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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Verlängerung und Abänderung' des Bundesbeschlusses betreffend die zusätzliche Alters- und Hinterlassenenfürsorge (Vom 23. Mai 1950)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Hiermit beehren wir uns, Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Verlängerung und Abänderung des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948 über die Verwendung der der Alters- und Hinterlassenenversicherung aus den Überschüssen der Lohn- und Verdienstersatzordnung zugewiesenen Mittel (AS 1949, 77) zu unterbreiten und dazu folgendes auszuführen.

I. Einleitung 1. In unserer Botschaft vom 26. August 1948 (BB1 1948, III, l ff.) haben wir eingehend die Gründe dargelegt, die uns bewogen haben, Ihnen zu beantragen, die 140 Millionen Pranken, die der AHV auf Grund von Artikel l, Absatz 2, des Bundesbeschlusses vom 24. März 1947 über die Errichtung von besondern Fonds aus den Einnahmen der zentralen Ausgleichsfonds der Lohnund Verdienstersatzordnung zugeflossen sind, für die Ausrichtung einmaliger oder periodischer Leistungen an Alte und Hinterlassene in Härtefällen zu verwenden. Wir können uns daher an dieser Stelle mit der Peststellung begnügen, dass es sich als richtig und notwendig erwiesen hat, die AHV in der Einführungszeit durch eine Alters- und Hinterlassenenfürsorge zu erganzen, weshalb sich die Fortsetzung des eingeschlagenen Weges aufdrängt.

2. Der Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1948 wurde aus den auf S. 10 ff.

unserer Botschaft vom 26. August 1948 geschilderten Gründen auf 8 Jahre befristet; seine Geltungsdauer läuft somit am 31. Dezember 1950 ab. Der vor-

1308 liegende Beschlussesentwurf verfolgt den Zweck, den Bundesbeschluss vom 8. Oktober zu verlängern, was die Fortführung der Alters- und Hinterlassenenfürsorge ermöglicht. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen einige kleinere Änderungen, die sich auf Grund der Erfahrungen aufdrängen.

II. Die zusätzliche Alters- und Hinterlassenenîiirsorge gemäss Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1948 1. Die Einführung Nachdem die Eeferendumsfrist anfangs Januar 1949 unbenutzt abgelaufen war, trat der Bundesbeschluss rückwirkend auf den 1. Januar 1948 in Kraft.

Wir erliessen am 29. Januar 1949 eine Vollzugsverordnung (AS 1949, 84). Damit waren die bundesrechtlichen Grundlagen für die ergänzende Alters- und Hinterlassenenfürsorge geschaffen.

Zu den Vorschriften des Bundes mussten die Kantone Ausführungsbestimmungen und die Stiftungen «Für das Alter» und «Für die Jugend» Leitsätze erlassen, was zum Teil im Verlauf des ersten und zum Teil erst während des zweiten Halbjahres 1949 geschah. Der Bundesbeschluss liess den Kantonen in organisatorischer Hinsicht grosse Freiheit. Demzufolge wurden von den Kantonen für die Durchführung des Beschlusses entsprechend den besondern kantonalen Verhältnissen verschiedene Lösungen gewählt.

Die Kantone, welche eine eigene Alters- und Hinterlassenenfürsorge geschaffenhatten (Zürich, Bern, Solothurn, Basel-Stadt, St. Gallen, Schaffhausen, Aargau, Thurgau, Waadt, Neuenburg und Genf), haben zum grossen Teil den ihnen zukommenden Beitrag ganz oder teilweise für die Finanzierung dieser Fürsorge verwendet, wie dies in Artikel 7 des Bundesbeschlusses vorgesehen ist. Mehrere Kantone haben die kantonale Ausgleichskasse beauftragt, die Verteilung der Mittel vorzunehmen (Uri, Schwyz, Glarus, Freiburg, Appenzell A.-Bh., Appenzell I.-Bh., Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt), wobei in der Begel eine kantonale Kommission über die Ausrichtung der Fürsorgeleistungen zu entscheiden hat. Eine Beihe von Kantonen haben andere kantonale Organe bezeichnet, die die Fürsorge durchzuführen haben (Luzern, Obwalden, Basel-Stadt, Wallis und Neuenburg). Endlich haben einige Kantone die Stiftungen «Für das Alter» und «Für die Jugend» beauftragt, sämtliche Bezüger oder nur einzelne Kategorien zu betreuen. Zu diesem Zweck überliessen sie den Stiftungen den Beitrag ganz oder teilweise (Zürich, Luzern, Uri,
Nidwaiden, Zug, Basel-Stadt, Basel-Land, Schaffhausen, St. Gallen und Genf).

Nur wenige Kantone waren angesichts des späten Erlasses der Vorschriften in der Lage, die Alters- und Hinterlassenenfürsorge rückwirkend auf den I.Januar 1948 einzuführen. Es waren dies die Kantone Schwyz, Obwalden.

Zug, Basel-Land, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin und Neuenburg.

Die andern Kantone begannen mit den Auszahlungen erst im Verlaufe des Jahres 1949.

1309 2. Die Auswirkungen des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948 Da mit der Ausrichtung von Leistungen gemäss dem Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1948 in den meisten Kantonen erst im Laufe des Jahres 1949 begonnen wurde, liegen heute nur wenige Erfahrungen vor. Auch sind erst vereinzelte Jahresberichte und Jahresrechnungen im Sinne von Artikel 11 des Bundesbeschlusses über das Jahr 1949 eingegangen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich deshalb in erster Linie auf die Beobachtungen und Feststellungen, die das Bundesamt für Sozialversicherung anlässlich zahlreicher Kontrollbesuche bei den Fürsorgestellen der Kantone und der Stiftungen machen konnte.

Über die Verteilung der Beiträge auf die einzelnen Kantone sowie die kantonalen Organe der Stiftungen «Für das Alter» und «Für die Jugend» gibt die nachfolgende Tabelle Aufschluss : Beträge in Franken Kantone

Zürich Bern Luzern .

. .

Uri Schwyz Obwalden Nidwaiden . . . .

Glarus Zug Freiburg Solothurn Basel- Stadt . .

Basel-Land . .

Schaffhausen Appenzell A.-Rh. . . .

Appenzell I.-Rh S t . Gallen . . . .

Graubünden. . . .

Aargau Thurgau Tessin Waadt Wallis . . .

Neuenburg . . .

Genf Schweiz

Tabelle l Anteile der Kantone

694 030 794 477 236 802 26969 78383 25869 19328 38 423 32158 183225 151 671 186 697 99165 55432 81799 21 097 370 136 179 945 285 467 138 773 273 896 421 813 243 181 156041 205 223 5 000 000

1) Beitrag an das DireAktionskomitee 2 ) Beitrag an das Stif ungskomitee.

Anteile der Kantonalkomitees der Stiftung Für das Alter

220 267 237784 65652 7619 22344 7161 5346 11961 8897 51451 45632 56570 29753 15645 26826 6503 113 950 51718 85741 41139 81776 127 018 64967 50216 64064 500 000 !)

2000000

Anteile der tant. Organe der Stiftung Fur die Jugend»

Zusammen

54777 79911 29953 3185 9121 3230 2447 3330 4138 22290 15052 18260 10029 6736 5462 1897 33485 20556 28589 14510 28255 42153 33277 11567 17790 250 000 2)

969 074 1 112 172 332 407 37773 109 848 36260 27121 53714 45193 256 966 212 355 261 527 138 947 77813 114 087 29497 517 571 252 219 399 797 194 422 383 927 590 984 341 425 217824 287 077 750 000

750 000

7750000

1310 Die späte Inkraftsetzung der Vorschriften hatte zur Folge, dass die meisten Kantone die ihnen zur Verfügung gestellten Mittel im Jahre 1948 nicht oder nur teilweise ihrem Bestimmungszweck zuführten. Dafür standen diesen Kantonen für das Jahr 1949 entsprechend grössere Mittel zur Verfügung. Die folgende Tabelle orientiert über die Verwendung der Beiträge pro 1948 in den einzelnen Kantonen: Beträge in Franken

Kantone

Tabelle 2 Zur Finanzierung einer allgemeinen A.H.-Fürsorge verwendet 1)

659 330 Zürich Bern 744477 Luzern Uri Schwyz Obwalden . . . .

-- Nidwaiden. . . .

Glarus Zug Freiburg . . . .

-- Solothurn . . . .

-- Basel-Stadt . . .

-- Basel-Land . . .

Schaffhausen . .

55162 Appenzell A.-Rh. .

Appenzell I.-Rh .

-- S t . Gallen . . . .

-, Graubünden . . .

Aargau Thurgau . . . .

-- Tessin -- Waadt -- Wallis Neuenburg . . .

Genf 205 223

Schweiz

Durch den An die Stiftungen Kanton Im unmittel- zur Verteilung überwiesen 2) BerichtsZujahr bar an nicht ver- sammen Bezüger Stiftung Stiftung Zuausge- «Für das «Für die sammen wendet richtet Alter» Jugend» 5783

62200 24940 --

28917 84552 13500 --

--

24118

-- -- --

50000 74374

--

169 180 285 467 70408 273 896 -- --

130 770

270

28917

50000 84552 152 250 13500 13469 -- 16188 929 -- 19328 38423 8040 32158 183 225 151 671 50000 136 697 24791 99165 -- --

270

185 068 185 068 370 136

--

81799 21097

--

--

--

10765

--

--

--

68365

--

-- -- --

421 813 243181 25271

--

--

694 030 794 477 236 802 26969 78383 25869 19328 38423 32158 183 225 151 671 186 697 99165 55432 81799 21097 370 136 179 945 285 467 138 773 273 896 421 813 243181 156 041 205 223

1 664 1921 022 644460 799 217 899 678 698 1 634 4665000000

!) Artikel 7 Bundesbesch luss vom 8. Oktober 1948 ) Artikel 10 Vollzugsverordnung vom 28. Januar 1949.

2

Für das Jahr 1949 liegen entsprechende Zahlen noch nicht vor; es dürfte sich jedoch erweisen, dass im Jahre 1949 von manchen Kantonen nicht nur ihr Jahresbetreffnis, sondern darüber hinaus auch die im Jahre 1948 nicht verwendeten Mittel ganz oder teilweise beansprucht worden sind.

1311 Es konnte festgestellt werden, dass die Fürsorgeleistungen von Kanton zu Kanton sehr verschieden hoch sind. Der Maßstab zur Beurteilung der Bedürftigkeit ist ebenfalls ungleich und von verschiedenen Faktoren abhängig.

In mehreren Kantonen wird auf die Einkommensgrenzen gemäss Artikel 42 des AHVG abgestellt, während andere Kantone niedrigere Ansätze anwenden.

Diese Mannigfaltigkeit ist durch die Struktur der Bevölkerung und die grosse Verschiedenheit der örtlichen Verhältnisse bedingt. Durch sie erklärt sich auch, dass die Ansichten über die Frage, ob die für die Alters- und Hinterlassenenfürsorge in den Jahren 1948--1950 zur Verfügung gestellten Mittel ausreichend waren oder nicht, auseinander gehen. Wir kommen auf diese Frage im Abschnitt IV/1 zurück.

Bereits im Jahre 1949 sind dem Bundesrat, gestützt auf Artikel 2, Absatz 2, des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948, verschiedene Gesuche um Erhöhung der Beiträge eingegangen. Der Bundesrat hat jedoch davon abgesehen, die auszurichtenden Beiträge zu erhöhen, da die Auswirkungen des Beschlusses noch nicht überblickt werden konnten und da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht darart geändert hatten, dass sich eine Erhöhung der Beiträge aus sozialen Gründen aufgedrängt hätte. Dazu kam, dass sich die zusätzliche Fürsorge praktisch erst im Jahre 1949 richtig auswirken konnte, so dass vielfach die Mittel von zwei Jahren zu Unterstützungszwecken zur Verfügung standen.

Bei der Durchführung des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948 wurde grosses Gewicht auf die Zusammenarbeit der kantonalen Fursorgestellen mit den beiden Stiftungen gelegt. Diese konnte dadurch erreicht werden, dass Vertreter der Kantone in den kantonalen Stiftungskomitees mitarbeiten und dass sich die kantonalen Stellen und die Stiftungen über die Falle, wo sie Fürsorgeleistungen verabreichen, gegenseitig orientieren. Die Tatsache, dass in den meisten Kantonen neben den staatlichen Fürsorgestellen noch Organe des Stiftungskomitees arbeiten, hat sich nicht als störend, sondern als nützlich erwiesen.

m. Die Verlängerung des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948 Die eidgenössischen Eäte waren sich von Anfang an bewusst, dass die zusätzliche Alters- und Hinterlassenenfürsorge nach Ablauf der dreijährigen Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948 nicht eingestellt
werden kann. Sie beschränkten die Geltungsdauer nur deshalb auf drei Jahre, weil die Bedürfnisse nicht auf längere Zeit zum voraus zu überblicken waren.

Die Gründe, die seinerzeit für den Erlass des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948 massgebend waren, gelten noch heute. Nach wie vor leben in allen Kantonen Greise, Witwen und Waisen, welche entweder keinen Anspruch auf eine Eente der AHV haben oder deren Eente einschliesslich anderweitiger Einkünfte und Vermögen nicht zum Lebensunterhalt ausreicht. Trotz der kurzen Erfahrungszeit darf unbedenklich als feststehend bezeichnet werden, dass der

1312 eingeschlagene Weg richtig war und dass die Alters- und Hinterlassenenversicherung auf alle Fälle für die Lebenszeit der Übergangsgeneration durch eine Alters- und Hinterlassenenfürsorge ergänzt werden muss. Es ist daher notwendig, den auf Ende dieses Jahres ablaufenden Bundesbeschluss zu verlängern. Daran sind gleichzeitig diejenigen Änderungen vorzunehmen, die sich in der Zwischenzeit als wünschbar erwiesen haben.

Der beiliegende Beschlussesentwurf ist den Kantonsregierungen, der Konferenz der kantonalen Armendirektoren, der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherungskommission sowie den Stiftungen «Für das Alter» und «Für die Jugend» zur Stellungnahme unterbreitet worden. Die Absicht, den Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1948 zu verlängern, wurde von allen Seiten warm begrüsst. Lediglich der Kanton Fribourg vertrat die Auffassung, dass die bestehende Eegelung für die Kantone mit geringer finanzieller Leistungsfähigkeit nicht befriedigen könne, weshalb er einer viel weitergreifenden Eegelung im Sinne der Erhöhung der Einkommensgrenzen der AHV für Übergangsrentner und einer Erhöhung der AHV-Eenten für die Angehörigen der untern Einkommensklassen den Vorzug gegeben hätte. Dem Wunsche des Kantons Fribourg wird durch unsere Vorlage über die Erhöhung der Einkommensgrenzen zum Teil Eechnung getragen. Dass eine Erhöhung der Eenten vorläufig nicht in Betracht gezogen werden kann, haben wir bereits in unserem Bericht vom 8. Februar 1950 über die AHV dargelegt.

Von allen Seiten wird auch die vorgesehene Verlängerung um 5 Jahre sehr begrüsst. Diese Verlängerung gewährt den Kantonen und den Stiftungen «Für das Alter» und «Für die Jugend» eine grössere Stabilität hinsichtlich ihrer Fürsorgetätigkeit, indem sie auf längere Zeit hinaus disponieren können.

Sie werden dadurch auch in die Lage versetzt, die notwendigen finanziellen und administrativen Vorkehren für die Ausrichtung eigener Leistungen zu treffen. Anderseits dürften sich die Verhältnisse in den nächsten fünf Jahren nicht derart ändern, dass sich in diesem Zeitraum eine Neuordnung aufdrängen würde. Im übrigen sieht der Beschlussesentwu'rf vor, dem Bundesrat eine gewisse Bewegungsfreiheit hinsichtlich der jährlich zu verteilenden Mittel zu lassen.

IV. Die Bestimmungen des Beschlussesentwurfes 1. Die Höhe der Beiträge Die meisten
Kantone, die Konferenz der kantonalen Armendirektoren, die AHV-Kommission sowie die Stiftung «Für das Alter» wünschen eine Erhöhung des Beitrages. Von verschiedenen Seiten wird vorgeschlagen, den Beitrag an die Kantone und die Stiftungen insgesamt von 7,75 auf 10 Millionen Franken zu erhöhen, wobei damit allerdings Artikel 2, Absatz 2, wonach der Bundesrat ermächtigt ist, die Beiträge nach Bedarf angemessen zu erhöhen, in Wegfall kommen würde. Der Kanton Graubünden möchte sogar auf 10 bis 12 Millionen Franken gehen. Die Kantone Zürich und Bern befürworten,eine

1313 Erhöhung des Beitrages auf 9 Millionen Franken, wobei der Bundesrat ermächtigt wäre, nach Bedarf zusätzliche Beiträge von insgesamt höchstens l Million Franken zu gewähren. Die Eidgenössische AHV-Kommission macht den gleichen Vorschlag.

Zur Begründung dieser Begehren wird allgemein ausgeführt, dass die Zahl der Übergangsrentner in den nächsten Jahren nicht abnehmen, sondern eher zunehmen werde, weil zufolge des Rückganges der Konjunktur damit gerechnet werden müsse, dass viele ältere Personen, die bisher noch ihrer Arbeit nachgehen konnten, aus dem Wirtschaftsprozess ausscheiden und damit vielfach auf einen Zuschuss zu der Übergangsrente angewiesen sein werden. Dazu kämen jedes Jahr neue Bezüger von Teilrenten hinzu, die zum Teil ebenfalls auf einen Zuschuss aus der Fürsorge angewiesen seien. Auch bringe die vorgesehene Abänderung von Artikel 6, Absatz l, lit. e, des Beschlusses betreffend die Ausländer und Staatenlosen (Ziff. 3 nachstehend) eine Mehrbelastung, die im besondern bei den ausgesprochenen Grenzkantonen und andern Kantonen, die grosse Kontingente an Ausländern aufzuweisen haben, ins Gewicht falle.

Zu diesen Ausführungen ist zunächst zu bemerken, dass die Zahl der Übergangsrentner zweifellos Jahr für Jahr zurückgehen wird und dass keine neuen Übergangsrentnerjahrgänge hinzukommen. Vorderhand werden zwar die Abgänge vermutlich durch neue Übergangsrentenfälle kompensiert, indem viele vor dem 1. Juli 1883 geborenen Personen, die bisher ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bestreiten konnten, teils infolge zunehmenden Alters, teils auch wegen des Konjunkturrückganges bedürftig und damit rentenberechtigt werden dürften. Doch ist sicherlich in absehbarer Zeit mit einem Bückgang der Übergangsrentenfälle zu rechnen. Des weitern darf nicht ausser acht gelassen werden, dass die Einkommensgrenzen in Artikel 42 des AH V-Gesetzes aller Voraussicht nach erhöht werden. Wenn dies auch eine Erhöhung der Übergangsrentenfälle zur Folge haben wird, so wird dadurch doch bestimmt die Zahl der Fürsorgebedürftigen zurückgehen. Diese Überlegungen sprechen unseres Erachtens dafür, die Beiträge nicht generell zu erhöhen.

Man könnte sich sogar fragen, ob angesichts der geschilderten Umstände nicht eine Reduktion des Beitrages für die nächsten fünf Jahre gerechtfertigt wäre. Gegen eine solche Reduktion
spricht unseres Eraehtens vor allem die Tatsache, dass die Kantone für die beiden Jahre 1949 und 1950 praktisch die Beiträge für 1948--1950, also für drei Jahre, zur Verfügung hatten. Würde man nun die Beiträge kürzen, so wären die meisten Kantone zu einer wesentlichen Einschränkung ihrer Fürsorgetätigkeit gezwungen. Des weitern bedingt auch der in Aussicht genommene Einbezug einer Kategorie von Ausländern (vgl. Ziff. 3 nachstehend) etwas vermehrte Mittel.

Auf Grund dieser Überlegungen gelangen wir zum Schiusa, dass zwar einerseits in den nächsten Jahren nicht an eine Reduktion der Beiträge gedacht werden kann, dass aber anderseits auch die Voraussetzungen für eine Erhöhung nicht gegeben sind. Wenn wir, entgegen der Auffassungen der Kantone

1314 und der AHV-Kommission von einer Erhöhung der Beiträge absehen möchten, so geschieht dies, abgesehen von den bereits erwähnten Gründen, auch aus finanziellen Erwägungen. Die für die Alters- und Hinterlassenenfürsorge zur Verfügung stehenden Mittel sollten ausreichen, um die Fürsorge im wesentlichen solange fortzusetzen, als Übergangsrenten zur Auszahlung gelangen.

In diesem Zusammenhang sei zunächst auf die Entwicklung des zur Verfügung stehenden Fonds in den Jahren 1948 und 1949 sowie auf die mutmassliche Bewegung im Jahre 1950 hingewiesen, worüber folgende Tabelle Aufschluss gibt: Betrage in Millionen Franken

Tabelle 3 1948

Posten

Stand Anfang Jahr Zinsertrag Total Beiträge an Kantone und Stiftungen Stand Ende Jahr x

. . . .

1949

140,00 135,80 4,16 3,90 144,16 139,70 8,36 !)

7,75 135,80 131,95

1950

131,95 3,80 135,75 7,75 128,00

) Inklusive rückständige Renten der Übergarigsordnung 1946/1947

Nimmt man z. B. an, dass den Kantonen und den beiden Stiftungen im Eahmen von Artikel 2, Absatz 2, des Bundesbeschlusses noch weitere Beiträge für die beiden Jahre 1949 und 1950 im Ausmasse von insgesamt 4 Millionen Franken ausgerichtet würden, so ergäbe sich auf den 1. Januar 1951 ein Fonds von ca. 124 Millionen Franken.

Falls ab 1951 auch weiterhin jedes Jahr ein Betrag von 7,75 Millionen Franken verteilt würde, könnte man die zusätzliche Fürsorge noch während etwas mehr als 20 Jahren, d. h. bis 1971 unverändert fortführen. Würde man hingegen jährlich 9 Millionen Franken verteilen, so würde der Fonds noch 17 Jahre ausreichen. Bei jährlichen Beiträgen von 10 Millionen wäre der Fonds in 15 Jahren erschöpft.

Entsprechend diesen Ausführungen beantragen wir, den Artikel 2 des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948 materiell unverändert zu belassen.

Dabei haben wir die Meinung, dass der Bundesrat namentlich in den ersten Jahren Gesuche um Erhöhung des Beitrages in Berücksichtigung der Verhältnisse wohlwollend prüfen und von der in Artikel 2, Absatz 2, eingeräumten Befugnis Gebrauch machen soll.

Hinsichtlich der Erhöhung der Beiträge gemäss Artikel 2, Absatz 2, des Bundesbeschlusses sind wir der Auffassung, dass sie nach Bedarf zu erfolgen habe. Deshalb können wir uns der in den Eingaben einiger Kantone vertretenen Meinung, dass eine Erhöhung der Beiträge alle Kantone und den beiden Stiftungen in gleicher Weise zugute kommen müsse, nicht anschliessen. Die Bei-

1315 träge sollten unseres Brachtens in erster Linie für diejenigen Kantone und Stiftungen erhöht werden, die mit ihrem Anteil die ihnen auf Grund des Bundesbeschlusses zufallenden Aufgaben nicht erfüllen können.

2. Der Verteilungsschlüssel Zum Verteilungsschlüssel, wie er in Artikel 3, Absatz 2, des Beschlusses (neue Fassung) vorgesehen ist, äusserten einige Kantone den Wunsch, es möchten nicht bloss die Übergangsrenten, sondern auch die ordentlichen Beuten der Berechnung zugrunde gelegt werden. Bisher konnte, obwohl dies aus dem Wortlaut von Artikel 3, Absatz l, nicht ohne weiteres hervorging, nur auf die Übergangsrenten abgestellt werden, weil in den als massgebend bezeichneten Jahren 1947 und 1948 noch gar keine ordentlichen Eenten ausgerichtet worden sind.

Wir möchten an den Grundlagen des bisherigen Schlüssels festhalten, d. h. weiterhin nur auf die Zahl der Bezüger von Übergangsrenten und die Summe der Übergangsrenten abstellen. Durch den Einbezug der ordentlichen Eenten würde ein Faktor berücksichtigt^ der dem Charkter der Alters- und Hinterlassenenfürsorge, die nur den b e d ü r f t i g e n Greisen, Witwen und Waisen zugute kommen soll, nicht entspricht. Als bedürftig sind im allgemeinen diejenigen Personen anzusehen, deren Einkommen unter den Einkommensgrenzen Hegen, wie sie in Artikel 42 des AHVG aufgestellt sind. Unter den Bezügern von ordentlichen Renten wird sich dagegen immer ein gewisser Prozentsatz befinden, deren Einkommen und Vermögensverhältnisse einen Zuschuss aus der Fürsorge nicht notwendig machen.

Würde man im Verteilungsschlüssel die ordentlichen Eenten mitberücksichtigen, so dürfte sich im Laufe der Jahre ein Zustand herausbilden, bei welchem den industriellen Kantonen bis zu 30 % mehr Beiträge zufliessen würden als heute, während die ausgesprochen ländlichen sowie insbesondere die Gebirgskantone bis zu 30 % weniger erhalten würden, als wenn man ausschliesslich auf die Übergangsrenten abstellt.

Eine kleine Änderung gegenüber der bisherigen Ordnung sehen wir lediglich in dem Sinne vor, dass gemäss Artikel 3, Absatz 2, des Beschlusses (neue Fassung) für die Berechnung des Beitrages künftig auf die beiden vorletzten Jahre abgestellt werden soll, die dem Jahre vorangehen, für welches der Beitrag ausgerichtet wird. Das heisst also zum Beispiel, dass sich der Verteilungsschlüssel
für das Jahr 1951 auf die Zahl der Übergangsrentner und die ausbezahlten Übergangsrenten in den Jahren 1948 und 1949 stützen müsste.

Dadurch lassen sich Schwankungen in der Zahl der Bezüger und der Eentensummen besser ausgleichen.

3. Erweiterung des Bezügerkreises Gemäss Artikel 6, Absatz l, lit. e, des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948 können Fürsorgeleistungen auch Ausländern und Staatenlosen gewährt

1316 werden, wenn diese während mindestens eines Jahres Beiträge an die eidgenössische Alters- und Hinterlassenenversicherung geleistet haben, seit mindestens 10 Jahren in der Schweiz ansässig sind und die allgemeinen Voraussetzungen für den Bezug einer Alters- oder Hinterlassenenrente erfüllen. Von der Pursorge ausgeschlossen sind demnach alle vor dem 1. Juli 1888 geborenen Ausländer und Staatenlosen, weil sie an die AHV keine Beiträge mehr bezahlen konnten.

Diese Regelung hat sich oft sehr hart ausgewirkt. Eine ansehnliche Zahl betagter Ausländer, die ihr ganzes Leben oder einen grossen Teil ihres Lebens in der Schweiz verbracht haben und daher aus humanen Gründen nicht heimgeschafft werden konnten, bleiben von der Alters- und Hinterlassenenfürsorge ausgeschlossen.

Aus diesen Gründen haben wir im beiliegenden Beschlussesentwurf Artikel 6, Absatz l, lit. e, in dem Sinne abgeändert, dass die mindestens einjährige Beitragsdauer nicht mehr als Voraussetzung für den Bezug von Alters- und Hinterlassenenfürsorgeleistungen gilt. Die meisten Kantone, die Konferenz der Armendirektoren, die AHV-Kommission sowie die Stiftung «Für das Alter» würden diese neue Kegelung warm begrüssen. Einige Kantone knüpfen daran allerdings den Vorbehalt, dass der Beitrag entsprechend erhöht werden müsste oder dass Kantone mit vielen Ausländern besonders berücksichtigt werden müssten.

Soweit der Einbezug dieser Ausländer und Staatenlosen grössere Mittel notwendig macht, kann diesem Umstand durch Gewährung eines erhöhten Beitrages Eechnung getragen werden. Den Beitrag deswegen allgemein zu erhöhen, ist um so weniger am Platz, als nicht alle Kantone in gleicher Weise Ausländer beherbergen.

In der AHV-Kommission wurde angeregt, den Bezug von Alters- und Hinterlassenenfürsorgeleistungen für gebürtige Schweizerinnen, die durch Heirat eine ausländische Staatsangehörigkeit erworben haben, noch dadurch zu erleichtern, dass für sie auch auf die Voraussetzung der 10jährigen Aufenthaltsdauer in der Schweiz verzichtet wird. Wir halten die Verwirklichung dieser Anregung nicht für notwendig, weil gebürtige Schweizerinnen gemäss Bundesgesetz vom 25. Juni 1903 betreffend die Erwerbung des Schweizerbürgerrechtes und den Verzicht auf dasselbe die Wiedereinbürgerung verlangen können und somit die Möglichkeit haben, auch ohne 10jährige
Aufenthaltsdauer in der Schweiz Fürsorgeleistungen zu beziehen. Vom Kanton Waadt wurde ferner vorgeschlagen, den Geltungsbereich zu erweitern im Sinne des Einbezuges: -- verheirateter bedürftiger Frauen von mehr als 60 Jahren, deren Ehegatten für ihren Unterhalt nicht vollständig aufzukommen Vermögen, obwohl sie das Alter von 65 Jahren noch nicht erreicht haben; -- bedürftiger lediger Frauen von mehr als 60 Jahren sowie -- bedürftiger Frauen von mehr als 60 Jahren, gebürtige Schweizerinnen, die einen Ausländer geheiratet haben, und deren Ehegatten im Ausland wohnen, ohne dass sie für den Unterhalt der Frau genügend aufkommen.

1317 Wir halten dafür, dass diese Ausdehnung des Bezügerkreises nicht in Betracht gezogen werden kann. Es sprechen namentlich auch finanzielle Erwägungen dagegen. Es muss in erster Linie darnach getrachtet werden, jenen Fällen gerecht zu werden, die bisher durch den Beschluss erfasst wurden.

4. Nicht verwendete Beiträge

Verschiedene Kantone werden die ihnen für die Jahre 1948--1950 zugekommenen Beiträge bis Ende 1950 nicht völlig aufgebraucht haben. Durch den abgeänderten Artikel 14 des Bundesbeschlusses wird nun vorgeschrieben, dass die nicht verwendeten Mittel für die Durchführung der Alters- und Hinterlassenenfürsorge in den Jahren 1951--1955 zu verwenden sind. Sie fallen somit nicht an den Fonds zurück. Anderseits ist es aber auch ausgeschlossen, diese Mittel für andere Zwecke zu verwenden.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beehren wir uns, Ihnen zu beantragen, es sei auf die Beratung des nachfolgenden Beschlussentwurfes einzutreten und derselbe zum Beschlüsse zu erheben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 23. Mai 1950.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber

1318 (Entwurf)

Bundesbeschluss iibei

die Verlängerung und Abänderung des Bundesbeschlusses betreffend die zusätzliche Alters- und Hinterlassenenfürsorge (Verwendung der der Alters- und Hinterlassenenversicherung aus den Überschüssen der Lohn- und Verdienstersatzordnung zugewiesenen Mittel)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 28. Mai 1950, beschliesst:

Art. l Die Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948 über die Verwendung der der Alters- und Hinterlassenenversicherung aus den Überschüssen der Lohn- und Verdienstersatzordnung zugewiesenen Mittel wird, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, bis zum 81. Dezember 1955 verlängert.

Art. 2, Abs. 1: Aus dem Fonds werden jährlich ausgerichtet: a. 5 Millionen Franken den Kantonen; 6. 2 Millionen Franken der Schweizerischen Stiftung für das Alter; c. 0,75 Millionen Franken der Schweizerischen Stiftung für die Jugend.

Art. 2 Nachstehende Artikel des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1948 werden wie folgt abgeändert: Art. 3, Abs. 2: Massgebend sind jeweils die Zahl der Bezüger von Übergangsrenten und die Summe der Übergangsrenten des vorletzten und des diesem vorangegangenen Jahres.

1319 Art. 6. Abs. l, Ut. e: Bedürftige Greise, Witwen und Waisen auslandischer Nationalität und bedürftige Staatenlose, die seit mindestens zehn Jahren in der Schweiz ansässig sind, sofern sie die allgemeinen Voraussetzungen für den Bezug einer Alters- und Hinterlassenenrente erfüllen, jedoch gemass Artikel 18 des Bundesgesetzes nicht rentenberechtigt sind.

Art. 14: Beiträge, die in den Jahren 1948--1950 nicht verwendet worden sind, sind für die Fürsorge im Sinne von Artikel 6 dieses Beschlusses zu verwenden.

Art. 3 1

Dieser Beschluss tritt am 1. Januar 1951 in Kraft.

Der Bundesrat wird beauftragt, gemass den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlusse die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranlassen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Verlängerung und Abänderung des Bundesbeschlusses betreffend die zusätzliche Alters- und Hinterlassenenfürsorge (Vom 23. Mai 1950)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1950

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

21

Cahier Numero Geschäftsnummer

5825

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

25.05.1950

Date Data Seite

1307-1319

Page Pagina Ref. No

10 037 047

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