712

# S T #

5961

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Beschlussesentwurf über Beiträge des Bundes an die Unterstützung von Flüchtlingen (Vom 15. Dezember 1950)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Seit alters her hat die Schweiz Bedrängten und Verfolgten Asyl geboten.

Die Asylgewährung entspricht einem Grundsatz schweizerischer Politik und ist als solche fest im Volksempfinden verwurzelt. Diese Tradition wurde auch unter erschwerten Umständen beachtet und soll auch in Zukunft hochgehalten werden.

Andererseits steht ausser Frage, dass jede Asylgewährung im Kahmen der Möglichkeiten des aufnehmenden Staates bleiben muss und dort ihre Grenzen hat, wo lebenswichtige Interessen von Volk und Staat sich ihr entgegenstellen.

Asyl kann nicht unbesehen und ohne Bücksicht auf den Bestand und das Gedeihen des Staates gewährt werden. Die starke Übervölkerung und Überfremdung in unserem Lande, der eingeschränkte Versorgungsraum und die beschränkten wirtschaftlichen Möglichkeiten können deshalb nicht unberücksichtigt bleiben.

Als ini Frühjahr 1933 Tausende vor den Nationalsozialisten aus Deutschland flüchteten und in der Schweiz Zuflucht suchten, zwangen die wiitschaftlichen Verhältnisse, die Krisenlage und vor allem der hohe Grad der Arbeitslosigkeit den Bundesrat zu Vorsichtsmassnahmen. Er verfügte, dass die Flüchtenden wohl zum Grenzübertritt zugelassen werden sollen, dass ihnen aber nur ein vorübergehendes Befugium geboten werden könne. Damit brachte er zum Ausdruck, dass die Schweiz den Verfolgten wohl das traditionelle Asyl bieten wolle, dass sie aber nur Durchgangsland sein könne.

Dieser Grundsatz wurde in den folgenden Jahren und während des Krieges in allen Erlassen festgehalten. So bestätigten der Vollmachtenbeschluss vom

713

17. Oktober 1939 über Änderung der fremdenpolizeilichen Regelung (Art. 10) und derjenige vom 12. März 1943 über die Unterbringung der Flüchtlinge (Art. 7) ausdrücklich, dass die Schweiz für Flüchtlinge nur Transitland sein könne.

Befreiung von der Weiterreisepflicht In der Praxis wurde der Grundsatz dann allerdings nicht mit allen Konsequenzen angewandt. Eine Eeihe von Ausländern, die als Flüchtlinge in die Schweiz gekommen waren, ist nicht mehr zur Weiterreise veranlasst worden.

Das waren aber zumeist Ausländer, für die Entwicklungsmöglichkeiten in unserem Lande bestanden oder die auch in einem ordentlichen fremdenpolizeilichen Verfahren voraussichtlich zugelassen worden wären.

Auf breiterer Basis und durch ausdrückliche Gesetzesbestimmung wurde erstmals am 7. März 1947 durch den Vollmachtenbeschluss über Änderungen der fremdenpolizeilichen Eegelung einigen Flüchtlingsgruppen, vor allem Alten und Kranken, durch Gewährung des sogenannten Dauerasyls das dauernde Verbleiben in der Schweiz ermöglicht. Für alle andern aber wurde im gleichen Beschluss die Verpflichtung zur Weiterreise wiederum festgehalten.

Mit dem Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes vom 26. März 193l/ 8. Oktober 1948 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer am 21. März 1949 sind zwar die Vollmachtenbeschlüsse aufgehoben worden. Der Bundesrat hat den Grundsatz, dass die Schweiz für den Flüchtling nur Transitland sein könne, jedoch nicht ausdrücklich widerrufen, so dass in der fremdenpolizeilichen Praxis die Weiterreiseverpflichtung je nach der Lage des Einzelfalles bis heute vielfach aufrechterhalten wurde. Wohl haben die Bundesbehörden nach Kriegsende das Bestreben verfolgt, die 1933 aufgestellte Maxime, die Schweiz könne nur Durchgangsland sein, nicht einfach rücksichtslos durchzuführen. Nur lag die Möglichkeit, davon abzugehen, nicht einfach im Zuständigkeitsbereich des Bundes. Ohne Zustimmung und Mitwirkimg der Kantone ist die Lockerung undenkbar.

Eine solche scheint sich nun seit einiger Zeit durchzusetzen, indem einzelne Kantone, gefördert von den Bundesbehörden, vorangegangen sind.

Heute ist der Augenblick gekommen, wo ein weiterer Schritt möglich und wünschbar ist und die Flüchtlinge aus der Vorkriegs- und Kriegszeit, deren Verhalten korrekt war, von der Verpflichtung zur Weiterreise, unter Vorbehalt der
Prüfung des Einzelfalles und der Zustimmung der zuständigen kantonalen Behörden, entbunden werden sollten. Diese Lösung drängt sich aus den verschiedensten Gründon auf.

Einmal ist die Zahl der Flüchtlinge in der Schweiz t seit gsende stark zurückgegangen. Von den nahezu 300 000 Ausländern, die während des Krieges in der Schweiz Zuflucht gesucht haben (104 000 Militärinternierte inbegriffen), konnten die meisten an ihre Heimstätten zurückkehren oder fanden anderswo eine neue Heimat. Heute dürften sich in unserem Lande noch rund 11 000 Ausländer aufhalten, die schicksalsmässig zu den Flüchtlingen gezählt werden

714 müssen. Von diesen ist 1341 ausdrücklich das dauernde Verbleiben in unserem Lande in Form des Dauerasyls zugesichert worden. Weitere Dauerasylverfügungen (einige wenige Eekursfälle vorbehalten) sind nicht mehr möglich, da der Volhnachtenbeschluss, auf den sie sich stützten, aufgehoben worden und die durch das revidierte Bundesgesetz eingeräumte Nachfrist abgelaufen ist.

Einige tausend Flüchtlinge haben von den zuständigen Fremdenpolizeibehörden eine ordentliche Anwesenheitsbewilligung erhalten und sind vielfach auch zur definitiven Wohnsitznahme zugelassen worden. Eingeschlossen in diese 11 000 Flüchtlinge sind ferner die neuen Flüchtlinge, die wegen der politischen Entwicklungen nach dem Kriege in Osteuropa ihr Heimatland verlassen mussten.

Es bleiben vielleicht noch 4000-6000 Flüchtlinge aus der Kriegszeit, deren Aufenthalt nicht endgültig geregelt ist oder die immer noch unter der Verpflichtung stehen, unser Land wiederum zu verlassen, Frauen, Kinder, Schüler und Studenten, Kranke und andere für das Erwerbsleben nicht in Betracht kommende miteingeschlossen. Von diesen dürften höchstens 2000-3000 im Alter von 20-40 Jahren stehen und für einen Stellenantritt in Frage kommen.

Für die zurückgebliebenen Flüchtlinge werden die Möglichkeiten, in einem andern Land unterzukommen, immer geringer. Viele entsprechen nicht den Voraussetzungen, die von den zur Aufnahme von Flüchtlingen bereiten Ländern verlangt werden. Andere haben im Verlaufe der Jahre hier enge Bande geschaffen und sich in die schweizerischen Verhältnisse eingelebt, so dass sie sich nurmehr schwer zu einer Änderung entschliessen können. Manche haben Schweizerbürgerinnen geheiratet.

Die günstigen Arbeitsmöglichkeiten in den Jahren der Konjunktur nach Kriegsende ermöglichten sodann allen irgendwie qualifizierten Arbeitskräften, Arbeit zu finden. Die meisten Flüchtlinge arbeiten denn auch schon seit Jahren regelmässig. Die Frage stellt sieh nur, ob sie auch in Zukunft hier Brot und Verdienst finden werden. Gerade die Befürchtung, dass das einmal nicht mehr möglich sein könnte, hatte ja den Bundesrat zu bestimmen veranlasst, dass all die Tausende, die in unser Land strömten, nicht dauernd bei uns bleiben könnten. Und deshalb fällt es auch einzelnen Kantonen so schwer, den Flüchtlingen, denen sie sonst Sympathie entgegenbringen,
unbeschränkte oder langdauernde Arbeitsbewilligung zu erteilen.

Gewiss muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass Flüchtlinge, die von der Weiterreiseverpflichtung befreit worden sind, später einmal in ihrem Berufe keine passende Beschäftigung mehr finden oder dass sie einsehen, dass die Schweiz ihnen keine Aussicht auf eine befriedigende berufliche Entwicklung bieten kann. Dann werden die Einsichtigen unter ihnen ohne behördlichen Druck nach Möglichkeiten, im Ausland Verdienst zu finden, Ausschau halten und unser Land verlassen. Die Praxis, einen Teil der Flüchtlinge periodisch zur Weiterreise einzuladen, ja sie fremdenpolizeilich unter Druck zu setzen, hatte wohl zur Folge, dass viele von ihnen unser Land verlassen haben. Sie hatte aber andererseits vielfach die negative Wirkung, den Betroffenen in die berechtigte oder unberechtigte Abwehrstellung zu drängen, die es ihm manchmal

715

eher erschwert, seine Situation, namentlich seine Aussichten für die Zukunft in der Schweiz, ruhig und klar beurteilen zu können. So begegnen wir Hemmungen oder gar einem Widerstand des Flüchtlings, oft auch seiner schweizerischen Berater, gegen die Weiterwanderung, selbst unter für ihn günstigsten Bedingungen, so dass auch das Ergebnis der vielfach kurzbemessenen Fristansetzungen letztes Endes nicht den Erwartungen entspricht. Hingegen entstehen Spannungen und Unzuträglichkeiten, die in erheblichem Masse das Positive, das unser Land den Flüchtungen während und nach dem Kriege erweisen konnte, überschatten. Statt Anerkennung und Zufriedenheit bleiben Missmut und Verbitterung.

Vor allem aber dürfen wir nicht nur auf die Verhältnisse im Inland abstellen, sondern müssen auch den Blick über die Landesgrenzen hinaus richten.

Wenn wir das Flüchtlingselend in der weiten Welt betrachten und sehen, mit welchen Problemen unsere Nachbarländer zu kämpfen haben, erscheinen die möglichen Unzukömmlichkeiten und Schwierigkeiten, die mit der Befreiung von einigen tausend Flüchtlingen von der Weiterreisepflicht .entstehen können, in anderem Lichte. -- Die Gesamtzahl der Flüchtlinge in der ganzen Welt wird auf 60 Millionen geschätzt. In Europa allein sollen sich rund 15 Millionen aufhalten. Wohl hat die Internationale Flüchtlingsorganisation mit ihrem grossen Apparat und ihren bedeutenden Mitteln von den ihrer Betreuung Unterstellten über 820 000 neu angesiedelt und 70 000 heimgeschafft. Bis zum Abschluss ihrer Tätigkeit im Herbst 1951 wird sie voraussichtlich noch gegen 280 000 in Übersee neu ansiedeln können. Viele Tausende werden aber auf alle Fälle in ihrem gegenwärtigen Aufenthaltsland zurückbleiben müssen, weil die Wiedersesshaftmachung in Übersee nicht möglich scheint. Zu den von der IEO Betreuten kommen allein in Deutschland rund 11 Millionen deutschstämmige und deutsche Flüchtlinge, die, aus dem Osten kommend, nach Westdeutschland eingeströmt sind. Die Sorge für ihre Unterbringung, Unterstützung und Wiedereingliederung in die Volksgemeinschaft stellt die verantwortlichen Instanzen vor fast unlösbare Probleme. Dürfen wir angesichts dieses gewaltigen Flüchtlingselends Flüchtlinge, die seit Jahren in der Schweiz leben und sich korrekt verhalten haben, weiterhin, drängen, unser Land zu verlassen ? Die private
und staatliche Hilfe, die von der Schweiz aus für die Flüchtlinge im Ausland geleistet wird, würde viel von ihrem Sinn verlieren, wenn wir nicht auch im Inland für eine würdige Lösung des Flüchtlingsproblems aus der Kriegszeit sorgen würden.

Die Besprechungen mit den Eegierungspräsidenten und später den Justizund Polizeidirektoren sowie den Chefs der Fremdenpolizei der Kantone haben gezeigt, dass sich die kantonalen Behörden diesen Argumenten nicht verschliessen und im allgemeinen bereit sind, nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalles den Bestrebungen des Bundesrates Eechnung zu tragen.

Das Programm kann aber nur verwirklicht werden, wenn die Kantone keine wesentlichen finanziellen Lasten zu übernehmen haben. Darüber haben sie nie eine Unklarheit gelassen. Nur wenn Dritte oder der Bund mittellose

716 Flüchtlinge -weiterhin unterstützen oder für die allenfalls entstehenden Unterstützungslasten Garantie leisten, sind die Kantone bereit, mitzuwirken und die entsprechenden fremdenpolizeilichen Bewilligungen zu erteilen. Wohl hoffen wir, dass die kantonalen Behörden den mehrfach an sie gerichteten Appell, sich an der Unterstützung von Flüchtlingen nicht völlig zu desinteressieren, doch auch beachten werden. Auf absehbare Zeit hinaus kann aber wohl kaum damit gerechnet werden, dass sie sich bereit erklären, sich in erheblichem Masse dieser Aufgabe zu unterziehen. Das ist insofern einigermassen verständlich, als sich grössere Gruppen von Flüchtlingen nur in wenigen Kantonen aufhalten und es sich als praktisch unmöglich erwiesen hat, die diesen entstehenden Lasten gleichmässig auf alle Kantone zu verteilen.

Da Dritte, etwa die schweizerischen Flüchtlingshilfswerke, nicht in der Lage sind, allein für die Kosten aufzukommen, muss der Bund weiterhin und möglicherweise in verstärktem Masse Mittel zur Unterstützung der Flüchtlinge bereitstellen. Dazu fehlt aber die rechtliche Grundlage, wenn die Flüchtlinge von der Weiterreisepflicht befreit werden. Zur Verwirklichung des Postulates muss deshalb der Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1948 über Beiträge des Bundes an private Flüchtlingshilfsorganisationen entsprechend geändert werden.

Geltende Regelung für die Unterstützung der Flüchtlinge Bis vor einigen Jahren konnte -- abgesehen von einer Ausnahme, die später noch zu besprechen sein wird -- der Bund Ausländer nur unterstützen, für die gemäss Artikel 14, Absatz 2, des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer eine Internierungsverfügung erlassen worden war.

Dabei verstand man unter Internierung im allgemeinen Unterbringung in einem Heim odei einer Anstalt. Während des Krieges hat die Internierung jedoch eine mehr formelle Bedeutung bekommen, indem sie bloss noch die formell-rechtliche Grundlage für die Eegelung des Anwesenheitsverhältnisses der Flüchtlinge war. Für alle ohne Visum eingereisten Ausländer wurde eine fremdenpolizeiliche Internierungsverfügung erlassen. Immer mehr wurden aber fremdenpolizeilich internierte Ausländer privat untergebracht unter annähernd gleichen Bedingungen wie Ausländer mit Toleranz- oder Aufenthaltsbewilligung.

Die Internierung wurde damit zu einem
Ersatz einer solchen Bewilligung, wobei die Verantwortung für die «Internierten» beim Bund blieb. Dieser Entwicklung trägt der anlässlich der Eevision des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer neu beigefügte Artikel 27 Eechnung, wonach die Internierung, die an sich nicht länger als zwei Jahre dauern sollte, diese Frist übersteigen darf, wenn die Internierungsverfügung nur den Sinn und Zweck hat, das Anwesenheitsverhältnis eines Ausländers, der keine ordentliche kantonale Bewilligung erhalten, aber auch nicht ausgeschafft werden kann, gesetzesgemäss zu regeln. Dadurch aber, dass durch die Internierungsverfügung der, Bund für die betroffenen Ausländer verantwortlich wird, hat er alle allenfalls entstehenden Unterstützungskosten zu tragen. Das stand ausdrücklich

717

im frühem Artikel 14, Absatz 2; im revidierten Bundesgesetz ist es, weil selbstverständlich, nicht mehr erwähnt. In einem neuen Absatz wurde dagegen beigefügt, dass bemittelten Internierten die Kosten der Internierung überbunden werden können und dafür Sicherheit verlangt werden kann.

In der Praxis unterstützt die Polizeiabteilung allerdings nicht alle bedürftigen internierten Flüchtlinge ausschliesslich. Es bestehen im Gegenteil verschiedene Abmachungen mit privaten Hilfswerken, wonach diese in einzelnen Fällen ebenfalls einen gewissen Beitrag an die Unterstützung leisten. -- Die Zahl der internierten Flüchtlinge, die unterstützt werden, geht ständig zurück.

Waren es zu Beginn dieses Jahres noch 512 Flüchtlinge, sank die Zahl bis zum 30. September 1950 auf 310. -- Insgesamt sind aber während der ersten neun Monate dieses Jahres 537 internierte Flüchtlinge für kürzere oder längere Zeit unterstützt worden. Die Totalausgaben beliefen sich auf 487 000 Franken, was durchschnittlich pro Flüchtling, auf ein Jahr berechnet, 1200 Franken oder pro Monat 100 Franken ausmacht.

Erst der Bundesbeschluss vom 16. Dezember 1947 über Beiträge des Bundes an die Unterstützung bedürftiger Emigranten und Flüchtlinge in der Schweiz schuf eine Grundlage zur Unterstützung von Flüchtlingen, die nicht interniert sind, sondern eine ordentliche Anwesenheitsbewilligung besitzen.

Der Beschluss bezieht sich aber ausschliesslich auf Flüchtlinge, denen das dauernde Verbleiben («Dauerasyl») im Sinne des bereits zitierten Vollmachtenbeschlusses vom 7. März 1947 zugesichert worden ist. Nur wer eine solche ausdrückliche Verfügung erhalten hat, kann nach diesem Bundesbeschluss unterstützt werden. Von den 1341 Flüchtlingen, denen das dauernde Verbleiben zugesichert worden ist, sind zur Zeit 617 unterstützungsbedürftig. Diese Zahl dürfte sich in der nächsten Zeit kaum wesentlich erhöhen; wenn auch einzelne der heute nicht unterstützten Flüchtlinge mit Dauerasyl früher oder später nicht mehr in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, fällt andererseits eine Eeihe von Unterstützungsfällen weg, sei es wegen Todesfalls oder Ausreise. Von den 617 Unterstützungsbedürftigen werden 291 als sogenannte alte Fälle zur Hauptsache von der Polizeiabteilung unterstützt (Art. 3 des Beschlusses 1947), während für 826 Fälle die
Unterstützungslasten je zu einem Drittel von Bund, Kanton und dem zuständigen Hilfswerk getragen werden. Für jene muss der Bund für jeden Unterstützten durchschnittlich 148 Franken pro Monat oder 1776 Franken pro Jahr auslegen, für diese 63 Franken bzw. 754 Franken. Auf ein Jahr berechnet, belaufen sich die Lasten des Bundes auf rund 762 000 Franken. Nachdem seinerzeit in der Botschaft zum Bundesbeschluss mit einer möglichen jährlichen Maximalbelastung von 3,2 Millionen gerechnet wurde, ergibt sich nun eine wesentliche Entlastung.

Der Grund liegt vor allem darin, dass weit weniger Flüchtlingen und Emigranten das Dauerasyl zugesichert worden ist, als ursprünglich angenommen wurde, was zu einem guten Teil auf die Zurückhaltung der Kantone, die eine zu starke finanzielle Belastung befürchteten, zurückzuführen ist. Dank der günstigen Wirtschaftslage gelang es auch noch manchem altern und behinderten Flucht-

718 ling, sich einen Erwerb zu verschaffen, mit dem er anfänglich kaum rechnen konnte. Der an sich erfreulichen Minderbelastung aus dem Bundesbeschluss vom 17. Dezember 1947 stehen allerdings grössere Auslagen unter anderem Titel gegenüber. Für Flüchtlinge, denen nicht das Dauerasyl ausdrücklich zugesichert worden ist, die aber aus Alters- oder Gesundheitsgründen ebenfalls keine Möglichkeit mehr zur Weiterwanderung haben und die nicht oder nur beschränkt arbeitsfähig sind, wird die Hilfe so oder so gesichert werden müssen.

Als sich namentlich zu Beginn des Jahres 1948 neue Flüchtlinge an der Grenze meldeten und die Hilfswerke sich ausserstande erklärten, sie allein zu unterstützen, andererseits aber vom Brlass von Internierungsverfügungen abgesehen werden sollte, musste nach einer neuen rechtlichen Grundlage für die Unterstützung dieser Flüchtlinge gesucht werden. Ebenso erwies es sich als notwendig, Flüchtlingen, die bisher interniert gewesen waren und die eine ordentliche Anwesenheitsbewilligung erhalten sollten, nötigenfalls die Bundeshilfe weiterhin zuteil werden zu lassen. Dem trug der Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1948 über Beiträge des Bundes an die Flüchtlingshilfsorganisationen Eechnung. Er ermöglichte die Bundeshilfe auch, ohne dass der Flüchtling hätte interniert bleiben müssen oder dass vorerst der Erlass einer solchen Verfügung nötig gewesen wäre.

In den ersten drei Quartalen dieses Jahres wurden für 611 Flüchtlinge im Sinne dieses Bundesbeschlusses Beiträge an die Hilfswerke ausbezahlt. Am 30. September 1950 wurden noch 389 solche Flüchtlinge unterstützt. Der Bund leistete dem Hilfswerk anfänglich 50, seit I.April 1950 60% der mit seiner Zustimmung ausgerichteten Unterstützung. Das machte durchschnittlich pro Monat für jeden Flüchtling 60 Franken aus, was einem Jahrestotal von 720 Franken entspricht. Voraussetzung für die Bundeshilfe ist in jedem Falle; dass sich ein Hilfswerk bereit erklärt, sich eines Flüchtlings anzunehmen und einen Teil der nötigen Unterstützung zu tragen. Bundesbeiträge können nach Artikel l, Absatz 2, sodann nur soweit und so lange ausgerichtet werden, als dem Flüchtling weder die Kückkehr in den Heimat- oder Herkunftsstaat noch die Weiterreise anderswohin möglich oder zumutbar ist. Das heisst mit andern Worten, dass Bundesleistungen nur möglich sind,
solange der Flüchtling zur Weiterreise verpflichtet bleibt. Sobald ein Flüchtling zur Wohnsitznahme zugelassen und ihm etwa Niederlassungsbewilligung erteilt wird, sind Bundesleistungen im Sinne des Bundesbeschlusses vom 21. Dezember 1948 nicht mehr möglich. Auch aus der Beschränkung der Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses auf fünf Jahre, von denen zwei bald abgelaufen sind, geht hervor, dass Flüchtlinge, die zu einem länger dauernden Aufenthalt zugelassen werden, nicht im Sinne dieses Beschlusses unterstützt werden können. Der Bundesbeschluss kann somit der veränderten Sachlage, wonach nun die Mehrzahl der Flüchtlinge aus der Kriegszeit von der Weiterreisepflicht befreit werden soll, nicht Eechnung tragen, weshalb sich die Änderung des Beschlusses aufdrängt.

719 Zu erwähnen ist schliesälich eine letzte Kategorie von Ausländern, die der Bund seit vielön Jahren unterstützt. Nach dem Bundesratsbeschluss vom 28. März 1926 über den Abbau 1 der Beitragsleistung an den Unterhalt bedürftiger kranker Bussen leistet die Polizeiabteilung 4 Pranken pro Tag und Unterstützungsbedürftigen. Sofern besondere Umstände es rechtfertigen, kann der tägliche Beitrag auf 5 Franken festgesetzt werden. Die Beiträge werden durch das Schweizerische Bote Kreuz vermittelt, das sich der Betreuung dieser Ausländer annimmt Zur Zeit erhalten noch rund 90 Personen solche Beiträge, was den Bund jährlich rund 100 000 Pranken kostet. Die Zahl der Unterstützungsempfänger und das Total der Unterstützungssumme gehen Jahr für Jahr langsam zurück. Es dürfte angezeigt sein, bei einer Neuregelung des Unterstützungswesens für Flüchtlinge diesen Bundesratsbeschluss, der sich auf "Vollmachten aus dem ersten Weltkrieg stützt, aufzuheben und auch diese Unterstützungen durch das ordentliche Recht zu ordnen.

Die Grundzüge des Entwurfes für eine Änderung des Bundesbeschlusses Die Notwendigkeit zu einer Änderung des Bundesbeschlusses vom 21. Dezember 1948 ergab sich vor allem daraus, dass insbesondere auch Flüchtlinge sollen unterstützt werden können, die von der Weiterreise befreit worden sind. Das kann nicht einfach dadurch erreicht werden, dass Absatz 2 von Artikel l des geltenden Beschlusses gestrichen wird, wonach Bundesleistungen nur möglich sind, soweit und solange für den Flüchtling weder die Bückkehr in den Heimat- oder Herkunftsstaat noch die Weiterwanderung anderswohin möglich oder zumutbar ist, und er also zur Weiterreise verpflichtet bleibt. Die Notwendigkeit, sowohl Flüchtlinge zu unterstützen, die zur Weiterreise verpflichtet bleiben, seien es die neuen im allgemeinen oder frühere aus der Kriegszeit im Einzelfall, als auch andere, die nun dableiben können, bedingt weitere Umstellungen und Zusätze im Text des Beschlusses.

Im Entwurf zum neuen Bundesbeschluss müssen deutlicher als bisher die verschiedenen Möglichkeiten zur Hilfe an die Flüchtlinge auseinandergehalten werden. Es müssen die Beiträge an die Ausbildungs- oder Weiterreisekosten umfassender als bisher geregelt werden. Es muss sodann auch die Möglichkeit für Bundesbeiträge offen sein, wenn sich kern Hilfswerk eines Flüchtlings
annimmt, was ausnahmsweise einmal vorkommen kann. Andernfalls konnte der Bund nur helfen, wenn der Flüchtling interniert würde, was aber vielfach nicht zweckmässig ist und zur Folge hätte, dass der Bund dann allein die Kosten zu tragen hätte.

Die schweizerischen Flüchtlingshilfsorganisationen, die in der Zentralstelle für Flüchtlingshilfe mit Sitz in Zürich zusammengeschlossen sind, haben sich grundsätzlich bereit erklärt, nach besten Kräften und irn Bahmen ihrer Möglichkeiten Aveiterhin mitzuwirken. Sie mussten sich dabei begreiflicherweise vorbehalten, bei einer Änderung ihrer Lage und einer heute nicht vorauszusehenden allfälligen ausserordentlichen Belastung durch die Auswirkungen

720

des neuen Bundesbeschlusses mit neuen Vorschlägen über die Lastenverteilung an die Behörden zu gelangen. Das bedeutet also, dass die Hilfswerke sich weiterhin der Flüchtlinge annehmen, sie betreuen und unterstützen werden, wodurch die staatliche Fürsorge nicht unwesentlich entlastet wird. Ohne ausserordentliche Entwicklungen kann damit gerechnet werden, dass die Bundeshilfe im bisherigen Eahmen den Hilfswerken die Fortsetzung ihrer humanitären Tätigkeit ermöglichen wird. Sollten die Hilfswerke im allgemeinen oder auch nur einzelne später dazu nicht mehr in der Lage sein, hätte der Bundesrat die Möglichkeit, im Eahmen des Bundesbeschlusses, selbstverständlich nach sorgfältiger Prüfung eines allfälligen Gesuches, Erhöhung des Bundesanteils zu gewähren. Es muss bei dieser Gelegenheit hervorgehoben werden, dass die Hilfswerke in verdankenswerter Weise durchaus freiwillig die schweren Unterstützungslasten übernommen haben, wobei allerdings -- mit Ausnahme der kleineren neutralen Hilfswerke -- konfessionelle oder ideologische Beziehungen zu den Flüchtlingen sie zu ihrer Hilfstätigkeit geführt haben.

Von besonderer Bedeutung ist sodann der im Beschluss verankerte Grundsatz, dass der Bund nur helfen soll, wenn der Kanton anderseits Flüchtlingen, die von der Weiterreisepüicht befreit sind, Gelegenheit gibt, sich ihren Unterhalt selbst zu verdienen. In Artikel 8 des neuen Beschlusses wird deshalb ausdrücklich festgehalten, dass Bundesbeiträge nur geleistet werden, wenn der Kanton solchen Flüchtlingen Niederlassungs- oder dann zum mindesten Aufenthaltsbewilligung mit Ermächtigung zu unselbständiger Erwerbstätigkeit erteilt. Die Kantone können nicht einerseits vom Bund die Unterstützung bedürftiger Flüchtlinge verlangen und andererseits den Flüchtlingen dann jede Möglichkeit nehmen, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Wenn sich ein Kanton nicht zu diesem Schritt entschliessen könnte, müsste er die allenfalls notwendige Unterstützung selbst tragen.

Voraussetzung für die Bundeshilfe ist ferner auch, dass der Flüchtling von den kantonalen Behörden angehalten worden ist, eine angemessene Kaution zu äufnen, zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Fall der Bedürftigkeit (Art. 9). Dabei soll allerdings auf die Verhältnisse des Flüchtlings gebührend Eücksicht genommen und er nur zur Äufnung eines Sparkontos
verhalten werden, wenn ihm das sein Arbeitsverdienst, gemessen an den Unterhaltspflichten, erlaubt. Ausländer, die sich gegenüber den Fremdenpolizeibehörden darauf berufen, 'dass sie wiederum im Besitze von heimatlichen Ausweispapieren und deshalb nicht zu Sicherheitsleistungen verpflichtet seien, sind nicht mehr Flüchtlinge und können später nicht auf Hilfe nach diesem Bundesbeschluss rechnen. Eine Eeihe von zumeist jüngeren Flüchtlingen wird sich unter diesen Umständen wohl für die Annahme eines Heimatpapieres entschliessen, weil ihnen die mit der Möglichkeit der Berufung auf den zwischen der Schweiz und ihrem Heimatstaat abgeschlossenen Nioderlassungsvertrag verbundenen Vorteile wertvoller sind als die im Bundesbeschluss enthaltenen Garantien. Jeder Flüchtling muss über diese Frage bei der Eegelung seines Anwesenheitsverhältnisses umfassend orientiert werden, damit er sich über alle Konsequenzen klar wird.

721 Der Bundesbeschluss wird auf längere Zeit hinaus Grundlage der Unterstützung von Flüchtlingen sein. Die Geltungsdauer kann deshalb nicht mehr in der gleichen Weise wie im geltenden Beschluss beschränkt werden. Die Hilfswerke und die Kantone müssen mit der Garantie des Bundes auf weite Sicht rechnen können. Andernfalls werden die Hilfswerke ebenfalls keine weiterreichenden Zusicherungen geben können und damit die Kantone sich auch nicht bereit erklären, das Anwesenheitsverhältnis der Flüchtlinge entsprechend den neuen Eichtlinien der Bundesbehörden zu regeln.

Der geltende Beschluss ist seinerzeit deshalb kurz befristet worden, weil man hoffte, die Zureise neuer Flüchtlinge habe nur vorübergehenden Charakter, und für die frühern Flüchtlinge würden die Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom Dezember 1947 genügen. Die Zureise neuer Flüchtlinge hält aber an, und es ist nicht abzusehen, wann mit einer Änderung gerechnet werden könnte.

Zudem erweist es sich als unmöglich, allen Flüchtlingen aus der Kriegszeit die Möglichkeit zu geben, sich anderswo wiederum anzusiedeln. Der geltende Bundesbeschluss hätte deshalb in drei Jahren doch verlängert werden müssen, auch ohne Änderung der Praxis.

Anderseits werden die Wirkungen dieses Beschlusses doch zeitlich irgendwie abgegrenzt werden müssen. Die Bundeshilfe rnuss einmal ein Ende nehmen und kann sich nicht auf viele Generationen fortsetzen. Wir schlagen deshalb in Artikel 10 vor, dass Flüchtlinge, die am 1. Januar 1970 noch minderjährig sind, noch längstens bis zum 20. Altersjahr Bundesbeiträge erhalten und dass überhaupt nur Flüchtlinge, die vorn Inkrafttreten dieses Beschlusses bis zu diesem Datum irgendeinmal öffentliche Hilfe haben in Anspruch nehmen müssen, weiterhin für Bundesleistungen in Frage kommen sollen. Bei Flüchtlingen, die während Jahren für ihren Unterhalt selbst aufkommen und nach dem 1. Januar 1970, also nach Ablauf von 19 Jahren, noch nicht unterstützungsbedürftig sind, darf angenommen werden, dass sie sich auch in Zukunft selbst durchschlagen werden. Das Risiko für die Kantone, in solchen Fällen einmal Unterstützungen bezahlen zu müssen, ist gering. Zudem werden diese Flüchtlinge während Jahren ihre Steuern zur Hauptsache dem Wohnortkanton geleistet haben, so dass es unbillig wäre, im Bedürftigkeitsfalle nach so langer Zeit vom Bund
Beiträge zu verlangen. -- Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass durch diese Einschränkung die Verwirklichung unserer Absicht da oder dort auf Schwierigkeiten stossen könnte. Wir hoffen jedoch auf das Verständnis der Kantone, dass sie nicht wegen dieser möglichen, aber mehr theoretischen Belastung in 20 oder mehr Jahren in der Erteilung der fremdenpolizeilichen Bewilligung sich Zurückhaltung auferlegen werden. Die vorgeschlagene Lösung scheint uns angemessen und den Verhältnissen angepasst.

Sehliesslich soll der neue Beschluss eine gewisse Vereinfachung und eine bessere Übersicht über die Unterstützungsleistungen des Bundes zugunsten von Flüchtlingen bringen. Dadurch, dass der Bund auf Grund von zwei kurz nacheinander erlassenen Beschlüssen Beiträge an die Unterstützung von Flüchtlingen ausrichtet, kommen oft Verwechslungen vor, die durch eine Zusammen-

722 fassung der Vorschriften vermieden werden können. Wir schlagen deshalb vor, neben dem Bundesratsbeschluss vom 23. März 1926 über den Abbau der Beitragsleistung an den Unterhalt bedürftiger kranker Bussen auch den Bundesbeschluss vom 16. Dezember 1947 über Beiträge des Bundes an die Unterstützung bedürftiger Emigranten und Flüchtlinge in der Schweiz aufzuheben und die heute noch wesentlichen Vorschriften dieser Beschlüsse in den neu zu fassenden Bundesbeschluss aufzunehmen. Materiell wird dadurch nichts geändert.

Die finanzielle Belastung des Bundes nach dem Entwurf Wir haben abzuklären versucht, was für finanzielle Auswirkungen der neue Bundesbeschluss allenfalls haben könnte. Leider ist es ausserordentlich schwierig, Prognosen aufzustellen. Nach dem Stand vom 30. September 1950 beliefen sich die Beiträge des Bundes nach dem Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1948 auf durchschnittlich 36 300 Franken pro Monat. Das ergibt eine jährliche Belastung des Bundes von rund 436 000 Franken. Wenn am 80. September an Stelle des alten der neue Bundesbeschluss massgebend gewesen wäre, hätten im Maximum 50 bis 100 Fälle mehr unterstützt werden müssen. In ungefähr so vielen Fällen hat die Polizeiabteilung bisher Beiträge an die Unterstützung von Flüchtlingen ablehnen müssen, weil diese ausdrücklich von der Weiterreisepflicht befreit worden waren. Unter der Annahme, dass diese Flüchtlinge voll unterstützt werden müssen und dass auch keine andern Gründe zur Ablehnung der Bundesbeiträge bestehen, ergäbe sich eine Mehrbelastung von monatlich rund 3000 bis 6000 oder jährlich 36 000 bis 72 000 Franken.

Dieser Mehrbetrag wird zur Zeit von den schweizerischen Flüchtlingshilfswerken getragen. Wenn sie hier nicht in absehbarer Zeit entlastet werden, muss damit gerechnet werden, dass sie vom Bundesrat höhere Zuschüsse für die Unterstützung der Flüchtlinge, die nicht von der Weiterreise entbunden sind, verlangen werden. Dieser Weg steht nach Artikel 2 des geltenden Bundesbeschlusses offen. Die Flüchtlingshilfsorganisationen verfügen zumeist nur über die Mittel, die ihnen aus den jährlichen Sammlungen zufliessen. Was sie für die Unterstützung der einen Flüchtlinge ausgeben müssen, fehlt für die Fürsorge der andern. Ob der Bundesbeschluss geändert und die nichtweiterreisepflichtigen Flüchtlinge in die Unterstützung einbezogen
werden oder nicht -- der Bund wird schliesslich doch die Hilfswerke nicht im Stich lassen und ihnen den Betrag zukommen lassen müssen, den sie nicht aus eigenen Kräften für die Unterstützung der Flüchtlinge aufbringen können.

Es darf sodann nicht ausser acht gelassen werden, dass die Kantone die Flüchtlinge, die nach den geltenden Bestimmungen nicht unterstützt werden können, vielfach nur im Vertrauen auf die neue Eegelung, die mit dem neuen Bundesbeschluss angestrebt wird, von der Weiterreisepflicht entbunden und ihnen die Niederlassungsbewilligung erteilt haben. Es wäre unbillig, gerade die Kantone, die den Bestrebungen der Bundesbehörden zur Lösung des Flüchtlingsproblems aus der Kriegszeit am meisten entgegenkommen, die Kosten

723 tragen zu lassen, wenn die Hilfswerke dazu nicht mehr in der Lage sind. Gerade in diesen Fällen darf der Bund seine Hilfe nicht versagen.

Für die Zukunft hängt der Kreditbedarf gleich wie itir den geltenden Bundesbeschluss von der weitern Entwicklung ab, die nicht mit Bestimmtheit vorausgesehen werden kann. Sollte die Zureise von neuen Flüchtlingen in der nächsten Zeit zunehmen, würde auch die Belastung des Bundes entsprechend grösser. Gleich ist es im Fall, dass bei ungünstiger Entwicklung der Wirtschaftslage mehr Flüchtlinge verdienstlos würden. Gerade aber Flüchtlinge, die nicht mehr zur Weiterreise verpflichtet sind, werden sich weitgehend gegen solche Eisiken versichern können. Wenn sie nicht durch fremdenpolizeiliche Einschränkungen in ihrer Arbeitsvermittlungsfähigkeit gehemmt sind, können sie auch in die Arbeitslosenversicherung aufgenommen werden.

Ergänzende Bemerkungen zu einzelnen Artikeln des Entwurfes In Artikel 2 ist der Anteil des Bundes, der nach dem Wortlaut des geltenden Bundesbeschlusses 50 % betrug, auf 60 erhöht worden. Der Bundesrat hat von der ihm auf Grund von Artikel 2 des alten Bundesbeschlusses zustehenden Kompetenz Gebrauch gemacht und den Anteil des Bundes vom i. April 1950 an auf 60 % festgesetzt. Der neue Bundesbeschluss geht von diesem Ansatz aus, wobei allerdings bereits heute darauf hinzuweisen ist, dass möglicherweise das eine oder andere Hilfswerk Mühe hat, die 40 % aufzubringen.

Deshalb wird dem Bundesrat nach wie vor die Kompetenz eingeräumt werden müssen, die Leistungen zu erhöhen, wenn es einem Hilfswerk trotz aller Bemühungen nicht mehr möglich ist, seinen Anteil aufzubringen.

Für die Finanzierung der Ausreisekosten ist es da oder dort notwendig, Sonderregelungen zu treffen. Es kommt vor, dass Flüchtlinge, die bisher für ihren Unterhalt aus eigenen Kräften haben aufkommen können, nach Übersee ausreisen, wofür erhebliche Mittel notwendig sind. Wenn sie mit keinem für sie zuständigen Hilfswerk bisher in Verbindung standen, ist es unter Umständen unbillig, von diesen einen hohen Betrag an die Ausreisekosten zu verlangen. Die Polizeiabteilung sollte hier die Möglichkeit haben, je nach der Lage des Einzelfalles höhere Beiträge als 60 % zu bezahlen.

A r t i k e l 3 ist neu und soll, wie bereits erwähnt worden ist, dem Bund ermöglichen, in Ausnahmefällen
auch den Kantonen oder Gemeinden einen Beitrag an die Unterstützung eines Flüchtlings auszurichten. Dabei dürfen diese Beiträge jene an die Hilfswerke nicht übersteigen. Die allfällige Erhöhung der Ansätze zugunsten eines Hilfswerks wird nicht notwendigerweise auch Erhöhung der Beiträge an die Kantone zur Folge haben.

Mit Artikel 4 wird die bisher durch den bereits zitierten Bundesratsbeschluss geleistete Hilfe an ehemalige russische Flüchtlinge in den Entwurf eingebaut. Diese Bestimmung ist notwendig, weil die bisherige Fürsorge, die sich als zweckmässig erwiesen hat, nicht mit dem System von Artikel 2 oder 3 übereinstimmt. Die 4 oder 5 Franken Unterstützung, die der Bund bezahlt.

724 sind je nach der Lage des Falles meist mehr, da oder dort vielleicht aber auch ·weniger als 60 % der Unterstützung. Das Schweizerische Eote Kreuz selbst leistet keine Beiträge, sondern besorgt nur die soziale Betreuung der Schützlinge.

A r t i k e l 5 übernimmt den wesentlichen Inhalt des Bundesbeschlusses vom 16. Dezember 1947 über die Beiträge des Bundes an die Unterstützung bedürftiger Emigranten und Flüchtlinge in der Schweiz. Materiell wird an der geltenden Eegelung, die sich ausschliesslich auf Flüchtlinge bezieht, denen seinerzeit auf Grund von Artikel l des inzwischen aufgehobenen Vollmachtenbeschlusses vom 7. März 1947 über Änderung der fremdenpolizeilichen Eegelung das dauernde Verbleiben in der Schweiz (Dauerasyl) zugesichert worden ist, nichts geändert. Das wäre auch nicht angängig, weil sich die Kantone und Hilfswerke auf die ihnen beim Erlass des Bundesbescblusses gegebenen Zusicherungen müssen verlassen können.

Artikel 6 entspricht dem bisherigen Absatz 2 des Artikels 8. Flüchtlinge, die nachgewiesenermassen arbeitsscheu sind und sich auf öffentliche oder private Hilfe verlassen, werden entweder energisch zur Ausreise verhalten oder, wenn diese nicht möglich ist, in einer entsprechenden Anstalt interniert werden müssen.

Artikel 7 ist neu. Nachdem zwischen Flüchtlingen, die nicht mehr zur Weiterreise verpflichtet sind, und solchen, die es weiterhin bleiben sollen, unterschieden wird, müssen für diese gewisse Sanktionen vorgesehen werden, wenn sie trotz zumutbarer Ausreisegelegenheit nicht ausreisen. Auch in diesen Fällen wird wohl Internierung verfügt werden müssen, wenn die Ausreise nicht erzwungen werden kann.

Auf Sinn und Bedeutung des Artikels 8 wurde bereits hingewiesen.

Wenn nicht durchwegs die Erteilung der Niederlassungsbewilligung verlangt wurde, lag der Grund darin, dass für einzelne Flüchtlinge vorläufig noch eine gewisse Kontrolle angezeigt erscheint, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie ^sich mit an sich unerwünschten Import-, Export- oder Transitgeschäften befassen. Der Zweck wird erreicht, wenn die Kantone ihnen die Möglichkeit geben, anderswie ihr Leben zu verdienen. Artikel 8 ist auch nicht so zu verstehen, dass die unselbständige Erwerbstätigkeit schlechthin, d. h. in allen Berufen und Stellungen, gestattet werden muss. Die Einschränkungen müssen aber
jedenfalls den Verhältnissen des Flüchtlings angepasst sein und dürfen ihm nicht die Möglichkeit nehmen, einen seiner Veranlagung und seinen Fähigkeiten angemessenen Posten zu bekleiden. Die Bewilligung zur Erwerbstätigkeit dürfte sich also z. B. für einen kaufmännisch gebildeten Flüchtling nicht etwa nur auf die Annahme von Stellen in der Landwirtschaft, im Bau- oder Gastwirtschaftsgewerbe usw. beschränken, könnte aber z. B. dahin lauten, dass für die Übernahme der Direktion eines Unternehmens eine besondere Bewilligung notwendig sei, während die Annahme von Stellen als kaufmännischer Angestellter, Prokurist usw. offenstehe.

Artikel 9 macht die Ausrichtung von Bundesbeiträgen davon abhängig, dass der Flüchtling zu einer angemessenen Kaution angehalten worden ist,

725 soweit er dazu in der Lage war. Auf die Motive, die zur Aufnahme dieser Bestimmung geführt haben, ist bereits hingewiesen worden. Er schreibt aber noch weiter vor, dass solche oder andere Sicherheitsleistungen dann auch vorerst aufgebraucht und allfällige Zahlungsversprechen Dritter eingelöst werden, bevor Bundeshilfe in Anspruch genommen werden kann. Das entspricht einer Bestimmung in den Ausfiihrungsvorschriften zum Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1948. Wie die Erfahrung zeigt, können jedoch nicht in jedem Fall und vollumfänglich Kautionen oder Garanten in Anspruch genommen werden. Eine gewisse Eücksichtnahme auf die Umstände, unter denen das Zahlungsversprechen geleistet "worden ist. drängt sich auf. In jedem einzelnen Fall klärt deshalb, der bisherigen Praxis entsprechend, die Polizeiabteilung, zusammen mit der kantonalen Behörde und dem Hilfswerk, sorgfältig ab, ob genügende Gründe vorliegen, einen Garanten von den eingegangenen Verpflichtungen ganz oder teilweise zu befreien.

Artikel 11 entspricht dem frühern Artikel 5 und ist nur redaktionell geändert worden. Notwendig war der Hinweis auf Artikel 3, der gegenüber dem frühern Bundesbeschluss eine Neuerung bedeutet.

Artikel 13 ermächtigt wie früher Artikel 6 den Bundesrat, der Schweizerischen Zentralstelle für Müchtlingshilfe einen angemessenen jahrlichen Beitrag an die Verwaltungskosten auszurichten. Da das Schweizerische Bote Kreuz nach dem bisherigen Bundesratsbeschluss über die Unterstützung der russischen Flüchtlinge einen Beitrag an die Verwaltungsspesen, die die Betreuung und Unterstützung dieser Flüchtlinge verursacht, erhalten hat und kein Grund besteht, die Beitragsleistung inskünftig einzustellen, ist in Artikel 11 die Möglichkeit vorgesehen, den Beitrag weiterhin auszurichten. Für den Fall, das& die eine oder andere Aufgabe später von einer andern Stelle als der Zentralstelle für Flüchtlingshilfe oder dem Schweizerischen Eoten Kreuz übernommen werden sollte, wird der Bundesrat ermächtigt, an deren Stelle einer andern zentralen Organisation einen solchen Beitrag auszurichten.

Wir haben die Ehre, Ihnen aus den dargelegten Erwägungen den Beschlussesentwurf über Änderungen des Bundesbeschlusses über Beiträge des Bundes an die Unterstützung ausländischer Flüchtlinge zur Annahme zu empfehlen.

Wir benützen den Anlass, Sie, Herr
Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 15. Dezember 1950.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. III.

51

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Beschlussesentwurf über Beiträge des Bundes an die Unterstützung von Flüchtlingen (Vom 15. Dezember 1950)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1950

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

51

Cahier Numero Geschäftsnummer

5961

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.12.1950

Date Data Seite

712-725

Page Pagina Ref. No

10 037 275

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.