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Bundesblatt 102. Jahrgang

Bern, den 5. Januar 1950

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis 38 Franken im Jahr, 15 franken im Halbjahr saziiglieli Nachnahme- und PostbestellnngsgeiiiHtr MnrüdeanffsgetüJir: 60 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die 31. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz und über die Ratifikation verschiedener internationaler Arbeitsübereinkommen durch die Schweiz (Vom 5. Januar 1950) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir erstatten Ihnen hiemit Bericht über die 31. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

A. Die Konferenztagung I. Einleitung 1. Allgemeines und Zusammensetzung der schweizerischen Delegation Von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika eingeladen, hat die Internationale Arbeitskonferenz ihre 81. Tagung vom 17. Juni bis 10. Juli 1948 in San Francisco abgehalten. Daran nahmen 51 Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation mit 446 Delegierten und technischen Eatgebern teil. Burma, Pakistan, die Philippinen, Salvador und Syrien wurden als neue Mitglieder begrüsst. Den Vorsitz führte der französische Regierungsvertreter und frühere Minister Justin Godart.

Die schweizerische Delegation wurde vom Bundesrat wie folgt bestellt: Regierungsvertreter: Dr. William Rappard, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Genf und Direktor des Institut universitaire des hautes études internationales, sowie Fürsprech Max Kaufmann, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit: Arbeitgebervertreter: Charles Kuntschen (Zentralverband schweizerischer Arbeitgeberorganisationen) ; Arbeitnehmervertreter: Jean Möri (Schweizerischer Gewerkschaftsbund). Dazu kamen einige technische Berater, die sich teils schon in Amerika befanden.

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. I.

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2. Tagesordnung der Konferenz Die Tagesordnung der Konferenz umfasste folgende Gegenstände: Bericht des Generaldirektors; Finanz- und Budgetfragen; Berichte über die Anwendung der Übereinkommen; Organisation der Arbeitsmarktverwaltung (zweite Beratung) und Abänderung des Übereinkommens (Nr. 34) über Büros für entgeltliche Arbeitsvermittlung ; 5. Berufsberatung (erste Beratung); 6. Löhne: a. Allgemeiner Bericht (vorläufige Beratung), b. Klausel betreffend den «angemessenen Lohn» in den von den Behörden abgeschlossenen Verträgen (erste Beratung), c. Lohnschutz (erste Beratung); 7. Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes (einfache Beratung) ; 8. Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Eechtes zu Kollektivverhandlungen, Gesamtarbeitsverträge, Einigungs- und Schlichtungswesen, Zusammenarbeit zwischen Behörden und Berufsverbanden (erste Beratung); 9. Teilweise Abänderung des Übereinkommens (Nr. 4) über die Nachtarbeit der Frauen, 1919, und des Übereinkommens (Nr. 41) über die Nachtarbeit der Frauen (abgeänderter Wortlaut), 1934; 10. Teilweise Abänderung des Übereinkommens (Nr. 6) über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe, 1919; 11. Ersatz der im Anhang des Übereinkommens (Nr. 83) über Arbeitsnormen in den ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebieten, 1947, enthaltenen Bestimmungen des Übereinkommens (Nr. 41) über die Nachtarbeit der Frauen (abgeänderter Wortlaut), 1934, und des Übereinkommens (Nr. 6) über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe, 1919, durch die entsprechenden nunmehr vorgeschlagenen Bestimmungen der neugefassten Übereinkommen ; 12. Privilegien und Immunitäten der Internationalen Arbeitsorganisation; 13. Wahl des Verwaltungsrates.

Der Umfang dieser Traktandenliste überschreitet -- was wir vor dem Eintreten auf die einzelnen Fragen vorausschicken möchten -- offenbar das zuträgliche Mass. Die Neigung, das Arbeitspensum der Internationalen Arbeitskonferenzen allzu umfangreich zu gestalten, hat sich, worauf schweizerischerseits schon mehrfach hingewiesen wurde, besonders in den letzten Jahren verschiedentlich bemerkbar gemacht. Darunter muss unweigerlich die Qualität der geleisteten Arbeit leiden. Schon die Vorbereitungen, mit denen sich das Internationale Arbeitsamt, aber auch die Behörden und die Berufsverbände der Mitgliedstaaten zu befassen haben, können infolge der Vielzahl der Gegen1.

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stände nicht immer mit der gewünschten Umsicht und Sorgfalt durchgeführt werden. An der Konferenz reicht erst recht die Zeit nicht dazu, den einzelnen Traktanden die Aufmerksamkeit zu widmen, die sie verdienen. Auch führt die Überlastung der Tagesordnung dazu, dass es kleineren Staaten oder solchen, die fern vom Konferenzort gelegen sind, unmöglich ist, Delegationen zu entsenden, die für eine angemessene Vertretung in der übergrossen Zahl von Fachkommissionen ausreichen. Unser Land wird sich im Interesse der Internationalen Arbeitsorganisation selbst weiterhin darum bemühen, dass sich die Internationale Arbeitskonferenz in der Gestaltung ihrer Tagesordnung die wünschenswerte Beschränkung auferlege.

u. Verhandlungen und Hauptbeschlüsse der Konferenz 1. Bericht des Generaldirektors

Die Behandlung des Berichtes des Generaldirektors nahm wie gewöhnlich einen grossen Teil der Plenarsitzungen in Anspruch, deren Besuch -- u. a. eben infolge der Überlastung der Tagesordnung -- allerdings öfters sehr zu wünschen übrig liess. Die 87 Kedner, die das Wort ergriffen, verbreiteten sich über die verschiedensten Fragen wirtschaftlicher und sozialer Natur, über den Stand der Gesetzgebung und über die sozialpolitischen Mas&nahrnen in einzelnen Ländern, über die besondern Wirtschaftsprobleme bestimmter Weltteile (Lateinamerika, Asien, Naher und Mittlerer Orient) und die Bedeutung der dort von der Internationalen Arbeitsorganisation veranstalteten regionalen Konferenzen. Der Marshallplan fand in der Debatte starke Beachtung, und in Verbindung damit wurde immer wieder die Notwendigkeit vermehrter Produktion betont. Wie üblich wurden auch die Verhaltnisse der Internationalen Arbeitsorganisation selber vielfach erörtert, wobei besonders der geringe Fortschritt in der Eatifikation der internationalen Arbeitsübereinkommen Kritik hervorrief.

Das Scheiden des Generaldirektors, Edward Phelan, der dem Stabe des Internationalen Arbeitsamtes seit dessen Gründung angehört hatte und der, nachdem er den Direktionsposten seit 1941 innegehabt, nunmehr wegen Erreichung der Altersgrenze zurücktrat, gab Anlass, dessen vielfache, langjährige Verdienste in besonders schwieriger Zeit gebührend zu würdigen. Zu seinem Nachfolger wählte der Verwaltungsrat den Amerikaner David Morse, der schon auf eine glänzende Laufbahn zurückblicken kann und zuletzt Unterstaatssekretär im Arbeitsdepartement der Vereinigten Staaten war. Seine Wahl wurde von der Konferenz lebhaft begrüsst, und es ist vorauszusehen, dass das Amt und mit ihm die ganze Internationale Arbeitsorganisation von dieser tatkräftigen und zielbewussten Persönlichkeit starke neue Impulse erhalten werden.

2. Finanz- und Budgetfragen Die Kommission zur Beratung des vom Verwaltungsrate vorbereiteten Budgets der Internationalen Arbeitsorganisation für 1949 setzte sich so zu-

sammen, dass jeder Mitgliedstaat durch einen ßegierungsdelegierten vertreten war. Bei den Verhandlungen, die nicht durchwegs die ihnen nach der Natur der Sache gebührende Beachtung fanden, standen u. a. als wichtige Fragen die Verteilung der Lasten auf die Mitgliedstaaten und das Vorgehen gegenüber Ländern, die sich im Zahlungsrückstand befinden, zur Erörterung. Verschiedene Bedner verlangten, dass die Konferenz nicht erst gegen Ende, sondern schon zu Beginn ihrer Tagungen in die Budgetdebatte eintrete und dass der nächste Bericht des Generaldirektors einen zusammenfassenden Überblick über die finanzielle Lage der Internationalen Arbeitsorganisation enthalte.

Die Konferenz genehmigte am Schluss mit 124 Stimmen bei 2 Enthaltungen die ihr vorgelegte Eesolution über das Budget 1949 in der Höhe von 5 215 539 Dollars (Erhöhung gegenüber dem Vorjahr ca. 17%) und die Verteilung dieses Betrages auf die Mitgliedstaaten. Auf die Schweiz entfällt die Summe von 91 553 Dollars.

3. Berichte über die Anwendung der Übereinkommen (Art. 22 der Verfassung) Die Frage der Durchführung der von der Internationalen Arbeitskonferenz beschlossenen und von den Mitgliedstaaten ratifizierten Übereinkommen rührt an die Existenzgrundlagen der Internationalen Arbeitsorganisation. Würden die Übereinkommen von den Ländern, die ihnen beigetreten sind, nicht oder nur mangelhaft durchgeführt, so müssten sie damit allen Wert einbüssen, und die Internationale Arbeitsorganisation selber würde ihre eigentliche praktische Zweckbestimmung verlieren. Deshalb gilt es, die Übereinstimmung der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten mit den Bestimmungen der von ihnen ratifizierten Übereinkommen und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften ständig zu kontrollieren. Es ist dies eine der wichtigsten Aufgaben der Internationalen Arbeitsorganisation und ein Verhandlungsgegenstand, dem sich die Konferenz alljährlich zu widmen hat. Darum kommt auch der Kommission, die von der Konferenz jeweils hiezu eingesetzt wird und die man als «das Gewissen der Internationalen Arbeitsorganisation» bezeichnet hat, besondere Bedeutung zu.

Auf Grund der revidierten Verfassung der Organisation, die unser Land am 22. August 1947 ratifiziert hat und die am 20. April 1948 in Kraft getreten ist, wird in Zukunft der Frage, wie weit die Mitgliedstaaten den Beschlüssen der
Konferenz Folge geleistet haben, noch stärkere Beachtung zu schenken sein, und die Untersuchung wird sich auch auf Massnahmen zu erstrecken haben, welche die Staaten in bezug auf die von ihnen nicht ratifizierten Übereinkommen sowie auf Empfehlungen treffen.

Der von der Konferenz zur Prüfung der Durchführung der Übereinkommen eingesetzten Kommission lagen von insgesamt 763 Jahresberichten, welche die Begierungen nach Artikel 22 der Verfassung schuldeten, 630 vor. Von diesen 630 Berichten, die sich auf 53 Übereinkommen bezogen, waren aber nur 150 fristgerecht dem Internationalen Arbeitsamt eingesandt worden.

In dem von der Konferenz einstimmig angenommenen Kommissionsbericht -- Berichterstatter war der schweizerische Begierangsdelegierte Dir. Kaufmann -- wurde ausgeführt, dass hier nicht alles zum besten bestellt sei, und über das Verhältnis zwischen nationaler Gesetzgebung und internationalen Übereinkommen insbesondere erklärt: «Niemand wird verkennen, dass der Erlass gesetzlicher Vorschriften allein nicht genügt, sondern dass es notwendig ist, ihre Einhaltung zu überprüfen und nötigenfalls zu erzwingen...

Die Kommission erklärt von neuem, dass nur eine E a t i f i k a t i o n zulässig ist, die in die praktische Wirklichkeit umgesetzt wird. Der Staat, der einem Übereinkommen beitritt, übernimmt eine grosse Verantwortung. Er muss sich der Tragweite seines Schrittes bewusst sein. Es ist deshalb für ihn dringend erforderlich, sich vor der Eatifikation zu vergewissern, dass seine Gesetzgebung in jeder Hinsicht, also auch mittels Sanktionen, in der Lage ist, die Einhaltung der Bestimmungen des in Frage stehenden Übereinkommens zu verbürgen.» 4. Organisation der Arbeitsmarktverwaltung und Abänderung des Übereinkommens über Büros für entgeltliche Arbeitsvermittlung Die Konferenz hatte sich mit diesem Gegenstand im Sinne des Verfahrens der doppelten Beratung abschliessend zu befassen. Aus ihren Verhandlungen gingen folgende Beschlüsse hervor, über die wir uns in Abschnitt III, S. 13, näher äussern, und die in der Beilage II, S. 46. im Wortlaut enthalten sind: -- Übereinkommen (Nr. 88) über die Organisation der A r b e i t s marktverwaltung.

Dieses Übereinkommen wurde mit 128 Stimmen bei 7 Enthaltungen ohne Gegenstimme angenommen. Die schweizerischen Eegierungsdelegierten stimmten dafür.

-- E m p f e h l u n g (Nr. 83) b e t r e f f e n d die Organisation der Arbeitsmarktverwaltung.

Diese Empfehlung wurde mit 102 gegen 24 Stimmen bei 24 Enthaltungen angenommen. Die schweizerischen Eegierungsdelegierten enthielten sich der Stimme.

In bezug auf die Abänderung des Übereinkommens über Büros für entgeltliche Arbeitsvermittlung -- es geht hier um die Frage der Aufrechterhaltung oder Abschaffung dieser Büros -- konnte in der von der Konferenz für die Fragen des Arbeitsmarktes und der Berufsberatung bestellten Kommission keine Einigung erzielt werden. Die Konferenz begnügte sich deshalb damit, eine Eesolution anzunehmen, nach der ihr die Frage an der Tagung von 1949 erneut als Traktandum vorgelegt werden soll.

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5. Berufsberatung Mit dem Problem der Berufsberatung hatte sich die Internationale Arbeitsorganisation schon öfters befasst, namentlich im Zusammenhang mit den Fragen der beruflichen Ausbildung, der Arbeitslosigkeit der Jugendlichen und der Unfallverhütung. Als eigentliches Traktandum stand es erstmals auf der Tagesordnung der Konferenz. Die vorbereitende Kommission gelangte zu Schlussfolgerungen, die eine geeignete Grundlage für die Aufstellung einer Empfehlung bilden dürften, und die Konferenz beschloss in einer Resolution einstimmig, den Gegenstand zur abschliessenden Behandlung und zur Beschlussfassung über eine Empfehlung auf das Traktandenverzeichnis ihrer nächsten Tagung zu setzen.

6. Löhne Das Traktandum der Löhne umfasste neben dem Lohn im allgemeinen die Behandlung der besondern Fragen des «angemessenen Lohnes» in den von den Behörden abgeschlossenen Verträgen und des Lohnschutzes.

Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Lohnproblem nahm die Konferenz mehrere Besolutionen an. Die eine betraf den Grundsatz der Lohngleichheit für männliche und weibliche Arbeitskräfte bei gleicher Leistung, eine Frage, die näher zu prüfen der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinigten Nationen zu Beginn des Jahres 1948 die Internationale Arbeitsorganisation eingeladen hatte. Eine andere Eesolution befasste sich mit der Frage einer Lohngarantie für Arbeitnehmer, die vorübergehend arbeitslos sind. Die Konferenz beantragte dem Verwaltungsrat, beide Gegenstände auf die Tagesordnung einer der nächsten Konferenzen zu setzen; ebenso beschloss sie, die weitere Behandlung der allgemeinen Lohnfrage bis zur Konferenz 1949 zu verschieben, da der grundlegende Bericht des Amtes aus Zeitmangel nicht zu Ende beraten werden konnte.

Bei der Frage des «angemessenen Lohnes» in den von den Behörden abgeschlossenen Verträgen geht es darum, den Arbeitnehmern die auf Grund bestimmt umschriebener, von einer Behörde mit einem privaten Arbeitgeber abgeschlossener Verträge beschäftigt werden, gewisse Sicherheiten bezüglich der Löhne, der Arbeitszeit und anderer Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, während es sich bei der Frage des Lohnschutzes in allgemeiner Weise darum handelt, den Lohnempfängern die rasche und ungeschmälerte Auszahlung ihrer Löhne zu sichern. Im Sinne des Verfahrens der doppelten Beratung behandelte die Konferenz die
beiden Gegenstände zum erstenmal, nahm hier wie dort die Aufstellung eines Übereinkommens und einer Empfehlung in Aussicht und fasste zwei Eesolutionen, nach denen diese Fragen (die erste unter der Bezeichnung «Die Arbeitsbedingungen in. den ö f f e n t lichen Verträgen») der Tagung von 1949 zur zweiten und abschliessenden Behandlung zu unterbreiten seien.

7. Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes Wie wir in unserem Bericht über die 30. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz ausgeführt haben (BB1 1949, I, 8), war diese Frage zunächst auf Wunsch des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinigten Nationen der Internationalen Arbeitsorganisation vorgelegt worden. Die Arbeitskonferenz von 1947 hatte sich schon mit dem Gegenstande befasst und beschlossen, ihn auf die Traktandenliste ihrer nächsten Tagung zu setzen. Es zeigte sich an der Konferenz von San Francisco, dass die Frage einen starken politischen Einschlag hatte und mehr als jede andere die Gemüter bewegte. Die Beratungen führten zn einem -- Übereinkommen (Nr. 87) über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes.

Dieses Übereinkommen wurde mit 127 Stimmen, bei 11 Enthaltungen, ohne Gegenstimme angenommen, wobei die schweizerischen Begierungsdelegierten dafür stimmten. Wir kommen in Abschnitt III, S. 11, auf den Inhalt des Übereinkommens zurück, dessen Wortlaut in Beilage II. S. 40, wiedergegeben ist.

Ausserdem hatte sich die Konferenz mit einer Eesolution zu beschäftigen, welche die Schaffung eines internationalen Organs zum Schutze der Vereinigungsfreiheit zum Gegenstand hatte (siehe Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz BBI 1949, I, 4). In dieser Eesolution wird der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes ersucht, «mit den zuständigen Stellen der Vereinigten Nationen in Verhandlungen einzutreten zwecks Prüfung der Frage, in welcher Weise die bestehenden internationalen Organe ausgebaut werden könnten, um die Sicherstellung der Vereinigungsfreiheit zu verbürgen, und hierüber auf einer der nächsten Tagungen Bericht zu erstatten».

8. Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen, Gesamtarbeitsverträge, Einigungs- und Schlichtungstvesen, Zusammenarbeit zwischen Behörden und Berufsverbänden Dieser Verhandlungsgegenstand ist mit dem vorausgehenden eng verbunden und wurde von derselben Kommission behandelt. Aus Zeitmangel konnte sie sich jedoch nicht mit der Gesamtheit dieses Problems befassen. Sie beschränkte infolgedessen ihre Beratungen auf die Frage der Anwendung der Grundsätze des Vereinigungs- und Verhandlungsrechts. Die Konferenz
nahm die Schlussfolgerungen an, die ihr die Kommission in bezug auf ein Übereinkommen über diese Frage unterbreitete, Schlussfolgerungen, die als Grundlage für die Weiterbehandlung des Gegenstandes dienen sollten. Ausserdem genehmigte sie einstimmig eine Eesolution. Diese betrifft

1. Die A u f n a h m e der Frage der Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Eechtes zu Kollektivverhandlungen auf die Tagesordnung der nächsten Internationalen Arbeitskonferenz im Hinblick auf die Annahme eines Übereinkommens oder einer Empfehlung an dieser Tagung und 2. die Aufnahme der Frage der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, einschliesslich Gesamtarbeitsverträge, Binigungs- und Schlichtungswesen und Zusammenarbeit zwischen Behörden und Berufsverbänden, auf die Tagesordnung der nächsten Internationalen Arbeitskonferenz zum Zwecke einer ersten Beratung.

Was die Frage der Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Eechtes zu Kollektivverhandlungen betrifft, hat die Internationale Arbeitskonferenz von 1949 ein Übereinkommen angenommen, welches das an der Konferenz von 1948 beschlossene Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes ergänzt. Über dieses zweite Übereinkommen werden wir uns in unserem nächsten Bericht äussern.

9. Teilweise Abänderung der Übereinkommen von 1919 und 1934 über die Nachtarbeit der Frauen Das Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen (Nr. 4) von 1919 war schon durch die Konvention (Nr. 41) von 1934 über denselben Gegenstand abgeändert worden. Nun hatte der Verwaltungsrat auf Grund der in den Übereinkommen enthaltenen Bestimmung, wonach über deren Durchführung alle 10 Jahre ein Bericht zu erstatten und die Frage ihrer gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz zu setzen sei, dieser neuerdings die beiden Konventionen zum Zwecke der Beschlussfassung über eine Partialrevision unterbreitet. Die Konferenz genehmigte ein -- Übereinkommen (Nr. 89) über die N a c h t a r b e i t der Frauen im Gewerbe *) (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1948).

Das Abstimmungsresultat zeigte folgendes Stimmenverhältnis: 120 Ja, 2 Nein und 9 Enthaltungen. Die schweizerischen Kegierungsdelegierten stimmten dafür. Der Wortlaut des Übereinkommens, mit dem wir uns in Abschnitt III, S. 16, eingehender befassen, ist in Beilage II, S. 59, abgedruckt.

Die Konferenz nahm ferner eine Eesolution an, worin die Frage der Nachtarbeit der Frauen in den Verkehrsbetrieben dem Verwaltungsrat zur Prüfung und Vorkehrung der geeigneten Massnahmen überwiesen wurde.

l ) Wie bei den Texten der
Internationalen Arbeitskonferenz stets zu betonen ist, hat der deutsche Ausdruck « Gewerbe » nicht die in der Schweiz übliche Bedeutung, sondern den Sinn von Güterproduktion im allgemeinen, ausgenommen die Landwirtschaft.

9 10. Teilweise Abänderung des Übereinkommens von 1919 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe

Schon an ihrer 27. Tagung von 1945 hatte die Konferenz eine Eesolution gefasst, die den Verwaltungsrat ersuchte, zu prüfen, ob die Frage der Abänderung des Übereinkommens von 1919 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe demnächst auf die Tagesordnung der Konferenz zu setzen sei.

Die Frage stand in naher Beziehung zur Eevision der Konvention über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe. Aus den Beratungen der Konferenz ging hervor ein -- Übereinkommen (Nr. 90) ü b e r die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe 1 ) (abgeänderter W o r t l a u t von 1948).

Das Übereinkommen wurde mit 120 Stimmen ohne Gegenstimme, bei 5 Enthaltungen, angenommen, wobei unsere Eegierungsdelegierten dafür stimmten. Wir kommen auf dieses Übereinkommen, dessen Wortlaut in Beilage II, S. 64, abgedruckt ist, in Abschnitt III, S. 18, zurück.

Die Konferenz genehmigte ferner zwei Eesolutionen. Die eine ersucht den Verwaltungsrat, die Frage der Nachtarbeit der Jugendlichen in Betrieben des Binnengewässer- und Luftverkehrs zu prüfen und die geeigneten Massnahmen zu treffen. Die andere empfiehlt die vorgängige Befragung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände in Fällen, in denen das nationale Interesse infolge besonders schwerwiegender Umstände die Aufhebung der Vorschriften über die Nachtarbeit der Jugendlichen verlangt.

11. Ersatz der im Anhang des Übereinkommens (Nr. 83) über Arbeitsnormen in den ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebieten, 1947, enthaltenen Bestimmungen des Übereinkommens (Nr. 41) über die Nachtarbeit der Frauen (abgeänderter W ortlaut), 1934, und des Übereinkommens (Nr. 6) über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe, 1919, durch die entsprechenden nunmehr vorgeschlagenen Bestimmungen der neugefassten Übereinkommen

Diese Frage betrifft die Anwendung internationaler Arbeitsnormen auf Kolonialgebiete und berührt deshalb unser Land nicht unmittelbar. Es handelte sich hier darum, im Anhang zum Übereinkommen Nr. 83 über die Durchführung der internationalen Arbeitsnormen in den ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebieten die dort wiedergegebenen Bestimmungen der Übereinkommen Nr. 6 und Nr. 41 über die Nachtarbeit der Frauen und der Jugendlichen durch die entsprechenden Bestimmungen der an der Konferenz von San Francisco angenommenen neugefassten Übereinkommen zu ersetzen. Die Konferenz genehmigte zu diesem Zweck eine 1

) Siehe Fussnote auf vorstehender Seite.

10 -- U r k u n d e über die Abänderung des Anhangs zum Übereinkommen über Arbeitsnormen in den ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebieten, 1947.

Der Text dieses Instrumentes, der in Beilage II, S. 71, wiedergegeben ist, wurde mit 84 Stimmen, ohne Gegenstimme, bei 32 Enthaltungen angenommen. Die schweizerische Eegierungsvertreter übten Stimmenthaltung.

12. Privilegien und Immunitäten der Internationalen Arbeitsorganisation Die Konferenz hatte sich schon im Vorjahr mit der Frage der Privilegien und Immunitäten der Internationalen Arbeitsorganisation befasst, ihre Arbeiten auf diesem Gebiet aber vorübergehend eingestellt, um zuerst die Beschlussfassung der Vereinigten Nationen über ein Abkommen abzuwarten, das ganz allgemein die Privilegien und Immunitäten ihrer SpezialOrganisationen -- die Internationale Arbeitsorganisation ist eine von ihnen -- zum Gegenstand haben sollte. Inzwischen hatte die Generalversammlung der Vereinigten Nationen am 21. November 1947 ein hierauf bezügliches Übereinkommen angenommen.

Das Übereinkommen der Vereinigten Nationen über die Privilegien und Immunitäten der SpezialOrganisation enthält zunächst in einem allgemeinen Teil die für sämtliche SpezialOrganisationen in dieser Frage geltenden Grundsätze. Hieran schliessen sich mehrere Beilagen an, die den Zweck verfolgen, das Übereinkommen den besondern Erfordernissen der einzelnen Spezialorganisationen anzupassen. Dieser zweite Teil des Übereinkommens stellt lediglich einen Vorschlag der Vereinigten Nationen dar und lässt den SpezialOrganisationen die Möglichkeit, den Text abzuändern und zu ergänzen.

Das Übereinkommen wurde zunächst eingehend vom Verwaltungsrat und hierauf von der Kommission für die Geschäftsordnung der Konferenz geprüft.

Geinäss dem Antrage der Kommission stimmte die Konferenz den allgemeinen Grundsätzen des Übereinkommens zu und nahm nach Abänderung einzelner Bestimmungen in dem von den Vereinigten Nationen vorgelegten Text der auf die Internationale Arbeitsorganisation bezüglichen Beilage auch diese an. Mit der Übermittlung der Beilage an den Generalsekretär der Vereinigten Nationen ist das Übereinkommen auf die Internationale Arbeitsorganisation anwendbar geworden und kann von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden.

13. Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates Nach Artikel 7 der Verfassung der
Internationalen Arbeitsorganisation setzt sich der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes aus 32 Personen zusammen, und zwar 16 Personen als Vertreter der Eegierungen, 8 Personen als Vertreter der Arbeitgeber und 8 Personen als Vertreter der Arbeitnehmer.

Von den 16 die Regierungen vertretenden Personen werden 8 durch die Mitgliedstaaten ernannt, denen wirtschaftlich die grösste Bedeutung zukommt,

11 und 8 durch die Mitgliedstaaten, die zu diesem Zweck von den zur Konferenz abgeordneten Regierungsvertretern, unter Ausschluss der Vertreter der erwähnten 8 Staaten, bezeichnet worden sind. Der Verwaltungsrat wird alle drei Jahre neu gewählt. Er stellt, sooft sich ein Bedürfnis ergibt, fest, welchen Mitgliedstaaten wirtschaftlich die grösste Bedeutung zukommt. Über jeden Einspruch eines Mitgliedstaates gegen den hierauf bezüglichen Beschluss des Verwaltungsrates entscheidet die Konferenz.

Auf Grund dieser Vorschriften bezeichnete der Verwaltungsrat folgende Mitgliedstaaten als diejenigen, denen wirtschaftlich die grösste Bedeutung zukommt : Vereinigte Staaten von Amerika, Grossbritannien, Frankreich, Indien, China, Kanada (diese 6 Staaten behalten ihre bisherigen Sitze bei), Brasilien (an Stelle der Niederlande) und Belgien. Was Belgien betrifft, wurde ihm sein bisheriger Sitz nur vorläufig belassen. Inzwischen hat Italien an Stelle von Belgien einen der Sitze erhalten, die den Staaten von wirtschaftlich grösster Bedeutung eingeräumt werden, während Belgien anderseits den durch diese Wahl Italiens vakant gewordenen Sitz eingenommen hat.

Die acht Arbeitgebervertreter wurden von ihrer Gruppe gewählt, ebenso die acht Arbeitnehmervertreter.

14. Sonstige Beschlüsse Ausser den im Verlaufe unserer Darlegungen schon erwähnten Eesolutionen, die im Zusammenhang mit den Traktanden der Konferenz standen, nahm diese wie üblich noch eine Beihe weiterer Besolutionen an, von denen einige hier vermerkt seien. Durch die eine wurde der Höchstkommandierende der alliierten Streitkräfte in Japan eingeladen, eine Delegation von Beobachtern an die Tagungen der Konferenz sowie an diejenigen der von der Internationalen Arbeitsorganisation eingesetzten Industriekommissionen zu entsenden. In einer andern Resolution wird beantragt, die Frage der Arbeitsbedingungen des Hausdienstpersonals auf die Tagesordnung einer der nächsten Arbeitskonferenzen zu setzen, während eine weitere die Prüfung der Arbeitsverhältnisse der im Flugwesen beschäftigten Personen verlangt. Schliesslich sei eine Resolution genannt, die sich im Sinne des von den Vereinigten Nationen erlassenen Aufrufes zugunsten der Fortsetzung des Kinderhilfswerkes ausspricht.

Ebenso genehmigt die Konferenz verschiedene Abänderungen ihres Réglementes.

m. Die
verschiedenen Beschlüsse der Konferenz und die Stellungnahme der Schweiz 1. Übereinkommen ilber die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes a. Inhalt des Ü b e r e i n k o m m e n s Artikel i verpflichtet jedes ratifizierende Mitglied, die folgenden Bestimmungen zur Anwendung zu bringen.

12 Artikel 2 gibt den Arbeitnehmern und Arbeitgebern ohne Unterschied das Eecht, sich nach freiem Ermessen zusammenzuschliessen, und umschreibt somit den persönlichen Geltungsbereich.

Artikel 3 sichert den Verbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Recht, ihre Organisation und Tätigkeit nach freiem Willen zu gestalten.

Nach Artikel 4 kann eine Verwaltungsbehörde die Verbände weder auflösen noch in ihrer Tätigkeit einstellen.

Artikel 5 und 6 geben den Verbänden das Becht, sich zu umfassenderen Organisationen zu verbinden oder sich solchen anzuschliessen, wobei diesen Organisationen dieselben Rechte eingeräumt werden, wie sie den einzelnen Verbänden nach Artikel 2--4 zustehen. Ebenso wird die Befugnis zum Ansohluss an internationale Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen ausdrücklich festgelegt.

Nach Artikel 7 darf der Erwerb der juristischen Persönlichkeit nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden, die das Recht der Vereinigungsfreiheit im Sinne der Artikel 2--4 beschränken.

Artikel 8 behandelt das wechselseitige Verhältnis zwischen Vereinigungsfreiheit und allgemeiner Gesetzgebung.

Nach Artikel 9 ist es Sache der nationalen Gesetzgebung, zu bestimmen, wie weit die durch das Übereinkommen gewährten Sicherheiten auf die Angehörigen der Armee und der Polizei Anwendung zu finden haben. Doch sollen im Sinne von Artikel 19, Absatz 8, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation bereits bestehende Rechte dieser Gruppen durch die Ratifikation des Übereinkommens nicht berührt werden.

Artikel 10 umschreibt den Begriff der «Organisation».

Nach Artikel 11 verpflichtet sich jeder ratifizierende Mitgliedstaat, alle nötigen Massnahmen zu treffen, um den Arbeitnehmern und Arbeitgebern die freie Ausübung des Vereinigungsrechtes zu gewährleisten.

Artikel 12 und 13 betreffen die Anwendung des Übereinkommens auf Kolonialgebiete.

6. Stellungnahme

der Schweiz

Die Vereinsfreiheit ist nach Artikel 56 der Bundesverfassung allen Bürgern gewährleistet und gehört zu unsern traditionellen Freiheitsrechten. Gestützt darauf haben wir schon das «Internationale Übereinkommen über das Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer» von 1921 ratifiziert, das allerdings lediglich die Verpflichtung enthält, den in der Landwirtschaft beschäftigten Personen das gleiche Vereinigungsrecht zu gewährleisten wie den übrigen Arbeitnehmern. Das in Betracht stehende «Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes» von 1948, das wie der zitierte Artikel der Bundesverfassung den

13 Gegenstand in bezug auf das Verhältnis des Einzelnen zum Staat, nicht aber zu andern Privatpersonen regelt, wurde von der Internationalen Arbeitskonferenz, wie oben schon gesagt, mit 127 Stimmen ohne Gegenstimme, bei 11 Enthaltungen, angenommen. Die vier schweizerischen Delegierten stimmten geschlossen dafür. Wenn nicht wichtige Gründe dagegen sprechen, erscheint auch die Eatifikation dieses Übereinkommens durch unser Land als gegeben.

Entscheidend ist aber, ob unser geltendes Becht mit den Normen des Übereinkommens übereinstimmt. Nun wurde schon in San Francisco von verschiedener Seite, so auch von unseren Begierungsdelegierten darauf hingewiesen, dass Bedeutung und Tragweite des Übereinkommens in einigen Punkten unklar sind. Deshalb war es notwendig, den Organen der Internationalen Arbeitsorganisation vorerst noch verschiedene Fragen zur Abklärung zu unterbreiten, da die Schweiz hier wie in allen andern Fällen das Übereinkommen nur wird ratifizieren können, wenn unsere Gesetzgebung mit ihm völlig übereinstimmt und dessen Durchführung in allen Teilen gesichert ist. Die Antwort des Internationalen Arbeitsamtes bleibt noch abzuwarten. "Wir hoffen, Urnen unsere Stellungnahme in unserm Bericht über die 32. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz von 1949 abschliessend bekanntgeben zu können, gleichzeitig mit der Behandlung des Übereinkommens über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Bechtes zu Kollektiv Verhandlungen, welches das in Betracht stehende Übereinkommen ergänzt.

2. Übereinkommen und Empfehlung über die Organisation der Arbeitsmarktverwaltung a. Inhalt des Übereinkommens und der Empfehlung Das Übereinkommen verpflichtet in Artikel l jeden Mitgliedstaat, eine öffentliche, unentgeltliche Arbeitsmarktverwaltung -- es handelt sich nicht nur um den «Arbeitsnachweis» im engern Sinne -- zu unterhalten oder für das Bestehen einer solchen zu sorgen. Die Hauptaufgabe dieser Verwaltung hat darin zu bestehen, im Eahmen eines staatlichen Plans zur Erzielung und Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung sowie zur Steigerung und Ausnützung der Produktionskräfte die bestmögliche Organisation des Arbeitsmarktes zu gewährleisten.

Artikel 2 und 3 behandeln die Gestaltung der Arbeitsmarktverwaltung und schreiben ein zentral geleitetes System von Arbeitsämtern vor, das ein Netz
lokaler und nötigenfalls regionaler Ämter zu umfassen hat.

Artikel 4 und 5 betreffen die Mitwirkung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Organisation und Tätigkeit der Arbeitsmarktverwaltung und bei Behandlung der allgemeinen grundsätzlichen Fragen der Arbeitsmarktpolitik.

Artikel 6 enthält eine ausführliche Zusammenstellung der Aufgaben der Arbeitsmarktverwaltung. Darin kommt die wachsende Bedeutung zum Aus-

14 druck, die auf internationalem Boden den Massnahmen zur richtigen Verteilung und Verwendung der Arbeitskräfte und dem damit verbundenen Ausbau des für die Fragen des Arbeitsmarktes zuständigen Dienstes beigemessen wird.

Die Arbeitsämter müssen organisatorisch in die Lage versetzt werden, eine wirksame Erfassung und Vermittlung der Arbeitskräfte zu gewährleisten. Ausgangspunkt der Tätigkeit der Arbeitsämter ist das Bestreben, den Arbeitnehmern beim Aufsuchen einer angemessenen Beschäftigung behilflich zu sein und den Arbeitgebern Arbeitskräfte zuzuweisen, die den Bedürfnissen ihrer Betriebe entsprechen. Die Arbeitsämter haben die beruflichen Fähigkeiten und Erfahrungen der Stellensuchenden sowie ihre Neigungen und Wünsche in bezug auf die gesuchte Stelle zu erfassen, wenn nötig deren körperliche und berufliche Tüchtigkeit zu prüfen und ihnen gegebenenfalls zu einer beruflichen Beratung, Ausbildung oder Umschulung zu verhelfen. Nachdem sie sich auch von den Arbeitgebern genaue Angaben über die Anforderungen und Arbeitsverhältnisse verschafft haben, ist die Zuweisung von Arbeitskräften unter Berücksichtigung der beruflichen und körperlichen Fähigkeiten vorzunehmen. Die Zusammenarbeit unter sich und die Regelung des regionalen Ausgleichs von Angebot und Nachfrage wird den Arbeitsämtern zur Pf hebt gemacht. Sie haben geeignete Massnahmen zu treffen zur Erleichterung der beruflichen und örtlichen Versetzung der Stellensuchenden,. Soweit die Übernahme und Überweisung von Arbeitskräften zwischen bestimmten Staaten vereinbart worden ist, haben die Arbeitsämter die Ein- und Auswanderung dieser Kräfte zu erleichtern. Zu den Aufgaben der Arbeitsmarktverwaltung gehört ferner die Mitwirkung bei der Arbeitslosenversicherung und -fürsorge sowie bei den übrigen Massnahmen zugunsten Arbeitsloser. Diese Verwaltung hat andere öffentliche und private Stellen bei der Ausarbeitung von sozialen und wirtschaftlichen Programmen zu unterstützen, soweit diese darauf zielen oder geeignet sind, die Beschäftigungslage günstig zu beeinflussen. Eine gründliche Kenntnis der Wirtschaftsund Arbeitsmarktverhältnisse bildet die Voraussetzung ihrer Tätigkeit ; sie hat deshalb alle verfügbaren Angaben und Auskünfte zu sammeln und zu verarbeiten sowie die Entwicklungstendenzen und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigungslage zu verfolgen.
Artikel 7 und 8 sehen Massnahmen vor zur Schaffung spezialisierter Abteilungen der Arbeitsvermittlung für einzelne Berufsgruppen und Wirtschaftszweige sowie für besondere Gruppen von Arbeitnehmern wie für die Mindererwerbsfähigen und die Jugendlichen.

Artikel 9 befasst sich mit der beruflichen Stellung, der Auswahl und der Schulung des Personals der Arbeitsmarktverwaltung.

In Artikel 10 ist der Grundsatz der Freiwilligkeit und der uneingeschränkten Benützung der Arbeitsvermittlung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer verankert, während Artikel 11 das Zusammenwirken zwischen dem öffentlichen Vermittlungsdienst und den privaten nicht gewerbsmässigen Stellenvermittlungsbüros vorsieht.

15 Die Artikel 12-14 räumen für bestimmte Gebiete Ausnahmen von der allgemeinen Eegelung ein, die unser Land nicht betreffen.

Die E m p f e h l u n g enthält eine grosse Zahl von Vorschlägen, die sich in folgende Abschnitte gliedern: I. Organisation im allgemeinen, II. Unterlagen über den Arbeitsmarkt, III. Schätzung der benötigten und verfügbaren Arbeitskräfte, IV. Lenkung der Arbeitskräfte, V. Versetzbarkeit der Arbeitnehmer, VI. Verschiedene Bestimmungen, VII. Internationale Zusammenarbeit der Arbeitsmarktverwaltungen.

b. Stellungnahme der Schweiz Die im Übereinkommen enthaltenen Grundsätze über die Organisation und Tätigkeit des öffentlichen Arbeitsvermittlungsdienstes und die sich daraus, ergebenden Massnahmen zur Eegelung des Arbeitsmarktes sind in der Schweiz praktisch zum grossen Teil verwirklicht. Auch soweit sie in unserem Land noch nicht zur Anwendung gekommen sind, stehen sie nicht im Gegensatz zu den schweizerischen Auffassungen, sondern entsprechen den bei uns bestehenden Entwicklungstendenzen.

Die rechtlichen Grundlagen, auf die sich heute die Massnahmen zur Förderung der Arbeitsvermittlung und zur Eegelung des Arbeitsmarktes stutzen, finden sich teils in eidgenössischen, teils in kantonalen Erlassen. Die Gesetzgebung auf diesem Gebiete lag bis zur Eevision der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung in kantonaler Kompetenz. Der Bund hat jedoch schon im Bundesbeschluss vom 29. Oktober 1909 betreffend die Förderung des Arbeitsnachweises durch den Bund einige der wesentlichsten Grundsätze des öffentlichen Arbeitsnachweises aufgestellt als Voraussetzung für die Gewährung der Bundessubvention. Diese Grundsätze sind ergänzt und vertieft worden in der Verordnung vom 11. November 1924 über den öffentlichen Arbeitsnachweis, entsprechend der Verpflichtung, welche die Schweiz durch die Eatifikation des internationalen Übereinkommens über Arbeitslosigkeit vom Jahr 1919 übernommen hat. Weitere Bestimmungen des Bundes über diese Materie finden sich in der Verordnung vom 28. Mai 1940 über Massnahmen zur Eegulierung des Arbeitsmarktes und zur beruflichen Förderung von Arbeitslosen. Alle diese Erlasse sind revisionsbedürftig. Das gleiche gilt teilweise von der kantonalen Gesetzgebung über den öffentlichen Arbeitsnachweis und über die private Arbeitsvermittlung. Im Hinblick auf die künftige
Gesetzgebung des Bundes über die Arbeitsvermittlung, die seit der Vorbereitung der Eevision der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung in Aussicht stand, haben manche Kantone mit der Erneuerung ihrer Gesetzgebung auf diesem Gebiete zugewartet.

Nachdem der Bund in lit. e des abgeänderten Artikels 34ter der Bundesverfassung die Befugnis erhalten hat, «Vorschriften aufzustellen über die Arbeitsvermittlung», sind die Vorarbeiten zur Neugestaltung unserer Gesetzgebung auf diesem Gebiet an die Hand genommen worden. Diese Gesetzgebung soll alle Massnahmen zur Eegelung des Arbeitsmarktes, also die öffentliche

16 » Arbeitsvermittlung und alle mit ihr verbundenen Aufgaben sowie die Eegelung der entgeltlichen privaten Stellenvermittlung iimfassen. Bei ihrer Ausarbeitung wird den Grundsätzen des internationalen Übereinkommens über die Eegelung des Arbeitsmarktes nach Möglichkeit Eechnung getragen werden, ohne dass sich natürlich heute schon sagen liesse, ob unsere künftige Gesetzgebung in allen Teilen dem Übereinkommen entsprechen wird. Dagegen kommt für die Eegelung der privaten Stellenvermittlung die Berücksichtigung des internationalen Übereinkommens über Büros für entgeltliche Arbeitsvermittlung von 1938 nicht in Betracht. Dieses hat die Aufhebung der gewerbsmässigen Stellenvermittlungsbüros zum Ziel und konnte aus diesem Grunde von der Schweiz nicht ratifiziert werden (s. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 17. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BEI 1934, II, 731/732). Es ist an der Konferenz von 1949 revidiert worden, so dass wir in unserem nächstjährigen Bericht dazu Stellung nehmen werden.

So wie die Dinge liegen, werden wir uns zur Frage der Eatifikation des Übereinkommens über die Eegelung des Arbeitsmarktes von 1948 erst abschliessend äussern können bei Vorlage der Botschaft zum entsprechenden Gesetzesentwurf.

Was die E m p f e h l u n g betrifft, so enthält sie neben einer Eeihe zweckmässiger und auch für die Schweiz willkommener Anregungen eine Anzahl von Vorschlägen, deren Berücksichtigung bei uns kaum tunlich wäre. Auch hierüber wird in der Botschaft zu dieser Gesetzgebung ein Wort zu sagen sein.

3. Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1948) a. Inhalt des Übereinkommens Das Übereinkommen (Nr. 4) über die Nachtarbeit der Frauen vom Jahre 1919 war schon 1934 erstmals abgeändert worden. Bei der neuen Eevision bandelte es sich vor allem darum, gewisse Anpassungen vorzunehmen, wie sie sich insbesondere auf Grund der Entwicklung des Zweischichtensystems aufdrängten, und sodann den Begriff «Nacht» elastischer zu gestalten -- alles, ohne den bisher erreichten sozialen Schutz im wesentlichen zu schmälern.

In Artikel l wird der sachliche Geltungsbereich umschrieben.

Während nach der bisherigen Eegelung «Nacht» eine Zeitspanne von mindestens 11 aufeinanderfolgenden Stunden bedeutete, welche die Zeit von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens in sich schliesst, wird nunmehr nach Artikel 2 die ununterbrochene Nachtruhe von 11 Stunden wohl aufrechterhalten, doch müssen die Nachtstunden nicht mehr unter allen Umständen die Zeit von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens einschliessen. Vielmehr steht es der Behörde frei, diesen siebenstündigen Intervall innerhalb der Zeit zwischen 10 Uhr

17 abends und 7 Uhr morgens anzusetzen, und zwar unterschiedlich nach Gebieten, Industrie und Betrieben. Soll indessen der Intervall erst nach 11 Uhr abends beginnen, so hat die Behörde vorher die beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände anzuhören.

Artikel 3 und 4 des Übereinkommens von 1934 kehren unverändert wieder.

Sie enthalten das allgemeine Verbot der Nachtarbeit der in der Industrie beschäftigten Frauen und die zulässigen Ausnahmen.

Bin neuer Artikel 5 bestimmt, dass die Regierungen das Verbot der Nachtarbeit nach Befragung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände aufheben können, wenn es das Staatswohl infolge besonders schwerwiegender Gründe erfordert. Diese Bestimmung gründet sich namentlich auf die während des Weltkrieges gemachten Erfahrungen, hat aber ihren Platz auch schon in früheren Konventionen gefunden.

Artikel 6 und 7 sind unverändert. Sie betreffen die Möglichkeit der Verkürzung der als Nachtzeit geltenden Zeitspanne für Betriebe, die dem Einfluss der Jahreszeiten unterworfen sind, und in allen Fällen, in denen ausserordentliche Umstände es erheischen, ferner für Länder, in denen das Klima die Tagesarbeit stark erschwert.

Nach der bisherigen Begelung galt das Übereinkommen nicht für Frauen, die sich in verantwortungsvollen leitenden Stellen befinden und gewöhnlich keine körperliche Arbeit verrichten. Der revidierte Artikel 8 schliesst auch die Frauen aus, die verantwortliche technische Stellungen bekleiden, ebenso diejenigen, die im Gesundheits- und Fürsorgedienst tätig sind, soweit sie in der Regel nicht körperlich arbeiten.

Der alte Artikel 5, der sich auf Indien und Siam bezog, ist ersetzt durch Teil II mit den Artikeln 9-12, welche die besondern Vorschriften für bestimmte Länder enthalten.

b. Stellungnahme der Schweiz Nachdem die Schweiz die beiden früheren Übereinkommen von 1919 und 1934 über die Nachtarbeit der Frauen ratifiziert hatte, ist zu prüfen, ob sie in gleicher Weise dem neuen Übereinkommen beitreten kann und soll. Die Ratifikation dieses Übereinkommens würde nach den geltenden Bestimmungen die sofortige Kündigung des heute für unser Land massgebenden Übereinkommens von 1934 in sich schliessen. Es gilt also, sich für das Festhalten an diesem oder für den Beitritt zum revidierten Übereinkommen zu entscheiden.

Die hauptsächliche Neuerung
des Übereinkommens von 1948 besteht, wie wir schon ausführten, in einer weniger engen Begrenzung des Begriffes «Nacht» und damit in einer gewissen freieren Handhabung des Nachtarbeitsverbotes.

Es wurden an der Internationalen Arbeitskonferenz Stimmen laut, welche die Änderungen gegenüber dem Übereinkommen von 1934 als einen Rückschritt bezeichneten, da die Frauen nun statt bis 22 Uhr bis Mitternacht beschäftigt ·werden können. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die neue Regelung auch Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. I.

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18 beachtliche Vorteile aufweist. So wird eine Späterlegung der letzten Schicht (die Zeit zwischen Mitternacht und 5 Uhr kommt für die Beschäftigung von Frauen nach wie vor nicht in Betracht) ohne weiteres zur Folge haben, dass auch die Frühschichten später beginnen. Eine im Zweischichtenbetrieb um 28 Uhr endende Schicht würde bei uns (unter Einrechnung einer halbstündigen Pause) normalerweise um 14.80 Uhr, die vorhergehende Schicht um 6 Uhr beginnen. Das bedeutet für die Frauen, die meist auch noch Haushaltsarbeiten zu verrichten haben und die bisher ihr Heim schon um 4 Uhr oder noch früher verlassen mussten, eine wesentliche Entlastung. Dazu kommt die Sicherung, die ihnen die Bestimmung von Artikel 2 des Übereinkommens bietet, -wonach die beteiligten Verbände zuvor anzuhören sind, sofern die vorgeschriebene siebenstündige Zeitspanne nach 23 Uhr beginnen soll. Die Vorschriften der einschlägigen schweizerischen Gesetzgebung, d. h. der Bundesgesetze über die Arbeit in den Fabriken und über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben, stehen mit den Bestimmungen des neuen Übereinkommens in vollem Einklang. Wir beantragen Ihnen deshalb Eatifizierung dieses Übereinkommens und unterbreiten Ihnen demgemäss einen Antrag, der uns zur Eatifikation ermächtigt (Beilage I).

4. Übereinkommen über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1948) a. Inhalt des Übereinkommens Durch dieses Übereinkommen wird das gleichbetitelte Übereinkommen (Nr. 6) vom Jahre 1919 revidiert. Die Revision stand in naher Beziehung zu derjenigen des Übereinkommens über die Nachtarbeit der Frauen, indem die Entwicklung des Zweischichtensystems auch bei der Eegelung der industriellen Nachtarbeit der Jugendlichen eine grössere Anpassungsfähigkeit verlangte.

Gleichzeitig sollte die Dauer der den Jugendlichen eingeräumten Nachtruhe verlängert werden.

Artikel l umschreibt den Geltungsbereich des «gewerblichen Betriebes» im Sinne des Übereinkommens. Ausgenommen waren schon nach dem früheren Übereinkommen (Art. 2, Abs. 1) reine Familienbetriebe. Diese Bestimmung wird nun in Artikel l, Ziffer 3, in der Weise präzisiert, dass die nationale Gesetzgebung die Anwendbarkeit der Konvention ausschliessen kann bei Arbeiten, die ohne Schaden, Nachteil oder Gefahr für Jugendliche sind
und in Familienbetrieben ausgeführt werden, in denen nur die Eltern und Kinder oder Pflegekinder beschäftigt sind.

Artikel 2 bezeichnet als «Nacht» eine Zeitspanne von mindestens 12 aufeinanderfolgenden Stunden. Für Jugendliche unter 16 Jahren muss diese Zeitspanne die Zeit zwischen 10 Uhr abends und 6 Uhr morgens einschliessen. Für Jugendliche von 16-18 Jahren umfasst sie einen durch die zuständige Behörde zu bestimmenden Intervall von mindestens 7 aufeinanderfolgenden Stunden zwischen 10 Uhr abends und 7 Uhr morgens. Dieser Intervall kann von den

19 Behörden je nach Gebieten, Industrien oder Betrieben verschieden angesetzt werden. Doch ist eine Befragung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände erforderlich, sofern die siebenstündige Zeitspanne erst nach 11 Uhr abends beginnen soll. Die Eegelung ist somit grundsätzlich eine ganz ähnliche wie im revidierten Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen von 1948 und trägt durch eine elastischere Gestaltung den modernen Erfordernissen, namentlich des Zweischichtenbetriebes, Eechnung.

Artikel 3 verbietet im allgemeinen die Nachtarbeit von Jugendlichen unter 18 Jahren, sieht jedoch Aiisnahmen vor, die von den Behörden nach Anhörung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden zugelassen werden können. Sie betreffen die Beschäftigung Jugendlicher im Alter von 16-18 Jahren zu Zwecken der Berufslehre oder der beruflichen Schulung in bestimmten Gewerben oder bei bestimmten Arbeiten, die keinen Unterbrach gestatten. Solchen Jugendlichen muss jedoch eine Buhezeit von mindestens 13 aufeinanderfolgenden Stunden zwischen zwei Arbeitsperioden gewährt werden. Wo die Gesetzgebung die Nachtarbeit in Bäckereien für das gesamte Personal verbietet, kann die zuständige Behörde, sofern Lehre oder berufliche Ausbildung es erfordern, für Jugendliche über 16 Jahren an Stelle der Zeitspanne von mindestens 7 aufeinanderfolgenden Stunden, die normalerweise zwischen 10 Uhr abends und 7 Uhr morgens liegen müssen, die Zeit zwischen 9 Uhr abends und 4 Uhr morgens ansetzen.

Artikel 4 regelt die Ausnahmen für Länder, in denen das Klima die Arbeit während des Tages besonders schwierig gestaltet und in Fällen höherer Gewalt.

Artikel 5 sieht in textlicher Übereinstimmung mit Artikel 7 des alten Übereinkommens die Möglichkeit vor, das Verbot der Nachtarbeit der Jugendlichen von 16-18 Jahren ausser Kraft zu setzen, wenn es das öffentliche Interesse infolge besonders schwerwiegender Gründe erfordert.

Neu ist Artikel 6, der die von den Mitgliedstaaten im Fälle der Batifikation zur Durchführung des Übereinkommens zu treffenden Massnahmen aufzählt.

Endlich sehen die Artikel 7-10 gewisse Erleichterungen für Länder vor, auf welche die normalen Bestimmungen des Übereinkommens nicht oder doch nicht ohne weiteres angewendet werden können.

b. Stellungnahme der Schweiz In der Schweiz war die Durchführung des
Bundesgesetzes vom 81. März 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weibliehen Personen in den Gewerben, das die Grundlage bildet für die Anwendung des Übereinkommens von 1919 über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe, auf einzelnen Gebieten von Anfang an nicht ganz einfach. Nicht dass das Verbot der Nachtarbeit während der eigentlichen Nachtzeit, die von jedermann als solche empfunden wird, so sehr auf Schwierigkeiten gestossen wäre. Dagegen ergaben sich solche in Gewerben, die seit undenklichen Zeiten in den frühen Morgenstunden ihre Tätigkeit ausüben, und zwar vor allem im Bäckergewerbe,

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Da das Übereinkommen von 1919 die Nachtarbeit für eine Zeitspanne von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden verbietet, welche die Zeit von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens einzuschliessen hat, stehen wir hier vor einem keineswegs einfachen Problem, mit dem sich das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit schon seit längerer Zeit zusammen mit den beruflichen Organisationen des Bäckergewerbes befasst. Wie festgestellt wurde, stossen auch andere Länder auf ähnliche Schwierigkeiten, die sich, da die abgeänderte Fassung des Übereinkommens von 1948 in dieser Hinsicht keine Lösung bringt, vielleicht erst durch dessen nochmalige Eevision werden beseitigen lassen. Bestrebungen zu diesem Zwecke sind im Gange. Unter diesen Umständen glauben wir im heutigen Zeitpunkt davon absehen zu müssen, Ihnen die Eatifikation des neuen Übereinkommens zu beantragen.

5. Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten der SpezialOrganisationen der Vereinigten Nationen a. Charakter und Inhalt des Übereinkommens Dieses von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen am 21. November 1947 angenommene Übereinkommen stellt sich, wie schon sein Titel besagt, den sozialpolitischen Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation in keiner Weise an die Seite und ist deshalb auch nicht unter den Texten der Übereinkommen und Empfehlungen der Konferenz wiedergegeben. Es ist ein Übereinkommen, das, wie oben (S. 10) ausgeführt wurde, ha seinem Hauptteil für sämtliche SpezialOrganisationen der Vereinigten Nationen gilt, und lediglich anhangsweise in besondern Bestimmungen auf die einzelnen Organisationen, wie die Internationale Arbeitsorganisation, Bezug nimmt. Es geht darin vor allem um die rechtliche Natur der den Vereinigten Nationen angegliederten SpezialOrganisationen, um die Einräumung von Vorrechten bezüglich ihres Sachbesitzes, um die ihnen zu gewährenden Verkehrserleichterungen und um die besondere Stellung ihrer Beamten sowie der Delegierten, die an ihren Tagungen teilnehmen.

b. Stellungnahme der Schweiz / Über die rechtliche Stellung der Internationalen Arbeitsorganisation in unserm Lande besteht eine zwischen dem schweizerischen Bundesrat und der Internationalen Arbeitsorganisation getroffene Abmachung vom 11. März 1946 (Accord entre le Conseil fédéral suisse et l'Organisation Internationale du
Travail pour régler le statut juridique de cette Organisation en Suisse). Wir haben Ihnen hierüber in unserer Botschaft vom 11. Februar 1947 zu den Beschlüssen der 29. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz betreffend die konstitutionellen Fragen berichtet (BEI 1947,1, 670/671). Das Übereinkommen vom 21. November 1947, zu dem wir hier Stellung zu nehmen haben, enthält keine Bestimmung, die nicht schon in der genannten Abmachung vom 11. März

21 1946 und den zugehörigen Vollzugsvorschriften gleiche» Datums (Arrangement d'exécution) enthalten wäre. Tatsächlich geht diese Eegelung in der Einräumung von Eechten an die Internationale Arbeitsorganisation und ihre auf Schweizer Gebiet wohnhaften Beamten weiter als das Übereinkommen vom 21. November 1947. Anderseits schreibt Abschnitt 89 des Übereinkommens ausdrücklich vor, diese dürfe «in keiner Weise die Privilegien und Immunitäten beeinträchtigen, die ein Staat einer SpezialOrganisation auf Grund der Tatsache schon eingeräumt habe oder einräumen werde, dass sich dessen Sitz oder dessen regionale Zweigstellen im Gebiete dieses Staates befänden». Somit würde unsere Eatifikation des Übereinkommens vom 21. November 1947 an den heutigen Verhältnissen nichts ändern. Wohl aber hätte die sich damit ergebende doppelte Eechtsgrundlage zur Eegelung der Stellung ein und derselben internationalen Institution auf unserm Boden unnötige Komplikationen zur Folge. Da sich die Internationale Arbeitsorganisation stets als vollständig befriedigt von der gegenwärtig geltenden Eegelung erklärt hat, sehen wir keinen Grund zu einer Änderung und beantragen Ihnen deshalb, von der Eatifikation des Übereinkommens vom 21. November 1947 abzusehen.

IV. Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach Artikel 19, Absatz 5 and 6, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation Nach Artikel 19, Absatz 5 und 6, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die von der Internationalen Arbeitskonferenz aufgestellten Übereinkommen und Empfehlungen ein Jahr oder keinesfalls später als 18 Monate nach Schluss der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Behörde zu unterbreiten. Durch den vorliegenden Bericht erfüllen wir wie immer diese Verpflichtung. Wenn wir von der verlängerten Frist von 18 Monaten Gebrauch gemacht haben, so geschah dies deshalb, weil die vom Internationalen Arbeitsamt besorgte offizielle deutsche Übersetzung erst in allerletzter Zeit endgültig fertiggestellt werden konnte. An dieser Übersetzung ist zurzeit ausser unserem Land auch Österreich interessiert. Die Aufstellung der deutschen Texte benötigt deshalb jeweils eine Zusammenarbeit zwischen dem Internationalen Arbeitsamt und den zuständigen Begierungsstellen Österreichs und der Schweiz. Wir haben uns zwar stets
bemüht, Ihnen die Berichte über die Internationale Arbeitskonferenz sobald wie möglich vorzulegen. Da diese Berichte aber nicht veröffentlicht werden können, ohne dass wir ihnen eine deutsche Fassung der von der Konferenz beschlossenen Übereinkommen und Empfehlungen beigeben und die Herstellung dieses offiziellen deutschen Textes jeweils längere Vorarbeiten bedingt, deren Erledigung nicht in erster Linie von uns abhängt, liess sich eine gewisse Verzögerung verschiedentlich nicht vermeiden. Daß Internationale Arbeitsamt hat jedoch versprochen, in Zukunft die Übersetzungsarbeiten zu beschleunigen, so dass wir hoffen, Ihnen auch unsere Berichte dementsprechend wieder rascher unterbreiten zu können.

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B. Zur Frage der Ratifikation verschiedener internationaler Arbeitsübereinkommen durch die Schweiz I. Das Postulat Oltremare und der allgemeine schweizerische Standpunkt in der Eatiîikationsîrage Die Kommission für die Vorberatung der Botschaft des Bundesrates über die 29. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz betreffend die konstitutionellen Fragen hat am 8. März 1947 auf Antrag von Herrn Nationalrat Oltramare ein Postulat eingereicht, worin sie den Bundesrat ersucht, «die Übereinkommen, welchen unsere Delegierten zugestimmt haben und von unserem Land noch nicht ratifiziert worden sind, erneut zu prüfen». Die Kommission «lädt den Bundesrat ein, einen neuen Bericht über dieses Geschäft vorzulegen und den eidgenössischen Bäten die Batifikation der Übereinkommen zu beantragen, zu deren Befolgung sich unser Land heute ohne Nachteile verpflichten kann». Dieses Postulat wurde vom Nationalrat am 21. März 1947 angenommen.

Zu einem ähnlichen Postulat, das am 29. September 1938 von Herrn Nationalrat Eobert eingereicht und am 21. Dezember desselben Jahres vom Nationalrat angenommen worden war, haben wir uns im Anschluss an unsern Bericht an die Bundesversammlung vom 28. April 1939 über die 24. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz geäussert (BB1 1989, I, 759). Während jedoch das Postulat Eobert bestimmte Übereinkommen aufführte, bei denen die Möglichkeit der Eatifikation geprüft werden sollte, geht das neue Postulat von einem andern Gesichtspunkt aus: es verlangt diese Prüfung überall dort, wo «unsere Delegierten» -- damit sind offenbar die E egierung s delegierten gemeint -- an den Internationalen Arbeitskonferenzen einem Übereinkommen ihre Stimme gegeben haben, ohne dass die Schweiz diesem inzwischen beigetreten wäre.

In unserer Berichterstattung zum Postulat Eobert schrieben wir: «Wir haben in unsern Berichten über die Internationalen Arbeitskonferenzen bei einer grössern Zahl von Übereinkommen, welche die Schweiz unter allen Umständen nicht gleich ratifizieren konnte, uns vorbehalten, die Frage der Ratifikation in einem spätem Zeitpunkt erneut zu prüfen. Aber auch in andern Fallen, wo dies nicht ausdrücklich geschehen war, ergab sich das natürliche Bedürfnis, von Zeit zu Zeit abzuklären, ob unter dem Einfluss veränderter Verhältnisse die Batifikation gewisser Übereinkommen durch die Schweiz inzwischen in den Bereich der Möglichkeit gerückt sei» (BEI 1939, I, 760).

So haben wir denn auch im Jahre 1940, gestützt auf Ihre Ermächtigung, vier ältere Übereinkommen nachträglich ratifiziert; es sind dies die Übereinkommen über das Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, über die Zwangs- oder Pflichtarbeit, über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagsarbeiten in Bergwerken jeder Art und über Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten (Bundesbeschluss vom 20. Juni 1939, AS 56, 958). Die soeben beschriebene Haltung nehmen wir nach wie vor ein.

Wir bemühen uns, beim Ausbau unserer Sozialgesetzgebung den Anforderungen

23 der von der Internationalen Arbeitskonferenz aufgestellten Normen, soweit uns dies möglich ist, Bechnung zu tragen, und wir prüfen im Zusammenhang mit der Entwicklung dieser Gesetzgebung jeweils die Frage, ob damit die Voraussetzungen erfüllt seien für die Batifikation des einen oder andern internationalen Arbeitsübereinkommens, dem die Schweiz bis dahin noch nicht beitreten konnte.

Die Schweiz hat bisher die folgenden 18 "Übereinkommen ratifiziert: 1. Übereinkommen (Nr. 2) über Arbeitslosigkeit, 1919, 2. Übereinkommen (Nr. 4) über die Nachtarbeit der Frauen, 1919 (gekündigt infolge Batifikation von Übereinkommen Nr. 41), 8. Übereinkommen (Nr. 5) über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit, 1919, 4. Übereinkommen (Nr. 6) über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe, 1919, 5. Übereinkommen (Nr. 11) über das Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, 1921, 6. Übereinkommen (Nr. 14) über den wöchentlichen Buhetag in gewerblichen Betrieben, 1921, 7. Übereinkommen (Nr. 18) über die Entschädigung bei Berufskrankheiten, 1925, 8. Übereinkommen (Nr. 19) über die Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer in der Entschädigung bei Betriebsunfällen, 1925, 9. Übereinkommen (Nr. 26) über die Einrichtung von Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen, 1928, 10. Übereinkommen (Nr. 27) über die Gewichtsbezeichnung an schweren, auf Schiffen beförderten Frachtstücken, 1929, 11. Übereinkommen (Nr. 29) über die Zwangs- oder Pflichtarbeit, 1980, 12. Übereinkommen (Nr. 41) über die Nachtarbeit der Frauen (abgeänderter Wortlaut), 1934, 13. Übereinkommen (Nr. 44) über die Gewährung von Versicherungsleistungen oder von Unterstützungen an unfreiwillig Arbeitslose, 1934, 14. Übereinkommen (Nr. 45) über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagarbeiten in Bergwerken jeder Art, 1935, 15. Übereinkommen (Nr. 62) über Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten, 1937, 16. Übereinkommen (Nr. 63) über Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit in den hauptsächlichsten Zweigen des Bergbaues und der Industrie, einschliesslich des Baugewerbes, und in der Landwirtschaft, 1938 (unter Ausschluss der Teile III und IV), 17. Übereinkommen (Nr. 80) über die teilweise Abänderung der von der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation auf ihren

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ersten achtundzwanzig Tagungen angenommenen Übereinkommen BUT Sicherstellung der künftigen Durchführung gewisser Kanzleiaufgaben, die in diesen Übereinkommen dem Generalsekretär des Völkerbundes übertragen waren, und zur Aufnahme bestimmter zusätzlicher Abänderungen, die sich durch die Auflösung des Völkerbundes und die Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation als notwendig erwiesen haben, 1946, 18. Übereinkommen (Nr. 81) über die Arbeitsaufsieht in Gewerbe und Handel.

Die vorstehende Übersicht der von unserem Land ratifizierten Übereinkommen ist im Lichte nachstehender Zahlen zu betrachten. Die Internationale Arbeitskonferenz hat seit ihrer Gründung im Jahre 1919 bis zum Abschluss ihrer 31. Tagung im Jahre 1948 90 Übereinkommen aufgestellt, wovon damals jedoch bloss 55 in Kraft waren. Die Zahl der Ratifikationen betrug im Zeitpunkt, da die Internationale Arbeitskonferenz im Sommer 1949 tagte, 1012. Unter den nicht-föderativen Mitgliedstaaten steht Frankreich mit 48 Eatifikationen an der Spitze ; im zweiten Bang folgen Belgien und Grossbritannien mit je 35 Eatifikationen. Unter den Mitgliedstaaten mit föderativer Verfassung, die aus konstitutionellen Gründen manchen Übereinkommen nicht beitreten können, nimmt Mexiko mit 31 Eatifikationen den ersten Eang ein. Von den Bundesstaaten unseres Kontinentes hat Jugoslawien, das aber heute nicht mehr Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation ist, mit 22 die grösste Zahl von Eatifikationen zu verzeichnen. Diesem Lande folgt die Schweiz mit den bereits erwähnten 18 Eatifikationen. Von weitern Föderativstaaten haben Australien bisher 13, Kanada 11 und die Vereinigten Staaten von Amerika 5 Übereinkommen ratifiziert. So sehr ganz allgemein der Abstand zwischen der Zahl der von der Konferenz beschlossenen und der Zahl der von den Mitgliedstaaten ratifizierten Übereinkommen auffällt (wir werden auf diese Frage in unserem Bericht über die 32. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz von 1949 des nähern zu sprechen kommen), so darf sich die Schweiz doch bei einem Vergleich mit andern Ländern und namentlich bei einem solchen mit andern Föderativstaaten in der Eangliste der Eatifikationen sehen lassen, wobei übrigens dieser Eang keineswegs als sozialer Wertmesser betrachtet werden darf. Vor allem ist auch zu berücksichtigen, dass
sich in zahlreichen Fällen der Beitritt zu einem internationalen Übereinkommen für unser Land schwerer gestaltet als für gewisse andere Länder oder sich geradezu als unmöglich erweist. Wir möchten die Gründe hiefür, die wir Ihnen bei Behandlung des Postulates Eobert ausführlich auseinandergesetzt haben, hier in Kürze wiederholen.

Den einen Grund, die rechtliche Struktur unseres Staates, haben wir schon genannt. Wir schrieben seinerzeit hierüber: «Bundesrat und Bundesversammlung haben sich immer auf den Standpunkt gestellt, die Schweiz dürfe ein Übereinkommen erst dann ratifizieren, wenn die den Bestimmungen des Übereinkommens entsprechenden bundesgesetzlichen Vorschriften

25 bestünden und der Bund für eine restlose Einhaltung der mit der Ratifikation übernommenen Verpflichtungen -- eine solche gilt meist für die Dauer von 10 Jahren -- einstehen könne. In gleichem Sinne hat auch die Internationale Arbeitskonferenz selber gegenüber einer weniger strengen Auffassung, wie sie in der Haltung gewisser Staaten zum Ausdruck kommt, immer wieder betont, die Ratifikation eines arbeitsrechtlichen Übereinkommens sei nicht eine unverbindliche Sympathiekundgebung für ein sozialpolitisches Programm, sondern eine ebenso streng verpflichtende Bindung wie die Ratifikation eines andern Staatsvertrages. So viel an ihr lag, hat die Schweiz namentlich im Zusammenhange mit der regelmässigen Prüfung der Frage, wie die Staaten die von ihnen ratifizierten Übereinkommen durchführen, diesen Standpunkt an den Tagungen der Internationalen Arbeitskonferenz stets mit aller Entschiedenheit verfochten. Sie hält unbedingt am Grundsatze fest: keine Ratifikation, ohne dass zwischen nationaler Gesetzgebung und internationalen Übereinkommen volle Übereinstimmung besteht. Daraus ergibt sich, dass die Schweiz Konventionen nicht ratifizieren kann, die eine Materie betreffen, für die dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis xind damit gleichzeitig auch die Möglichkeit fehlt, sich für die Einhaltung der in den Konventionen enthaltenen Bestimmungen zu verpflichten. Dies gilt namentlich für gewisse landwirtschaftliche Übereinkommen, wie wir dies in unserem Berichte über die 3. und 4. Internationale Arbeitskonferenz dargetan haben» (BB1 1939, I, 763/764).

Hieran hat grundsätzlich auch die Annahme der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung im Jahre 1947 nichts geändert. Wohl ist durch diese, und besonders durch den neuen Artikel 34ter, die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auf dem Gebiete des Arbeits- und Sozialrechtes ausgebaut und damit auch in bezug auf die internationalen Arbeitsubereinkommen die Möglichkeit der Eatifikation theoretisch erweitert worden. Die Wirtschaftsartikel als solche genügen jedoch keinesfalls, um uns den Beitritt zu weiteren Übereinkommen zu gestatten. Vielmehr muss die Durchführung eines Übereinkommens nach wie vor durch ein auf verfassungsmässigem Wege zustande gekommenes Ausführangsgesetz gewährleistet sein, bevor die Eatifikation stattfinden kann.

Eine weitere Gruppe bilden die Übereinkommen, die für die Schweiz gegenstandslos sind. Wir haben grundsätzlich davon abgesehen, die zahlreichen Übereinkommen dieser Art zu ratifizieren, mit andern Worten, Batifikationen vorzunehmen, die uns zu nichts verpflichtet hätten. Es sind dies im allgemeinen die Übereinkommen, welche die Arbeitsbedingungen der Eingeborenen in den Kolonialgebieten sowie die in der Seeschiffahrt und im Bergbau betreffen. Gelegentliche Ausnahmen, wie der in humanitären Erwägungen begründete Beitritt zum Übereinkommen über die Zwangs- und Pflichtarbeit, bestätigen nur die Begel. Ob es angezeigt und möglich sein wird, bezüglich der seemännischen Konventionen, denen gegenüber wir uns heute in einer etwas andern Lage befinden als vor dem letzten Weltkrieg, einmal eine andere Haltung einzunehmen, wird sich erst entscheiden lassen, wenn das in Vorbereitung befindliche schweizerische Seerecht endgültig vorliegt. Gewisse Beschlüsse der Internationalen Arbeitskonferenz auf diesem Gebiete finden bei uns jetzt schon Anwendung. So besagt Artikel 29 des Bundesratsbeschlusses vom 9. April 1941 über die Seeschiffahrt unter der Schweizer Flagge:

26 «Für das Dienstverhältnis der Schiffsmannschaft gelten die Bestimmungen des Internationalen Übereinkommens vom 24. Juni 1926 über den Heuervertrag der Schiffsleute.

Ferner sind auf die an Bord eines schweizerischen Seeschiffes angestellte Schiffsmannschaft anwendbar die Internationalen Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit auf See vom 9. Juli 1920, über die Gewährung einer Entschädigung für Arbeitslosigkeit infolge von Schiffbruch vom 9. Juli 1920, über die pflichtmassige ärztliche Untersuchung der in der Seeschiffahrt beschäftigten Kinder und Jugendlichen vom 11. November 1921, über das Mindestalter für die Zulassung von Jugendlichen zur Beschäftigung als Kohlenzieher oder Heizer vom 11. November 1921, über die Heimschaffung der Schiffsleute vom 23. Juni 1926» (AS 57, 361).

u. Die Stellung dei Schweiz zu den einzelnen unter das Postulat Oltramare fallenden Übereinkommen Wir wenden uns nun denjenigen Übereinkommen zu, denen die schweizerischen Begierungsdelegierten zugestimmt haben, ohne dass unser Land diesen Konventionen bisher beigetreten wäre. Es sind dies die bis zur 30. Tagung von 1947 die folgenden: I . T a g u n g , 1919 1. Übereinkommen (Nr. 1) über die Begrenzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben auf acht Stunden täglich und achtundvierzig Stunden wöchentlich, 2. Übereinkommen (Nr. 3) über die Beschäftigung der Frauen vor und nach der Niederkunft.

2. Tagung, 1920 3. Übereinkommen (Nr. 7) über das Mindestalter für die Zulassung Ton Kindern zur Arbeit auf See, 4. Übereinkommen (Nr. 8) über die Gewährung einer Entschädigung für Arbeitslosigkeit infolge von Schiffbruch.

S.Tagung, 1921 5. Übereinkommen (Nr. 13) über die Verwendung Von Bleiweiss zum Anstrich, 6. Übereinkommen (Nr. 15) über das Mindestalter für die Zulassung von Jugendlichen zur Beschäftigung als Kohlenzieher (Trimmer) oder Heizer, 7. Übereinkommen (Nr. 16) über die pflichtmässige ärztliche Untersuchung der in der Seeschiffahrt beschäftigten Kinder und Jugendlichen.

12. Tagung, 1929 8. Übereinkommen (Nr. 28) über den Schutz der mit dem Beladen und Entladen von Schiffen beschäftigten Arbeitnehmer gegen Unfälle.

14. Tagung, 1930 9. Übereinkommen (Nr. 30) über die Eegelung der Arbeitszeit im Handel und in Büros.

27 15. Tagung, 1931 10. Übereinkommen (Nr. 31) über die Begrenzimg der Arbeitszeit im Kohlenbergbau.

16. Tagung, 1982 11. Übereinkommen (Nr. 32) über den Schutz der mit dem Beladen und Entladen von Schiffen beschäftigten Arbeitnehmer gegen Unfälle (abgeänderter Wortlaut).

17. Tagung, 1933 12. Übereinkommen (Nr. 35) über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und Hausgehilfen für den Fall des Alters, 13. Übereinkommen (Nr. 36) über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall des Alters, 14. Übereinkommen (Nr. 39) über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und Hausgehilfen für den Fall des Ablebens, 15. Übereinkommen (Nr. 40) über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall des Ablebens.

18. Tagung, 1934 16. Übereinkommen (Nr. 42) über die Entschädigung bei Berufskrankheiten (abgeänderter "Wortlaut), 17. Übereinkommen (Nr. 43) über die Arbeitszeit in automatischen Tafelglashütten.

19. Tagung, 1935 18. Übereinkommen (Nr. 46) über die Begrenzung der Arbeitszeit im Kohlenbergbau (abgeänderter Wortlaut), 19. Übereinkommen (Nr. 48) über die Herstellung eines internationalen Gegenseitigkeitsverhältnisses für die Wahrung der Buchte in der Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung.

20. Tagung, 1936 20. Übereinkommen (Nr. 50) über die Kegelung bestimmter Sonderverfahren der Anwerbung von eingeborenen Arbeitnehmern, 21. Übereinkommen (Nr. 52) über den bezahlten Jahresurlaub.

23. Tagung, 1937 22. Übereinkommen (Nr. 59) über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit (abgeänderter Wortlaut).

25. Tagung, 1939 23. Übereinkommen (Nr. 64) über die Eegelung der schriftlichen Arbeitsyerträge der eingeborenen Arbeitnehmer,

28 24. Übereinkommen (Nr. 65) über die Strafmassnahmen gegen Bruch der Arbeitsverträge seitens eingeborener Arbeitnehmer, 25. Übereinkommen (Nr. 67) über die Arbeits- und Ruhezeit im Strassenverkehr.

29. Tagung, 1946 26. Übereinkommen (Nr. 77) über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit im Gewerbe, 27. Übereinkommen (Nr. 78) über die ärztliche Untersuchung der Kinder und Jugendlichen zu nichtgewerblichen Arbeiten, 28. Übereinkommen (Nr. 79) über die Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten.

29.

80.

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82.

88.

30. Tagung, 1947 Übereinkommen (Nr. 82) über die Sozialpolitik in den ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebieten, Übereinkommen (Nr. 83) über die Durchführung der internationalen Arbeitsnormen in den ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebieten, Übereinkommen (Nr. 84) über das Vereinigungsrecht und die Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten in den ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebieten, Übereinkommen (Nr. 85) über die Arbeitsaufsicht in den ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebieten, Übereinkommen (Nr. 86) über die Höchstdauer der Arbeitsverträge der eingeborenen Arbeitnehmer.

In einem Fall, beim Übereinkommen (Nr. 11) über das Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, 1921, haben wir den Beitritt erklärt, während ihm unsere Kegierungsdelegierten an der Konferenz ihre Stimme nicht gegeben haben.

Aus der oben stehenden Übersicht geht hervor, dass die schweizerischen Eegierungsdelegierten bis zur 30. Tagung in 33 Fällen einer Konvention ihre Stimme gegeben haben, ohne dass die Schweiz die Konvention bis dahin ratifiziert hätte. Dazu ist folgendes zu bemerken: Die Ja-Stimme, die ein Eegierungsdelegierter an der Konferenz für ein Übereinkommen abgibt, hat keine rechtliche Verpflichtung zur Folge. Zwar empfangen die Eegierungsdelegierten von uns allgemeine Instruktionen und werden an der Konferenz keine Haltung einnehmen, die diesen zuwiderläuft.

Aber selbstverständlich ist es unmöglich, den Gang der Verhandlungen im einzelnen vorauszusehen, so dass die Instruktionen nicht über allgemeine Richtlinien hinausgehen können und unsern Delegierten natürlicherweise immer ein gewisses Mass eigener Verantwortung zu belassen ist. Es ist nun oft sehr schwierig, im Augenblick, in dem an der Konferenz über ein Übereinkommen abgestimmt wird, zu sagen, ob zwischen unserer Gesetzgebung und dem Über-

29 einkommen volle Übereinstimmung besteht und somit die Voraussetzung für die Eatifikation erfüllt ist oder nicht. Dazu braucht es nicht selten eine eingehende, erst nach Schluss der Konferenz durchführbare Prüfung der Bechtslage. Diese Prüfung, die auch das kantonale Eecht zu berücksichtigen hat, ergab des öftern, dass, obgleich die bei uns geltende Eegelung auf irgendeinem Gebiete gesamthaft betrachtet sozial mindestens so fortschrittlich oder sogar fortschrittlicher ist als die im Übereinkommen aufgestellten Normen, unsere Gesetzgebung doch in Einzelheiten -- manche Übereinkommen gehen in der "Regelung von Einzelheiten sehr weit -- den Anforderungen der Konvention nicht entsprach und deshalb, solange diese an sich vielleicht sehr geringfügigen Abweichungen bestehen, auch eine Eatifikation nicht in Frage kommen konnte.

Gerade für Länder wie das unsrige mit einer schon stark ausgebauten Sozialgesetzgebung ist es zuweilen äusserst schwer, ja praktisch vielfach unmöglich, das Bestehende und in der Tradition Verwurzelte abzuändern, namentlich wenn der Vorteil einer solchen Abänderung nicht in die Augen springt. Sodann ist an die Fälle zu denken, bei denen unsere Delegierten im Hinblick auf ein in Vorbereitung befindliches oder ein geplantes Gesetz, von dem sie erwarteten, es werde den Vorschriften einem der Konferenz vorgelegten Übereinkommen entsprechen, diesem ihre Stimme gaben. Unter Umständen aber erleidet der Erlass des Gesetzes eine Verzögerung -- man darf dabei die ausserordentlichen Zeitumstände des letzten Jahrzehnts nicht übersehen --, oder das Gesetz kommt nicht zustande, wird verworfen oder erhält eine Gestalt, die sich mit den Bestimmungen des Übereinkommens nicht deckt. Schliesslich ist auch zu sagen, dass die Delegierten den Übereinkommen, die unser Land nicht, direkt betreffen, wie namentlich solchen im Gebiete der Seeschiffahrt, des Bergbaus und des Eingeborenenschutzes, aus einem Gefühl der internationalen Solidarität nicht selten zustimmten, falls die hauptbeteiligten Staaten für die Eegelung eintraten, während wir, wie oben ausgeführt, im allgemeinen diese Übereinkommen nicht zu ratifizieren pflegen. Es dürfte somit nach allem klar sein, weshalb eine grössere Zahl von Übereinkommen die Stimme unserer Eegierungsdelegierten erhalten haben, ohne dass unser Land ihnen nachher
beigetreten ist.

Nach unsern bisherigen Ausführungen erübrigt es sich, auf die in Betracht kommenden Übereinkommen, welche die Seeschiffahrt, den Bergbau und den Schutz der Eingeborenen in Kolonialgebieten betreffen, im einzelnen einzutreten. Es sind dies die Übereinkommen, die unter den Ziffern 3, 4, 6, 7, 8.

10, 11, 18, 20, 23, 24, 29, 30, 31, 32 und 33 der oben wiedergegebenen Übersicht aufgeführt sind. Einzig zu den unter den Ziffern 10 und 18 genannten Übereinkommen von 1931 und 1935 über die Arbeitszeit im Kohlenbergbau ist zu bemerken, dass auch wir diesen Übereinkommen, von denen das zweite lediglich eine Eevision des ersten darstellt, grundsätzlich zustimmten, jedoch die Auffassung vertraten, eine Eatifikation durch die Schweiz als Land, das keine Kohle produziert, komme erst in Betracht, wenn einmal die Haltung der hauptsächlich interessierten Staaten ihnen gegenüber feststehe (Bericht des Bundesrates vom 30. Mära 1932 über die 15. Tagung der Internationalen

30 Arbeitskonferenz, BB11932,1, 667, und Bericht des Bundesrates vom 20. April 1986 über die 19. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BB1 1986, I, 772). Nun hat aber überhaupt nur ein Staat -- Spanien --, der zudem der Internationalen Arbeitsorganisation seit 1941 nicht mehr angehört, das Übereinkommen von 1981 ratifiziert, so dass dieses gar nicht in Kraft getreten ist, und auch das revidierte Übereinkommen von 1935 ist bisher nur von zwei Staaten (Cuba und Mexiko) ratifiziert worden und ebenfalls noch nicht in Kraft getreten. Unter diesen Umständen sind wir der Auffassung, eine Katifikation durch die Schweiz komme bis auf weiteres nicht in Frage.

Die verbleibenden Übereinkommen, denen die schweizerischen Begierungsdelegierten zugestimmt haben, ohne dass unser Land sie bis dahin ratifiziert hätte, fassen wir unter nachstehenden Überschriften zusammen: 1. Arbeits- und Buhezeit, Ferien, 2. Schutz der Frauen und Jugendlichen, 8. Gesundheitsschutz, 4. Sozialversicherung und nehmen zu den einzelnen Übereinkommen wie folgt Stellung. Da wir unsern Standpunkt schon früher dargelegt haben -- teilweise sogar mehr als einmal --, und die Verhältnisse sich in manchen Fällen inzwischen nicht geändert haben, können wir uns dabei teilweise kurz fassen und im übrigen auf die ältere Berichterstattung verweisen.

1. Arbeits- und Buhezeit, Ferien a. Übereinkommen über die Begrenzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben auf acht Stunden täglich und a c h t u n d vierzig Stunden wöchentlich, 1919. Siehe Botschaft des Bundesrates vom 10. Dezember 1920 über die Beschlüsse der ersten Internationalen Arbeitskonferenz, BB1 1920, V, 492 ff., und Stellungnahme zum Postulat Eobert, BEI 1989, I, 766.

In diesen frühem Berichten wurde dargetan, dass zwischen den Arbeitszeitbestimmungen der Konvention, die übrigens in diesen 30 Jahren an Bedeutung stark verloren hat, und denjenigen unserer Arbeitszeitgesetzgebung (Fabrikgesetz, Arbeitszeitgesetz der Verkehrsanstalten) verschiedene wesentliche Unterschiede bestehen, dass eine Anpassung dieser Gesetzgebung an die Konvention sich mit, Bücksicht auf unsere volkswirtschaftlichen Interessen nicht verantworten Hesse und dass wir deshalb auf die Batifikation verzichten müssten. Eine der Hauptschwierigkeiten liegt darin, dass das Übereinkommen alle, also auch die kleinen
Gewerbe, in sein Geltungsgebiet einschliesst und somit die Achtundvierzigstundenwoche schematisch für sie vorschreibt. Es ist anzunehmen, dass auch das in Vorbereitung befindliche allgemeine Arbeitsgesetz nicht alle Schwierigkeiten beseitigen und die Arbeitszeit nicht in einer Weise regem wird, die es gestatten könnte, dem Übereinkommen beizutreten.

31

Doch können wir zu dieser Frage erst endgültig Stellung nehmen, wenn das Gesetz einmal vorliegt.

b. Übereinkommen über die Eegelung der Arbeitszeit im Handel und in Büros, 1930. Siehe Bericht des Bundesrates vom 81. März 1981 über die vierzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BB1 1931, I, 455, und Stellungnahme zum Postulat Eobert, BEI 1939, I, 766.

Das Übereinkommen, das das soeben besprochene Arbeitszeitübereinkommen der ersten Internationalen Arbeitskonferenz von Washington ergänzt, ist zwar elastischer als dieses gestaltet; bis dahin aber fehlte uns noch für die Eatifikation die den Bestimmungen des Übereinkommens entsprechende Gesetzgebung, und die Frage des Beitrittes wird auch hier erst nach Erlass des allgemeinen Arbeitsgesetzes spruchreif sein.

c. Übereinkommen über die Arbeitszeit in automatischen Tafelglashütten, 1984. Siehe Bericht des Bundesrates vom 21. Juni 1935 über die achtzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BB11935, I, 986, und Stellungnahme zum Postulat Eobert, BEI 1939, I, 766.

Unsere Gesetzgebung steht mit dem Übereinkommen, das eine Begrenzung der wöchentlichen Arbeitsdauer auf zweiundvierzig Stunden vorsieht, nicht im Einklang. Die Eatifikation des Übereinkommens hätte somit den Erlass eines Sondergesetzes über die Arbeitszeit in automatischen Tafelglashütten zur Voraussetzung, eines Sondergesetzes, unter das nur zwei Betriebe fallen würden.

Schon früher schrieben wir: «Ganz abgesehen, davon, ob die nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die beiden betroffenen Betriebe eine solche Massnahme als ratsam erscheinen liessen, würde ein derartig isoliertes Vorgehen im Gebiete der Arbeitszeitgesetzgebung für einen bei uns ganz nebensächlichen Industriezweig nicht verstanden werden» (BB11939, I, 766). Dieses Urteil gilt unseres Erachtens heute mehr denn je.

d. Übereinkommen über den bezahlten Jahresurlaub, 1986.

Siehe Bericht des Bundesrates vom 24. März 1937 über die zwanzigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BB11937,1, 658, und Stellungnahme zum Postulat Eobert, BEI 1939, I, 767.

Unser Land konnte diesem. Übereinkommen bisher nicht beitreten, da trotz ausgedehnter Ferienregelung auf gesamtarbeitsvertraglicher Grundlage und vielfachen Ferienvorschriften in eidgenössischen und kantonalen Gesetzen ein gesetzlicher Ferienanspruch
in der im Übereinkommen vorgesehenen umfassenden Form bei uns nicht besteht. Es darf angenommen werden, dass das in Vorbereitung befindliche allgemeine Arbeitsgesetz, dessen Entwurf einen generellen! Anspruch auf Ferien vorsieht, unsere Gesetzgebung den Bestimmungen des Übereinkommens beträchtlich annähern wird. Ob sich eine vollständige Übereinstimmung wird erzielen lassen, so dass wir dem Übereinkommen werden beitreten können, lässt sich aber heute noch nicht voraussehen.

32 e. Übereinkommen über die Arbeits- und Buhezeit im Strassenverkehr, 1939. Siehe Bericht des Bundesrates vom 14. Januar 1941 über die fünfundzwanzigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BEI 1941, 28/29.

Wir haben in dem soeben zitierten Bericht dargetan, dass die bestehenden Bestimmungen des Bundesrechtes (Verordnung des Bundesrates vom 4. Dezember 1933 über die Arbeits- und Euhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer und Bundesgesetz vom 6. März 1920 betreffend die Arbeitszeit bei Betrieben der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten) in verschiedener Hinsicht den Anforderungen des Übereinkommens nicht entsprechen, dass die im Übereinkommen vorgesehene Eegelung nicht tragbar wäre, eine Anpassung an diese und eine Eatifikation des Übereinkommens infolgedessen nicht möglich seien. Auch heute müssen wir an diesem Standpunkt festhalten, da es im allgemeinen Landesinteresse liegt, alles zu verhindern, was eine Erhöhung der Preise und Tarife mit Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, solange keine zwingenden Gründe des Arbeiterschutzes uns zu einer andern Einstellung nötigen. Dass trotzdem auch auf diesem Gebiete weitere soziale Portschritte erzielt worden sind, beweist der gross angelegte Gesamtarbeitsvertrag, den das Autotransportgewerbe am 28. Februar 1947 abgeschlossen hat.

2. Schutz der Frauen und Jugendlichen a. Übereinkommen über die Beschäftigung der Frauen Tor und nach der N i e d e r k u n f t , 1919. Siehe Botschaft des Bundesratee vom 10. Dezember 1920 über die Beschlüsse der ersten Internationalen Arbeitskonferenz, BB1 1920, V, 476 ff., und Stellungnahme zum Postulat Eobert, BB1 1939, I, 770.

Da die gesetzlichen Grundlagen zur Durchführung des Übereinkommens fehlten, war es der Schweiz nicht möglich, diesem beizutreten. Die Frage der Mutterschaftsversicherung, welche die massgebenden Stellen schon seit langem beschäftigt, soll nun im Zusammenhang mit der Abänderung des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung weiterbehandelt werden.

Die mit der Prüfung dieses Fragenkomplexes beauftragte Expertenkommission befürwortet die Einführung des Obligatoriums der Krankenversicherung (unter Einschluss der Mutterschaftsversicherung) für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Dabei soll es Sache der Kantone sein, dafür zu sorgen, dass die minderbemittelten Bevölkerungskreise
vom Versicherungsobligatorium erfasst werden.

Die Annahme einer solchen Eegelung würde somit nicht zur Unterstellung sämtlicher in industriellen und Handelsbetrieben beschäftigter weiblicher Arbeitnehmer unter die Mutterschaftsversicherung im Sinne des Übereinkommens führen. Aber auch abgesehen davon würde die Mehrheit des Schweizervolkes eine Versicherung, die nur bestimmten Wirtschaftsgruppen zugute käme, zweifellos ablehnen. Ebenso wird der schweizerische Gesetzgeber schwerlich dazu kommen, entsprechend dem Übereinkommen, die Ausrichtung von

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Stillgeldern während je sechs Wochen vor und nach der Niederkunft vorzuschreiben. Vielmehr dürfte unter Berücksichtigung sowohl finanzieller wie medizinischer Gesichtspunkte wohl höchstens eine Zeitdauer von zwei Wochen vor und sechs Wochen nach der Niederkunft in Frage kommen. . < . ' Nach allem ist somit nicht anzunehmen, dass die Mutterschaftsversicherung bei uns eine Regelung finden wird, die es uns gestattet, das Übereinkommen zu ratifizieren. Endgültig kann hierüber aber erst bei Vorliegen des revidierten Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes geurteilt werden.

1}. Ü b e r e i n k o m m e n über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen A r b e i t ( a b g e ä n d e r t e r W o r t l a u t ) , 1937. Siehe Bericht des Bundesrates vom 13. Juni 1938 über die 21., 22. und 23. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BB11938. II, 15, und Stellungnahme zum Postulat Robert, BEI 1939, I, 768.

Unser Land hat in der Frage der Einschränkung der Kinderarbeit immer eine fortschrittliche Haltung eingenommen. Es hat das Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit vom Jahre 1919 ratifiziert und wäre gerne auch dem revidierten Übereinkommen von 1937 beigetreten. Gewisse, wenn auch geringfügige Abweichungen, die das Bundesgesetz vom 24. Juni 1938 über das Mindestalter der Arbeitnehmer gegenüber den Bestimmungen des Übereinkommens aufweist, Hessen jedoch --· und lassen leider1 auch heute -- die Ratifikation nicht zu. Es handelt sich dabei um eine Sonderregelung für Familienangehörige sowie um eine Herabsetzung der Mindestaltersgrenze für Botengänge und leichte Hilfsarbeiten, Ausnahmen, die das genannte Gesetz im Gegensatz zu den strengeren Normen des revidierten Übereinkommens gestattet.

c. Übereinkommen über die ärztliche Untersuchung der Eign u n g von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit im Gewerbe, 1946.

.

.

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d. Ü b e r e i n k o m m e n über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zu ;nichtgewerblichen Arbeiten, 1946. Siehe Bericht des Bundesrates vom 23. Dezember 1947 über die neunundzwanzigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (Traktanden nicht-konstitutioneller Art), BEI 1948, I, 161. · .

. · In dem soeben zitierten Bericht, den wir Ihnen vor zwei Jahren erstattet haben, legten
wir dar, dass es sich bei den beiden Übereinkommen um ein Hinübergreifen des Arbeiterschutzes in das Gesundheitswesen handle, das zur Hauptsache in die Zuständigkeit der Kantone falle. Bundesgesetzliche Bestimmungen im Sinne der beiden Übereinkommen bestehen deshalb nur vereinzelt.

Dasselbe gilt aber auch für das kantonale Recht, in welchem bloss da und dort Ansätze zur Erfüllung der in dem Übereinkommen enthaltenen Vorschriften anzutreffen sind. Es fehlen uns somit die Voraussetzungen für die Ratifikation.

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. I.

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e. Übereinkommen über die Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten, 1946. Siehe Bericht des Bundesrates vom 23. Dezember 1947 über die neunundzwanzigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (Traktanden nicht-konstitutioneller Art), BEI 1948, I, 163.

Wie wir in jenem Bericht ausgeführt haben, kommt mangels einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage ein Beitritt für uns vorläufig nicht in Betracht. Die Möglichkeit der Batifikation wird erst abschliessend beurteilt werden können, wenn einmal das allgemeine Arbeitsgesetz vorliegt.

3. Gesundheitsschutz Übereinkommen über die Verwendung von Bleiweiss zum Anstrich, 1921. Siehe Botschaft des Bundesrates vom 4. Mai 1923 über die dritte und vierte Internationale Arbeitskonferenz, BB1 1923, II, 81, Stellungnahme zum Postulat Bobert, BEI 1939, I, 771, sowie Bericht des Bundesrates vom 14. Januar 1941 über die 25. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BEI 1941, 32.

In unseren soeben zitierten Berichten ist die Eede von der Ausarbeitung eines Bundesgesetzes über die Verwendung von Bleiweiss, das die Voraussetzung schaffen sollte für den Beitritt zum internationalen Übereinkommen. Seit dem Jahre 1941 hat sich jedoch die Angelegenheit in einer andern als der ursprünglich geplanten Richtung entwickelt. Der damals den Kantonsregierungen, der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt, den Spitzenverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie den eidgenössischen Fabrikinspektoraten vom eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement vorgelegte Gesetzentwurf wurde uneinheitlich aufgenommen. Abgelehnt wurde er insbesondere von der Unfallversicherungsanstalt, die darauf hinwies, dass die Durchführung eines umfassenden Bleiweissverbotes fast unmöglich zu kontrollieren wäre, dass die Gefahr von Bleiweißschädigungen gering sei und dass die wenigen Vergiftungen, die sich noch bei Innenanstrichen ereigneten, auf Missachtung von Vorschriften der «Verordnung III über die Unfallversicherung (Schutz der Arbeitnehmer des Malergewerbes gegen Bleivergiftungen)» vom 2. März 1928 (AS 4Â, 28) beruhten. Im Einklang mit der Auffassung der Unfallversicherungsanstalt wurde deshalb die Lösung nunmehr anstatt in einem Spezialgesetz in einer Neugestaltung der genannten Verordnung gesucht. Dieser Weg musste um so eher eingeschlagen
werden, als es damals wichtig war, alle vorhandenen Bohstoffe nach Möglichkeit zu verwenden, also ein eigentliches Verbot der Bleiweissverwendung schon aus wehrwirtschaftlichen Gründen nicht zu verantworten gewesen wäre. Auf Grund von Vorarbeiten, an denen die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und die eidgenössische Materialprüfungs- und Versuchsanstalt in Verbindung mit Vertretern des Schweizerischen Maler- und Gipsermeisterverbandes und des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes massgebend beteiligt waren, erliess der Bundesrat am 19. Mai 1942 eine «Verordnung zur

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Verhütung von Bleiweissvergiftungen bei der Herstellung und Verwendung bleihaltiger Anstrichstoffe» (AS 58, 460), die an Stelle der bisherigen Verordnung III vom 2. März 1928 trat.

Die neue Verordnung enthält, im Gegensatz zur früheren, nicht nur Schutzvorschriften, die bei der Verwendung bleiweisshaltiger Anstrichstoffe zu beachten sind, sondern auch solche für Betriebe, in denen derartige Stoffe hergestellt oder verarbeitet werden. Zudem wird der Gebrauch bleiweisshaltiger Anstrichstoffe weitgehend eingeschränkt. Artikel 9 der Verordnung bestimmt : «Soweit bleihaltige Anstrichstoffe, insbesondere Bleiweiss und Bloisulfat, zum Schutze von Werkstoffen nicht unbedingt notwendig sind, dürfen nur bleifreie Farben, d. h. solche, die nicht mehr als 2 % metallisches Blei enthalten, verwendet werden.

Das Spritzen von bleihaltigen Farben ist nur dann zulässig, wenn Massnahmen getroffen werden, dass sowohl die die Anlage bedienende Person wie die Nebenarbeiter gegen die Verunreinigung durch die Anstrichstoffe geschützt sind.

Vorbehalten bleiben weitere allgemeine Vorschriften über Farbspritzanlagen.»

Die Verordnung vom 19. Mai 1942 lehnt sich in einzelnen Teilen an das internationale Übereinkommen an, gestattet jedoch den Beitritt zu ihm nicht, weil sie kein so weitgehendes Verbot der Bleiweissverwendung für den Innenanstrich wie das Übereinkommen vorsieht.

Mit dem Erlass der neuen Verordnung wurde die Frage, ob nicht doch noch weitergehende Massnahmen zum Schutze gegen Bleiweissvergiftungen zu ergreifen seien, nicht erledigt. Mit Rücksicht darauf, dass ein Verbot der Bleiweissverwendung für den Innenanstrich allein nicht unter allen Umständen als durchführbar erscheint, wenn nicht zugleich der Aussenanstrich untersagt ist, beauftragte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt eine aus Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, der eidgenössischen Materialprüfungs- und Versuchsanstalt sowie der Unfallversicherungsanstalt bestehende Kommission mit der Durchführung von Versuchen zur Ermittlung der Wetterbeständigkeit von bleihaltigen und bleifreien Anstrichstoffen. In ihrem über diese Versuche abgegebenen Bericht vom 16. Dezember 1946 stellte die Kommission fest, dass sich die bleihaltigen Anstriche eindeutig als viel haltbarer erwiesen haben als bleifreie.

In Anbetracht dieser Sachlage sowie der Tatsache, dass durch die Verordnung vom 19. Mai 1942 die Gefahr von Bleiweissvergiftungen, die in der Schweiz nie sehr gross war, nahezu ausgeschaltet ist -- erklärte doch schon vor Erlass dieser Verordnung der damalige Direktor der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt, Herr Dr: Bohren, die Bleiweissvergiftung spiele heute im Malergewerbe kaum mehr eine Eolle --, dürfte die Frage nach einem Verbot der Bleiweissverwendung für den Innenanstrich im Sinne des Übereinkommens in nächster Zeit bei uns kaum zur Erörterung gestellt werden. Es wird damit zuzuwarten sein, bis die Farbentechnik in der Entwicklung giftfreier Anstrichstoffe so weit fortgeschritten ist, dass sie giftfreie Farben zu liefern vermag,

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die den Bleiweissfarben an Haltbarkeit annähernd ebenbürtig sind. Bis dahin wird auch die Frage des Beitrittes zum internationalen Übereinkommen vertagt werden müssen.

4. Sozialversicherung a. Ü b e r e i n k o m m e n über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und H a n d e l s b e t r i e b e und der freien B e r u f e sowie der Heimarbeiter und Hausgehilfen für den Fall des Alters, 1933.

b. Ü b e r e i n k o m m e n über die P f l i c h t v e r s i c h e r u n g der A r b e i t nehmer der l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n Betriebe für den Fall des Alters, 1933.

c. Übereinkommen über die P f l i c h t v e r s i c h e r u n g der Arbeitn e h m e r der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien B e r u f e sowie der Heimarbeiter und H a u s g e h i l f e n für den Fall des Ablebens, 1933, d. Übereinkommen über die P f l i c h t v e r s i c h e r u n g der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall des Ablebens, 1933. Siehe Bericht des Bundesrates vom 29. Juni 1934 über die siebzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BB1 1934, II, 732.

Nachdem wir im genannten Bericht die Frage, ob die Schweiz den oben aufgeführten Übereinkommen beitreten könne, verneinen mussten, war diese Frage erneut zu prüfen, nachdem das Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversichemng am 1. Januar 1948 in Kraft trat. Dabei ergab sich, dass eine Ratifikation nach wie vor nicht möglich ist, da das Gesetz in mancherlei Hinsicht mit den genannten Übereinkommen nicht übereinstimmt. So sehen diese z. B. vor, dass ausländischen Versicherten und ihren Rechtsnachfolgern Leistungen aus den ihnen gutgeschriebenen Beiträgen in gleicher Weise zustehen wie Inländern. Demgegenüber besagt Artikel 18, Absatz 3, des Bundesgesetzes: «Angehörige von Staaten, deren Gesetzgebung den Schweizer Bürgern und ihren Hinterlassenen nicht Vorteile bietet, die denjenigen dieses Gesetzes ungefähr gleichwertig sind, Staatenlose und Hinterlassene solcher Personen sind nur rentenberechtigt, solange sie ihren zivilrechtliehen Wohnsitz in der Schweiz haben und sofern die Beiträge während mindestens 10 vollen Jahren entrichtet worden sind.»

Zudem werden die ordentlichen Eenten um 1/3 gekürzt (Art. 40). Vorbehalten bleiben abweichende zwischenstaatliche Vereinbarungen, auf Grund deren die Schweiz Angehörige eines Staates entsprechend günstiger behandeln kann, je nachdem dieser gegenüber den Schweizer Bürgern Gegenrecht hält (Art. 18, Abs. 3, und Art. 40). Jede derartige Vereinbarung erfordert jedoch zunächst eine genaue Prüfung der Gesetzgebung des ausländischen Staates, bezüglich der Gleichwertigkeit der Leistungen. Unser Land kann deshalb nicht in einer

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so allgemeinen Weise, "wie dies nach den genannten Übereinkommen der Fall wäre, sich international binden, sondern muss dies im Wege bilateraler Verträge tun. Einzig auf diese Art sichern wir uns die notwendige Bewegungsfreiheit und Anpassungsfähigkeit, um unsere Interessen zu wahren.

e. Ü b e r e i n k o m m e n über die Herstellung eines internationalen G e g e n s e i t i g k e i t s v e r h ä l t n i s s e s für die Wahrung der Bechte in der Invaliden-, A l t e r s - und H i n t e r b l i e b e n e n v e r s i c h e r u n g , 1935. Siehe Bericht des Bundesrates vom 20. April 1936 über die neunzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz. BEI 1936, I, 766.

In unserm soeben genannten .Bericht haben wir ausgeführt, weshalb wir auch dieses Übereinkommen, das kurz als Übereinkommen über die internationale Wanderversicherimg bezeichnet wird und die Versicherungskonventionen von 1933 ergänzt, nicht ratifizieren können. Eine Batifikation fällt schon deshalb ausser Betracht, weil wir keine obligatorische Invalidenversicherung besitzen. Im übrigen gelten unsere Bemerkungen zu den oben angeführten vier Konventionen über die Alters- und Hinterbliebenenversicherung auch für dieses Übereinkommen.

/. Ü b e r e i n k o m m e n über die E n t s c h ä d i g u n g bei B e r u f s k r a n k heiten (abgeänderter W o r t l a u t ) , 1934. Siehe Bericht des Bundesrates vom 21. Juni 1935 über die achtzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BB1 1935, I, 987, sowie Stellungnahme zum Postulat Bobert, BB1 1939, I, 771.

Wie wir in unserer früheren Berichterstattung dargelegt haben, war es der Schweiz, die das ursprüngliche Übereinkommen über die Entschädigung bei Berufskrankheiten von 1925 ratifiziert hat, nicht möglich, dem revidierten Übereinkommen von 1934 beizutreten, da unsere Gesetzgebung mit dem Inhalt des Übereinkommens nicht völlig übereinstimmt. Um diesen Ausgleich herzustellen, wäre es notwendig, unsere «Giftliste» wesentlich zu erweitern und auch die mit einer Silikose verbundene Tuberkulose zu entschädigen. Es ist geplant, die Frage der Berufskrankheiten bei Bevision des zweiten Titels des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung neu zu regeln, wobei voraussichtlich das bisherige System der «Giftliste» zugunsten einer allgemeineren Umschreibung der Berufskrankheiten aufgegeben
würde. In diesem ]?alle dürfte wahrscheinlich auch der Batifikation des revidierten Übereinkommens nichts mehr entgegenstehen. Da sich aber im jetzigen Augenblick über den Zeitpunkt und das Ergebnis einer Bevision des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes nichts Bestimmtes sagen lässt, muss auch die Frage des Beitrittes der Schweiz zürn abgeänderten Übereinkommen über die Entschädigung bei Berufskrankheiten vom Jahre 1934 vorläufig noch offen bleiben.

Wir bitten Sie, von unserem Bericht zustimmend Kenntnis zu nehmen.

Mit Ihrer Zustimmung zu unsern Ausführungen über den Beitritt der Schweiz

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zu einer Reihe internationaler Arbeitsübereinkommen wäre gleichzeitig das eingangs erwähnte Postulat der nationalrätlichen Kommission vom 8. März 1947 als erledigt zu betrachten und abzuschreiben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 5. Januar 1950.

Im Namen des schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber

'

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(Entwurf)

Beilage I

Bundesbeschluss betreffend

das internationale Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in einen Bericht des Bundesrates vom 5. Januar 1950, beschliesst : Einziger Artikel Das von der Internationalen Arbeitskonferenz an ihrer 31. Tagung beschlossene abgeänderte Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe wird genehmigt.

Der Bundesrat wird ermächtigt, das Übereinkommen zu ratifizieren.

40 Beilage II

Eimmddreissigste Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (San Francisco, 17. Juni bis 10. Juli 1948)

Beschlüsse der Konferenz Die nachfolgend abgedruckten deutschen Texte bilden die in Übereinstimmung mit Artikel 42 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz! angefertigten offiziellen Übersetzungen der französischen und englischen Urtexte.

Übereinkommen (Nr. 87) über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach San Francisco einberufen wurde und am 17. Juni 1948 zu ihrer einunddreissigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge betreffend die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, eine Frage, die den siebenten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, in der Form eines Übereinkommens anzunehmen.

Davon ausgehend, dass die Präambel zur Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation die «Anerkennung des Grundsatzes der Vereinigungsfreiheit» unter den Mitteln aufzählt, die geeignet sind, die Lage der Arbeitnehmer zu verbessern und den Frieden zu sichern, dass die Erklärung von Philadelphia erneut bekräftigt hat: «die Freiheit der Meinungsäusserung und die Vereinigungsfreiheit sind unerlässliche Voraussetzungen eines anhaltenden Fortschrittes», dass die internationale Arbeitskonferenz auf ihrer dreissigsten Tagung einstimmig die Grundsätze angenommen hat, welche die Grundlage der internationalen Eegelung bilden sollen, dass die allgemeine Versammlung der Vereinigten Nationen sich auf ihrer zweiten Tagung diese Grundsätze zu eigen gemacht und die Internationale Arbeitsorganisation ersucht hat, weiterhin alles zu tun, um die Annahme eines oder mehrerer internationaler Übereinkommen zu ermöglichen,

41 nimmt die Konferenz heute, am 9. Juli 1948, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, 1948, bezeichnet wird.

Teil I Vereinigungsfreiheit Artikel l ' Jedes Mitglied der Internationalen. Arbeitsorganisation, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist, verpflichtet sich, die folgenden Bestimmungen zur Anwendung zu bringen.

Artikel 2 Die Arbeitnehmer .und die Arbeitgeber ohne jeden Unterschied haben das Eecht, nbne vorherige Genehmigung Organisationen nach eigener Wahl zu bilden und solchen Organisationen beizutreten, wobei lediglich die Bedingung gilt, dass sie deren Satzungen einhalten.

. : .

; Artikel 3 ' .

1. Die Organisationen der Arbeitnehmer und der. Arbeitgeber haben das Kecht, sich Satzungen und Geschäftsordnungen zu geben, ihre Vertreter frei zu wählen, ihre Geschäftsführung und Tätigkeit zu regeln und ihr Programm aufzustellen.

2. Die Behörden haben sich jedes Eingriffes zu enthalten, der geeignet wäre, dieäes. Becht zu beschränken oder dessen rechtmässige Ausübung zu behindern. , Artikel 4 · ' Die Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber dürfen im Verwaltungswege weder aufgelöst noch zeitweilig eingestellt werden. .

: Artikel 5 . Die Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber sind berechtigt, Verbände und Zentralyerbände zu bilden und sich solchen anzuschliessen. Die Organisationen, Verbände und Zentralverbände haben das Eecht, .sich internationalen Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber anzuschliessen. ·

Artikel 6 Die Bestimmungen der Artikel 2, S und 4 finden auf die Verbände und Zentralverbände von Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber Anwendung.

. . .

. : Artikel 7 ; .· , Der Erwerb der Eechtspersönlichkeit durch Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, ihre Verbände und Zentralverbände darf nicht

42 an Bedingungen geknüpft werden, die geeignet sind, die Anwendung der Bestimmungen der Artikel 2, 3 und 4 zu beeinträchtigen.

Artikel 8 1. Die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber und ihre Organisationen haben sich gleich anderen Personen und organisierten Gemeinschaften bei Ausübung der ihnen durch dieses Übereinkommen zuerkannten Rechte an die Gesetze zu halten.

2. Die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Eechte dürfen weder durch die Gesetzgebung noch durch die Art ihrer Anwendung geschmälert werden.

Artikel 9 1. Die Gesetzgebung bestimmt, inwieweit die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Eechte auf das Heer und die Polizei Anwendung finden.

2. Die Eatifikation dieses Übereinkommens durch ein Mitglied lässt bereits bestehende Gesetze, Entscheidungen, Gewohnheiten oder Vereinbarungen, die den Angehörigen des Heeres und der Polizei irgendwelche in diesem Übereinkommen vorgesehene Eechte einräumen, gemäss dem Grundsatz des Artikels 19, Absatz 8, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation unberührt.

Artikel 10 In diesem Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck «Organisation» jede Organisation von Arbeitnehmern oder von Arbeitgebern, welche die Förderung und den Schutz der Interessen der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber zum Ziele hat.

Teil II Schutz des Vereinigungsrechtes Artikel 11 Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist, verpflichtet sich, alle erforderlichen und geeigneten Massnahmen zu treffen, um den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern die freie Ausübung des Vereinigungsrechtes zu gewährleisten.

Teil III Verschiedene Bestimmungen Artikel 12 1. Für die in Artikel 85 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation in der Fassung der Abänderungsurkunde von 1946 bezeichneten Gebiete, mit Ausnahme der Gebiete nach Absatz 4 und 5 des genannten Artikels in

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seiner neuen Passung, hat jedes Mitglied der Organisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes mit seiner Ratifikation oder so bald wie möglich nach der Ratifikation eine Erklärung zu übermitteln, welche die Gebiete bekanntgibt, a. für die es die Verpflichtung zur unveränderten Durchführung des Übereinkommens übernimmt, b. für die es die Verpflichtung zur Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens mit Abweichungen übernimmt, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abweichungen, c. in denen das Übereinkommen nicht durchgeführt werden kann, und in diesem Falle die Gründe dafür, d. für die es sich die Entscheidung vorbehält.

2. Die Verpflichtungen nach Absatz l, a und b, dieses Artikels gelten als wesentlicher Bestandteil der Ratifikation und haben die Wirkung einer solchen.

3. Jedes Mitglied kann die in der ursprünglichen Erklärung nach Absatz l, b, c und d, dieses Artikels mitgeteilten Vorbehalte jederzeit durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.

4. Jedes Mitglied kann dem Generaldirektor zu jedem Zeitpunkt, in dem das Übereinkommen nach Artikel 16 gekündigt werden kann, eine Erklärung übermitteln, durch die der Inhalt jeder früheren Erklärung in sonstiger Weise abgeändert und die in dem betreffenden Zeitpunkt in bestimmten Gebieten bestehende Lage angegeben wird.

Artikel 13 1. Fällt der Gegenstand dieses Übereinkommens unter die Selbstregierungsbefugnisse eines ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebietes, so kann das für die internationalen Beziehungen dieses Gebietes verantwortliche Mitglied im Benehmen mit dessen Regierung dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes eine Erklärung übermitteln, durch die es die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen im Namen des betreffenden Gebietes übernimmt.

2. Eine Erklärung betreffend die Übernahme der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen kann dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt werden a. von zwei oder mehr Mitgliedern der Organisation für ein ihnen gemeinsam unterstelltes Gebiet, 6. von jeder nach der Charte der Vereinigten Nationen oder auf Grund einer anderen Bestimmung für die Verwaltung eines Gebietes verantwortlichen internationalen Behörde, und zwar für das betreffende Gebiet.

8. In den dem Generaldirektor des Internationalen
Arbeitsamtes nach den vorstehenden Absätzen dieses Artikels übermittelten Erklärungen ist anzugeben, ob das Übereinkommen in dem betreffenden Gebiete mit oder ohne Abweichungen durchgeführt wird ; teilt die Erklärung mit, dass die Durchführung

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des Übereinkommens mit Abweichungen erfolgt, so sind die Einzelheiten dieser Abweichungen anzugeben.

4. Das beteiligte Mitglied, die beteiligten Mitglieder oder die beteiligte internationale Behörde können jederzeit durch eine spätere Erklärung auf das Eecht der Inanspruchnahme jeder in einer früheren Erklärung mitgeteilten Abweichung ganz oder teilweise verzichten.

5. Das beteiligte Mitglied, die beteiligten Mitglieder oder die beteiligte internationale Behörde können dem Generaldirektor zu jedem Zeitpunkt, in dem dieses Übereinkommen gemäss Artikel 16 gekündigt werden kann, eine Erklärung übermitteln, durch die der Inhalt jeder früheren Erklärung in sonstiger Weise abgeändert und die in dem betreffenden Zeitpunkte bestehende Lage in bezug auf die Durchführung dieses Übereinkommens angegeben wird.

Teil IV Schlussbestimmungen

Artikel 14 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 15 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate, nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 16 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

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Artikel 17 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Eatifikationen, Erklärungen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Eatifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 18 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charte der Vereinigten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Eatifikationen, Erklärungen und Kündigungen.

Artikel 19 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes ha nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Erage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 20 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Eücksicht auf Artikel 16; Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

o. Vom Zeitpunkte des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorhegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 21 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

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Übereinkommen (Nr. 88) über die Organisation der Arbeitsmarktverwaltung Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach San Francisco einberufen wurde und am 17. Juni 1948 zu ihrer einunddreissigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Organisation der Arbeitsmarktverwaltung, eine Frage, die zum vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträgedie Form' eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 9. Juli 1948, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Arbeitsmarktverwaltung, 1948 bezeichnet wird.

Artikel l 1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist, hat eine öffentliche, unentgeltliche Arbeitsmarktverwaltung zu unterhalten oder für das Bestehen einer solchen Verwaltung zu sorgen.

2. Die Arbeitsmarktverwaltung hat zur Hauptaufgabe, nötigenfalls in Zusammenarbeit mit anderen beteiligten öffentlichen und privaten Stellen, die bestmögliche Organisation des Arbeitsmarktes als einen wesentlichen Teil des staatlichen Programmes zur Erzielung und Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung sowie zur Steigerung und Ausnützung der Produktionskräfte zu verwirklichen.

Artikel 2 Die Arbeitsmarktverwaltung bat aus einem das ganze Land umfassenden System von Arbeitsämtern unter Leitung einer Zentralbehörde zu bestehen.

Artikel 8 1. Dieses System hat ein ZsTetz von örtlichen und nötigenfalls regionalen Ämtern zu umfassen. Ihre Zahl nrass zur Betreuung jedes Landesteiles ausreichen, und ihre Standorte müssen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer günstig gelegen sein.

2. Der Aufbau dieses Netzes ist «. allgemein zu überprüfen, I. wenn sich bedeutsame Verschiebungen innerhalb der wirtschaftlichen Tätigkeit und der werktätigen Bevölkerung ergeben, II. wenn die zuständige Behörde eine allgemeine Überprüfung als wünschenswert erachtet, um die während einer Versuchszeit gewonnene Erfahrung auszuwerten,

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b. abzuändern, wenn eine solche Überprüfung die Notwendigkeit einer Abänderung ergibt.

Artikel 4 1. Durch Einsetzung beratender Ausschüsse ist dafür zu sorgen, dass Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zur Mitarbeit bei der Organisation und Tätigkeit der Arbeitsmarktverwaltung und beim Ausbau der Arbeitsmarktpolitik herangezogen werden.

2. Bei Massnahmen dieser Art ist die Errichtung eines zentralen beratenden Ausschusses oder mehrerer solcher Ausschüsse und nötigenfalls von regionalen und örtlichen Ausschüssen vorzusehen.

3. Die Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in diesen Ausschüssen sind nach Anhörung der massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, soweit solche Verbände bestehen, in gleicher Zahl zu bestellen.

Artikel 5 Die allgemeine Politik der Arbeitsmarktverwaltung ist, soweit es sich um die Lenkung der Arbeitskräfte nach den offenen Stellen handelt, nach Anhörung von Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Wege der in Artikel 4 vorgesehenen beratenden Ausschüsse festzulegen.

Artikel 6 Die Arbeitsmarktverwaltung ist so einzurichten, dass eine befriedigende Bereitstellung und Unterbringung der Arbeitskräfte gewährleistet wird. Zu diesem Zwecke hat sie a. den Arbeitnehmern beim Aufsuchen einer passenden Stelle und den Arbeitgebern beim Einstellen geeigneter Arbeitskräfte behilflich zu sein; insbesondere hat die Verwaltung gemäss Vorschriften, die für das ganze Land zu erlassen sind, I. die Stellensuchenden einzutragen, ihre beruflichen Fähigkeiten, ihre Erfahrung und ihre Wünsche zu ermitteln, die Frage ihrer Anstellung mit ihnen zu erörtern, nötigenfalls ihre körperliche und berufliche Eignung zu prüfen und ihnen je nach den Umständen zu einer Berufsberatung, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Um- oder Nachschulung zu verhelfen, i II. von den Arbeitgebern genaue Auskünfte über die von ihnen der Verwaltung gemeldeten offenen Stellen und über die Erfordernisse einzuholen, denen die für diese Stellen gesuchten Arbeitnehmer entsprechen müssen, III. die Bewerber, welche die erforderlichen beruflichen und körperlichen Fähigkeiten besitzen, auf die offenen Stellen zu verweisen,

48 IV. den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkte zwischen den verschiedenen Arbeitsvermittlungsstellen zu regeln, sofern die erstbefragte Stelle nicht in der Lage ist, die Bewerber angemessen unterzubringen oder die offenen Stellen angemessen zu besetzen, oder wenn sonstige Umstände diese Massnahme rechtfertigen, it. geeignete Massnahmen zu treffen zur Erleichterung I. des Berufswechsels, um das Angebot an Arbeitskräften den Beschäftigungsmöglichkeiten in den verschiedenen Berufen anzupassen, II. des Ortswechsels, um die Versetzung von Arbeitnehmern in Gebiete mit geeigneten Beschäftigungsmöglichkeiten zu fördern, III. der vorübergehenden Versetzung von Arbeitnehmern von einem Gebiet in ein anderes, um zeitweiligen örtlichen Störungen des Gleichgewichtes zwischen Angebot und Nachfrage von Arbeitskräften zu begegnen, IV. der Wanderungen von Arbeitnehmern aus einem Lande nach einem anderen, soweit sie von den beteiligten Regierungen genehmigt worden sind, c. alle verfügbaren Unterlagen über die Lage und voraussichtliche Entwicklung des Arbeitsmarktes für das ganze Land und für die verschiedenen Wirtschaftszweige, Berufe und Gebiete, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Behörden sowie mit den Arbeitgebern und den Gewerkschaften, zu sammeln und auszuwerten und diese Unterlagen den Behörden, den beteiligten Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit planmässig und rasch zur Verfügung zu stellen, d. bei der Durchführung der Arbeitslosenversicherung, der Arbeitslosenfürsorge und anderer Hilfsmassnahmen für Arbeitslose mitzuarbeiten, e. soweit notwendig andere öffentliche oder private Stellen bei der Ausarbeitung von sozialen und wirtschaftlichen Plänen zu unterstützen, die geeignet sind, den Arbeitsmarkt günstig zu beeinflussen.

Artikel 7 Massnahmen sind zu treffen, die a. innerhalb der verschiedenen Arbeitsämter die Spezialisierung nach Berufen und Wirtschaftszweigen -- wie Landwirtschaft oder andere Zweige wirtschaftlicher Tätigkeit -- gestatten, soweit eine solche Spezialisierung von Nutzen sein kann, fc. den Bedürfnissen besonderer Gruppen von Stellensuchenden, wie der Invaliden, in befriedigender Weise Eechnung tragen.

49 Artikel 8 Innerhalb der Arbeitsmarktverwaltung und der Berufsberatung sind besondere Einrichtungen für Jugendliche zu schaffen und auszubauen.

Artikel 9 1. Das Personal der Arbeitsmarktverwaltung hat aus öffentlichen Angestellten zu bestehen, deren Stellung und Dienstverhältnisse ihnen Unabhängigkeit von Veränderungen in der Eegierung und von unzulässigen äusseren Einflüssen sowie, vorbehaltlich der Bedürfnisse der Verwaltung, Stetigkeit der Beschäftigung verbürgen.

2. Unbeschadet der von der Gesetzgebung gegebenenfalls vorgesehenen Bedingungen für die Anstellung im öffentlichen Dienste hat bei der Auswahl des Personals der Arbeitsmarktverwaltung ausscnliesslich die Befähigung der Anwärter für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu entscheiden.

3. Die Art der Feststellung dieser Befähigung wird von der zuständigen Behörde bestimmt.

4. Das Personal der Arbeitsmarktverwaltung hat eine für die Erfüllung seiner Aufgaben geeignete Ausbildung zu erhalten.

Artikel 10 Die Arbeitsmarktverwaltung und gegebenenfalls andere Behörden haben in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und mit anderen beteiligten Stellen soweit wie möglieh Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu veranlassen, die Arbeitsmarktverwaltung freiwillig und in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen.

Artikel 11 Die zuständigen Behörden haben alle notwendigen Massnahmen für eine wirksame Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsmarktverwaltung und den nicht auf Gewinn gerichteten privaten Arbeitsvermittlungsbüros zu treffen.

Artikel 12 1. Umfasst das Gebiet eines Mitgliedes aiisgedehnte Landesteile, in denen die zuständige Behörde die Bestimmungen dieses Übereinkommens wegen der Spärlichkeit der Bevölkerung oder des Grades ihrer Entwicklung für undurchführbar hält, so kann sie diese Landesteile von der Durchführung des Übereinkommens entweder allgemein oder mit den ihr angemessen erscheinenden Ausnahmen in bezug auf bestimmte Betriebe oder Arbeiten befreien.

2. Jedes Mitglied hat in seinem ersten Jahresberichte, den es auf Grund von Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation über die Durchführung dieses Übereinkommens vorzulegen hat, alle Landesteile, Bimdesblatt. 102. Jahrg. Bd. I.

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50 für die es von diesem Artikel Gebrauch zu machen beabsichtigt, unter Angabe der Gründe hiefür zu bezeichnen. In der Folge darf kein Mitglied von diesem Artikel für andere als die in dieser Weise bezeichneten Landesteile Gebrauch machen.

3. Jedes Mitglied, das von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch macht, hat in seinen spateren Jahresberichten die Landesteile zu bezeichnen, für die es auf das Eecht verzichtet, von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch zu machen.

Artikel 13 1. Für die in Artikel 35 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation in der Fassung der Abänderungsurkunde von 1946 bezeichneten Gebiete, mit Ausnahme der Gebiete nach Absatz 4 und 5 des genannten Artikels in seiner neuen Fassung, hat jedes Mitglied der Organisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes so bald wie möglich nach der Ratifikation eine Erklärung zu übermitteln, welche die Gebiete bekanntgibt, a. für die es die Verpflichtung zur unveränderten Durchführung des Übereinkommens übernimmt, b. für die es die Verpflichtung zur Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens mit Abweichungen übernimmt, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abweichungen, c. in denen das Übereinkommen nicht durchgeführt werden kann, und in diesem Falle die Gründe dafür, d. für die es sich die Entscheidung vorbehält.

2. Die Verpflichtungen nach Absatz l, a und b, dieses Artikels gelten als wesentlicher Bestandteil der Eatifikation und haben die Wirkung einer solchen.

3. Jedes Mitglied kann die in der ursprünglichen Erklärung nach Absatz l, b, c und d, dieses Artikels mitgeteilten Vorbehalte jederzeit durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.

4. Jedes Mitglied kann dem Generaldirektor zu jedem Zeitpunkt, in dem das Übereinkommen nach Artikel 17 gekündigt werden kann, eine Erklärung übermitteln, durch die der Inhalt jeder früheren Erklärung in sonstiger Weise abgeändert und die in dem betreffenden Zeitpunkt in bestimmten Gebieten bestehende Lage angegeben wird.

Artikel 14 l. Fällt der Gegenstand dieses Übereinkommens unter die Selbstregierungsbefugnisse eines ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebietes, so kann das für die internationalen Beziehungen dieses Gebietes verantwortliche Mitglied im Benehmen mit dessen Eegierung dem Generaldirektor
des Internationalen Arbeitsamtes eine Erklärung übermitteln, durch die es die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen im Namen des betreffenden Gebietes übernimmt.

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2. Eine Erklärung betreffend die Übernahme der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen kann dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt werden a. von zwei oder mehr Mitgliedern der Organisation für ein ihnen gemeinsam unterstelltes Gebiet, b. von jeder nach der Charte der Vereinigten Nationen oder auf Grund einer anderen Bestimmung für die Verwaltung eines Gebietes verantwortlichen internationalen Behörde, und zwar für das betreffende Gebiet.

3. In den dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes nach den vorstehenden Absätzen dieses Artikels übermittelten Erklärungen ist anzugeben, ob das Übereinkommen in dem betreffenden Gebiete mit oder ohne Abweichungen durchgeführt wird; teilt die Erklärung mit, dass die Durchführung des Übereinkommens mit Abweichungen erfolgt, so sind die Einzelheiten dieser Abweichungen anzugeben.

4. Das beteiligte Mitglied, die beteiligten Mitglieder oder die beteiligte internationale Behörde können jederzeit durch eine spätere Erklärung auf das Hecht der Inanspruchnahme jeder in einer früheren Erklärung mitgeteilten Abweichung ganz oder teilweise verzichten.

5. Das beteiligte Mitglied, die beteiligten Mitglieder oder die beteiligte internationale Behörde können dem Generaldirektor zu jedem Zeitpunkt, in dem dieses Übereinkommen gemäss Artikel 17 gekündigt werden kann, eine Erklärung übermitteln, durch die der Inhalt jeder früheren Erklärung in sonstiger Weise abgeändert und die in dem betreffenden Zeitpunkte bestehende Lage in bezug auf die Durchführung dieses Übereinkommens angegeben wird.

Artikel 15 Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 16 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate, nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Batifikation in Kraft.

Artikel 17 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen

52 Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 18 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen, Erklärungen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 19 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charte der Vereinigten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen, Erklärungen und Kündigungen.

Artikel 20 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 21 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Rücksicht auf Artikel 17; Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

53 b. Vom Zeitpunkte des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 22 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Empfehlung (Nr. 83) betreffend die Organisation der Arbeitsmarktverwaltung Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach San Francisco einberufen wurde und am 17. Juni 1948 zu ihrer einunddreissigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Organisation der Arbeitsmarktverwaltung, eine Frage, die zum vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung der Empfehlung betreffend den Arbeitsnachweis, 1944, und des Übereinkommens über die Arbeitsmarktverwaltung, 1948, erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 9. Juli 1948, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die Arbeitsmarktverwaltung, 1948, bezeichnet wird.

Davon ausgehend, dass die Empfehlung betreffend den Arbeitsnachweis, 1944, und das Übereinkommen über die Arbeitsmarktverwaltung^ 1948, die Organisation von Dienststellen der Arbeitsmarktverwaltung vorsehen und dass die Ergänzung der dort enthaltenen Bestimmungen durch weitere Empfehlungen erwünscht erscheint, empfiehlt die Konferenz den Mitgliedern, die folgenden Bestimmungen anzuwenden, sobald es die Verhältnisse in ihrem Lande gestatten, und dem Internationalen Arbeitsamt entsprechend den Beschlüssen des Verwaltungsrates über die zu ihrer Verwirklichung getroffenen Massnahmen zu berichten.

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I. Organisation im allgemeinen 1. Die öffentliche, unentgeltliche Arbeitsmarktverwaltung sollte eine Zentralstelle, örtliche und nötigenfalls regionale Ämter umfassen.

2. Um den Ausbau der Arbeitsmarktverwaltung zu fördern und eine einheitlich geordnete Verwaltung für das ganze Land zu gewährleisten, sollten folgende Vorkehrungen getroffen werden: a. Erlass von Verwaltungsanweisungen für das ganze Land durch die Zentralstelle, b. Aufstellung von Mindestnormen für das ganze Land hinsichtlich der Personalfragen und des sachlichen Aufbaues der Arbeitsämter, c. Bereitstellung ausreichender Mittel für die Verwaltung durch die Eegierung, d. regelmässige Berichte der nachgeordneten an die vorgesetzten Stellen, E. zentrale Aufsicht über die regionalen und die örtlichen Ämter, /. regelmässige Besprechungen der Angestellten der Zentralstelle sowie der regionalen und örtlichen Ämter, einschliesslich des Aufsichtspersonals.

3. Die Arbeitsmarktverwaltung sollte soweit erforderlich durch geeignete Vorkehrungen Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie alle Stellen, die mit der Untersuchung besonderer Beschäftigungsprobleme bestimmter Gebiete, Betriebe, Industrien oder Industriegruppen betraut sind, zur Mitarbeit heranziehen.

4. Erforderlichenfalls sollten Massnahmen getroffen werden, um im allgemeinen "Rahmen der Arbeitsmarktverwaltung die Entwicklung in folgender Hinsicht zu fördern: a. Schaffung besonderer Arbeitsämter mit der Aufgabe, den Bedürfnissen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in bestimmten Wirtschaftszweigen oder Berufen Eechnung zu tragen, soweit die Eigenart oder die Bedeutung des Wirtschaftszweiges oder des Berufes oder sonstige besondere Umstände solche besondere Ämter rechtfertigen; diese Massnahme käme z. B. für Hafenbetriebe, die Handelsschiffahrt, den Hoch- und Tiefbau, die Land- und Forstwirtschaft sowie die häuslichen Dienste in Betracht ; b. Schaffung besonderer Einrichtungen für die Vermittlung von I. Jugendlichen, II. Invaliden, III. Technikern, geistigen Arbeitern, Angestellten und leitendem Personal ; c. Schaffung geeigneter Einrichtungen für die Vermittlung von Frauen unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Fähigkeiten und ihrer körperlichen Eignung.

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II. Unterlagen über den Arbeitsmarkt 5. Die Arbeitsmarktverwaltung sollte Unterlagen über den Arbeitsmarkt sammeln, insbesondere über a. den gegenwärtigen und den künftigen Bedarf an Arbeitskräften (einschliesslich von Angaben über Zahl und Art der benötigten Kräfte, gegliedert nach Wirtschaftszweigen, Berufen und Gebieten), b. das gegenwärtige und künftige Angebot an Arbeitskräften (einschliesslich von Angaben über Zahl, Alter und Geschlecht, Fähigkeiten, Beruf und Wohnort der Arbeitnehmer, über den Wirtschaftszweig, dem sie angehören, sowie über Zahl, örtliche Verteilung und besondere Eigenschaften der Stellensuchenden).

6. Die Arbeitsmarktverwaltung sollte allgemeine oder besondere Untersuchungen anstellen über Fragen wie a. Ursachen und Auswirkungen der Arbeitslosigkeit einschliesslich der technisch bedingten Arbeitslosigkeit, b. Vermittlung besonderer Gruppen von Stellensuchenden wie der Invaliden oder der Jugendlichen, c. Umstände, die Grad und Art der Beschäftigung beeinflussen, d. Regulierung der Beschäftigung, e. Berufsberatung in ihrer Beziehung zur Arbeitsvermittlung, /. Berufs- und Arbeitsanalysen, g. sonstige Gesichtspunkte der Eegelung des Arbeitsmarktes.

7. Diese Unterlagen sollten von einem entsprechend geschulten und befähigten Personal gesammelt werden, nötigenfalls in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen und mit Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.

8. Bei Sammlung und Auswertung dieser Unterlagen sollten, soweit es die Umstände gestatten und rechtfertigen, folgende Mittel in Betracht gezogen werden : a. unmittelbare Erhebungen bei den in diesen Fragen besonders unterrichteten Stellen, z. B. bei anderen öffentlichen Behörden, Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, öffentlichen oder privaten Betrieben und paritätischen Ausschüssen, b. Zusammenarbeit mit der Arbeitsaufsicht und mit den Dienststellen der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge, c. regelmässige Berichte über die den Arbeitsmarkt besonders beeinflussenden Umstände, d. Erhebungen über bestimmte Sonderfragen sowie Forschungsarbeiten und Analysen, die von der Arbeitsmarktverwaltung durchgeführt werden,

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III. Schätzung der benötigten und verfügbaren Arbeitskräfte 9. Als Teil einer allgemeinen Untersuchung der Wirtschaftslage sollte sobald wie möglich eine jährliche, das ganze Land umfassende Schätzung der benötigten und verfügbaren Arbeitskräfte durchgeführt werden, um die bestmögliche Eegelung des Arbeitsmarktes zu erreichen, die einen wesentlichen Teil des staatlichen Programmes zur Erzielung und Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung und zur Steigerung und Ausnützung der Produktionskräfte bildet.

10. Diese Schätzung sollte von der Arbeitsmarktverwaltung, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Behörden, vorgenommen werden.

11. Die Schätzung der benötigten und verfügbaren Arbeitskräfte sollte genaue Angaben über den vermutlichen Umfang und die vermutliche Verteilung von Angebot und Nachfrage enthalten.

IV. Lenkung der Arbeitskräfte 12. Die Arbeitsmarktverwaltung sollte a. strenge Neutralität in bezug auf offene Stellen in einem Betriebe wahren, in dem eine Arbeitsstreitigkeit besteht, die diese Stellen berührt, fc. davon absehen, Arbeitnehmer in Stellen zu vermitteln, in denen die Löhne oder sonstigen Arbeitsbedingungen nicht den durch Gesetz, Gesamtarbeitsverträge oder herrschenden Brauch bestimmten Stand erreichen, c. ihrerseits bei der Vermittlung von Arbeitnehmern jede unterschiedliche Behandlung der Stellensuchenden nach Easse, Farbe, Geschlecht oder Glaubensbekenntnis unterlassen.

13. Die Arbeitsmarktverwaltung sollte gehalten sein, den Stellensuchenden alle dienlichen Auskünfte über die angebotene Beschäftigung zu geben, einschliesslich von Angaben über die in vorstehender Ziffer bezeichneten Punkte.

V. Versetzbarkeit der Arbeitnehmer 14. Die Arbeitsmarktverwaltung sollte die in den nachstehenden Ziffern 15 bis 20 angegebenen Massnahmen treffen, um die zur Erreichung und Aufrechterhaltung eines Höchststandes der Produktion und der Beschäftigung notwendige Versetzbarkeit der Arbeitnehmer zu erleichtern.

15. Möglichst vollständige und genaue Angaben über Beschäftigungsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen in anderen Berufen und anderen Gebieten und über die Lebensbedingungen in diesen Gebieten (einschliesslich von Angaben über die verfügbaren angemessenen Unterkunftsmöglichkeiten) sollten gesammelt und bekanntgemacht werden.

16. Die Arbeitnehmer sollten in geeigneter Weise Auskunft und Eat erhalten, damit ihre Bedenken gegen einen Berufs- oder Wohnortswechsel zerstreut werden.

57 17. 1 Die Arbeitsmarktverwaltung sollte die wirtschaftlichen Hindernisse, die einer als notwendig erachteten örtlichen Versetzung entgegenstehen, durch Massnahmen wie Geldunterstützung beseitigen.

2 Eine solche Unterstützung sollte in den von der Arbeitsmarktverwaltung genehmigten Fällen für die durch ihre Vermittlung oder mit ihrer Zustimmung durchgeführten Versetzungen gewährt werden, namentlich wenn mangels anderer Vorkehrungen die zusätzlichen Kosten der Versetzung vom Arbeitnehmer aufgebracht werden müssten.

3 Die Höhe dieser Unterstützung sollte den allgemeinen Verhältnissen des Landes und dem Einzelfall angepasst sein.

18. Die Arbeitsmarktverwaltung sollte die für die Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenfürsorge zuständigen Behörden bei der Festsetzung und Auslegung der Bedingungen unterstützen, unter denen eine Beschäftigung in einem anderen als dem gewohnten Berufe des Arbeitslosen oder an einem Orte, der einen Wohnortswechsel des Arbeitslosen erfordert, als angemessen zu gelten hat.

19. Die Arbeitsmarktverwaltung sollte die zuständigen Behörden bei der Aufstellung und Ausgestaltung von Programmen für berufliche Schulungs-, Nach- und Umschulungskurse (einschliesslich der Lehrlingsausbildung sowie von Ergänzungs- und Fortbildungskursen), bei der Auswahl der Kursteilnehmer und bei der Vermittlung der Personen, die solche Kurse abgeschlossen haben, unterstützen.

VI. Verschiedene Bestimmungen 1

20. Die Arbeitsmarktverwaltung sollte mit anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen zusammenarbeiten, die sich mit Arbeitsmarktproblemen befassen.

2 Zu diesem Zwecke sollten alle Verbindungsstellen, die sich mit der Aufstellung von Grundsätzen und ihrer praktischen Durchführung auf nachstehenden Gebieten befassen, die Arbeitsmarktverwaltung zu Eate ziehen und ihre Auffassung berücksichtigen : a. räumliche Verteilung der Industrie, b. öffentliche Arbeiten und öffentliche Investitionen, c. technische Fortschritte in ihrer Beziehung zur Produktion und zum Arbeitsmarkt, d. Wanderungen, e. Wohnungswesen, /. soziale Massnahmen, z. B. auf dem Gebiete der Gesundheitsfürsorge, des Schulwesens und der Freizeitgestaltung, g. Organisierung und Planung, die das Gemeinwesen als Ganzes betreffen und geeignet sind, die Beschäftigungsmöglichkeiten zu beeinflussen.

21. Die Arbeitsmarktverwaltung sollte die in den Ziffern 22 bis 25 angegebenen Massnahmen treffen, damit ihre Dienste weitgehend in Anspruch genommen werden und sie ihre Aufgaben wirksam durchführen kann.

58 22. 1 Die Personen, die Stellen oder die Arbeitskräfte suchen, sollten durch ständige Bemühungen veranlasst werden, freiwillig und in vollem Umfang die von der Arbeitsmarktverwaltung zur Verfügung gestellten Auskünfte und Begünstigungen zu benützen.

2 Bei diesen Bemühungen sollten Film, Eundfunk und alle sonstigen Mittel zur Unterrichtung der Öffentlichkeit und der Verbindung mit ihr herangezogen werden, damit die wesentliche Eolle der Arbeitsmarktverwaltung bei der Eegelung des Arbeitsmarktes sowie die Vorteile, die sich für die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber und die Allgemeinheit aus einer möglichst weitgehenden Benützung der Dienste der Verwaltung ergeben, besonders unter den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern sowie bei ihren Verbänden besser bekannt und von ihnen besser gewürdigt werden.

28. Arbeitnehmer, die Leistungen der Arbeitslosenversicherung oder der Arbeitslosenfürsorge beanspruchen, und soweit wie möglich auch Personen, die öffentliche oder staatlich subventionierte berufliche Schulungskurse abschliessen, sollten gehalten sein, sich zum Zwecke der Arbeitsvermittlung bei Dienststellen der Arbeitsmarktverwaltung vormerken zu lassen.

24. Die Jugendlichen und soweit wie möglich alle, die erstmals eine Stelle suchen, sollten durch besondere Bemühungen veranlasst werden, sich bei Dienststellen der Arbeitsmarktverwaltung vormerken zu lassen und sich zu einer Aussprache über ihre Vermittlung einzufinden.

25. Die Arbeitgeber einschliesslich der Leiter öffentlicher und gemischtwirtschaftlicher Betriebe sollten veranlasst werden, der Arbeitsmarktverwaltung offene Stellen bekanntzugeben.

26. Die Leistungsfähigkeit der Arbeitsmarktverwaltung sollte durch planmässige Bemühungen derart gesteigert werden, dass sich private Büros für keine Berufsgruppe mehr rechtfertigen, ausser wenn die zuständige Behörde aus besonderen Gründen das Bestehen solcher Bursos für erwünscht oder für notwendig erachtet.

VII. Internationale Zusammenarbeit der Arbeitsmarktverwaltungen 27. l Die internationale Zusammenarbeit der Arbeitsmarktverwaltungen sollte sich, soweit es nützlich und möglich ist, auf Verlangen auch unter Mitwirkung des Internationalen Arbeitsamtes, unter anderem auf folgende Massnahmen erstrecken: a. den zweiseitigen, regionalen oder mehrseitigen planmässigen Austausch von Unterlagen und Erfahrungen
hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik und der angewandten Methoden, 6. die Veranstaltung zweiseitiger, regionaler oder mehrseitiger technischer Konferenzen über Fragen, welche die Arbeitsmarktverwaltung betreffen.

2 Zur Förderung der nach Artikel 6, &, IV, des Übereinkommens zulässigen Wanderungen von Arbeitnehmern sollten die Arbeitsmarktverwaltungen auf

59 Ersuchen der staatlichen Behörden, denen sie unterstehen, allenfalls in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Arbeitsamt a. über Angebot und Nachfrage, soweit ihnen im Lande selbst nicht entsprochen werden kann, Unterlagen, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen oder Organisationen, sammeln, um die Einoder Auswanderung von Arbeitnehmern zu fördern, die diesem Angebot oder dieser Nachfrage soweit wie möglich genügen, fe. mit anderen zuständigen inländischen oder ausländischen Behörden bei der Vorbereitung und Durchführung zweiseitiger, regionaler oder mehrseitiger zwischenstaatlicher Wanderungsabkommen zusammenarbeiten.

Übereinkommen (Nr. 89) über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1948) Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach San Francisco einberufen wurde und am 17. Juni 1948 zu ihrer einunddreissigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die teilweise Abänderung des von der Konferenz auf ihrer ersten Tagung angenommenen Übereinkommens über die Nachtarbeit der Frauen, 1919, und des von der Konferenz auf ihrer achtzehnten Tagung angenommenen Übereinkommens über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1934, eine Frage, die den neunten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 9. Juli 1948, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1948, bezeichnet wird.

Teil I Allgemeine Bestimmungen Artikel l 1. Als «gewerbliche Betriebe» im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere a. Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen, 6. Betriebe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt, verkaufsbereit gemacht oder abge-

60 brechen werden oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, einschliesslich Schiffsbaubetriebe und Betriebe zur Erzeugung, Umformung und Übertragung von Elektrizität oder sonstiger motorischer Kraft jeder Art, c. Betriebe des Hoch- und Tiefbaues, einschliesslich Bau-, Aushesserungs-, Instandhaltungs-, Umbau- und Abbrucharbeiten.

2. Die zuständige Behörde bestimmt die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Landwirtschaft, Handel und anderen nichtgewerblichen Arbeiten anderseits.

Artikel 2 Als «Nacht» im Sinne dieses Übereinkommens gilt ein Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, der eine von der zuständigen Behörde bestimmte, mindestens sieben aufeinanderfolgende Stunden umfassende Zeitspanne in sich schliesst, die zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens liegt. Die zuständige Behörde kann für bestimmte Gebiete, Gewerbe, Betriebe oder Gewerbe- oder Betriebsgruppen andere Zeitspannen vorschreiben, hat aber vor Festsetzung einer nach elf Uhr abends beginnenden Zeitspanne die beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer anzuhören.

Artikel 3 Frauen ohne Unterschied des Alters dürfen während der Nacht in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben nicht beschäftigt werden. Dies gilt nicht für Betriebe, in denen lediglich Mitglieder derselben Familie beschäftigt sind.

Artikel 4 Artikel 3 findet keine Anwendung a. im Fall einer nicht vorherzusehenden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsunterbrechung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, fr. in Fällen, in denen es sich um Arbeit an Eohstoffen oder in Bearbeitung stehenden Stoffen handelt, die einem raschen Verderb ausgesetzt sind, sofern es zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an diesen Eohstoffen oder Stoffen erforderlich ist.

Artikel 5 1. Das Verbot der Nachtarbeit der Frauen kann von der Eegierung nach Anhörung der beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ausser Kraft gesetzt werden, wenn es das Staatswohl infolge besonders schwerwiegender Umstände erfordert.

2. Hievon ist dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes von der Eegierung in ihrem Jahresbericht über die Durchführung des Übereinkommens, Mitteilung zu machen,

6t Artikel 6 In gewerblichen Betrieben, die dem Einfluss der Jahreszeiten unterworfen sind, sowie in allen Fallen, in denen ausserordentliche Umstände es erheischen, kann die in Artikel 2 angegebene Nachtzeit an sechzig Tagen im Jahre auf zehn Stunden herabgesetzt werden.

Artikel 7 In Ländern, in denen die Arbeit am Tag infolge des Klimas besonders angreifend ist, kann die Nachtzeit kürzer bemessen werden, als in den vorhergehenden Artikeln bestimmt ist, vorausgesetzt, dass am Tag als Ersatz eine entsprechende Euhezeit gewährt wird.

Artikel 8 Dieses Übereinkommen gilt nicht a. für Frauen, die verantwortliche Stellungen leitender oder technischer Art bekleiden, b. für Frauen, die im Gesundheits- und Fürsorgedieiist tätig sind und in der Regel keine körperliche Arbeit verrichten.

Teil II Sonderbestimmungen für bestimmte Länder Artikel 9 In Ländern, in denen die Nachtarbeit der Frauen in gewerblichen Betrieben noch nicht gesetzlich geregelt ist, kann für eine Übergangsfrist von höchstens drei Jahren von der Eegierung bestimmt werden, dass unter «Nacht» ein Zeitraum von nur zehn Stunden zu verstehen ist ; dieser Zeitraum muss eine mindestens sieben aufeinanderfolgende Stunden umfassende Zeitspanne in sich schliessen, die zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens liegt.

Artikel 10 1. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens finden auf Indien Anwendung, vorbehaltlich der in diesem Artikel vorgesehenen Abweichungen.

2. Die genannten Bestimmungen gelten für alle Gebiete, in denen die «Indian Legislature» zu ihrer Durchführung zuständig ist.

3. Als «gewerbliche Betriebe» gelten a. Fabriken im Sinne des indischen Fabrikgesetzes (Indian Factories Act), 6. Bergwerke, auf die das indische Bergbaugesetz (Indian Mines Act) Anwendung findet.

62 Artikel 11 1. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens finden auf Pakistan Anwendung, vorbehaltlich der in diesem Artikel vorgesehenen Abweichungen.

2. Die genannten Bestimmungen gelten für alle Gebiete, in denen die «Pakistan Legislature» zu ihrer Durchführung zuständig ist.

3. Als «gewerbliche Betriebe» gelten a. Fabriken im Sinne des Fabrikgesetzes (Factories Act), b. Bergwerke, auf die das Bergbaugesetz (Mines Act) Anwendung findet.

Artikel 12 1. Die Internationale Arbeitskonferenz kann auf jeder Tagung, auf deren Tagesordnung die Frage steht, mit Zweidrittelsmehrheit Abänderungsentwürfe zu einem oder mehreren der vorausgehenden Artikel des Teiles II dieses Übereinkommens annehmen.

2. Ein solcher Abänderungsentwurf hat anzugeben, auf welches Mitglied oder auf welche Mitglieder er Anwendung findet. Er ist von dem Mitglied, auf das er Anwendung findet, oder von den Mitgliedern, auf die er Anwendung findet, spätestens ein Jahr oder, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen, spätestens achtzehn Monate nach Schluss der Tagung der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu unterbreiten.

3. Erlangt das Mitglied die Zustimmung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen, so teilt es die förmliche Eatifikation der Abänderung dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mit.

4. Sobald ein solcher Abänderungsentwurf von dem Mitglied, auf das er Anwendung findet, oder von den Mitgliedern, auf die er Anwendung findet, ratifiziert worden ist, tritt er als Abänderung dieses Übereinkommens in Kraft.

Teil III Schlussbestimmungen Artikel 13 Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 14 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

63

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate, nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 15 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 16 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Eatifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Eatifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 17 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charte der Vereinigten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Eatifikationen und Kündigungen.

Artikel 18 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

64

Artikel 19 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Bücksicht auf Artikel 15; Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

fc. Vom Zeitpunkte des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 20 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Übereinkommen (Nr. 90) über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1948) Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach San Francisco einberufen wurde und am 17. Juni 1948 zu ihrer einundreissigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die teilweise Abänderung des von der Konferenz auf ihrer ersten Tagung angenommenen Übereinkommens über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe, 1919, eine Frage, die den zehnten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 10. Juli 1948, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (Neufassung), 1948, bezeichnet wird.

65

Teil l Allgemeine Bestimmungen Artikel l 1. Als «gewerbliche Betriebe» im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere a. Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen, b. Betriebe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt, verkaufsbereit gemacht oder abgebrochen werden oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, einschliesslich Schiffsbaubetriebe und Betriebe zur Erzeugung, Umformung und Übertragung von Elektrizität oder sonstiger motorischer Kraft jeder Art, c. Betriebe des Hoch- und Tiefbaues, einschliesslich Bau-, Ausbesserungs-, Tnstandhaltungs-, Umbau- und Abbrucharbeiten, d. Betriebe zur Beförderung von Personen oder Gütern auf Strassen und Eisenbahnen, einschliesslich des Verkehres mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen, Werften, in Lagerhäusern oder auf Plugplätzen.

2. Die zuständige Behörde bestimmt die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Landwirtschaft, Handel und anderen nichtgewerblichen Arbeiten anderseits.

3. Die Gesetzgebung kann vor der Anwendung dieses Übereinkommens Arbeiten in Familienbetrieben ausnehmen, bei denen nur die Eltern und ihre Kinder oder Pflegekinder tätig sind, soweit diese Arbeiten für Jugendliche nicht als schädlich, nachteilig oder gefährlich erachtet werden.

1

Artikel 2

1. Als «Nacht» im Sinne dieses Übereinkommens gilt ein Zeitraum von mindestens zwölf aufeinanderfolgenden Stunden.

2. Für Jugendliche unter sechzehn Jahren schliesst dieser Zeitraum die Zeit zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr morgens in sich.

3. Für Jugendliche über sechzehn, aber unter achtzehn Jahren umfasst dieser Zeitraum eine von der zuständigen Behörde bestimmte Zeitspanne von mindestens sieben aufeinanderfolgenden Stunden, die zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens liegt. Die zuständige Behörde kann für bestimmte Gebiete, Gewerbe, Betriebe, Gewerbe- oder Betriebsgruppen andere Zeitspannen vorschreiben, hat aber vor Festsetzung einer nach elf Uhr abends beginnenden Zeitspanne die beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer anzuhören.

Artikel 3 l. Jugendliche unter achtzehn Jahren dürfen während der Nacht in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben nicht Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. I.

5

66

beschäftigt werden oder arbeiten, ausser in den nachstehend angeführten Fällen.

2. Die zuständige Behörde kann nach Anhörung der beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die Beschäftigung von Jugendlichen über sechzehn, aber unter achtzehn Jahren während der Nacht gestatten, soweit es ihre Lehrlings- oder Berufsausbildung in bestimmten Gewerben oder Berufen erfordert, in denen die Arbeit nicht unterbrochen werden kann.

3. Jugendlichen, die gemäss dem vorstehenden Absätze während der Nacht beschäftigt werden, ist zwischen zwei Arbeitsschichten eine Euhezeit von mindestens dreizehn aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.

4. Wenn die Gesetzgebung eines Landes die Nachtarbeit in Bäckereien für alle Arbeitnehmer verbietet, kann die zuständige Behörde für Jugendliche nach vollendetem sechzehnten Lebensjahre, falls ihre Lehrlings- oder Berufsausbildung es erfordert, die von der zuständigen Behörde gemäss Artikel 2, Absatz 3, vorgeschriebene Zeitspanne von mindestens sieben aufeinanderfolgenden Stunden zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens durch die Zeitspanne zwischen neun Uhr abends und vier Uhr morgens ersetzen.

Artikel 4 1. In Ländern, in denen die Arbeit am Tage infolge des Klimas besonders angreifend ist, können die Nachtzeit und die unter das Verbot fallende Zeitspanne kürzer bemessen werden, als in den vorhergehenden Artikeln bestimmt ist, vorausgesetzt, dass am Tage als Ersatz eine entsprechende Ruhezeit gewährt wird.

2. Die Bestimmungen der Artikel 2 und 3 finden keine Anwendung auf die Nachtarbeit von Jugendlichen zwischen sechzehn und achtzehn Jahren im Falle einer nicht vorherzusehenden oder nicht zu verhindernden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsstörung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist.

Artikel 5 Das Verbot der Nachtarbeit kann für Jugendliche von sechzehn bis achtzehn Jahren von der Behörde ausser Kraft gesetzt werden, wenn es das öffentliche Interesse infolge besonders schwerwiegender Gründe erfordert.

Artikel 6 1. Die gesetzlichen Vorschriften, die dem Übereinkommen Wirksamkeit verleihen, müssen a. die notwendigen Bestimmungen enthalten, damit diese Vorschriften allen Beteiligten zur Kenntnis gebracht werden, &. die Personen bezeichnen, die für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich sind, c. angemessene Strafen für Übertretungen festsetzen,

67 i d. eine geeignete Aufsicht einrichten und aufrechterhalten, die für die tatsächliche Einhaltung der Vorschriften zu sorgen hat, e. jeden Arbeitgeber eines öffentlichen oder privaten gewerblichen Betriebes verpflichten, ein Verzeichnis zu führen oder amtliche Belege bereitzuhalten, aus denen die Namen und Geburtsdaten aller von ihm beschäftigten Personen unter achtzehn Jahren sowie alle anderen von der zuständigen Behörde verlangten Angaben ersichtlich sind.

2. Die Jahresberichte nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation müssen vollständige Angaben über diese gesetzlichen Vorschriften sowie einen Überblick über die Ergebnisse der entsprechend diesen Vorschriften vorgenommenen Besichtigungen enthalten.

Teil II Sonderbestimmungen für bestimmte Länder Artikel 7 1. Jedes Mitglied, das vor dem Zeitpunkte der Annahme von gesetzlichen Vorschriften, welche die Eatifikation dieses Übereinkommend ermöglichen, gesetzliche Vorschriften über die Regelung der Nachtarbeit von Jugendlichen im Gewerbe besass, die eine niedrigere Altersgrenze als achtzehn Jahre vorsehen, kann durch eine der Eatifikation beigefügte Erklärung das in Artikel 3, Absatz l, festgesetzte Alter von achtzehn Jahren durch ein Alter ersetzen, das niedriger als achtzehn, aber keinesfalls niedriger als sechzehn Jahre sein darf.

2. Jedes Mitglied, das eine solche Erklärung abgegeben hat. kann sie durch eine spätere Erklärung jederzeit widerrufen.

3. Jedes Mitglied, für das eine Erklärung nach Absatz l dieses Artikels in Kraft ist, hat in seinem Jahresbericht über die Durchführung dieses Übereinkommens anzugeben, in welchem Umfange Fortschritte in der Eichtung auf die völlige Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens erzielt worden sind.

Artikel 8 · 1. Die Bestimmungen von Teil I dieses Übereinkommens finden auf Indien Anwendung, vorbehaltlich der in diesem Artikel vorgesehenen Abweichungen.

2. Die genannten Bestimmungen gelten für alle Gebiete, in denen die «Indian Legislature» zu ihrer Durchführung zuständig ist.

3. Als «gewerbliche Betriebe» gelten a. Fabriken im Sinne des indischen Fabrikgesetzes (Indian Factories Act), b. Bergwerke, auf die das indische Bergbaugesetz (Indian Mines Act) Anwendung findet, c. Eisenbahn und Häfen.

68 4. Artikel 2, Ziffer 2, findet auf Kinder Anwendung, die das dreizehnte Lebensjahr vollendet, aber das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben.

5. Artikel 2, Ziffer 8, findet auf Jugendliche Anwendung, die das fünfzehnte Lebensjahr vollendet, aber das siebzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben.

6. Artikel 3, Ziffer l, und Artikel 4, Ziffer l, finden auf Jugendliche unter siebzehn Jahren Anwendung.

7. Artikel 8, Ziffern 2, 3 und 4, Artikel 4, Ziffer 2, und Artikel 5 finden auf Jugendliche Anwendung, die das fünfzehnte Lebensjahr vollendet, aber das siebzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben.

8. Artikel 6, Ziffer l, e, findet auf Jugendliche unter siebzehn Jahren Anwendung.

Artikel 9 1. Die Bestimmungen von Teil I dieses Übereinkommens finden auf Pakistan Anwendung, vorbehaltlich der in diesem Artikel vorgesehenen Abweichungen.

2. Die genannten Bestimmungen gelten für alle Gebiete, in denen die «Pakistan Legislature» zu ihrer Durchführung zuständig ist.

3. Als «gewerbliche Betriebe» gelten a. Fabriken im Sinne des Fabrikgesetzes, fe. Bergwerke, auf die das Bergbaugesetz Anwendung findet, c. Eisenbahnen und Häfen.

4. Artikel 2, Ziffer 2, findet auf Jugendliche Anwendung, die das dreizehnte Lebensjahr vollendet, aber das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben.

5. Artikel 2, Ziffer 3, findet auf Jugendliche Anwendung, die das fünfzehnte Lebensjahr vollendet, aber das siebzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben.

6. Artikel 3, Ziffer l, und Artikel 4, Ziffer l, finden auf Jugendliche unter siebzehn Jahren Anwendung.

7. Artikel 3, Ziffern 2, 3 und 4, Artikel 4, Ziffer 2, und Artikel 5 finden auf Jugendliche Anwendung, die das fünfzehnte Lebensjahr vollendet, aber das siebzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben.

8. Artikel 6, Ziffer l, e, findet auf Jugendliche unter siebzehn Jahren Anwendung.

Artikel 10 1. Die Internationale Arbeitskonferenz kann auf jeder Tagung, auf deren Tagesordnung die Frage steht, mit Zweidrittelmehrheit Abänderungsentwürfe zu einem oder mehreren der vorausgehenden Artikel des Teiles II dieses Übereinkommens annehmen.

2. Bin solcher Abänderungsentwurf hat anzugeben, auf welches Mitglied oder auf welche Mitglieder er Anwendung findet. Er ist von dem Mitglied, auf

69 das er Anwendung findet, .oder von den Mitgliedern, auf die er Anwendung findet, spätestens ein Jahr oder, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen, spätestens achtzehn Monate nach Schluss der Tagung der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu unterbreiten.

3. Erlangt das Mitglied die Zustimmung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen, so teilt es die förmliche Eatifikation der Abänderung dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mit.

4. Sobald ein solcher Abänderungsentwurf von dem Mitglied, auf das er Anwendung findet, oder von den Mitgliedern, auf die er Anwendung findet, ratifiziert worden ist, tritt er als Abänderung dieses Übereinkommens in Kraft.

Teil III Schlussbestimmungen Artikel 11 Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 12 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate, nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 18 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es ,zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

70

Artikel 14 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Eatifikationen, Erklärungen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Eatifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 15 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charte der Vereinigten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Eatifikationen, Erklärungen und Kündigungen.

Artikel 16

,

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 17 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor. so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Eücksicht auf Artikel 13; Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b. Vom Zeitpunkte des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 18 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgobend.

7t

Urkunde über die Abänderung des Anhangs zum Übereinkommen über Arbeitsnormen (ausserhalb des Mutterlandes gelegene Gebiete), 1947 Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen .Arbeitsamtes nach San Francisco einberufen wurde und am 17. Juni 1948 zu ihrer einunddreissigsten Tagung zusammengetreten ist,.

hat beschlossen, verschiedene Abänderungsanträge anzunehmen betreffend den Anhang, zum Übereinkommen über Arbeitsnormen (ausserhalb des Mutterlandes gelegene Gebiete), 1947, eine Frage, die den elften. Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet.

Die Konferenz nimmt heute, am 10. Juli 1948, die folgende Urkunde über die Abänderung dés Anhanges zum Übereinkommen über Arbeitsnormen (ausserhalb des Mutterlandes gelegene Gebiete), 1947, an, die als Abänderungsurkunde zum Übereinkommen über Arbeitsnormen (ausserhalb des Mutterlandes, gelegene Gebiete), 1948, bezeichnet wird.

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Die nachstehenden Bestimmungen treten an die Stelle der Bestimmungen des Übereinkommens über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe, 1919, das im Anhang zum Übereinkommen über Arbeitsnormen'.'(ausserhalb des Mutterlandes gelegene Gebiete), 1947, wiedergegeben ist: ' .

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72 c. Betriebe des Hoch- und Tiefbaues, einschliesslich Bau-, AusbesserungsInstandhaltungs-, Umbau- und Abbrucharbeiten, d. Betriebe zur Beförderung von Personen oder Gütern auf Strassen und Eisenbahnen, einschliesslich des Verkehres mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen, Werften, in Lagerhäusern oder auf Flugplätzen.

2. Die zuständige Behörde bestimmt die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Landwirtschaft, Handel und anderen nichtgewerblichen Arbeiten anderseits.

3. Die Gesetzgebung kann von der Anwendung dieses Übereinkommens Arbeiten in Familienbetrieben ausnehmen, bei denen nur die Eltern und ihre Kinder oder Pflegekinder tätig sind, soweit diese Arbeiten für Jugendliche nicht als schädlich, nachteilig oder gefährlich erachtet werden.

Artikel 2 1. Als «Nacht» im Sinne dieses Übereinkommens gilt ein Zeitraum von mindestens zwölf aufeinanderfolgenden Stunden.

2. Für Jugendliche unter sechzehn Jahren schliesst dieser Zeitraum die Zeit zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr morgens in sich.

3. Für Jugendliche über sechzehn, aber unter achtzehn Jahren umfasst dieser Zeitraum eine von der zuständigen Behörde bestimmte Zeitspanne von mindestens sieben aufeinanderfolgenden Stunden, die zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens liegt. Die zuständige Behörde kann für bestimmte Gebiete, Gewerbe, Betriebe, Gewerbe- oder Betriebsgruppen andere Zeitspannen vorschreiben, hat aber vor Festsetzung einer nach elf Uhr abends beginnenden Zeitspanne die beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer anzuhören.

Artikel 3 1. Jugendliche unter achtzehn Jahren dürfen während der Nacht in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben nicht beschäftigt werden oder arbeiten, ausser in den nachstehend angeführten Fällen.

2. Die zuständige Behörde kann nach Anhörung der beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die Beschäftigung von Jugendlichen über sechzehn, aber unter achtzehn Jahren während der Nacht gestatten, soweit es ihre Lehrlings- oder Berufsausbildung in bestimmten Gewerben oder Berufen erfordert, in denen die Arbeit nicht unterbrochen werden kann.

8. Jugendlichen, die gemäss dem vorstehenden Absätze während der Nacht beschäftigt werden, ist zwischen zwei Arbeitsschichten eine Ruhezeit von mindestens dreizehn aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.

4. Wenn die Gesetzgebung eines Landes die Nachtarbeit in Bäckereien für alle Arbeitnehmer verbietet, kann die zuständige Behörde für Jugend-

73

liehe nach vollendetem sechzehntem Lebensjahre, falls ihre Lehrlings- oder Berufsausbildung es erfordert, die von der zuständigen Behörde gemäss Artikel 2, Absatz 8, vorgeschriebene Zeitspanne von mindestens sieben aufeinanderfolgenden Stunden zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens durch die Zeitspanne zwischen neun Uhr abends und vier Uhr morgens ersetzen.

Artikel 4 1. In Ländern, in denen die Arbeit am Tag infolge des Klimas besonders angreifend ist, können die Nachtzeit und die unter das Verbot fallende Zeitspanne kürzer bemessen werden, als in den vorhergehenden Artikeln bestimmt ist, vorausgesetzt, dass am Tag als Ersatz eine entsprechende Buhezeit gewährt wird.

2. Die Bestimmungen der Artikel 2 und 3 finden keine Anwendung auf die Nachtarbeit von Jugendlichen zwischen sechzehn und achtzehn Jahren im. Falle einer nicht vorherzusehenden oder nicht zu verhindernden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsstörung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist.

Artikel 5 Das Verbot der Nachtarbeit kann von der Regierung für Jugendliche zwischen sechzehn und achtzehn Jahren ausser Kraft gesetzt werden, wenn es das Staatswohl infolge besonders schwerwiegender Umstände erfordert.

Artikel 6 1. Die gesetzlichen Vorschriften, die dem Übereinkommen Wirksamkeit verleihen, müssen a. die notwendigen Bestimmungen enthalten, damit diese Vorschriften allen Beteiligten zur Kenntnis gebracht werden, b. die Personen bezeichnen, die für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich sind, e. angemessene Strafen für Übertretungen festsetzen, d. eine geeignete Aufsicht einrichten und aufrechterhalten, die für die tatsächliche Einhaltung der Vorschriften zu sorgen hat, e. jeden Arbeitgeber eines öffentlichen oder privaten gewerblichen Betriebes verpflichten, ein Verzeichnis zu führen oder amtliche Belege bereitzuhalten, aus denen die Namen und Geburtsdaten aller von ihm beschäftigten Personen unter achtzehn Jahren sowie alle anderen von der zuständigen Behörde verlangten Angaben ersichtlich sind.

2. Die Jahresberichte nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation müssen vollständige Angaben über diese gesetzlichen Vorschriften sowie einen Überblick über die Ergebnisse der entsprechend diesen Vorschriften vorgenommenen Besichtigungen enthalten,

74

Teil II Sonderbestimmungeu für bestimmte Länder Artikel 7 1. Jedes Mitglied, das vor dem Zeitpunkte der Annahme von gesetzlichen Vorschriften, welche die Eatifikation dieses Übereinkommens ermöglichen, gesetzliche Vorschriften über die Eegelung der Nachtarbeit von Jugendlichen im Gewerbe beasss, die eine niedrigere Altersgrenze als achtzehn Jahre vorsehen, kann durch eine der Eatifikation beigefügte Erklärung das in Artikel 3, Absatz l, festgesetzte Alter von achtzehn Jahren durch ein Alter ersetzen, das niedriger als achtzehn, aber keinesfalls niedriger als sechzehn Jahre sein darf.

2. Jedes Mitglied, das eine solche Erklärung abgegeben hat, kann sie durch eine spätere Erklärung jederzeit widerrufen.

3. Jedes Mitglied, für das eine Erklärung nach Absatz l dieses Artikels in Kraft ist, hat in seinem Jahresbericht über die Durchführung dieses Übereinkommens anzugeben, in welchem Umfange Fortschritte in der Eichtung auf die völlige Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens erzielt worden sind.

Artikel 2 Die nachstehenden Bestimmungen treten an die Stelle der Bestimmungen des Übereinkommens über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1934, das im Anhange zum Übereinkommen über Arbeitsnormen (ausserhalb des Mutterlandes gelegene Gebiete), 1947, wiedergegeben ist:

Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1948 Teil I Allgemeine Bestimmungen Artikel l 1. Als «gewerbliche Betriebe» im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere a. Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen, b. Betriebe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt, verkaufsbereit gemacht oder abgebrochen werden oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, einschliesslich Schiffsbaubetriebe und Betriebe zur Erzeugung, Um-

75 formung und Übertragung von Elektrizität oder sonstiger motorischer Kraft jeder Art, c. Betriebe des Hoch- und Tiefbaues, einschliesslichBau-, Ausbesserungs-.

Instandhaltungs-, Umbau- und Abbrucharbeiten.

2. Die zuständige Behörde bestimmt die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Landwirtschaft, Handel und anderen nichtgewerblichen Arbeiten anderseits.

Artikel 2 Als «Nacht» im Sinne dieses Übereinkommens gilt ein Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, der eine von der zuständigen Behörde bestimmte, mindestens sieben aufeinanderfolgende Stunden umfassende Zeitspanne in sich schliesst, die zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens liegt. Die zuständige Behörde kann für bestimmte Gebiete, Gewerbe, Betriebe oder Gewerbe- oder Betriebsgruppen andere Zeitspannen vorschreiben, hat aber vor Festsetzung einer nach elf Uhr abends beginnenden Zeitspanne die beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer anzuhören.

Artikel 3 Frauen ohne Unterschied des Alters dürfen während der Nacht in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben nicht beschäftigt werden. Dies gilt nicht für Betriebe, in denen lediglich Mitglieder derselben Familie beschäftigt sind.

Artikel 4 Artikel 8 findet keine Anwendung a. im Fall einer nicht vorherzusehenden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsunterbrechung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, b. in Fällen, in denen es sich um Arbeit an Eohstoffen oder in Bearbeitung stehenden Stoffen handelt, die einem raschen Verderb ausgesetzt sind, sofern es zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an diesen Eohstoffen oder Stoffen erforderlich ist.

Artikel 5 1. Das Verbot der Nachtarbeit der Frauen kann von der Eegierung nach Anhörung der beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ausser Kraft gesetzt werden, wenn es das Staatswohl infolge besonders schwerwiegender Umstände erfordert.

2. Hievon ist dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes von der Eegierung in ihrem Jahresbericht über die Durchführung des Übereinkommens Mitteilung zu machen.

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Artikel 6 In gewerblichen Betrieben, die dem Binfluss der Jahreszeiten unterworfen sind, sowie in allen Fällen, in denen ausserordentliche Umstände es erheischen, kann die in Artikel 2 angegebene Nachtzeit an sechzig Tagen im Jahre auf zehn Stunden herabgesetzt werden.

Artikel 7 In Ländern, in denen die Arbeit am Tag infolge des Klimas besonders angreifend ist, kann die Nachtzeit kürzer bemessen werden, als in den vorhergehenden Artikeln bestimmt ist, vorausgesetzt, dass am Tag als Ersatz eine entsprechende Buhezeit gewährt wird.

Artikel 8 Dieses Übereinkommen gilt nicht a. für Frauen, die verantwortliche Stellungen leitender oder technischer Art bekleiden, b. für Frauen, die im Gesundheits- und Fürsorgedienst tätig sind und in der Eegel keine körperliche Arbeit verrichten.

Teil II Sonderbestimmungen für bestimmte Länder Artikel 9 In Ländern, in denen die Nachtarbeit der Frauen in gewerblichen Betrieben noch nicht gesetzlich geregelt ist, kann für eine Übergangsfrist von höchstens drei Jahren von der Eegierung bestimmt werden, dass unter «Nacht »ein Zeitraum von nur zehn Stunden zu verstehen ist; dieser Zeitraum muss eine mindestens sieben aufeinanderfolgende Stunden umfassende Zeitspanne in sich schliessen, die zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens liegt.

Artikel 8 Diese Abänderungsurkunde tritt in Kraft gemäss Artikel 5 des Übereinkommens über Arbeitsnormen (ausserhalb des Mutterlandes gelegene Gebiete), 1947, der folgendermassen lautet: 1. Die Internationale Arbeitskonferenz kann auf jeder Tagung, auf deren Tagesordnung die Frage steht, mit Zweidrittelmehrheit Abänderungen des Anhanges dieses Übereinkommens annehmen, um die Bestimmungen neuer Übereinkommen in den Anhang aufzunehmen oder eines der im An-

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hange wiedergegebenen Übereinkommen durch ein von der Konferenz angenommenes Übereinkommen mit abgeändertem Wortlaute zu ersetzen.

2. Jedes Mitglied, für das dieses Übereinkommen in Kraft steht, und jedes Gebiet, für das eine Erklärung betreffend die Übernahme der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen nach Artikel 2 abgegeben worden ist, hat jede solche Abänderung innerhalb eines Jahres oder, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen, innerhalb von achtzehn Monaten nach Schluss der Tagung der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu unterbreiten.

3. Eine solche Abänderung wird für jedes Mitglied, für welches das vorliegende Übereinkommen in Kraft steht, durch ihre Annahme seitens des Mitgliedes und für jedes Gebiet, für das eine Erklärung betreffend die Übernahme der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen nach Artikel 2 in Kraft steht, durch die Übernahme der entsprechenden Verpflichtungen für das betreffende Gebiet wirksam.

4. Tritt eine solche Abänderung für ein Mitglied oder für ein Gebiet in Kraft, für das die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen nach Artikel 2 übernommen worden sind, so haben das beteiligte Mitglied, die beteiligten Mitglieder oder die beteiligte internationale Behörde dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes eine Erklärung zu übermitteln, die zu dem durch die Abänderung in den Anhang aufgenommenen Übereinkommen oder zu den durch die Abänderung in den Anhang aufgenommenen Übereinkommen die in Artikel l, Absatz 2, oder die in Artikel 2, Absatz 8, vorgesehenen Angaben enthält.

5. Die Ratifikation dieses Übereinkommens durch ein Mitglied nach der Annahme einer solchen Abänderung durch die Konferenz gilt als Ratifikation der abgeänderten Fassung dieses Übereinkommens. Ebenso gilt die Übernahme der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für ein Gebiet gemäss Artikel 2 nach der Annahme einer solchen Abänderung durch die Konferenz als Übernahme der Verpflichtungen aus der abgeänderten Fassung dieses Übereinkommens für das betreffende Gebiet.

Artikel 4 Zwei massgebende Ausfertigungen dieser Abänderungsurkunde werden vom Präsidenten der Konferenz und vom Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes unterzeichnet. Eine
Ausfertigung wird im. Archiv des Internationalen Arbeitsamtes hinterlegt, die andere dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charte der Vereinigten Nationen eingehändigt. Der Generaldirektor stellt jedem Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunde zu,

78

Artikel 5 t. Jede förmliche Annahme der Abanderungsnrkunde ist dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes mitzuteilen und von ihm einzutragcu.

2. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung jeder Annahme der Abänderungsurkunde, die ihm gemäss diesem Artikel mitgeteilt wird, und übermittelt dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charte der Vereinigten Nationen vollständige Auskünfte über jede solche Annahme.

Artikel 6 Der französische und der englische Wortlaut der Abänderungsurkunde sind in gleicher Weise massgebend.

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Verfügung Nr. l h des

eidgenössischen Finanz- und Zolldepartementes betreffend die Warenumsatzsteuer (Tarif der Steuer auf der Wareneinfuhr) (Vom 29 Dezembei 1949)

Das eidgenössische Finanz- und

Zolldepartement,

in Ergänzung semer Verfügung Nr 9 vom. 21 Dezember 1949 über die Befreiung weiterer Lebensmittel von dei Warenumsatzsteuer und gestutzt auf Artikel 49 des Bundesratsbeschlusses vom 29 Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer, abgeändert durch Bundesratsbeschluss vom 13 März und 20 November 1942, verfugt

Art l Für Waren, welche m die nachstehend aufgeführten Positionen des schweizerischen Gebrauchszolltarifs eingereiht sind, werden die m der Verfugung Nr l g des eidgenossischen Finanz- und Zolldepartementes vom 26 März 1949 festgelegten Steuersatze auf der Einfuhr wie folgt abgeändert Zolltarif Nr

Neuer Steuersatz brutto

14 16 18 19 8 50 21 10 50 22 42 a 42 fe

Bemerkungen

Fr

Fussnote l streichen » 2 » » 3 » Kindermehl Andere Waren dieser Nummer Zwieback Andere Waren dieser Nummer

80 Zolltarif Nr.

Neuer Steuersatz per q brutto Fr.

54 55 a 55 6 56 63 12.--

64 12.--

Bemerkungen

Kakaopulver Andere Waren dieser Nummer Kakaopulver Andere Waren dieser Nummer

65 66 686

69 70 72 73 73a 74 75 76a 766

76 c 77 a 776 77 c 80 a 806

23.--

87 a

100.-- 63.-- Q

8.

87 a1 87 a2 876 95 96 97 a 976 100 a 1006

Wurstwaren in Büchsen Andere Waren dieser Nummer Zierfische, ausgenommen Goldfische in der Form gewöhnlicher Fische Goldfische in der Form gewöhnlicher Fische Schnecken, Frösche, etc., Süsswasserkrebse : frisch Andere Waren dieser Nummer

81 Zolltarif Nr.

136 c 140 141 142a 142 b 145 146

Neuer Steuersatz per Stück Fr.

Bemerkungen

Fussnote l streichen id.

id.

id.

id.

id.

id.

Art. 2 Li der Verfügung Nr. 2, ergänzt durch Verfugung Nr. 2 a des eidgenössischen Finanz- und Zolldepartementes vom 30. Juli 1941 und 13. März 1942 betreffend die Warenumsatzsteuer (Freiliste der Grosshandelswaren) sind folgende Tarifnummern und Warenbezeichnungen zu streichen: Zolltarif

57 a 57 b 68 a 136 a 137 b 137 c 138 a 139 a 143 144 a

Warenbezeichnung

Zichorienwurzeln, getrocknet.

Feigen, getrocknet oder leicht geröstet, zur Fabrikation von Kaffeesurrogaten.

Eohzucker (Braunzucker) zur Baffination in Aarberg.

Ochsen mit Milchzähnen.

Stiere mit Milchzähnen.

Stiere ohne Milchzähne.

Kühe.

Binder, geschaufelt.

Schweine über 60 kg Gewicht.

Schweine bis und mit 60 kg Gewicht.

Art. 3 Diese Verfügung tritt am 1. Januar 1950 in Kraft.

Bern, den 29. Dezember 1949.

8909

Eidgenössisches Finanz- und Zolldepartement: E. Nobs

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. I.

6

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 31. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz und über die Ratifikation verschiedener internationaler Arbeitsübereinkommen durch die Schweiz (Vom 5. Januar 1950)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1950

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

01

Cahier Numero Geschäftsnummer

5771

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.01.1950

Date Data Seite

1-81

Page Pagina Ref. No

10 036 899

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