icht zu dem Entwurf einer Organisation des evang. Kirchen- und Erziehungswesens im Kanton St. Gallen vom 4. November 1857 spricht fich hierüber deutlich genug aus, wenn er unter Anderm sagt:. ,,Als eine uothwendige Folge dieses Grundsatzes (nämlich des durch Art. 18 des Gemeindesteuergesetzes eingeführten Principes) wurde es nun allgemein angesehen, daß die u r s p r ü n g l i c h allein b e r e c h t i g t e n G e n o s s e n und die N i e d e r g e l a s s e n e n nunmehr in Bezug auf Nutznießung am P r i m a r s c h u l f o n d g l e i c h b e r e c h t i g t , und in Bezug auf die Ver-

bindlichkeit, die durch die Zinse des Primarschulsonds ungedeckt gebliebenen Bedürfnisse des Primarschulwesens auf dem Steuerwege zu decken , gleichmäßig verpflichtet seien u. s. f.^ So sehr wir den eminenten Werth der Unabhängigkeit der Gerichte, namentlich in absoluten Staaten, schätzen, so können wir es doch mit unsern Begriffen von der Repräsentativdemokratie nicht zusammen reimen, wie untergeordnete Gerichte die m a t e r i e l l e Rechtsbeständigkeit von Großrathsbeschlüfsen beurtheileu, sich nach Belieben darüber hinwegsetzen und die natürliche Gliederung d^r Staatsgewalten in Verwirrung bringen könnten. Etwas heikler stünde die Sache, wenn der Große Rath ^.s Kantons St. Gallen nicht etwa ein allgemeines G e s e t z . wozu er als Gefetzgeber unzweifelhaft befugt ist, erlassen, sondern s p e z i e l l g e g e n die S t a d t g e m e i n d e St. Gallen eine Verfügung über privatrechtliche Verhältnisse getroffen hätte, deren Beurtheilnng.im einzelneu Falle verfassungsgemäß dem Richter übertragen ist. (S. Blnntfchli^ Staatsrecht, S. 325 u. f.).

Doch davon ist hier ..icht die Rede. Wie nun aber, wenn ^ie Gerichte, wie sie nach unserer Ansicht uicht anders können. die Ansprache des evangelischen Schul.rathes, g e s t ü t z t auf das G e s e t z oder. wenn sie dieselbe vollends aus d e m Grur.de abweisen werden, weil sie keinen genügenden privatrechtlichen Titel (in der Stistungsurkunde vom 22. Februar 1598 u. s. w.) überhaupt erkennen^ Die Möglichkeit einer derartigen Rechtsverletzung, wenn es eine solche wäre, ist unstreitig bei j e d e m Zivilurtheile vorhanden, und es hieße die Bundesbehörd^u (Bundesversammlung oder Bundesgericht) zu einer wahrhaften Appeltationsinstanz über alle Akte der Kantonalgewalten erheben, wollte man dem Rekurse eine solche Ausdehnung geben, was die Bundesverfas^ fung im Art. 105^gerade hat verhüten wollen. Ein v e r f a s s u n g s m ä ß i g g es Recht könnte nur danuzumal verletzt sein, wenn dem evangelischen Schulrathe von St. Gallen der Rechtsweg verschlossen, nicht aber, wenn demselben die Anrufung de^ v e r f a s s u n g s m ä ß i g e n Richters gestattet

wird.

Sie sehen , Tit. , es geht durchaus nicht an , und dient auch der Beschwerdeführerin nicht, den Axt. 18 seines wirklichen Jnhaltes zu ent.^ kleiden und sodann, in Folge dieser willkürlichen Operation, denselben zur

Zeit als unerheblich zu erklären. Entweder enthält der Art. 18 des St.

Gallischen Gemein^esteuerge^tzes, indem er die für Jedermann gültige und verbindliche Wirkung mit Notwendigkeit schon involvirt, eine vollendete Verfassungsverletzung, oder er enthält eine solche nicht. Jm erstern Falle

503 genügt es nicht, einen sogenannten dilatorischen Beschluß zu fassen, der

bloß den Schein, dieJllusion einer Abhülfe in Aussicht stellt, die aber

in Wahrheit, ohne eine noch grellexe Störung konstitutioneller Ordnung, nicht mehr möglich ist.

Der Schwerpunkt des Rechtsgutachtens ist in folgender Stelle desselben (S. 16 u. ff.) niedergelegt. ,,Der Schulfonb der Stadt St.

Gallen ist Eigenthum der Genossengemeinde, und zwar sowohl urkundlich als gesetzlich. Urkundlich wurde das Eigenthum ihr zugefchieden und gesetzlich, d. h. nach der bisherigen Organisation des evangel. Konfefsionstheils, in Uebexeinstimmung mit welcher auch die Schulverhä.tnisse dex Stadt St. Gallen regulirt find, beruhte die Schulgenossenschaft auf den A n t h e i l h a b e r n am Schulgut (s. Art. 114 der Organisation des evangel. Kirchen- und Erziehungswesens des Kantons St. Gallen vom^ Jahr 1834), also auf der Genossengemeinde. Es ist wohl in.s Auge zu fassen, daß die Genossenschaft von St. Gallen einen Bestandt.heil des g e s a m m t e n S c h u l o r g a n i s m u s b i l d e t . Auch in dieser Eigensehaft war daher bis jetzt die Genossengemeinde von St. Gallen Eigenthümer und Verwalter des städtischen Schulsonds. Wenn nun in Folge des neuen Gesetzes die Niedergelassenen ebenfalls stimmberechtigt erklärt werden und in gleicher Weise steuerpflichtig sür die Bedürfnisse der gesetzlich geforderten Freischule, so solgt hieraus noch nicht, daß sie deßhalb Eigenthum an genossenbürgexli^en Fonds erhalten , ja wir glauben auch, daß sie dieß nicht beanspruchen. Jede Gemeinde (sei es eine Bürger-, Kirchen- oder Schnlge..neinde) hat eben eine d o p p e l t e Stellung.

Einerseits ist sie Glied des gesammten Staats-, Kirchen.. und Schulorganismus, h.^t als solches öffentliche Rechte, aber auch öffentliche Verpflichtungen, für welche sie mit ihrem Gute in einem gewissen Umfang einstehen muß. Das ist ihre ö f f e n t l i c h e Seite.

Nach dieser Seite hin kann die Gesetzgebung des Staates b.^stim..nend einwirken.

Auf der andern Seite aber ist sie eine Korporation n.it einem bestimmten Vermögen; das ist ihre p r i v a t r e c h t l i c h e Seite. Jn diese Sphäre darf der Staat nicht eingreifen. Dadurch würde ein bestehendes Privatrecht verletzt , gerade wie es umgekehrt auch eine Rechtsverletzung wäre, wenn eine Gemeinde oder Genossenschaft Gemeinde-, Kirchen^. und Schulgütex nicht mehr sür diese Zwecke verwenden wollte.

Jch halte nun aber, Tit., diese ganze Unterscheidung und was damit zusammenhängt , für das Produkt einer spekulativen Abstraktion , die jedoch nicht auf dem Boden des praktischen Staatsrechtes wurzelt. Jch glaube, der Jxrthum liege darin, daß einem durch da^ ö f f e n t l i c h e Recht
gegebenen faktischen Zustande von gewisser Dauer ein privatrechtlicher Charakter beigelegt wird. Wenn bis auf die neuere Zeit in einer Anzahl von Kantonen d i e Angelegenheiten, welche der Staat nicht unmittelbar von sich aus besorgt, die er nicht zentralisirt hat, in Kirche und Schule, im Armenwesen, vorzugsweise der Bürg er gemeinde, nach Rechten und Pflichten zugewiesen waren , so ^ist das nicht eine Folge ihrer

504 rechtlichen (privatrechtlichen) Beziehung zu dem öffentlichen Gute als zeit^ weiliger physischer Trägerin desselben, sondern vielmehr der staatlichen O r g a n i s a t i o n und S t e u e r g e s e t z g e b u n g , welche ebensowohl den Schwerpunkt in die Einwohnergemeinde legen kann. Entscheidend sür die Natur dieser Verhältnisse ist, daß zu jeder Zeit die G e s e t z g e b u n g es war, die, um mieden Worten des Rechtsgutachtens zu reden, ,,bestimmt, in welchem Umfange die Gemeinde mit ihrem Gute sür die öffentlichen Verpflichtungen einstehen soll, und zwar nicht nach privatrechtlichen Theilungsgrundfätzen, sondern rein nach staatlichen B e s t i m m u n g s g r ü n den, so wie sie dieß jeweilen den Zuständen und Bedürfnissen des Landes angemessen erachtet. Selbst wenn das Gefetz oder das öffentliche Recht eines Staates der Gemeinde..Autonomie einen freiern Spielraum läßt, wenn fie hinsichtlich der Einbürgerungstaxen , in Betreff der Rechtsstellung dex Bürger und Niedergelassenen Normen ausstellt, die einer .mehr privatrechtlichen Anschauung zu entsprechen scheinen, so handelt sie hiebei nichts desto weniger aus eigener S e l b s t b e s t i m m u n g , und gemäß dem jeweilen vorherrschenden öffentlichen Geiste, welcher die Gesetzgebung beherrscht. Der Begriff w o h l e r w o r b e n e r R e c h t e dagegen setzt voraus (s. Bluntschlis Staatsrecht S. 329 u. ff.), ..aß dieselben b e s t i m m t e n P e r s o n e n . .

sei es einzelnen Menschen oder Genossenschaften oder juristischen Personen, zu e i g e n e m und s e l b s t s t ä n d i g e m Rechte zukommen, die nicht als staatliche Rechte im Zusammenhange mit dem ganzen Staate und für d i e s e n bestehen. Die Privatberechtigung trägt den Eharakter der B e s o n d e r n -

h ei t und Selbst ständigkeit an sich. So gut die Gesetzgebung das

Schulgeld der Bürgers- und Ansaßenkinder, die besondern Ansaßengebühren festzustellen, beziehungsweise abzuschaffen befugt war, obwohl dieß .auf die vermögensrechtliche Seite der Genossenbürger ebenfalls einwirkt: ganz mit dem gleichen Rechte kann sie bestimmen, daß der Zinsertrag der Schulguter vorab für die Ausgaben der Schule verwendet und erst nachher die Steuerpflicht der Niedergelassenen und der Bürger gleichmäßig ihren Anfang nehmen sollen. Daß vielleicht in der ganzen Schweiz, jedenfalls im Kanton St. Gallen, die Beitragspflicht sich überhaupt nicht nach Köpfen oder .nach irgend einer andern Regel des Gesellschaftsvertrages, sondern nach dem Staatssteuerfuße richtet, beweist schon an und für sich die öffentlichrechtliche Natur der Sache. Es handelt sich bloß um ein Mehr oder Weniger, um die eine oder andere Form der staatlichen Einwirkung. Das Prinzip selbst ist nicht in Frage. Es ist ein Ausfluß einer und derselben Staatshoheit, welche in der Hauptsache der^ Bür^gergemeinde d i e H e r s t e l lung der öffentlichen Güter. beziehungsweise die Bestreitung dex dießfälligen Ausgaben auf dem Steuerwege aufgetragen hatte (auf dem Steuerwege: Schenkungen oder Vermächtnisse haben den gleichen Zweck, nämlich die Steuerlast zu vermindern und ändern, also den Eharakter des öffentlichen Fondes nicht, von welchem sie einen Bestandtheil bilden), und die uun den v o r h a n d e n e n Fond sür die Gefammtheit der Einwohner i. e..

für die durch die Bevölkerungszunahme der Niedergelassenen allfällig ex^

^

.^05

heiterten Ausgaben haftbar erklärt, so zwar, daß folgeweise die SteuerPflicht der Genossenbürger verhältnismäßig gesteigert wird. Es kann jedoch auch das umgekehrte Verhältniß eintreten, wenn nämlich keine hinreichen^deu Fonds vorhanden, Schulhäuser zu erstellen find u. dgl.

Eine ähn.liche Wirkung äußern die Steuergesetze und Dekrete auf das Vermögen der Privaten überhaupt, je nachdem z. B. die Grundsteuer, die Vexmö^ens- oder Erwerbsteuer festgestellt werden.

Der Art. 18 des St. Gallischen Gemeindesteuergefetzes muß im Zusammenhange mit dem öffentlichen, speziell mit dem Gesetzgebungsrecht iu Steuersachen , von dem Gesichtspunkte der ausgleichenden Gerechtigkeit und dex nationalwirthschaftlicheu Zweckmäßigkeit , vom Standpunkte des Vorherrschenden Bedürfnisses für das große Ganze aufgefaßt werden. Und hirr ist wohl wesentlich folgende Betrachtung maßgebend. Der Zweck der .Kirchen- und Schulgüter ist ein allgemeiner und gehört jedem Kantonsbürger , sogar laut der Bundesverfassung im gewissen Sinne jedem Schwei.zerbürger.

Man hätte für die Zwecke des kirchlichen und des Schulkultus eben

so gut unmittelbar von Staatswegen sorgen und die allgemeine Steuerkraft der Gesammtheit in Anspruch nehmen können. Der ganze Staat ist bei .deren Pflege zum Mindesten in demselben Grade wie bei den höheru Bil.dungsanstalten (Kantonsschule, Seminar, landwirtschaftliche Anstalt und Sekundar - oder Jndusteieschulen) betheiliget. Jnsbesondere ist das Pri- .

.marschulwefen obligatorisch erklärt. Schon daraus folgt, da.ß der Wohnsitz für die Beitragspflicht der Staatsangehörigen au die Bedürfnisse von Kirche und Schule, gleichviel, ob sich dieselben an ihrem Aufenthaltsorte ^in der Stellung von Ortsbürgern oder .^lnsas^en befinden, keinen Unterschied begründen kann, sondern daß die Gesetzgebung verpflichtet ist, alle möglichst gleich zu halten. Die Form, in welcher jene staatlichen Zwecke xealisirt werden, die Organisation der ^Gemeinden, hindert im Mindesten .nicht , dieser Forderung des Rechtes und dex Billigkeit gerecht zu werden.

Jm Gegentheil, die Leistungen der Einen und der Andern in der Vergangenheit rechtfertigen die Gleichstellung in der Einwohnergemeinde vollkommen. Die Niedergelassenen haben nämlich , fei es in eigener Person .oder durch die Leistungen ihrer Vorfahren, an die Kirchen- und Schulfonds des Kantons, in Folge des bisherigen Prinzips der Bürgergemeiu.den, gerade so gut die gesetzmäßigen Steuerbeiträge erfüllt, wie die an.vesenden Bürger. Wenn indessen auch q u a n t i t a t i v etwa das Gegentheil eintritt, so hätte das wahrlich nicht viel zu bedeuten. Genug, im Grund.atze haben die Ansaßen und die Bürger nach der jeweiligen Gesetzgebung ganz gleichmäßig an die Fonds und an das weitere Kirchen- und Schulvermögeu beigetragen. Würden die Bürger, etwa an denjenigen Orten, wo dieß zu ihrem Vortheil ausfällt, erworbene Rechte auf ein ausschließliches BeNutzungsrecht der Fonds erlaugt haben (wovon aber nach dem Gesagten keine Rede fein kann), fo könnte auch d i e Klasse der Staatsangehörigen, .welche sich im Verhältnisse von Niedergelassenen befindet, verlangen, daß

^06 die Gesetzgebung nicht im Sinne der Erweiterung i h r e r Steuerpflicht verändert werde. Das hieße mit Einem Worte das Gesetzgebungorecht des Staates auf diesem Gebiete läugnen. Denn man wird doch nicht^ etwa den Satz aufstellen wollen, daß zwar der Genossenbürger an dem einen Oxteu den Zinsertrag der Fonds für sein. Steuerbetressniß vorwegnehmen könne, an andern Orten dagegen der Niedergelassene in die bisher ausschließlich dem Bürger obliegende Pflicht der Fondsänfnung , der Neubauten u. s. w. eintreten müsse. Jm Gegentheil, man müßte uothwendig zu ganz andern Resultaten gelangen, würde es^ sich gleichsam um eine Abchüxung zwischen Bürgern und Anfaßeu nach privatrechtlichen Theilungsgrundsätzeu handeln. Namentlich müßte der erweiterten Steuerpflicht am.

Wohnorte die Aushiugabe der Theilungsquote des abwesenden Bürgers von Seite der Heimatgemeinde vorausgehen, und es müßte überhaupt das Gleichgewicht der Fondationen in der Einwohner- und in der Bürgergeweinde hergestellt werden u. f. w. Zu solchen Konsequenzen kommt man,.

wenn man den allein maßgebenden Standpunkt des^ ö f f e n t l i c h e n Rechtes verrückt.

Ob und in welcher W e i s e die Gesetzgebung ein gegebenes System ändern soll, hängt von dem Entwicklungsgange der öffentlichen Zustände überhaupt und namentlich davon ab, in wessen Hände der Grundbesitz und die Gewerbsthätigkeit in den Gemeinden fich vorherrschend konzerdrirt hat.

Je nachdem kann die Erweiterung der Einwohnergemeinde und i h r e r Steuerpflicht eine Forderung der Gerechtigkeit und der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit im eminenten Sinne werden, wie umgekehrt das bürgerliche Prinzip zumal in der Vergangenheit den Vorzug haben mochte.

Es ist jedoch weder uothwendig, noch viel weniger konstitutionell zuläßig, den Kantonen in dieser Beziehung von Bundeswegen Vorschriften zu macheu, das Jndividualleben derselben durch einen einheitlichen Maßstab, den man an ihre Gesetzgebung anlegt (welchen man übrigens schwer wird finden können, eben wegen der Verschiedenheit der kantonalen Anschauungen, die auch hier vertreten find) zu erdrücken und auf diese Weise die Befriedigung ihrer eigentümlichen Bedürfnisse zu verunmöglichen, so lauge sich die G e s e t z g e b u n g der K a n t o n e innert den v e x f a s -

sungsmäßigeu Schranken bewegt. Das ist die politische Seite^

der Frage, die wir wahrlich uicht weiter auszuführen nöthig haben.

Daß aber, Tit., im Widerspxnche mit den bishex entwickelten Grundsätzeu, speziell die St. Gallische Verfassung den Schul- oder kirchliche^ Fonds der Gemeinde eine p r i v a t x e c h t l i c h e Qualität im Sinne des Axt. 15 (Unverletzlichkeit des Privateigentums) garantirt oder eine dem a l l g e m e i n e n Gesetzgebungsrechte des Staates entgegenstehende besondere G e m e i n d e s o u v e r ä n e t ä t zugetheilt habe.. dafür findet steh .überall nicht der mindeste Anhaltspunkt vor. Die Art und Weise namentlich, wie unter der Herrschaft der bestehenden Staatsverfassung die orgauische und die Steuergesetzgebung verstanden und geübt worden ist, beweist..

^ofitiv das Gegentheil.

507 Aus der andern Seite greift dex Art. 18 des St. Gallischen Gesetzes allfälligen wirklich privatrechtlichen Ansprüchen an den Fond, die etwa aus den b e s o n d e r n Verhältnissen dex evangelischen Schulgemeinde der Stadt St. Gallen von wem immer aus diesem odex jenem Grunde hergeleitet werden könnten, in keiner Weise vor. Wiefern dieses mit Erfolg.

geschehen dürfte, das hatte die Kommission nicht zu untersuchen, weil eben das Urtheil hierüber den z u s t ä n d i g e n St. G a l l i s c h e n Gerichten.

zukommt (s. oben). Daraus erklärt sich von selbst, daß die Kommission, wenn auch die Ansichten über die Begründetet solcher Ansprüche und deu.

Umfang derfelben verschieden waren, sich doch leicht in dem P u n k t e einigen konnte, daß die Motivixung (,,daß dex Art. 18 allfälligeu privatrechtlichen Ansprüchen nicht vorgreife, sondern die Anrufnug des Richters offen lasse..) ganz unbestimmt und völlig) unvorgreiflich gefaßt werde..

müsse.

Bern, deu 20. Juli 1858.

Namens d e r K o m m i s s i o n , Der Berichterstatter..

Ed. Häberlin.

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Summarische ueb erficht der

Ein-, Aus- und Durchfuhr in der Schweiz im Monat September 18.57 und im Monat September 1858.

Einfuhr.

September .

I .

^ 7 .

Die Gesammteinfuh.x dieser Monate betrug .

Stüke.

18.^7. ^30l Stük Vieh l Schmalvieh ^. ^I,^ Stüke Vieh, wovon Großvieh .

Mühlsteine, Akexgeräthe, Oekonomiefuhrwexke

Gefährte

.

.

.

11,089.

8,441.

und

Fr.

. Werth.. 136,081.

1^7. 3I,^3l Zugthierlasten, wovon die hauptI.^8. 34,47^j fächlichsten sind:

Brenn-, Bau- und gemeines Nuzholz Koke, Torf, Braunkohle, Steinkohlen

.

.

Kalk und Gyps, gebrannt und gemahlen

.

September .

I .

^ ^ .

Stüke.

12,1.^ 9,49^ Fr.

56,4..^

Zugthierlasten.

9,684.

6,228.

7,98^ 8,71.^

1,935.

1,8l..:...

^) Siehe den Bundesbeschluß in der eidg. Gefezsammlung .^ Band VI, Seite 4...^

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Bericht des Herrn Ständerath Häberlin*) über den Rekurs des evangelischen Schulrathes der Stadt St. Gallen.**) (Vom 20. Juli 1858.)

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1858

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50

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23.10.1858

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499-507

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10 002 596

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