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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Vom 9. Juni 1950)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Mit unserem Bericht vom 8, Februar 1950 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung haben wir Ihnen von unserer Absicht Kenntnis gegeben, Ihnen demnächst eine Vorlage über die Erhöhung der Einkommensgrenzen vorzulegen. Inzwischen hat der Nationalrat am 29. März 1950 mit. 122 gegen 0 Stimmen beschlossen, von diesem Berieht in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen und hat sich die zur Vorberatung des Berichtes eingesetzte ständerätliche Kommission einstimmig dafür ausgesprochen, dem Ständerat die KenntnisnahTne in zustimmendem Sinne zu empfehlen. Sowohl im Nationalrat als auch in der ständeräth'chen Kommission wurde die baldige Erhöhung der Einkommensgrenzen einhellig begrüsst. Auch in der Öffentlichkeit hat unser Vorschlag überall Zustimmung gefunden. Wir beehren uns daher, Ihnen den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die in Aussicht gestellte Abänderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) sowie die entsprechende Botschaft zu unterbreiten.

I.

1. Grundsätzliche Erwägungen zur Frage der Revision des AHVG In unserem Bericht vom 3. Februar 1950 (BEI 1950, I, 303) haben wir mit Nachdruck die Schlussfolgerung gezogen, «dass hinsichtlich der Eevision dea AHVG vorläufig noch grösste Zurückhaltung am Platze ist, und dass es nicht nur eine Unvorsichtigkeit, sondern geradezu ein Fehler wäre, gestützt auf die bisherigen Ergebnisse, Feststellungen und Beobachtungen irgendwelche

186 strukturelle Änderungen am Versicherungssysteiu vornehmen zu wollen». An dieser Schlussfolgerung halten wir vollumfänglich fest ; die inzwischen bekanntgewordenen Rechnungsergebnisse des Jahres 1949 sowie neuerdings durchgeführte Erhebungen, auf die wir noch zu sprechen kommen werden, haben uns darin bestärkt. Wir schätzen uns glücklich, feststellen zu können, dass die grosse Mehrheit des Nationalrates and die einstimmige ständerätliche Kommission zur gleichen Schlussfolgerung gelangt sind und mit der Zustimmung zu unserem Bericht kundgetan haben, dass sie strukturelle Änderungen am AHVG zum mindesten als verfrüht erachten.

Auf der andern Seite haben die Diskussionen im Nationalrat, in der standerätlichen Kommission und in der Öffentlichkeit deutlich gezeigt, dass mit der Milderung von Härtefällen, die weder strukturelle Änderungen noch untragbare finanzielle Belastungen bedingen, nicht zugewartet werden sollte. Auch die Durchführungsorgane der AHV berichten übereinstimmend, dass allgemein mit den in Aussicht gestellten Verbesserungen in absehbarer Zeit gerechnet werde.

Dementsprechend sind wir der Auffassung, dass zwar im gegenwärtigen Zeitpunkt strukturell oder finanziell weittragende Änderungen im AHVG nicht in Frage kommen, dass aber im Rahmen des geltenden Systems und der finanziellen Möglichkeiten jene Begelungen geändert werden sollten, die ausgesprochene Härten zur Folge haben. In diesem Bahmen bewegen sich unsere Anträge.

2. Die finanzielle Ausgangslage Im Bericht vom 8. Februar 1950 (BEI 1950, I, 283) ist eine technische Bilanz der Versicherung auf 1. Januar 1950 enthalten, worin ein Aktivenüberschuss von 790 Millionen Franken ausgewiesen wird. Dieser tjberschuss entspricht einer ewigen Bente, d, h. einem technischen Durchschnittswert pro Jahr von etwa 28 Millionen Franken, Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen dürfen höchstens jährliche Zusatzausgaben verursachen, die sich durchschnittlich in diesem Bahmen bewegen.

Die entsprechende Entwicklung des jährlichen Finanzhaushaltes der Versicherung wurde auf Seite 828 des genannten Berichtes dargelegt. Daraus ist ersichtlich, dass sich der Ertrag der Beiträge bis zum Jahre 1958 auf 385 Millionen Franken zurückbilden werde, um dann infolge der Zunahme der Beitragspflichtigen wiederum etwas anzusteigen. Wir haben seither noch weitere
Schätzungen vornehmen lassen, bei welchen der jährliche Ertrag der Beiträge mit durchschnittlich 20 Millionen Franken mehr in Rechnung gestellt wurde, was den Bechnungsergebnissen der beiden ersten Jahre besser entspricht.

Hingegen muss nun der beobachteten sinkenden Tendenz des Zinsfusses Bechnung getragen werden; daher wurde diese zweite Schätzung auf Grund eines Zinsfusses von 2% % durchgeführt. In der entsprechenden technischen Bilanz kompensieren sich die beiden Änderungen in den Rechnungsannahmen ungefähr, so dass sich wiederum ein Aktivenüberschuss in der oben erwähnten Grossen-

187 Ordnung ergibt. Dio zur Verfügung stellende Marge ist demnach verhältnismässig klein und stellt nur etwa 3% % des Passiventotals der Versicherung dar.

Bei der Beurteilung der finanziellen Ausgangslage müssen wir um so vorsichtiger sein, als gewisse Eechnungselemente, insbesondere die Schichtung der Versicherten nach der Beitragshöhe, statistisch noch nicht genau bekannt sind. Erst nach Abschluss der Auswertung der individuellen Beitragskonten können wir dio finanzielle Lage von Grund auf neu überprüfen. Je nach den Ergebnissen wird sich dann zeigen, ob man weiteren bescheidenen Bevisionswünschen entgegenkommen kann.

3. Die einzelnen Revisionspunkte Vordringlich ist zweifellos die Bevision der im AHVG enthaltenen Ansätze für die Einkommensgrenzen. Wir haben darüber bereits auf den Seite 809 ff.

des Berichtes vom 8, Februar 1950 eingehend Bericht erstattet. Ergänzende Ausführungen finden sich unter Ziff. II/l dieser Botschaft, Hand in Hand mit der Erhöhung der Einkommensgrenzen sollen die Bestimmungen über die Anrechnung des Vermögens abgeändert werden, worüber wir auf Seite 313 ff.

des erwähnten Berichtes Näheres ausgeführt haben. Die Abänderung dieser Bestimmungen bedingt nicht eine Bevision des AHVG, sondern der Vollzugsverordnung vom 81. Oktober 1947, die gleichzeitig mit der Gesetzesrevision vorgenommen werden soll.

Im Bericht vom 8. Februar 1950 wurde auf Seite 303 darauf hingewiesen, dass in der Dezembersession der Eidgenössischen Bäte Abänderungsvorschläge in bezug auf die Beitragsleistung der Selbständigerwerbenden und die Fortdauer der Beitragspflicht nach vollendetem 65. Altersjahr eingereicht worden seien; deren Prüfung war damals noch im Gange. Inzwischen hat der Ständerat in der Märzsession die Motion Iten, auf die wir u. a. Bezug genommen haben, behandelt; ein Teil dieser Motion wurde in Form eines Postulates erheblich erklärt. Das Postulat lädt den Bundesrat ein, das AHVG so abzuändern, dass die Degression des Beitragsansatzes für die Selbständigerwerbenden bereits bei einem Einkommen von 4500 Franken oder einem höheren Einkommen beginnt, während die degressive Skala gemäss AHVG Artikel 8 heute auf Einkommen bis 3600 Franken Anwendung findet. Da die vierprozentige Beitragsleistung für die Selbständigerwerbenden mit niedrigen Einkommen als zu hart empfunden wird, die Verwirklichung
des Postulates finanzielle Auswirkungen hat, die im Bahmen der oben geschilderten finanziellen Möglichkeiten zu verantworten sind, und die Eidgenössische AHV-Kommission die Berücksichtigung des Postulates einstimmig empfohlen hat, beantragen wir Ihnen, neben der Erhöhung der Einkommensgrenzen auch den Artikel 8 im Sinne des Postulates Iten abzuändern (vgl. Ziff. H/2 nachstehend). Hingegen sind wir vorläufig nicht in der Lage, Ihnen weitergehende Anträge zu stellen im Sinne der Entlastung der Selbständigerwerbenden und der Aufhebung der Beitragspflicht nach vollendetem 65. Altersjahr, wie dies durch die Motion

188 Gyslor vom 8. Dezember 1949 verlangt wird, da doron Verwirklichung Einnahmenausfälle zur Folge hätte, die gegenwärtig nicht verantwortet werden können.

Ein weiterer Punkt, auf den in Ziffer H/8 nachstehend näher eingetreten werden soll, betrifft die Schweizerbürger, die gemäss dem geltenden Artikel 18, Absatz 2, im Falle des Verlassens der Schweiz nur dann Anspruch auf eine Eente haben, wenn sie die Beiträge während mindestens 10 vollen Jahren entrichtet haben. Da dieso Regelung sich angesichts der in verschiedenen Staaten bestehenden Verhältnisse unter Umständen nachteilig auf den Einzelnen auswirken kann, möchten wir im Zuge der gegenwärtigen Revision auch diese Härte beseitigen.

Endlich möchten wir bei dieser Gelegenheit unsorn Antrag, im AHVG- die Möglichkeit der Rückerstattung von Beiträgen an nicht rentenberechtigte Ausländer vorzusehen, wieder aufnehmen. Dieser Antrag war bereits in unserer Botschaft vom 10. Juni 1949 (BEI 1949, I, 1209) über die Genehmigung eines zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossenen Abkommens über die Sozialversicherung sowie betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung enthalten, und wurde auf Seite 261 ff.

jener Botschaft eingehend begründet. Er wurde in den eidgenössischen Räten materiell nicht bestritten. Der Beschluss des Nationalrates vom 21. September 1949 und des Ständerates vom 25. Oktober 1949, auf den Hauptpunkt der Ee vision s vorläge (Anpassung des AHVG an die für zwischenstaatliche Vereinbarungen vorgeschlagene Eegelungen) nicht einzutreten, führte dazu, dass auch die für beitragspflichtige, aber nicht rentenberechtigte Ausländer bestehende Härte damals nicht behoben werden konnte. Wir haben darauf schon im Bericht vom 3. Februar 1950 hingewiesen und ausgeführt, dass die Frage bald eine befriedigende Lösung finden sollte. Dementsprechend mochten wir die Gelegenheit benützen, nunmehr oine Lösung im Sinne der Ausführungen unter Ziffer H/4 zu treffen.

II. Erläuterungen zu den einzelnen Abänderungsvorschlägen

1. Die Erhöhung der Einkommensgrenzen gemäss AHVG Artikel 42 Die nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die bisherigen und die von uns in Vorschlag gebrachten, um durchschnittlich 50 % erhöhten neuen Einkoinmensgrenzen (Tabelle auf folgender Seite).

Von einer die Einkommensgrenzen für Waisenrenten betreffenden Ausnahme abgesehen, decken sich diese Ansätze mit dem Vorschlag, den wir auf Seite 810 des Berichtes vom 3. Februar 1950 wiedergegeben haben, und dor in den parlamentarischen Beratungen als richtig bezeichnet worden ist. Im einzelnen möchten wir dazu folgendes bemerken: a. Vom Interkantonalen Verband für Personalfürsorge und in der nationalrätlichen Kommission zur Vorberatung unseres Berichtes vom 3. Februar 1950 ist angeregt worden, zu prüfen, ob der Kreis der Bezüger von Übergangs-

189 Für B e z ü g e r von Ortsverhältnisse

Städtisch . . .

Halbstädtisch . . . .

einfachen Altersrenten n.

Witwenrenten

EhepaarAltersrenten

Vollwaisenrenten

einfachen.

Waisenrenten

bisher

neu

bisher

neu

bisher

neu

bisher

neu

Fr.

2000 1850 1700

Fr.

3000 2730 3500

Fr.

3200 2950 2700

Fr.

48000

Fr.

900 800 700

VT.

1300 1200 1100

Er.

600 525 450

Fr.

1300 1200 1100

4400 4000

renten statt durch eine Erhöhung der Einkommesgrenzen nicht besser durch eine bloss teilweise Anrechnung des Einkommens erweitert werden könnte.

Durch diese Methode könne der nivellierenden Tendenz des heutigen Systems entgegengewirkt und eine feinere Abstufung der gekürzten Renten erzielt werden. Wir haben die Frage einlässlich geprüft und auch der AHV-Kommission zur Begutachtung unterbreitet. Die Kominission hat sich mit grossem Mehr für die Beibehaltung des heutigen Systems ausgesprochen. Wir haben uns dieser Auffassung angeschlossen. Zwar sei nicht bestritten, dass durch die teilweise Anrechnung des Einkommen s eine etwas differenziertere Rentenbemessung erreicht werden konnte; doch hätte eine der Erhöhung der Einkommensgrenzen um 50 % gleichwertige Lösung (Anrechnung von zwei Drittel des Einkommens) zur Folge, dass viel mehr Personen nur Anspruch auf eine gekürzte Übergangsrente erhielten. Die 50 %ige Erhöhung der Einkommensgrenzen wirkt sich somit für einen ansehnlichen Kreis von Personen günstiger aus. Vor allem aber ist das geltende System der festen Einkommensgrenzen den Ausgleichskassen und ihren Zweigstellen vertraut; jede Änderung würde eine Umstellung des Personals erfordern. Zudem würde durch eine teilweise Anrechnung des Einkommens die Berechnung der Übergangsrenten kompliziert und für die Rentenanwärter kaum mehr verständlich, was zahlreiche Anfragen und Beschwerden und damit eine Vergrösserung des administrativen Aufwands zur Folge hätte.

Diese Grunde haben uns bewogen, am bisherigen System der festen Einkommensgrenzen und dor uneingeschränkten Einkommensrechnung festzuhalten.

b. Wir halten eine rund 50 %ige Erhöhung dor Einkommensgrenzen für angemessen und ausreichend und möchten am Verhältnis zwischen den Grenzbeträgen für die drei Ortsklassen aus den im Bericht vom 8. Februar 1950 (Seite 810) erwähnten Gründen nichts ändern. Nur hinsichtlich der Einkommensgrenzen für die Halbwaisen haben wir eine weitergehende Erhöhung und die Voreinigung mit dem Grenzbetrag für die Vollwaisen vorgesehen. Damit soll eine vielerorts empfundene Härte beseitigt werden. Mit der besonderen Einkommensgrenze für einfache Waisenrenten hat man nämlich den Unterhaltsleistungen, die die Halbwaise vom überlebenden Elternteil erhält, Rechnung getragen. Statt also -- wie bei den anderen Bentenarten -- die Familienlasten

190 durch eine Rente zu vermindern, hat man bei Halbwaisen bestimmte familienrechtliche Leistungen vorausgesetzt und nicht nur -- was durchaus zureichend ist -- ihre Eento niedriger angesetzt als jene der Vollwaisen, sondern auch noch die Voraussetzungen zum Eentenbezug verschärft. Schon allein dieser Umstand scheint uns eine Angleichung der Einkommenagrenzen für die beiden Arten von Waisenrenten zu rechtfertigen. Zudem ist aber noch zu beachten, dass auch der um 50 % erhöhte Grenzbetrag für Halbwaisen derart niedrig geblieben wäre, dass eine Halbwaise mit dem Antritt einer Berufslehre regelmässig der Eente verlustig gegangen und daher kaum jemals der Begünstigung von Artikel 25, Absatz 2, AHVG (Eentengewährung bis zum Lehrabschluss bzw. bis zum vollendeten 20. Altersjahr) teilhaftig geworden wäre. Die von uns vorgeschlagenen Änderungen liegen auch im Interesse des Familienschutzes gemass Art. 34 aulnquies
c. Wir haben die Gelegenheit benützt, um in Artikel 42, Absatz l, zwei geringfügige redaktionelle Änderungen anzubringen. Die Worte «mit Ausnahme der kinderlosen Witwen, welche im Zeitpunkt der Verwitwung das 40. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben», erwiesen sich in der Praxis als missverständlich und sind nun auf Grund der Bechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes (EVGE 1948, Seite 44) überflüssig geworden. Wir beantragen daher, sie zu streichen. Der bisherige Text liess ausserdem eine Unsicherheit darüber bestehen, ob die ausländischen Hinterlassenen eines Schweizers (Adoptivkinder, aussereheliche Kinder) und die schweizerischen Hinterlassenen eines Ausländers (wiedereingebürgerto Witwen) rentenberechtigt seien. Die neue Fassung will klarstellen, dass alle Schweizerbürger, also auch alle Hinterlassenen schweizerischer Nationalität, Anspruch auf Ubergarigsrenten haben können.

d. Schliesslich möchten wir noch bekanntgeben, wie wir die Bestimmungen der Vollzugsverordnung über das anrechenbare Vermögen abzuändern gedenken. Vor allem soll der sogenannte «Notpfennig», d. h. das anrechnungsfreie Vermögen auf den doppelten Betrag, nämlich auf 4000 Franken für Waisen, 6000 Franken für Einzelpersonen und 10 000 Franken für Ehepaare erhöht
werden. Forner soll die Anrechnungsquote nicht wie bisher für die höheren Altersstufen grösser sein, sondern durch je eine feste Quote für Alters- und Hinterlassenenrentner ersetzt werden. Dabei sehen wir eine Ermässigung der anzurechnenden Vermögensteile vor.

e. Die Erhöhung der Einkommensgrenzen und die weniger starke Anrechnung des Vermögens dürften eine Erweiterung des Bezügerkroises der 'Übergangsrenten um etwa einen Viertel bewirken. Die voraussichtlichen finanziellen Auswirkungen dieser Massnahmen wurden auf den Seiten 311 und 812 unseres Berichtes vom 3. Februar 1950 dargelegt. Wenn die neue Eegelung am 1. Januar 1951 in Kraft tritt, so ergibt sich, in Kapitalwert ausgedrückt, eine Zusatzbelastung von etwa 270 Millionen Franken, was einer ewigen Eente von 8 Mil-

191 lionen Franken entspricht. Die zeitliche Staffelung der zusätzlichen Belastung geht aus Texttabelle 19 des erwähnten Berichtes hervor. Es ist denkbar, dass durch die etwas weitergehende Lockerung der Bestimmungen betreffend die Anrechnung des Vermögens eine geringe zusätzliche Belastung entsteht, welche jedoch durch die unter Ziffer III hiernach aufgezeigte Sicherheitsreserve mehr als gedeckt ist.

2. Die Erweiterung der degressiven Skala für die Beiträge der Selbständigerwerbenden gemäss AHVG Artikel 8 a. Die Zentrale Ausgleiehsstelle hat auf Grund eines Teils der individuellen Beitragskonten des Jahres 1948 eine provisorische Statistik über die Höhe der den Selbständigerwerbenden gutgeschriebenen Beiträge erstellt. Berücksichtigt wurden nur Personen, die ausschliesslich als Solbständigerwerbende tätig waren. Die Auszählung ergab folgendes Bild : Es bezahlten Beiträge von einem Jahreseinkommen bis zu Fr.

3600 4500 4800

Selbstiindigerwerbende In nicht landwirtschaftder Landwirtschaft lichen Berufen % 64

78 81

Zusammen

°/ /o

o/ /o

38 48 52

49 61 65

Wenn es sich auch um provisorische Ergebnisse handelt, dürften diese doch der Wirklichkeit sehr nahe kommen. Sie zeigen, daas schon nach der geltenden Eegelung beinahe die Hälfte der Selbständigerwerbenden Nutzniesser der sinkenden Skala der Beitragsansätze war. Bezogen auf die Landwirtschaft, sind es sogar fast zwei Drittel, die in den Genuas der Erleichterungen des Artikel 8 gekommen sind.

Erhöht man die Einkommeusgronze, bis zu der herabgesetzte Beiträge zu bezahlen sind, auf 4800 Franken, so werden nach der gleichen Zusammenstellung mehr als vier Fünftel aller Landwirte und die Hälfte aller Selbständigerwerbenden mit nicht landwirtschaftliehen Berufen, zusammen nahezu zwei Drittel der Selbständigerwerbonden, persönliche Beiträge von weniger als 4% bezahlen müssen. Man darf dabei nicht übersehen, dass in Fällen, in denen auch diese Beitragsansätze noch unzumutbar wären, die Solbständigerwerbenden auch noch die Herabsetzung nach Artikel 11, Absatz l, des Gesetzes verlangen können, und dass die Eechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes die Herabsetzung der Beiträge aus sozialen Gründen zulässt.

6. Die einstimmige AHV-Kommission hat sich dafür ausgesprochen, dass die degressive Skala bis zu einem Einkommen von 4800 Franken Anwendung finden soll, nachdem die Einkommensgrenze für verheiratete Personen in städtischen Verhältnissen ebenfalls auf 4800 Franken festgesetzt werden soll.

192 Wir schliessen uns der Meinung der AHV-KommiBsion an, halten aber dafür, dass damit den Begehren der Selbständigerwerbenden sehr weitgehend entsprochen wird, darf doch nicht übersehen werden, dass die nach der degressiven Skala festgesetzten Beiträge gemäss AHVG Artikel SO, Absatz 4, bei der Festsetzung der Eenten auf 4 % des Einkommens aufgewertet werden.

o. Die wirtschaftliche Belastung, die durch die Erhebung der Beiträge in der vollen Hohe von 4 % entsteht, trifft in mindestens gleichem oder höherem Masse die in Artikel 6 des Gesetzes erwähnten Arbeitnehmer nicht beitragspflichtiger Arbeitgeber. Es drängt sich daher auf, die Erleichterung, die für die Selbständigorwerbenden vorgesehen ist, auch dieser Kategorie von Beitragspflichtigen einzuräumen. Dementsprechend wird neben Artikel 8 auch der Artikel 6 geändert.

d. Die Ausdehnung des Anwendungsbereiches der degressiven Skala von 3600 Franken auf 4800 Franken wird einerseits bewirken, dass der Kreis der Beitragspflichtigen, welcher in den Genuss der sinkenden Skala gelangt, um etwa 30-35% erhöht wird; ca. 70000 Selbständigerwerbende, welche bis anhin 4 %ige Beiträge entrichtet haben, werden geringere Beiträge zu bezahlen haben. Anderseits werden aber auch die Beitragspflichtigen, die heute im Genuss der degressiven Skala sind, einen etwas geringeren Beitrag entrichten müssen. Diese beiden Punkte dürften einen Einnahmenausfall von jährlich etwa 4 Millionen Franken üiir Folge haben. Würde die degressive Skala bei 4500 Franken begrenzt, so wäre mit einem Ausfall von ca. 3 Millionen Franken zu rechnen. Dem Ausfall, der aus der Erweiterung der degressiven Skala resultiert, steht keine Entlastung auf der Bentenseite gegenüber, da, wie bereits bemerkt, die nach der sinkenden Skala geleisteten Beiträge auf 4 % aufgewertet werden und die Rentenberechnung geroäss den aufgewerteten 4 %igen Beiträgen erfolgt.

e. Wir möchten die Gelegenheit der Abänderung von AHVG Artikel 8 benützen, um an diesem Artikel gleichzeitig noch zwei Änderungen untergeordneter Natxir anzubringen, die sich gestützt auf die bisherigen Erfahrungen aufdrängen. Es handelt sich dabei um folgendes: Wie bei der Berechnung der meisten direkten Steuern, sind bis jetzt in der Praxis Bestbeträge des massgebenden Einkommens von weniger als 100 Franken für die Berechnung der AHV-Beiträge
von 4 % ausser acht gelassen worden.

So wird z. B. der Jahresbeitrag bei einem massgebenden Einkommen von 5267 Franken auf 208 Franken festgesetzt, was genau 4 % von 5200 Franken entspricht. Auf diese Weise können jährliche, halbjährliche, vierteljährliche und monatliche Beiträge der Selbständigerworbenden ohne weiteres aus einer Tabelle abgelesen werden, was eine grosse administrative Erleichterung bedeutet, ohne dass dadurch praktisch der Versicherte in seinem Bentenanspruch geschmälert würde. Eine diesbezügliche ausdrückliche Bestimmung ist in fast allen Stenurgesetzen enthalten. Im AHVG fehlte sie bis jetzt. Dies hat das Eidgenössische Versicherungsgericht veranlasst, die bisherige Praxis als gesetzeswidrig zu bezeichnen. Deshalb sehlagen wir Ihnen vor, eine entsprechende Er-

193 ganzung des Artikels 8, Absatz l, anzubringen. Es wurde nicht verstanden, wonn wegen der wörtlichen Auslegung der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen die durchführenden Organe mit einer wesentlichen Mehrarbeit belastet würden.

Die weitere Ergänzung, die wir Ihnen vorschlagen, betrifft den Absatz 2 des Artikels 8. Im Interesse der Vereinfachung der Verwaltung und zwecks Vermeidung einer zu weitgehenden Erfassung kleiner und kleinster Nebenverdienste, haben wir in die Vollzugsverordnung vom 31. Oktober 1947 den Artikel 19 aufgenommen, wonach vom Einkommen aus einer nebenberuflieh ausgeübten selbständigen Erworbstätigkoit Beiträge nur erhoben werden, soweit dieses Einkommen den Betrag von 600 Franken übersteigt. Dabei wird jedoch ausdrücklich gesagt, dass die Beitrage auch auf dem 000 Franken nicht übersteigenden Einkommen aus nebenberuflich ausgeübter selbständiger Erwerbstätigkeit zu erheben sind, falls der Versicherte dies verlangt. Diese Regelung hat sich in der Praxis als rationell erwiesen. Der administrative Aufwand wäre bei Erfassung aller kleinen und kleinsten Einkommen weit grösser als der Ertrag der Beiträge. Inzwischen ist jedoch die Frage der Gesotzesmässigkeit dieser Vorordnungsbestimmung aufgeworfen worden. Ferner ist die Praxis ganz verschiedene Wege gegangen, weshalb sich ohnehin eine Verdeutlichung dieser Ausnahmeregelung aufdrängt, Avis diesen Gründon würden wir es als richtig erachten, bei Anlass der Änderung von Artikel 8 gerade auch die bisher in Artikel 19 der Vollzugsverordnung enthaltene Regelung in AHVG Artikel 8, Absatz 2, gesetzlich zu verankern und so zu verdeutlichen, dass in Zukunft eine einheitliche Praxis gewahrleistet werden kann.

3. Fallenlassen der 10jährigen Mindestbeitragsdauer für Schweizerburyer, die aus der obligatorischen Versickerung ausscheiden (bisher Art. 18, Abs. 2) Gemäss AHVG Artikel 18, Absatz 2, sind Schweizerbürger, einschhesslich ihrer Hinterlassenen, die nach ihrem Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung diese nicht freiwillig fortführen, nur rentenberechtigt, sofern die Beiträge während mindestens 10 vollen Jahren entrichtet worden sind. Dieso Bestimmung kann einen Schweizer benachteiligen, wenn er aus der Versicherung ausscheidet, ohne die Versicherung auf freiwilliger Basis fortzusetzen.

In einzelnen Sozialversicherungsabkornmen
mit dem Ausland hat es sich nun -- aus Gründen des Gegenrechts --- als notwendig erwiesen, dem in der Schweiz versicherten Ausländer schon nach einer Beitragsdauer von weniger als 10 Jahren eine ordentliche Bento zuzuerkennen. So kann beispielsweise ein Franzose, der während 5 Jahren AHV-Beiträge bezahlt hat, gleichgültig wo er sich aufhält, eine Rente beanspruchen.

Dass das gleiche Recht einem aus der Versicherung ausgeschiedenen Schweizer erst nach 10 Beitragsjahren zusteht, stellt zwar rechtlich keinerlei Benachteiligung dar; eine solche bestände nur, wenn es keine freiwillige Versicherung gäbe. Der Schweizerbürger kann und soll sich sein Eecht auf Renten dadurch wahren, dass er dio Versicherung auf dem Wege der Freiwilligkeit fortführt.

194 Die bisherigen Erfahrungen haben aber gezeigt, dass der Beitritt zur freiwilligen Versicherung für viele Landsleute zu kostspielig ist und dass sie deshalb vorziehen, auf ihre Bechte gegenüber der Versicherung zu verzichten, trotzdem sie an deren Wahrung ein offensichtliches Interesse hätten. Hieraus ergibt sich, dass der Schweizer dem Ausländer gegenüber wohl rechtlich nie benachteiligt ist, in tatsachlicher Hinsicht es aber unter Umständen dennoch sein kann.

Um nun jede auch nur scheinbare Ungleichheit zwischen Schweizern und Ausländern auszuschliessen, halten wir es für angezeigt, dem Schweizer die grösstmögliche Begünstigung einzuräumen, und ihm die ordentliche Eente nicht erst nach zehnjähriger, sondern -- was sich aus Artikel 29, Absatz l, AHVG ergibt -- immer schon nach mindestens einjähriger Beitragsleistung zu gewahren. Wir schlagen Ihnen daher vor, Artikel 18, Absatz 2, zu streichen.

Diese Streichung bedingt eine kleine Änderung von Absatz l des Artikels 18, der in seiner gegenwärtigen Fassung bestimmt, dass nur «versicherten» Personen ein Eentenanspruch zusteht. Ein nicht freiwillig versicherter Auslandschweizer gilt nun nach der Legaldefinition des Versichertenbegriffes in AHVG Artikel l nicht als Versicherter, auch wenn er früher einmal Beiträge bezahlt hai. DtimiL ihm Irolzduiu emo Eente gewährt weiden kann, müssen, wenn dei die Eentenberechtigung der nicht freiwillig versicherten Auslandschweizer regelnde Absatz 2 wegfällt, in Absatz l die Worte «alle versicherten» gestrichen werden. Diese Streichung hat keine weitern Auswirkungen, weil die Ausländer mangels abweichender zwischenstaatlicher Vereinbarung ohnehin nur rentenberechtigt sind, wenn sie in der Schweiz wohnen, also nach der Legaldefinition von AHVG Artikel l versichert sind.

4. Die liuckerstattung der Beiträge an nicht rentenberechtigte Ausländer (neuer Art. 18, Abs. 8) Gemäss AHVG Artikel 18 haben Ausländer erst nach lOjähriger Beitragedauer und bei Wohnsitz in der Schweiz einen Eentenanspruch. Nie rentenberechtigt werden daher alle Ausländer und Staatenlosen sein, die vor dem 1. Juli 1892 geboren sind, obwohl sie noch mindestens 9 Jahre Beiträge bezahlen müssen. Sodann sind vom Eentenbezug ausgeschlossen alle jene Auslander und Staatenlosen, die weniger als 10 Jahre in der Schweiz zivilrechtlichen Wohnsitz haben
oder eine Erwerbstätigkeit ausüben, daher ebenfalls keine 10 vollen Jahresbeiträge bezahlen können. Zu solchen Ausländern zählen beispielsweise Korrespondenten ausländischer Zeitungen, Vertreter ausländischer Firmen usw.

Wir haben bereits unter Ziff. 1/3 darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen die Bezahlung von Beiträgen ohne Gegenleistung eine «kaum zumutbare Härte» bedeutet, insbesondere für Ausländer, dio 4% ihres Einkommens der AH V entrichten müssen. Auf dem Wege zwischenstaatlicher Vereinbarungen können diese Härten zwar behoben werden. Es stellt sieh jedoch die Frage, wie An-

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gehörige von Staaten behandelt werden sollen, mit denen in absehbarer Zeit keine oder überhaupt nie zwischenstaatliche Vereinbarungen abgeschlossen werden. Da eine Befreiung von der Beitragspflicht aua grundsätzlichen Erwägungen (Schutz der einheimischen Arbeitskräfte) nicht in Frage kommt, drängt sich der Gedanke auf, für solche Härtefälle im Gesetz die Möglichkeit einer Rückerstattung der selbst geleisteten Beiträge vorzusehen, wie wir dies bereits in der Botschaft vom 10. Juni 1949 über die Genehmigung eines zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossenen Abkommens über die Sozialversicherung und den Entwurf eines Bundosgesetzes betreffend die Abänderung des Artikels 18 des AHVG vorgeschlagen hatten.

Diese Möglichkeit möchten wir im neuen Absatz 8 des Artikels 18 verankern.

Der bisherige Absatz 3 wird, da der bisherige Absatz 2 gestrichen werden soll (vgl. Ziff. 3 vorstehend), unverändert als neuer Absatz 2 übernommen. Im einzelnen gibt der neue Absatz 8 zu folgenden Bemerkungen Anlass: Die Möglichkeit der Rückvergütung der selbst geleisteten Beiträge wird nur für Ausländer, Staatenlose und deren Hinterlassene vorgesehen, nicht aber für Schweizer. Wir haben von der Möglichkeit der Rückvergütung der geleisteten Beiträge an Schweizer Umgang genommen, weil jeder Schweizer, der wegen Verlassen der Schweiz aus der obligatorischen Versicherung auescheidet, gemäss unserem Vorschlag auf Fallenlassen von Artikel 18, Absatz 2 (vgl. Ziff. 3 vorstehend) schon nach einjähriger Beitragsdauer rentenberechtigt sein wird.

Dagegen können auf Grund von Artikel 18, Absatz 3, nötigenfalls auch denjenigen Schweizerbürgern, die das schweizerische Bürgerrecht verlieren, die bezahlten Beiträge zurückvergütet werden. Damit soll insbesondere den Verhältnissen der Schweizerinnen, die durch Heirat mit einein Ausländer das Schweizerbürgerrecht und damit vielfach auch den Rentenanspruch verlieren, Rechnung getragen werden. Es wäre tatsächlich eine Härte, wenn Schweizerinnen, die vielleicht während 10 oder mehr Jahren Beiträge bezahlt haben und durch Heirat mit einem Auslander aller Rechte aus den geleisteten Beiträgen verlustig gehen, nicht wenigstens die von ihnen bezahlten Beiträge zurückerstattet würden.

Die Rückvergütung der Beiträge soll, gestützt auf Artikel 18, Absatz 3, nur an Ausländer vorgesehen werden, mit
deren Heimatstaat keine zwischenstaatliche Vereinbarung abgeschlossen worden ist oder in absehbarer Zeit abgeschlossen werden kann. Damit möchten wir erreichen, dass, wo immer möglich, die Stellung der Angehörigen ausländischer Staaten in der Schweiz durch zwischenstaatliche Vereinbarungen geregelt und die Rückvergütung der Beiträge durch einseitigen Akt der Schweiz auf Ausnahmefälle begrenzt wird.

Die Rückvergütung der Beiträge gemäss Artikel 18, Absatz 8, soll wirklich nur in jenen Härtefällen in Frage kommen, die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen nicht gelöst werden können.

Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Beiträge an Ausländer zurückvergütet werden können, sollen vom Bundesrat festgesetzt werden.

196

Eine Umschreibung dieser Voraussetzung in Artikel 18, Absatz 3, erscheint nicht als angebracht, weil diese Voraussetzung je nach den Erfahrungen ohne weiteres sollte abgeändert werden können. Wir sehen jedoch vor, die Voraussetzungen sehr eng zu fassen und die Rückvergütung der von den Ausländern selbst geleisteten Beiträge nur in ausgesprochenen Härtefällen zuzulassen. So wird es beispielsweise nicht in Frage kommen, einem Ausländer, der nur während einer verhältnismässig kurzen Zeit Beiträge an die AHV bezahlt hat, diese Beiträge beim Verlassen der Schweiz zurückzuverguten. Eine weitherzige Auslegung von Artikel 18, Absatz 8, würde nicht nur weit über das gesetzte Ziel hinausschiessen, sondern auch den Verwaltungsapparat der AHV in starkem Masse belasten. Auf jeden Fall sollen die Beiträge erst dann zurückvergutet werden, wenn dio Voraussetzungen für die obligatorische Vorsicherung (Wohnsitz oder Erwerbstätigkeit in der Schweiz) aller Wahrscheinlichkeit nach dauernd wegfallen oder, wenn sie weiterbestehen, im Zeitpunkt des Eintrittes des versicherten Kisikos (Vollendung des 65. Altorsjahres oder Tod). Dem Artikel 18, Absatz 3, muss unter allen Umstanden der Charakter einer Sondorbestiromung zur Ausmerzung unzumutbarer Härten gewahrt bleiben.

III. Schlussbemerkungen 1. Über die finanziellen Auswirkungen der Erhöhung der Einkommensgrenzen und der Ausdehnung des Geltungsbereiches der degressiven Skala haben wir unter Ziffer II/l und II/2 Aufsehluss gegeben.

Die andern beiden vorgeschlagenen Bevisionspunkte fallen finanziell nicht in Betracht. Zusammenfassend kann deshalb gesagt werden, dass die vorgeschlagene Bevision dio Versicherung durchschnittlich mit ütwa 12 Millionen Franken pro Jahr belasten wird. Von dem in dor Einleitung erwähnten Aktivenüberschuss von 23 Millionen Franken verbleiben demnach noch 11 Millionen Franken, die als geringe Sicherheitsmarge gewertot werden müssen. Da die zusätzliche Belastung zufolge der Erhöhung der Einkominenpgrenzen sich vorwiegend auf die ersten beiden Dezennien verlagert, wird sich die Äufnung dos Ausgleichsfonds entsprechend verlangsamen.

2. Es stellt sich noch die Frage des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzes.

Es wäre zu begrüssen gewesen, wenn die Vorlage auf den l. Januar 1950 hätte in Kraft gesetzt werden können. Nun können aber die parlamentarischen
Beratungen frühestens in der Herbstsession 1950 abgeschlossen werden, so dass die Keferendumsfrist bis gegen Ende des Jahres dauert. Eine rückwirkende Inkraftsetzung auf den 1. Januar 1950 kommt unter diesen Umständen kaum mehr in Frage. Gegen ein solches Vorgehen sprechen, abgesehen davon, dass nach allgemeiner Bcchtslehre ein Gesetz nur bei Vorliegen zwingender Gründe rückwirkend in Kraft gesetzt werden soll, vor allein folgende Gründe: Bei einer rückwirkenden Fjrhöhung der Einkommonsgrenzen müsston ansehnliche Bentenbeträge für das Jahr 1950 nachbezahlt werden. Eine solche Nachzahlung würde aber nicht mehr der laufenden Bedarfsdeckung dienen.

197 Ferner verlangte die nachträgliche Festsetzung von Eenten für das Jahr 1950 auf Grund des im Jahre 1949 erzielten Einkommens einen erheblichen administrativen Aufwand. Schliesslich würde sich die Abänderung der Bestimmungen über die Ubergangsrenten nachteilig auf die zusätzliche Alters- und Hinterlassenenfürsorge verschiedener Kantone auswirken, sei es, dass eine rückwirkende Erhöhung der Einkommensgrenzen im AHVG automatisch eine rückwirkende Erhöhung der kantonalen Einkommensgrenzen zur Folge hätte (so z. B. im Kanton Waadt), sei es, dass die nachträgliche Ausrichtung von Übergangsrenten für das Jahr 1950 bei der Bemessung der kantonalen Zusatzrenten berücksichtigt werden müsste und daher in vielen Fällen zu einer Bückforderung der kantonalen Leistungen für 1950 führen würde (so z. B. im Kanton Zürich). Von den Kantonen, die zusätzliche Leistungen ausrichten, haben sich Schaffhausen, Solothurn, Neuenburg und Aargau für eine rückwirkende Inkraftsetzung auf den 1. Januar 1950 ausgesprochen; die Kantone Basel-Stadt und Genf würden eine rückwirkende Inkraftsetzung auf den l, Juli 1950 befürworten. Zürich, Bern, St. Gallen und Waadt haben sich dagegen mit allem Nachdruck gegen die Bückwirkung und für das Inkrafttreten auf den 1. Januar 1951 ausgesprochen.

Mit, allergrnssten Schwierigkeiten wäre eine rückwirkende Abänderung der Bestimmung über die degressive Skala der Beiträge der Selbständigerwerbenden verbunden. Sie hätte in Zehntausenden von Fällen eine Bückerstattung bereits geleisteter Beiträge und entsprechende Korrekturen auf den individuellen Beitragskonten zur Folge, was unbedingt vermieden werden sollte.

Aus diesen Gründen beantragen wir Ihnen, in Übereinstimmung mit der einstimmigen AHV-Koinmission, die Vorlage auf den 1. Januar 1951 in Kraft zu setzen.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beehren wir uns, Ihnen zu.

beantragen, es sei auf die Beratung des nachfolgenden Gesetzentwurfes einzutreten und derselbe zum Beschluss zu erheben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 9. Juni 1950.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der

Bundespräsident: Max Petitpierre Der Vizekanzler: Ch. Oser

BumlesbUtt.

102 Jahrg. Bd. II.

14

J98 (Entwurf)

Bundesgesetz betreffend

die Abänderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 9. Juni 1950, heschliesst: Art. l Die Artikel 6, 8, 18 und 42, Absatz l, des Bundesgesetzes über die Altersund Hinterlassenenversicherung vom 20. Dezember 1946 werden aufgehoben und durch folgende Bestimmungen ersetzt: Art, 6: Die Beiträge versicherter Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber nicht der Beitragspflicht unterliegt, betragen 4 % des massgebenden Lohnes.

Beträgt der massgebende Lohn weniger als 4800 Franken im Jahr, so vermindert sieh der Beitragsansatz nach einer vom Bundesrat aufzustellenden sinkenden Skala bis auf 2 %.

Art. 8: l Vom Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit wird ein Beitrag von 4 % erhoben, wobei das Einkommen auf die nächsten 100 Franken abgerundet wird. Beträgt dieses Einkommen weniger als 4800, aber mindestens 600 Franken im Jahr, so vermindert sich der Beitragsansatz nach einer vom Bundesrat aufzustellenden sinkenden Skala bis auf 2 %.

2 Beträgt das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit weniger als 600 Franken im Jahr, so ist ein fester Beitrag von l Franken im. Monat zu entrichten ; dieser Beitrag wird vom Einkommen aus einer nebenberuflich ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit von weniger als 600 Franken nur auf Verlangen des Versicherten erhoben.

Art. 18: 1 Anspruch auf Alters-, Witwen- und Waisenrenten haben Schweizerbürger, Ausländer und Staatenlose gemäss den nachfolgenden Bestimmungen.

199 2

Angehörige von Staaten, deren Gesetzgebung den Schweizerbürgern und ihren Hinterlassenen nicht Vorteile bietet, die denjenigen dieses Gesetzes ungefähr gleichwertig sind, Staatenlose und Hinterlassene solcher Personen sind nur rentenberechtigt, solange sie ihren zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz haben und sofern die Beiträge während mindestens 10 vollen Jahren entrichtet worden sind. Vorbehalten bleiben abweichende zwischenstaatliche Vereinbarungen.

3 Ausländern, mit deren Heimatstaat keine zwischenstaatliche Vereinbarung besteht, Staatenlosen und Hinterlassenen solcher Personen können unter bestimmten, vom Bundesrat festzulegenden Voraussetzungen die gemäss Artikel 5, 6, 8 oder 10 bezahlten Beiträge zurückvergütet werden, sofern diese keinen Rentenanspruch begründen.

Art. 42, Abs. 1: Anspruch auf eine Übergangsrente haben die in der Schweiz wohnhaften Schweizerburger, denen gemäss Artikel 29, Absatz 1, keine ordentliche Rente zusteht, soweit das Jahreseinkommen unter Hinzurechnung eines angemessenen Teiles des Vermögens folgende Grenzen nicht erreicht : Für B e z ü g e r von Ortsverhältnisse

Städtisch . . . .

Halbstädtisch . .

Ländlich . . . .

einfachen Altersrenten und Witwenrenten

EhepaarAltersrenten

Fr.

Fr.

Fr.

3000 2750 2500

4800 4400 4000

1800 1200 1100

Art. 2 Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1951 in Kraft.

9151

einfachen Waisenrenten und Vollwaisenrenten

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Vom 9. Juni 1950)

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Jahr

1950

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

24

Cahier Numero Geschäftsnummer

5824

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.06.1950

Date Data Seite

185-199

Page Pagina Ref. No

10 037 066

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