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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren vom 1. Juli 1943 zum Schutze des Bodens und der Arbeit durch Verhinderung der Spekulation (Vom 3. Februar 1950)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wie wir Ihnen am 19. Juli 1943 mitteilten (BEI 1943, 576), wurde am 1. Juli 1943 von der schweizerischen Bauernheimatbewegung bei der Bundeskanzlei ein «Volksbegehren zum Schutze des Bodens und der Arbeit durch Verhinderung der Spekulation» eingereicht. Die Prüfung ergab, dass das Begehren von 54 698 gültigen Unterschriften unterstützt wurde und somit zustande gekommen ist. Mit Beschluss vom 23. September 1943 haben Sie uns eingeladen, Ihnen zu diesem Begehren Bericht und Antrag einzureichen. Wir beehren uns, diesem Auftrag nachzukommen.

A. Wortlaut und Bedeutung des Volksbegehrens I. Was den Wortlaut betrifft, wurde das Begehren nur in deutscher und französischer Sprache formuliert; ein italienischer Text fehlt. Deutsch lautet es wie folgt: «Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger stellen gemäss Art. 121 der Bundesverfassung und gemäss dem Bundesgesetz vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Eevision der Bundesverfassung folgendes Begehren.

Der Bundesverfassung wird nachstehender Artikel beigefügt: , Der Bund trifft in Verbindung mit den Kantonen die erforderlichen Massnahmen, um das nutzbare Grundeigentum der Spekulation zu entziehen.

332 Diese Massnahrnen bezwecken insbesondere: Landwirtschaftlich nutzbaren Boden soll nur erwerben können, wer ihn als Grundlage seiner Existenz selbst bebaut. Ausnahmen regelt die Gesetzgebung.

Landwirtschaftlich nutzbarer Boden ist vor Überschuldung zu schützen.

Die Spekulation mit Grundeigentum, das Geschäfts- und Wohnzwecken dient, soll verhindert werden.'» Der französische Text lautet: «Conformément à l'article 121 de la Constitution fédérale et à la loi du 27 janvier 1892 concernant le mode de procéder pour les demandes d'initiative populaire et les votations relatives à la revision de la Constitution fédérale, les citoyens soussignés présentent la demande d'initiative suivante: La Constitution fédérale sera complétée par un article ainsi rédigé: ,La Confédération prend, avec le concours des cantons, les mesures nécessaires pour soustraire à la spéculation le sol utilisable.

Ces mesures tendront en particulier aux buts suivants: Le sol cultivable ne doit pouvoir être acquis que par celui qui le cultivera lui-même pour assurer son existence. Les dérogations seront réglées par la législation.

Le sol cultivable sera protégé contre le surendettement.

La spéculation immobilière pratiquée à des fins commerciales ou en vue de la construction sera empêchée.'» Auffallenderweise ist die deutsche Fassung in vier, die französische dagegen in fünf Absätze unterteilt. Das rührt davon her, dass die Worte «diese Massnahmen bezwecken insbesondere», die im deutschen Text den Eingang des zweiten Absatzes bilden, im französischen als selbständiger zweiter Absatz losgelöst sind. Inhaltlich gehören sie im Grunde zum ersten Absatz. Materiell hat die Differenz keine Bedeutung. Um keine Verwirrung aufkommen zu lassen, halten wir uns in diesem Bericht an den deutschen Text. Demgemäss sind im französischen Text der zweite und der dritte Absatz vereinigt als Absatz 2 zu denken, und die nachfolgenden bilden die Absätze 3 und 4.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Unterzeichner des Volksbegehrens einem aus allen an der Unterschriftensammlung beteiligten Organisationen zu bildenden Ausschuss die Ermächtigung erteilt haben, das Initiativbegehren zugunsten eines allfälligen Gegenvorschlages der Bundesversammlung zurückzuziehen.

II. Über Zweck und Bedeutung des Initiativbegehrens im allgemeinen lässt sich
seinem Wortlaut folgendes entnehmen. Das von den Initianten erstrebte Ziel liegt, nach der dem Volksbegehren von ihnen gegebenen Bezeichnung, im «Schutz des Bodens und der Arbeit durch Verhinderung der Spekulation». Das letztere ist als Mittel gedacht, um das erstere zu erreichen; indem die Spekulation verhindert wird, sollen Boden und Arbeit geschützt werden. Dafür sollen dem Bund Befugnisse eingeräumt werden, die der Initiativtext in seinen vier Absätzen näher umschreibt.

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Zunächst hat nach Absatz l der Bund, und zwar in Verbindung mit den Kantonen, die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um das nutzbare Grundeigentum der Spekulation zu entziehen. Als Schutzobjekt ist demnach das n u t z b a r e Grundeigentum bezeichnet und damit die Eeichweite der Initiative in diesem Sinne begrenzt. Der zweite und der dritte Absatz sprechen dann insbesondere vom landwirtschaftlich nutzbaren Boden. Für diesen wird einmal eine Verkehrsbeschränkung postuliert : Der Erwerb solchen Bodens soll in der Eegel, unter Vorbehalt gesetzlich zu ordnender Ausnahmen, nur demjenigen offen stehen, der ihn als Grundlage seiner Existenz selbst bebaut; ferner ist der landwirtschaftlich nutzbare Boden vor Überschuldung zu schützen.

Der letzte Absatz endlich beschäftigt sich mit dem Grundeigentum, das Ges c h ä f t s - oder Wohnzwecken dient; auch in Hinsicht auf dieses soll die Spekulation verhindert werden.

Man mag sich fragen, ob zwischen dem der Initiative gegebenen Titel und ihrem Inhalt eine Inkongruenz insofern bestehe, als jener vom Schutz des Bodens und der Arbeit spricht, während im Text selbst nur vom Boden (Grundeigentum), nicht aber von der Arbeit die Rede ist. Eine Abweichung wäre allerdings nicht von Belang, denn massgebend ist der für den Verfassungsartikel vorgeschlagene Wortlaut, nicht der dem Begehren zur Charakterisierung verliehene und auf die Unterschriftenbogen gesetzte Titel. Ein Widerspruch ist aber gar nicht anzunehmen. Wenn die Initiative das Grundeigentum vor spekulativem Erwerb und vor Überschuldung bewahren will, so hat sie damit auch den Schutz der Arbeit im Auge, soweit sie den Besitz von Grundeigentum voraussetzt.

Zum mindesten trifft das, wie ohne weiteres einleuchtet, für den landwirtschaftlich nutzbaren Boden zu, in etwas anderem Sinne aber auch für Grundeigentum, das Geschäftszwecken dient (Geschäftshäuser, Gewerbebetriebe, Fabriken).

Das unbewegliche Eigentum kann somit als direktes, die Arbeit als indirektes Schutzobjekt der Initiative bezeichnet werden.

Für die Prüfung derselben im einzelnen und für die Stellungnahme zu ihr ergibt sich aus dem Wortlaut von selbst eine Trennung nach dem Gegens t a n d : Landwirtschaftlich genutzter Boden (Abs. 2 und 3) einerseits, Geschäfts- und Wohnzwecken dienendes Grundeigentum (Abs. 4) andererseits.

Ihre getrennte
Betrachtung gebietet sich um so mehr, als sowohl die tatsächlichen Grundlagen wie die rechtlichen Verhältnisse für die beiden Gruppen voneinander abweichen.

Das Justiz- und Polizeidepartement hat vor Erstattung dieses Berichts bei Herrn Prof. Hans Huber ein Gutachten über die aus der Initiative entspringenden Rechtsfragen eingeholt; das Gutachten ist den Akten beigefügt.

B. Der Schutz des landwirtschaftlichen Bodens (Abs. l, 2 und 8 des Initiativtextes) I. Allgemeine Gesichtspunkte. Für den Entschluss über die Stellungnahme zur Initiative wird entscheidend sein einerseits, ob man dem darin verkörperten Gedanken beipflichtet und ihm zum Durchbruch verhelfen will, Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. I.

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andererseits aber, wenn dies der Fall ist, ob es zur Erreichung dieses Zweckes einer neuen Verfassungsbestimmung bedarf oder ob der bestehende Verfassungstext dafür schon ausreicht. Es empfiehlt sich, diese letztere Prüfung vorwegzunehmen. Denn wenigstens in dem uns hier beschäftigenden Gebiete ist das Verhältnis des neu vorgeschlagenen zum bestehenden Verfassungstext und die Frage seiner Notwendigkeit leichter und sicherer zu entscheiden.

Die Eichtigkeit des Zweckes einmal vorausgesetzt, hält der Bundesrat dafür, es solle vermieden werden, zu einer dafür bereits vorhandenen und ausreichenden verfassungsmässigen Grundlage eine neue zu fügen. Es ist schon unter dem Gesichtspunkt der Ökonomie und des konsequenten Aufbaus der Verfassung, aber auch vom Standpunkt der Eechtssicherheit nicht wünschbar, für die nämliche gesetzgeberische Aufgabe zwei Bestimmungen mit verschiedenem Wortlaut nebeneinander in der Verfassung zu haben; der Gesetzgeber weiss sonst nicht, an welche er sich zu halten hat.

Es muss also vor allem untersucht werden, welche Möglichkeiten bereits die bestehende Verfassung dem Gesetzgeber bietet, um die Spekulation mit landwirtschaftlichem Boden zu bekämpfen, und ob und inwiefern der vorgeschlagene Initiativtext diese Möglichkeiten erweitern würde. Diese Prüfung hat sich sowohl auf den Spekulationsbegriff als solchen wie auf die beiden Massnahmen zu erstrecken, die die Initiative besonders ins Auge fasst: Einmal die Eeservierung des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens für den Selbstbebauer, sodann den Schutz dieses Bodens vor Überschuldung. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Sinne der Initianten diese beiden Massnahmen lediglich als Mittel zur Bekämpfung der Spekulation gedacht sind oder ob sie mehr oder weniger selbständige Bedeutung haben sollen. Die Eingangsworte des zweiten Absatzes lassen mindestens für diesen auf die erste Auffassung schliessen; in der Tat dient es der Abwehr der Spekulation, wenn landwirtschaftlich nutzbarer Boden in der Eegel nur noch dem Selbstbebauer erreichbar sein soll.

Nicht in diesem Masse ist für den dritten Absatz, die Verhütung der Überschuldung, ein unmittelbarer Zusammenhang wahrzunehmen, so dass diesem Zweck eher eine selbständige Bedeutung zukommt, die immerhin der Tendenz der Initiative entspricht. Nach der Fassung, welche die Initianten dem
Volksbegehren gegeben haben, ist die Annahme begründet, dass sie den Begriff der Spekulation in möglichst weitem Sinne verstanden wissen wollen.

Im folgenden sollen nun die einzelnen Elemente des Volksbegehrens in ihrer Bedeutung und Funktion als verfassungsmässige Basis für gesetzliche Vorschriften geprüft werden.

II. Als S c h u t z o b j e k t , das dem spekulativen Zugriff entzogen werden soll, nennt die Initiative allgemein (in Abs. 1) das «nutzbare Eigentum», und soweit sie insbesondere die landwirtschaftlichen Interessen im Auge hat (in Abs. 2 und 3), den «landwirtschaftlich nutzbaren Boden». Diese Fassung geht etwas weiter als das Anwendungsgebiet des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen (AS 62, 29), das sich nach seinem Artikel l, Absatz l, auf Heimwesen und Liegenschaften er-

335 streckt, die bereits ausschliesslich oder doch vorwiegend landwirtschaftlich genutzt werden; die Ausführungsgesetzgebung zum geplanten Verfassungsartikel könnte also auch Grund und Boden erfassen, der bisher noch nicht landwirtschaftlich genutzt, aber nutzbar ist. Andererseits fragt sich, wieder Text der Initiative sich zum zivilrechtlichen Begriff des Grundeigentums verhält. Gegenstand des letztern oder Grundstücke sind nach Artikel G55 des Zivilgesetzbuches ausser den Liegenschaften auch die in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Hechte, ferner die Bergwerke. Auch diese Objekte können Gegenstand eines spekulativen Erwerbs bilden: jedenfalls will der Wortlaut der Initiative sie nicht ausschliessen, es vielmehr der Gesetzgebung überlassen, soweit nötig die Abgrenzung vorzunehmen. Für die Landwirtschaft sind ausser den Liegenschaften namentlich die Quellenrechte praktisch -süchtig.

III. Die Verhinderung der Spekulation als V e r f a s s u n g s v o r schrift.

1. Erwägt man die Wünschbarkeit oder Notwendigkeit, eine gegen die Spekulation gerichtete ausdrückliche Bestimmung in die Bundesverfassung aufzunehmen, so muss vor allem über den Begriff der Spekulation Klarheit bestehen. Diesen Begriff durch eine exakte, wissenschaftlich unanfechtbare Formel zu umschreiben, wäre wohl nicht leicht. Es ist aber aus dem Grunde entbehrlich, weil kaum Zweifel darüber obwalten können, was die Initianten tatsächlich erreichen wollen. Man versteht landläufig unter Spekulation den Ankauf einer Sache mit der Absicht, sie nicht zu behalten, sondern mit möglichst hohem Gewinn weiterzuverkaufen. Wirtschaftlich betrachtet liegt der Zweck eines solchen Geschäfts nicht darin, die erworbene Sache zu gebrauchen und zu nutzen, vielmehr darin, durch ihren Weiterverkauf Geld zu verdienen.

Der Gegensatz springt besonders einleuchtend für den landwirtschaftlichen Liegenschaftsverkehr in der Gegenüberstellung des Spekulanten zum Selbstbebauer in die Augen.

2. In die Bundesgesetzgebung hat der Ausdruck «Spekulation» bisher nur spärlich Eingang gefunden. Der"schweizerische Juristenverein beschäftigte sich im Jahre 1920 im Anschluss an die während des ersten Weltkrieges auf dem Notverordnungsweg erlassenen Vorschriften mit der Frage, ob in das künftige schweizerische Strafgesetzbuch Bestimmungen gegen den
sog. Sozialwucher (spéculation illicite) aufzunehmen seien; die Frage wurde verschieden beurteilt (vgl. Zeitschrift für schweizerisches Eecht, N. F. 39, l a ff., 126 a).

Das Gesetz hat sich mit der Bestrafung des Einzelwuchers in Artikel 157 begnügt, dessen Tatbestand naturgemäss enger gefasst ist. Eine Strafbestimmung gegen Spekulation ganz allgemein kam und kommt nicht in Frage. Dieser Begriff findet sich im Strafgesetzbuch nur in Artikel 158, als Verleitung zur Spekulation, und in Artikel 165, der «gewagte Spekulationen» als Ursache des leichtsinnigen Konkurses erwähnt; an beiden Orten wird die Spekulation nur in Hinsicht auf eine unter besondern Umständen dadurch herbeigeführte

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Vermögensschädigung getroffen. Dennoch ist die Verwandtschaft des Wucherbegriffs mit demjenigen der Spekulation nicht zu verkennen: Wenn Artikel 157 StGB als eines der Tatbestandsmerkmale des Wuchers die Ausbeutung der Notlage einer Person bezeichnet, so legt dies gerade dem auf den Schutz des landwirtschaftlichen Bodens bedachten Gesetzgeber die Frage nahe, ob nicht auch hier Anlass sei, der Ausbeutung einer Kotlage vorzubeugen, insofern nämlich, als ja der landwirtschaftlich nutzbare Boden in unserem Lande je länger je mehr zu einer «Mangelware» und deshalb dem spekulativen Zugriff besonders begehrenswert geworden ist.

Hier hat nun in der Tat der Bundesgesetzgeber eingegriffen. Zunächst geschah es schon, im Anschluss an die Abwertung des Schweizer Frankens, durch den Bundesratsbeschluss vom 16. Oktober 1936 über den Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken (AS 52, 797), der in Abänderung des Artikels 218 des Obligationenrechts verbot, ohne besondere Bewilligung landwirtschaftliche Grundstücke vor Ablauf von sechs Jahren seit dem Erwerb als Ganzes oder in Stücken zu veräussern. Diese Vorschrift ist als Artikel 95 in das bereits erwähnte Entschuldungsgesetz von 1940 übergegangen, und es besteht heute sogar die Absicht, die Sperrfrist von sechs Jahren auf zehn Jahre zu erweitern. Während des letzten Krieges sodann trat der Bundesrat der immer mehr um sich greifenden Spekulation mit landwirtschaftlichen Gütern entgegen durch den auf die ausserordentlichen Vollmachten sich stützenden Bundesratsbeschluss vom 19. Januar 1940 über Massnahmen gegen die Bodenspekulation und die Überschuldung sowie zum Schutze der Pachter (AS 56, 74). Dieser verschiedentlich ergänzte und abgeänderte Besohluss steht zur Hauptsache heute noch in Kraft, muss aber als Notrecht verschwinden. Um ihn abzulösen, hat der Bundesrat den eidgenössischen Räten mit Botschaft vom 30. Dezember 1947 (BEI 1948, I, 21 ff.) den Entwurf zu einem «Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes» unterbreitet, der inzwischen in der parlamentarischen Beratung ins Stadium der Differenzenbereinigung vorgerückt ist. Eine der hauptsächlichsten, in diesem Gesetz zu lösenden Fragen geht gerade dahin, mit welchem Mittel künftig der Kampf gegen die ungesunde Bodenspekulation geführt werden kann und soll. Nach Ablehnung eines
Genehmigungsverfahrens im Sinne des Vollmachtenbeschlusses, das alle Kaufverträge um landwirtschaftliche Liegenschaften einer behördlichen Kontrolle unterwerfen würde, sieht der Entwurf neben einem Vorkaufsrecht der nächsten Verwandten ein Einspruchsverfahren vor, das den Liegenschaftshandel im Prinzip freigeben, jedoch ermöglichen will, gegen bestimmte Geschäfte behördlichen Einspruch zu erheben. Namentlich soll (nach Art. 16tor, lit. a, des Entwurfes) Einspruch erhoben werden, «wenn der Käufer das Heimwesen oder die Liegenschaft offensichtlich zum Zwecke der Spekulation oder der Kapitalanlage erwirbt». Diese Lösung gestattet demnach, durch Eingreifen der Behörde offensichtliche Spekulationsgeschäfte zu verhindern; denn die Gutheissung des Einspruchs wird zur Folge haben, dass das beanstandete Geschäft dahinfällt (Art. 16luater des Entwurfs). Eine Differenz besteht aller-

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dings noch insofern, als der Nationalrat das Einspruchsverfahren von Bundes wegen einführen, der Ständerat dagegen seine Übernahme den Kantonen anheimstellen will.

3. Diese Feststellungen leiten über zur Prüfung der für die Beurteilung der Initiative in erster Linie massgebenden Frage der v e r f a s s u n g s m ä s sigen Grundlage für die B e k ä m p f u n g der l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n Spekulation. Die Initiative "«ili eine solche Grundlage erst schaffen; ist dies nötig, oder besteht eine hinreichende Grundlage schon in der geltenden Verfassung ?

Der Gesetzesentwurf zur Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes stützt sich auf die Artikel 81bls und 64 der B u n d e s v e r f a s s u n g . Letzterer hat dem Bund die Gesetzgebungskompetenz auf dem ganzen Gebiet des Zivilund des Betreibungsrechts verliehen, dient also allen Vorschriften als Basis, die privatrechtlichen Charakter aufweisen, namentlich den Gebieten des Zivilgesetzbuchs und des Obligationenrechts angehören oder die Vollstreckung ordnen. Gestützt auf Artikel 64 kann also ein Vorkaufsrecht auf landwirtschaftliche Betriebe eingeführt werden.

Anderer Art und hier besonders wichtig ist Artikel 31bls, der als Bestandteil der neuen Wirtschaftsartikel in die Verfassung aufgenommen wurde. Gemäss seinem ersten Absatz hat der Bund im Eahmen seiner verf assungsmässigen Befugnisse die zur Mehrung der Wohlfahrt des Volkes und zur wirtschaftlichen Sicherung der Bürger geeigneten Massnahmen zu treffen. Absatz 2 ermächtigt ihn, unter Wahrung der allgemeinen Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft Massnahmen zur Förderung einzelner Wirtschaftszweige oder Berufe zu treffen. Ferner aber kann er zufolge Absatz 3, wenn das Gesamtinteresse es rechtfertigt, und nötigenfalls in Abweichung von der Handels- und Gewerbefreiheit, unter anderem Vorschriften erlassen: a. zur Erhaltung wichtiger, in ihren Existenzgrundlagen gefährdeter Wirtschaftszweige oder Berufe, b. zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft sowie zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes.

Es kann nicht zweifelhaft sein, dass gesetzliche Massnahmen zur Verhinderung der Spekulation, wie die Initiative sie verlangt, schon durch Artikel 81Ws, insbesondere durch Absatz 3, lit. b, desselben ermöglicht werden.

Der Grund, weshalb die
Spekulation um landwirtschaftliche Güter möglichst unterbunden werden soll, liegt ja in der Überzeugung, dass sie geeignet ist, die Existenzgrundlage zahlloser Bauernbetriebe zu gefährden. Die Spekulation bewirkt an Stelle der wünschbaren Stetigkeit die rasche Handänderung von landwirtschaftlichen Gütern, treibt deren Preise in die Höhe und zielt überdies oft noch auf Zerstückelung und parzellenweisen Weiterverkauf zur Erhöhung des Gewinnes hin. Nichts könnte also der von der Verfassung besonders angestrebten Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes abträglicher sein als das Überwuchern spekulativer Güteraufkäufe. Der Wortlaut der neuen Verfassungsbestimmung ist geradezu auf die Bekämpfung dieses Übelstandes gemünzt, Es ist denn auch bezeichnend, dass der Anstoss, die Prüfung der im

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Jahre 1939 von den eidgenössischen Eäten angenommenen, aber noch nicht der Abstimmung unterworfenen Wirtschaftsartikel wieder aufzunehmen und sie in neuer Fassung dem Volk und den Ständen zu unterbreiten, von der Expertenkommission ausging, die unser Justiz- und Polizeidepartement zur Vorbereitung der Landwirtschaftsgesetzgebung eingesetzt hatte; es war ihr daran gelegen, dass sobald als möglich für die Lösung dieser Aufgabe, insbesondere auch für die Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes, eine einwandfreie verfassungsmässige Grundlage geschaffen werde, wie sie die revidierten Wirtschaftsartikel schon damals vorsahen.

Die revidierten Wirtschaftsartikel fanden im Jahre 1947 in die Verfassung Eingang. Es muss dahingestellt bleiben, ob die vorliegende, vier Jahre früher zustande gekommene Initiative überhaupt oder doch mit diesem Text eingereicht worden wäre, wenn der Artikel 81Ms damals schon bestanden hätte.

Bei der heutigen Sachlage bleibt zu prüfen, ob triftige Gründe dafür sprechen, neben dem Artikel 81bls noch den von den Initianten vorgeschlagenen Text in die Verfassung aufzunehmen.

Die beiden Texte weichen in verschiedener Hinsicht voneinander ab. Vor allem ist die Initiative insofern präziser, als sie, sowohl in der ihr gegebenen Titelbezeichnung als im Text selbst, a u s d r ü c k l i c h die Spekulation als zu bekämpfende Tatsache nennt, während Artikel 31bls sich allgemeiner Wendungen bedient. Allein es ist soeben dargelegt worden, dass dieses besondere Ziel sich auch auf Grund der Wirtschaftsartikel durchaus erreichen lässt, dass insbesondere der Formulierung von Absatz 3, lit. b, des Artikels 31Ws der Gedanke an die Bekämpfung der Spekulation sicherlich auch zugrunde liegt. Die Botschaft zum Gesetzesentwurf über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes hat, gestützt auf die Erfahrungen einer langen Entwicklung, diese Gefahr nachdrücklich hervorgehoben und die Abwehr dagegen als hauptsächlichen Zweck des Gesetzes hingestellt. In der bisherigen Beratung des Entwurfs ist nie im geringsten die Meinung verfochten worden, dass etwa die heutige verfassungsmässige Basis für gesetzliche Bestimmungen gegen die Spekulation nicht ausreiche. Die Schwierigkeiten, mit denen der Entwurf zu kämpfen hat, liegen nicht hier; sie sind vielmehr in den erheblich auseinandergehonden Meinungen darüber
begründet, welchen Weg der Gesetzgeber einzuschlagen habe, um sein Ziel zu erreichen. Allerdings ist auch in Zweifel gezogen worden, ob es ratsam und überhaupt nötig sei, neben den übrigen Einspruchsgründen denjenigen der offensichtlichen Spekulationsabsicht ausdrücklich zu nennen; allein das ist im Grunde bloss eine Frage der Eedaktion. Materiell wäre es denkbar, auf Grund der geltenden Verfassung für die Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes sogar einschneidendere Mittel anzuwenden und mit einer schärferen Intervention des Staates in den Liegenschaf tsv edvehr einzugreifen, als es nun nach Ablehnung eines obligatorischen Genehmigungsverfahrens oder gar der Einsetzung staatlicher Bodenämter mit ausschliesslichem Kaufsund Verkaufsrecht geschehen soll. Es hat sich gezeigt, dass der Gesetzgeber sich in der Wahl seiner Mittel zur Bekämpfung der Spekulation Zurückhaltung

339 auferlegen muss, will er nicht das ganze Werk gefährden. Daran würde nichts geändert, wenn er sich statt auf die Wirtschaftsartikel auf den von der Initiative vorgeschlagenen Text stützen könnte.

Bin weiterer Unterschied der Texte liegt darin, dass Artikel 31Ws, Abs. 3, besondere Schutzvorschriften nur zulässt, wenn «das Gesamtinteresse» sie r e c h t f e r t i g t , und dass er ferner das Verhältnis zur H a n d e l s - u n d Gewerbefreiheit berührt mit der Wendung, die vorgesehenen Vorschriften dürfen «nötigenfalls» von dieser Freiheit abweichen. Die Initiative enthält diese beiden Voraussetzungen nicht. Allein auch diese Abweichung hat praktisch keine Konsequenzen; insbesondere bringen die in Art. 31bls beigefügten Kautelen nicht mit sich, dass der Gesetzgeber sich in der Erfüllung der ihm hier übertragenen Aufgabe mehr eingeengt sieht, als es auf Grund des Initiativtextes der Fall wäre. Denn was das Gesamtinteresse betrifft, muss der Gesetzgeber es ohnehin stets im Auge behalten, möge es nun in der ihm zur Verfügung stehenden Verfassungsnorm ausdrücklich vorbehalten sein oder nicht.

Ohne Zweifel haben auch die Initianten ihr Begehren in der Überzeugung eingereicht, die Verhinderung der Spekulation diene dem Gesamtinteresse des Volkes, und sie können und werden vernünftigerweise vom Gesetzgeber keine Lösung erwarten, die einseitig nur private Interessen verficht, abgesehen davon, dass eine solche Lösung von vornherein keine Aussicht auf Annahme hätte.

Die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen liegt im Sinne der Initiative wie der Wirtschaftsartikel. Das Prinzip der Gewerbefreiheit sodann hat hier deswegen nur geringere Bedeutung, weil es nur dem gewerbsmässigen Liegenschaftshandel zugute kommt, während das Gesetz auch die von den Privaten getätigten, nicht gewerbsmässigen Liegenschaftskäufe erfassen muss.

Überdies aber soll sich der Gesetzgeber auch da, wo die Verfassung ihm eine Abweichung von der Handels- und Gewerbefreiheit erlaubt, von ihr stets nur nach Massgabe wirklicher Notwendigkeit entfernen; es liegt im Wesen der verfassungsmässigen Freiheitsrechte, dass sie nicht ohne Not und über das unerlässliche Mass hinaus angetastet werden. Diese Schranke wohnt unausgesprochen auch dem Text der Initiative inné.

Eine gewisse Abweichung könnte sodann in der Art erblickt werden, wie die
Mitwirkung der K a n t o n e bei der Verwirklichung des Verfassungspostulats vorgesehen ist. Nach dem Text der Initiative hat der Bund die Massnahmen gegen die Spekulation «in Verbindung mit den Kantonen» zu treffen.

Der geltende Artikel 32, Abs. 2, schreibt allgemein vor, dass vor Erlass der Ausführungsgesetze zu den Wirtschaftsartikeln die Kantone anzuhören sind und dass ihnen hernach in der Eegel der Vollzug der Bundesvorschriften zu übertragen ist. Allein ein praktischer Unterschied wird sich auch daraus kaum ergeben. Die Fassung der Initiative ist weniger klar als diejenige des Art. 32, und die Heranziehung der Kantone in der hier vorgesehenen Weise würde wohl auch im Sinne der Initiative liegen. Keinesfalls vermöchte die etwas verschiedene Ausdrucksweise die Notwendigkeit zu begründen, neben den Wirt-

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Schaftsartikeln auch den von der Initiative vorgeschlagenen Text in der Verfassung zu besitzen.

Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass die Initiative imperativer lautet als Artikel 31Ws BV. Sie scheint dem Gesetzgeber einen bestimmten A u f t r a g erteilen zu wollen, indem sie an die Spitze den Satz stellt: «Der Bund trifft die erforderlichen Massnahmen... » ; ähnlich lauten die übrigen Absätze. Artikel 31Ms räumt dagegen dem Bund nur eine B e f u g n i s ein. Da aber die Verfassungsnorm als solche, sei es die Initiative, sei es Art. 31bls, nicht unmittelbar angewendet werden kann, sondern der Ausführung durch die Bundesgesetzgebung bedarf, um überhaupt wirksam zu werden, lauft jener Unterschied auf die Frage hinaus, ob bei imperativem Wortlaut der Verfassung unter allen Umständen ein Bundesgesetz erlassen werden muss. Das kann man freilich als Postulat setzen, allein seine Verwirklichung hängt vom Zustandekommen eines Ausführungsgesetzes ab, und dieses wiederum kann nicht erzwungen werden. Wird das Ausfuhrungsgesetz verworfen, so versagt auch die imperative Verfassungsvorschrift, und das Ergebnis könnte sich sogar bei mehreren vergeblichen Anläufen wiederholen. Der Erlass eines Gesetzes ist ein Vorgang für sich, dessen Vollendung eigenen Regeln folgt ; die Verfassungsnorm bildet nur den Ausgangspunkt und die Grundlage, auf der er sich aufbaut.

Mit Becht ist deshalb schon festgestellt worden, dass auch die scheinbar zwingenden Gesetzgebungsaufträge der Verfassung in der Eegel blosse Ermächtigungen sind (vgl. Burckhardt in der Pestgabe für Fleiner, 1927, 68 ff.; Giacometti, Bundesstaatsrecht, 98, 101).

Im vorliegenden Falle ist nun durch den Gesetzesentwurf zur Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes der Weg beschritten worden, der zum Ziel fuhren soll, der landwirtschaftlichen Spekulation Herr zu werden. Was sich sachlich in dieser Hinsicht erreichen lässt, wird das Schicksal dieses Gesetzesentwurfs erweisen. Mehr kann auch die Initiative mit ihrer kategorischen Fassung nicht zustandebringen.

4. Diese Erwägungen führen hinsichtlich des allgemeinen auf Verhinderung der Spekulation um landwirtschaftliche Güter lautenden Postulats zu folgenden Schlüssen: Eine neue Verfassungs Vorschrift ist hiefür neben Artikel 31bls nicht erforderlich; vielmehr reicht dieser aus und würde sogar weitergehende
Massnahmen gestatten, als sie aller Voraussicht nach tatsächlich erreicht werden können. Der vor den eidgenössischen Bäten liegende, vor dem Abschluss stehende Gesetzesentwurf über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes hat zur wesentlichsten Aufgabe gerade die Bekämpfung der Spekulation und wird somit im Bahmen des Möglichen das verwirklichen, was auch die Initiative will.

IV. Die Beschränkung des K a u f e s auf Selbstbebauer insbesondere. Im zweiten Absatz des vorgeschlagenen Textes stellt die Initiative als besonderes Mittel zum Schutz des Bodens und der Arbeit die Forderung auf, dass der Regel nach nur derjenige landwirtschaftlich nutzbaren Boden

341 soll erwerben können, der ihn als Grundlage seiner Existenz selbst bebaut; Auenahmen sollen durch die Gesetzgebung ermöglicht und geordnet werden.

In erster Linie stellt sich auch für diesen besondern Zweck die Frage, ob seine Verwirklichung die Schaffung einer neuen V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g erheischt. Dafür gilt nun, was bereits hinsichtlich des allgemeinen Zweckes der Verhinderung der Spekulation ausgeführt worden ist: Artikel 31bls, speziell Absatz 3, lit. o der geltenden Verfassung, reicht auch für den besondern Zweck aus. Wenn man schon die Keservierung des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens für Selbstbebauer an sich als richtig und durchfuhrbar betrachtet, so gehört sie ohne Zweifel zu den Massnahmen zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft sowie zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes. Denn diesem Zweck ist es abträglich, wenn der landwirtschaftliche Boden ohne jede Beschränkung wie eine beliebige Ware erworben werden kann, namentlich wenn unter mehreren Bewerbern einfach derjenige durchdringt, der den höchsten Preis zahlen kann und will, und wenn damit in vielen Fällen jungen tüchtigen Landwirten eine Gelegenheit genommen wird, sich eine selbständige Existenz zu schaffen.

Der Bundesrat möchte es aber nicht bei der Feststellung bewenden lassen, dass keine Notwendigkeit besteht, die Initiative wegen ihres zweiten Absatzes gutzuheissen ; es erscheint ihm vielmehr wesentlich, auch auf die Frage einzutreten, ob das Postulat sachlich begründet ist und als eine Aufgabe des Gesetzgebers empfohlen werden kann. Er erinnert übrigens daran, dass diese Frage die Bundesbehörden nicht zum erstenmal beschäftigt. Schon im Jahre 1937 wurde bei der Beratung des Entschuldungsgesetzes im Nationalrat ein mit dem Absatz 2 der Initiative inhaltlieh übereinstimmender Antrag gestellt, jedoch nach sehr eingehender Beratung in der Kommission und im Hat mit grosser Mehrheit abgelehnt (vgl. StenB 19S7, Nationalrat, 630 ff., 730 ff., 758) Dieses Begehren entspringt zwar einem in seiner Tendenz richtigen Schutzgedanken, allein es schiesst weit übers Ziel hinaus. Vor allem würde es, konsequent durchgeführt, mit der Zeit die Pachtverhältnisse und den Pächterstand zum Verschwinden bringen. Die Unhaltbarkeit eines solchen Ergebnisses ist zu offensichtlich,
als dass sie ausführlich begründet werden musate. In der wirtschaftlichen und sozialen Struktur unseres Landes bilden die landwirtschaftlichen Pachtverhältnisse ein notwendiges Element. Zudem begünstigen oder ermöglichen sie in vielen Fällen den Aufstieg des jungen Landwirts vom Knecht zum Pächter und zum Eigenbesitzer und schaffen zwischen Stadt und Land eine das gegenseitige Verständnis erleichternde Beziehung. Es kann sich höchstens darum handeln, anzustreben, dass das bestehende, nicht ungünstige zahlenmässige Verhältnis zwischen Eigentümer- und Pachtbetrieb sich nicht zu sehr verschiebt.

Dazu kommen andere Schwierigkeiten und Hindernisse. Es ist nicht gesagt, dass der Erwerber, der einen Hof zur Selbstbewirtschaftung übernimmt, auch ein guter Bauer sein wird. Versagt er, so wären folgerichtig vom Standpunkt der Landesversorgung und der bestmöglichen Bodennutzung drakonische Mass.-

342 nahmen zu ergreifen, um ihn zu ersetzen. Solche Methoden wird unser Gesetzgeber wenigstens in Friedenszeiten nicht einschlagen können und wollen. Nur beiläufig ist auf die durch Zwangsverwertungen sich bietenden Möglichkeiten der Umgehung sowie auf die Notwendigkeit hinzuweisen, in solchen Fällen die Eechte der Hypothekargläubiger und der Bürgen zu wahren und ihnen die Brsteigerung des verpfändeten Grundstücks oder dessen freihändigen Ankauf ohne Bücksicht auf den Willen und die Fähigkeit zur Selbstbewirtschaftung zu gestatten. Bei stark verschuldeten Betrieben zieht übrigens der Eigentümer häufig die Veräusserung an einen kapitalkräftigen Nichtlandwirt der drohenden Zwangsverwertung vor, um die drückende Schuldenlast loszuwerden und den Hof als Pächter weiter bebauen zu können. Offen bleibt, ob die Erwerbsbeschränkung auch im Falle erbrechtlichen Übergangs gelten müsste. Den berechtigten Bedürfnissen des Staates, der Gemeinden, Korporationen und Anstalten müsste Bechnung getragen und wohl allgemein die Enteignung vorbehalten werden.

In unserer Landwirtschaft herrscht der Typus des Klein- und Mittelbetriebes vor, und in einzelnen Gemeinden sind die bäuerlichen Zwergbetriebe mit Nebenerwerb besonders stark verbreitet. In grosser Zahl halten Fabrikund andere Arbeiter, Angestellte und Handlanger einen landwirtschaftlichen Kleinbetrieb, den sie mit Hilfe ihrer Familie bewirtschaften und auf 4en sie zur Verbesserung ihres Einkommens angewiesen sind.

Über diese mannigfaltigen Bedürfnisse und Besonderheiten darf sich der Gesetzgeber nicht hinwegsetzen. Sie würden eine eingehende und keineswegs einfache Ordnung erfordern. Das in der Initiative gestellte Postulat könnte in unsern Verhältnissen niemals auch nur annähernd verwirklicht werden, weil ihm zu viele andere, ebenso berechtigte Interessen gegenüberstehen. Die gesetzliche Ordnung müsste also so gestaltet und es müssten so viele Ausnahmen zugelassen werden, dass vom Grundsatz nicht mehr viel übrig bliebe. Sie würde nicht erleichtert durch die Notwendigkeit einer scharfen und lückenlosen Kontrolle des Liegenschaftsmarktes; das haben die Beratungen über den Gesetzesentwurf über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes zur Genüge erwiesen.

In der Diskussion um diesen Entwurf war und ist immer noch von gegnerischer Seite der Einwand zu hören,
das Gesetz wolle ein Monopol der Bauern auf dem landwirtschaftlichen Boden schaffen; ein unbegründetes, aber gefährliches Schlagwort. In Wahrheit begnügt sich der Entwurf in dieser Hinsicht, abgesehen von einer gewissen indirekten Schutzwirkung als Folge eines Einspruchs, mit einem sehr natürlichen Vorzugsrecht beim Vorkauf, indem unter mehreren im gleichen Bang stehenden Berechtigten derjenige den Vorzug erhalten soll, der die Liegenschaft selbst bewirtschaften will und hiefür geeignet erscheint (Art. 12, Abs. 2).

So kann denn das Begehren, den landwirtschaftlich nutzbaren Boden im Verkaufsfall den selbstbebauenden Landwirten vorzubehalten, nicht empfohlen werden, obwohl die verfassungsmässige Grundlage jetzt schon dafür vorhanden wäre.

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V. Der Schutz vor Ü b e r s c h u l d u n g insbesondere. Als weiteres besonderes Postulat formuliert die Initiative in ihrem dritten Absatz den Schutz des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens vor Überschuldung. Dass damit ein wesentlicher Programmpunkt schweizerischer Agrarpolitik ausgedrückt wird, bedarf keiner Erörterung. Aber ebenso bestimmt ist festzustellen, dass dieses Postulat, soweit es den Bundesgesetzgeber angeht, bereits erfüllt worden ist durch das am 1. Januar 1947 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 12. Dezember 1940 über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen, Dieses Gesetz hat in dreifacher Weise den Kampf gegen die Bodenverschuldung aufgenommen. Die bleibenden und insofern wichtigsten Masänahmen zur Verhütung der Überschuldung enthalt es in seinem dritten Teil, und zwar ausser der bereits erwähnten Sperrfrist (Art. 95) und einer verstärkten Anwendung des bäuerlichen Erbrechts (Art. 94) namentlich die Belastungsgrenze (Art. 84--93), wonach landwirtschaftliche Liegenschaften nur bis zur Höhe des Schätzungswertes mit Grundlasten und Pfandrechten belastet werden können. In dieser allgemein gebilligten Massnahme liegt der dauernde Schutz wenigstens gegen künftige Überbelastung der landwirtschaftlichen Betriebe, dessen heilsame Wirkungen nicht ausbleiben werden. Mit der Möglichkeit der Beseitigung bereits vorhandener Überschuldung im Einzelfall befasst sich der zweite Teil des Gesetzes (Art. 10 ff.) ; diese eigentliche Entschuldung ist allerdings fakultativ gestaltet, wird also nur in den Kantonen zur Anwendung gelangen, welche sie grundsätzlich übernehmen. In diesem Teil sind überdies besondere Massnahmen vorgesehen, um nach der Tilgung ungedeckter Grundpfandforderungen eine neue Verschuldung zu verhindern (Art. 69--74). Schliesslich hat das Gesetz den Kantonen die Möglichkeit geöffnet, die Amortisation von Pfandforderungen ohne Bücksicht auf ihre Deckung anzuordnen (Art. 107).

Eine derartige, in das Ermessen der Kantone gestellte Amortisationspflicht arbeitet allgemein der Verschuldung entgegen und bewirkt eine Zurückbildung der hypothekarischen Belastung. So hat der Gesetzgeber auf diesem Gebiete getan, was ihm möglich ist.

Das Entschuldungsgesetz wurde gestützt auf Artikel 64 BV erlassen in der Annahme, dass es Gegenstände des Privatrechts sowie des Schuldbetreibungs-
und Nachlassrechts ordne. Es mag vielleicht fraglich erscheinen, ob dies für alle Vorschriften des Gesetzes zutreffe. Sollte jedoch für einzelne derselben bei Erlass des Gesetzes im Jahre 1940 die verfassungsmässige Grundlage gefehlt haben, so ist sie zweifellos nachträglich durch die Wirtschaftsartikel, insbesondere wiederum durch Artikel 31bls, Abs. 3, lit. b, geschaffen, der allfällige Mangel also behoben worden. Die Massnahmen des Entschuldungsgesetzes, die dauernden sowohl wie die vorübergehende Entschuldung, dienen allesamt der Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes. Dieser Ausdruck schliesst die Verhütimg der Überschuldung in sich, und da der Gesetzgeber diese Aufgabe bereits erfüllt hat, besteht keine Notwendigkeit, den hierüber bestehenden Verfassungsnormen eine neue, das besondere Ziel ausdrücklich erwähnende beizufügen.

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VI. Als S c h l u s s f o l g e r u n g ergibt sich für den landwirtschaftlichen Boden, dass sain Schutz auf Grund der Artikel 81bls und 64 der Verfassung in jeder praktisch realisierbaren Weise, auch hinsichtlich der in der Initiative (Abs. 2 und 3) besonders hervorgehobenen Zwecke, erreicht werden kann und zum Teil bereits geschaffen worden ist. Die oben (unter Ziff. I) dargelegten Gründe gegen doppelspurige Verfassungsnormen lassen es ratsam erscheinen, unter diesen Umständen auf die vorgeschlagene Ergänzung der Verfassung zu verzichten.

C. Der Schutz des nicht landwirtschaftlichen Bodens (Abs. l und 4 des Initiativ textes) Im letzten Absatz setzt das Volksbegehren sich zum Ziel, die Spekulation mit Grundeigentum, das G e s c h ä f t s - und Wohnzwecken dient, zu verhindern. Die im ersten Absatz für das nutzbare Eigentum allgemein umschriebene Aufgabe wird also ausdrücklich auch für jene Arten des Grundeigentums gestellt. Es ist anzunehmen, dass die Initianten den vierten Absatz ihres Textes in gleicher Weise dem ersten Absatz unterordnen wollen, wie die beiden mittlern Absätze ihm unterstellt sind; dies lässt sich insbesondere aus der eingangs besprochenen redaktionellen Abweichung des französischen Textes (Einteilung in 5 Absätze) ableiten. Aus dieser Struktur ist zu schliessen, dass der Bundesgesetzgeber auch die Massnahmen für das nicht landwirtschaftliche Grundeigentum «in Verbindung mit den Kantonen» treffen soll.

Wieder handelt es sich darum, zu prüfen, einmal ob es für diese weitere gesetzgeberische Aufgabe einer neuen Verfassungsbestimmung bedarf und sodann wie die Aufgabe an sich zu beurteilen ist, ob ihr beigepflichtet werden kann oder ob gewichtige Gründe gegen sie sprechen.

I. Der Anwendungsbereich wird bezeichnet mit dem Geschäfts- und Wohnzwecken dienenden Grundeigentum. Dazu gehören einerseits die Wohnhäuser und die in andern Gebäuden, namentlich Geschäftshäusern untergebrachten Wohnungen, allerdings unter Ausscheidung der Wohnung der Bauernfamilie im Bauernhaus, die unter das landwirtschaftliche Grundeigentum fällt. Die Umschreibung des G e s c h ä f t s z w e c k e n dienenden Grundeigentums andrerseits ist sehr allgemein. In Ermangelung irgendeiner Einschränkung sind darunter alle Gebäude und Anlagen zu verstehen, in welchen eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt wird oder
ausgeübt werden kann, sei sie rein kaufmännischer, gewerblicher oder anderer Art: also Kaufläden, Werkstätten, gewerbliche und industrielle Anlagen, Fabriken, auch zugehörige Gebäude wie Magazine, Lagerhäuser, ferner aber Hotels, Pensionen, Wirtschaften, Bureaux und andere Bäume der freien Berufe, der Banken, Gesellschaften und privaten Unternehmungen und dergleichen. Nicht Inbegriffen sind wohl nur die Gebäude und Eäumlichkeiten der öffentlichen Verwaltungen. Ausser diesen wird durch den Geschäfts- und Wohnzweck wohl alles nicht landwirtschaftliche Grundeigentum umfasst. Kurz gesagt, bezweckt dieser Teil der Initiative den Schutz des städtischen Grundbesitzes und desjenigen in den Ortschaften überhaupt gegen die Spekulation.

345 II. Wie verhält es sich nun mit der Frage einer verfassungsmässigen Basis für die Bekämpfung der Spekulation in diesem Bereich? Sie wäre nur insoweit sicher vorhanden, als solche Massnahinen sich auf Art. 64 allein stützen könnten, soweit sie sich also auf das privatrechtliche und das betreibungsrechtliche Gebiet beschränken würden. Lediglich mit Vorschriften dieser Art wird aber eine wirksame Bekämpfung der Spekulation schwerlich auskommen, denn sie müsste, analog wie im oft genannten Gesetzesentwurf über den bäuerlichen Grundbesitz, zu Beschränkungen des Liegenschaftsverkehrs und der freien Verkäuflichkeit greifen. Solche Vorschriften wurden dem unserem Obligationenrecht innewohnenden Prinzip der Vertragsfreiheit zuwiderlaufen. Wahrend sie aber in der Landwirtschaft durch den mit gleicher Kraft neben Artikel 64 stehenden Artikel 81bls, Absatz 3, lit. 6, ermöglicht werden, fehlt hinsichtlich des städtischen Grundbesitzes eine entsprechende Verfassungsbestimmung, die den Einbruch ins Privatrecht erlauben würde. Die im ersten Absatz des Artikels 81bls dem Bund eingeräumte Befugnis, die geeigneten Massnahmen zur Mehrung der Wohlfahrt des Volkes und zur wirtschaftlichen Sicherung der Bürger zu treffen, reicht in dieser unbestimmten Umschreibung hier nicht aus, und sie ist ihrerseits nur im Rahmen der übrigen verfassungsmässigen Schranken verliehen.

Im Gegensatz zum landwirtschaftlichen Grundeigentum entbehrt also das nicht landwirtschaftliche in der Tat bisher einer Verfassungsbestimmung, kraft deren es gegen die Spekulation geschützt werden könnte. Zum mindesten ist es sehr fraglich, ob Artikel 64 dafür genügen wurde. Sollen sich also die im vierten Absatz der Initiative vorgesehenen Massnahmen auf eine sichere Grundlage stützen können, so muss sie noch in die Verfassung eingefügt werden.

III. Für die materielle Stellungnahme ist vorweg zuzugeben, dass auch in bezug auf das städtische Grundeigentum -- um es kurz so zu bezeichnen --· die Spekulation im üblen Sinne des Wortes unerwünscht ist und Gefahren mit sich bringt. Sie wirkt auch hier preistreibend und erschwert eine gewisse Stetigkeit der Nutzung; darunter kann wiederum, soweit eine Liegenschaft irgendwelchen geschäftlichen Zwecken dient, der Schutz der Arbeit leiden, den die Initianten ja ebenfalls im Auge haben. Immerhin wird diese
Wirkung hier weniger verhängnisvoll sein als in der Landwirtschaft, wo die Bevorzugung des Selbstbebauers nicht nur volkswirtschaftlich für die Landesversorgung mehr ins Gewicht fällt, sondern auch der Verbindung mit der Scholle und dem Gedanken des Familienschutzes Rechnung trägt. Die Knappheit des Bodens, in der Landwirtschaft die tiefste Ursache des ganzen Problems, beherrscht dieses in der Stadt nicht im gleichen Masse, wenigstens abgesehen vom Zustand starker Wohnungsnot nicht in normalen Zeiten. Wo Mangel an Wohn- und Geschäftshäusern aufgetreten ist, lässt er sich eher beheben, während landwirtschaftlich nutzbarer Boden, im ganzen gesehen, nur noch in spärlichem Masse zu gewinnen ist. Die wesentlichste, die Spekulation begünstigende Ursache spielt in der Stadt und in der Ortschaft nicht dieselbe Rolle wie auf dem Lande.

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Für Wohn- und Geschäftshäuser stellt sich das Problem der Bekämpfung der Spekulation als weit schwieriger und komplexer dar denn in der Landwirtschaft, wo die Diskussion sich nur um die richtige und wirksame Methode, kaum aber um das Prinzip dreht. Wo liegt die Grenze zwischen einer mit den Interessen des allgemeinen Wohles noch vereinbaren Verfiigungs- und Verkehrsfreiheit und der Spekulation ? Es braucht zumal in der gegenwärtigen Zeit nicht besonders betont zu werden, wie erwünscht, ja dringend nötig die private Wohnbautätigkeit ist oder sein kann; es wäre gänzlich verfehlt, sie durch staatliche Eingriffe lahmzulegen oder ernstlich zu beeinträchtigen. Ohne Aussicht auf angemessenen Gewinn wird sich aber der private Unternehmergeist, der ja auch mit Eisiken verbunden ist, niemals entfalten. Dieses natürliche Motiv müsste vom Gesetzgeber geschont werden, will er nicht Gefahr laufen, mit seinen Massnahmen schliesslich mehr Schaden als Nutzen zu stiften.

Welchen Weg müsste also der Gesetzgeber einschlagen? Welcher Mittel müsste er sich bedienen? Hiefür gibt die Initiative, anders als für den landwirtschaftlichen Boden, keine Anhaltspunkte; sie lässt dem Gesetzgeber volle Freiheit, überbindet ihm aber damit zugleich die Schwierigkeit, eine taugliche Lösung zu finden.

Es müssfce sich offenbar um eine Verkaufs- und Kaufsbeschränkung handeln, die eine staatliche Kontrolle des gesamten städtischen Liegenschaftsverkehrs erfordern würde. Die Voraussetzungen der Zulassung oder Ablehnung des einzelnen Geschäfts müssten umschrieben werden. Die Kapitalanlage als solche zu treffen, wäre nicht angängig. Die wirksamste Waffe gegen die Spekulation würde in der Aufstellung von Preisvorschriften bestehen; aber nach welchen Grundsätzen wären solche zu erlassen? Welche Elemente müssten für die Benützung des zulässigen Preises massgebend erklärt werden ? Verursachen die Schätzungsfragen schon in der Landwirtschaft manche Schwierigkeiten, so wäre die Aufgabe in den noch mannigfaltigeren städtischen Verhältnissen um so komplizierter; ja, es muss bezweifelt werden, ob der Gesetzgeber hier zu einer brauchbaren Ordnung gelangen könnte, ohne in Willkür zu verfallen oder alles dem Ermessen der das Gesetz anwendenden Behörden zu überlassen.

Erscheint die Zweckmässigkeit und die Wirksamkeit bundesrechtlicher Vorschriften
gegen die Spekulation auf diesem Gebiete schon an sich als fragwürdig, so mehren sich die Zweifel, wenn man das Verhältnis zur kantonalen Gesetzgebung in Betracht zieht. Ein enger Zusammenhang besteht namentlich mit dem Steuerrecht der Kantone. Diese haben es in der Hand, durch kräftige Besteuerung von Spekulationsgewinnen den Auswüchsen entgegenzutreten, und sie haben von dieser Möglichkeit auch vielfach Gebrauch gemacht. Soweit dieses Mittel die Spekulation selbst nicht beseitigt, sichert es wenigstens der Allgemeinheit einen Anteil am Gewinn und bringt in diesem Sinn den Gesichtspunkt des allgemeinen Wohles zur Geltung. Eine Beschränkung der Spekulation durch bundesrechtliche Vorschriften würde den Kantonen diese Steuerquelle schmälern, ohne ihnen einen Ersatz zu bieten, und die Gemeinden bekämen die Wirkung noch in der Weise nachteilig zu spüren, dass die private Bautätigkeit

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zurückginge. Allerdings hätte, wie oben bemerkt, nach der Absicht der Initianten der Bund seine Gesetzgebung gegen die Spekulation auch hier in Verbindung mit den Kantonen aufzustellen; aber es ist dennoch schwer, sich vorzustellen, wie er das Dilemma lösen sollte, einerseits den durch die Initiative ihm vorgezeichneten Zweck zu erreichen, also die Spekulation zu verhindern, ohne andererseits mit den Kantonen und Gemeinden in Konflikt zu geraten.

Wesentliche Bedeutung kommt sodann den Bauvorschriften der Kantone und Gemeinden zu, insbesondere hinsichtlich der Erschliessung der Eandzonen der Städte und grösseren Ortschaften. Durch die Planung und Erstellung von Strassen, Kanalisationen und ähnlichen Anlagen im Hinblick auf die bevorstehende Überbauung wird in diesen Zonen die freie Verfügung weitgehend eingeschränkt. Im gleichen Masse wird aber der Spekulation der Boden entzogen oder sie wird wenigstens erschwert, so dass ein Eingreifen des Bundesgesetzgebers auch insofern entbehrlich erscheint.

Vom Eechtsstandpunkt soll nicht unerwähnt bleiben, dass derartige, auf kantonalem Recht beruhende Vorschriften die Frage der Eigentumsgarantie berühren, indem sie die freie Verfügung des Eigentümers in bestimmter Eichtung ausschalten. Wie weit solche Eingriffe gehen können, ohne den Begriff des Eigentumsrechtes zu verletzen, das zu entscheiden ist wiederum in erster Linie Sache des kantonalen Eechts. Die Kantonsverfassungen garantieren fast ausnahmslos ausdrücklich das Eigentum. Wohl gilt es auch im Bundesrecht als gewährleistet, trotzdem die Bundesverfassung es, abgesehen vom Prinzip der Entschädigung bei der Enteignung, nicht ausdrücklich sagt; aber der Bundesgesetzgeber wird es besser vermeiden, in diese Frage einzugreifen, wo nicht eine wirkliche Notwendigkeit dafür besteht.

Es ergibt sich somit, dass einheitliche bundesrechtliche Vorschriften zur Bekämpfung der Spekulation auf dem städtischen Liegenschaftsmarkt schwer zu formulieren wären und den sehr verschiedenen Verhältnissen kaum gerecht werden könnten, dass sie aber auch in Anbetracht der im kantonalen Recht schon gegebenen Hemmnisse gegen die Spekulation entbehrlich sind. Es lässt sich denn auch voraussehen, dass eine straffe Kontrolle und Einschränkung des städtischen Liegenschaftshandels auf schärfsten Widerstand stiesse, dem man nicht jede
Berechtigung absprechen könnte. Angesichts solcher Aussichten und der fragwürdigen, zu gewärtigenden Wirkung kann aber dieses Begehren nicht empfohlen werden. Zum mindesten erscheint es verfrüht. Sollen einmal staatliche Massnahmen gegen die Spekulation auf diesem Gebiete Erfolg haben, so müssen sie auf einer sichereren tatsächlichen Grundlage aufbauen können.

In der heutigen Zeit würde der vierte Absatz des Initiativtextes vermutlich an den Schwierigkeiten der gesetzlichen Ausführung scheitern und als Verfassungsvorschrift toter Buchstabe bleiben.

Bei dieser Sachlage kann der Bundesrat auch nicht empfehlen, den vierten Absatz des Initiativbegehrens allein zum Gegenstand eines Gegenentwurfs im Sinne von Artikel 121, Absatz 6, der Bundesverfassung zu machen.

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D. Die Einreibung in die Verfassung Für den Fall der Annahme der Initiative ist der Ort zu bestimmen, an welchem der neue Text in die Verfassung eingereiht werden soll. Das Volksbegehren selbst gibt darüber nicht Aufschluss ; die Initianten haben sich damit begnügt, zu verlangen, dass der von ihnen vorgeschlagene Text der Bundesverfassung beigefügt werde. Unter diesen Umständen wird es der Bundesversammlung obliegen, ihm gegebenenfalls den Platz in der Verfassung anzuweisen. Eine Verletzung oder Überschreitung des Willens der Initianten darf darin nicht erblickt werden, wenn die Bundesversammlung die Stelle bezeichnet und dem Text die entsprechende Artikemummer gibt. Vielmehr handelt es sich angesichts der Unterlassung der Initianten um eine notwendige formelle Ergänzung unter voller Eespektierung ihres Willens in der Sache selbst; denn die neue Vorschrift rnuss in der Verfassung einen bestimmten Platz haben.

Diese durch die Bundesversammlung vorzunehmende Präzisierung hat nur eventuelle Bedeutung für den Fall der Annahme der Initiative. Sie ist daher auch nicht dem Text des Volksbegehrens selbst beizufügen, das als solches unverändert der Abstimmung von Volk und Ständen unterbreitet werden muss (Art. 121, Abs. 6, BV). Vielmehr kann die Bezeichnung der Stelle in der Verfassung und der Artikelzahl Bestandteil des Beschlusses der Bundesversammlung über ihre Stellungnahme zur Initiative bilden. Auf diese Weise wird auch dem Volkswillen kein Zwang angetan, denn dem Stimmbürger wird alsdann aus dem Beschluss der Bundesversammlung ersichtlich, welche Stelle dem Text in der Verfassung angewiesen werden soll.

Für die Auswahl dieser Stelle aber ist der Inhalt des Begehrens massgebend; man wird die neue Bestimmung der Gruppe von Verfassungsartikeln beifügen, der sie am nächsten verwandt ist. Die Anhaltspunkte dafür sind dem vorstehenden Bericht zu entnehmen. Darnach können zum Schutz des Grundeigentums in bestimmter Richtung zivilreehtliche Vorschriften dienen (insbesondere zur Aufstellung einer Belastungsgrenze). Allein für eine wirksame Bekämpfung der Liegenschaftsspekulation reichen solche Vorschriften nicht aus, weil es nicht ohne Einschränkung der Verkehrs- und Vertragsfreiheit abgeht. Wie im Bahnten der Wirtschaftsartikel die Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes in Artikel 81Ms als Ziel gesetzt
wird, so wäre der Platz für eine entsprechende Bestimmung zugunsten des nichtlandwirtschaftlichen Grundbesitzes neben Artikel 31Ms. Man wird also den Text der Initiative gegebenenfalls nicht im Anschluss an Artikel 64, sondern unter den Wirtschaftsartikeln der Verfassung unterbringen. Da er nicht zwischen Artikel 31bls und Artikel 31ter eingeschoben werden kann, aber in dieser engen Gruppe und vor Artikel 32 stehen sollte, empfiehlt sich am ehesten die Einschiebung zwischen den Artikel 31lulnlules und 32 als Artikel 31sexies.

349 Aus unserem Bericht ergeben sich folgende S c h l u s s f o l g e r u n g e n : Das Volksbegehren der schweizerischen Bauernheimatbewegung zum Schutze des Bodens und der Arbeit durch Verhinderung der Spekulation ist, soweit es sich auf den landwirtschaftlich nutzbaren Boden bezieht, unnötig, weil diese Aufgabe auf Grund der bestehenden Verfassung gelöst werden kann und teilweise bereits gelöst worden ist; soweit es anderes Grundeigentum zum Gegenstand hat, kann es aus sachlichen Erwägungen nicht befürwortet werden.

Demgemäss ist das Begehren als Ganzes abzulehnen.

Für den Fall der Annahme jedoch ist die vorgeschlagene Bestimmung als Artikel 31sexles in die Bundesverfassung einzuordnen.

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf eines diesen Schlussfolgerungen entsprechenden Bundesbeschlusses zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den S.Februar 1950.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. I.

25

350 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

das Volksbegehren zum Schutze des Bodens und der Arbeit durch Verhinderung der Spekulation

Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht in das Volksbegehren zum Schutze des Bodens und der Arbeit durch Verhinderung der Spekulation und in einen Bericht des Bundesrates vom 3. Februar 1950, gestützt auf Artikel 121 der Bundesverfassung und Artikel 8 ff. des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Eevision der Bundesverfassung, beschliesst :

Art. l Das Volksbegehren zum Schutze des Bodens und der Arbeit durch Verhinderung der Spekulation lautet wie folgt: «Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger stellen gemäss Artikel 121 der Bundesverfassung und gemäss dem Bundesgesetz vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Eevision der Bundesverfassung folgendes Begehren.

Der Bundesverfassung wird nachstehender Artikel beigefügt: ,Der Bund trifft in Verbindung mit den Kantonen die erforderlichen Massnahmen, um das nutzbare Grundeigentum der Spekulation zu entziehen.

Diese Massnahmen bezwecken insbesondere: Landwirtschaftlich nutzbaren Boden soll nur erwerben können, wer ihn als Grundlage seiner Existenz selbst bebaut. Ausnahmen regelt die Gesetzgebung.

Landwirtschaftlich nutzbarer Boden ist vor Überschuldung zu schützen.

Die Spekulation mit Grundeigentum, das Geschäfts- und Wohnzwecken dient, soll verhindert werden.'»

351 Art. 2 Dieses Volksbegehren wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

Art. 3 Im Palle der Annahme wird die den Gegenstand des Volksbegehrens bildende Bestimmung als Artikel 31sexle8 in die Bundesverfassung aufgenommen.

Art. 4 Dem Volke und den Ständen wird die Verwerfung des Volksbegehrens beantragt.

Art. 5 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren vom 1. Juli 1943 zum Schutze des Bodens und der Arbeit durch Verhinderung der Spekulation (Vom 3. Februar 1950)

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09.02.1950

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