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Bundesblatt 102. Jahrgang

Bern, den 28. Dezember 1950

Band III

Erscheint wöchentlich. Preis 28 Franken im Jahr, 15 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungagebühr Einrückunungsgebühr 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Artikel l, 2, 17, 26, 33 und 34 der Staatsverfassung des Kantons Bern (Vom 22. Dezember 1950) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

In der Volksabstimmung vom 29. Oktober 1950 haben die Stimmberechtigten des Kantons Bern die Eevision der Artikel l, 2,17, 26, 88, Absatz 4, und 34, Absatz 3, der bernischen Staatsverfassung mit 69 089 gegen 7289 Stimmen angenommen. Für diese Verfassungsänderung sucht der Begierungsrat des Kantons Bern mit Schreiben vom 19. November 1950 die Gewährleistung des Bundes nach.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten wie folgt; Bisheriger Text Art. l Der Kanton Bern ist ein demokratischer Freistaat und ein Bundesglied der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

Neuer Text Art. l Der Kanton Bern ist ein demokratischer Freistaat und ein Bundesglied der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Er umfasst das Volk des alten Kantonsteils und dasjenige des Jura.

Art. 2 Die Staatsgewalt beruht auf der Gesamtheit des Volkes. Sie wird unmittelbar durch die stimmberechtigten Bürger und mittelbar durch die Behörden und Beamten ausgeübt.

Art. 2 Die Staatsgewalt beruht auf der Gesamtheit des Volkes im alten Kantonsteil und im Jura. Sie wird unmittelbar durch die stimmberechtigten Bürger und mittelbar durch die Behörden ausgeübt.

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Bundeablatt. 102. Jahrg. Bd. III.

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Art. 17 Die deutsche und die französische Sprache sind die anerkannten Landessprachen.

Alle Gesetze, Dekrete, Verordnungen und allgemeinen Beschlüsse werden veröffentlicht. Im französischen Gebietsteile erfolgt die Veröffentlichung in beiden Sprachen. Die deutsche Sprache ist in denselben die Ursprache.

Verfügungen, Beschlüsse, Urteile und Schreiben von obern Behörden, welche einzelne Personen oder Korporationen im französischen Gebietsteile betreffen, werden in französischer Sprache erlassen.

Art. 26 (Dem Grossen Eat, als der höchsten Staatsbehörde, sind folgende Verrichtungen übertragen: 1. . . .

Art. 17 Absatz ] unverändert.

Die Amtssprache in den Amtsbezirken des alten Kantonsteils und im Amtsbezirk Laufen ist das Deutsche, in den übrigen Amtsbezirken des Jura das Französische.

Alle Gesetze, Dekrete, Verordnungen und allgemeinen Beschlüsse werden im deutschen Sprachgebiet deutsch, im französischen Sprachgebiet französisch veröffentlicht.

Verfügungen, Beschlüsse und Urteile oberer Behörden werden in der Sprache des örtlich zuständigen Amtsbezirkes erlassen.

Der Grosse Eat erlässt durch Dekret für den zweisprachigen Amtsbezirk Biel besondere Bestimmungen über die Amtssprache.

Art. 26 (unverändert)

20. (neu) die Bestellung einer paritätischen Kommission aus Abgeordneten des alten Kantonsteils und des Jura.

Diese tritt in den im Geschäftsreglement vorgesehenen Fällen oder auf Verlangen der Hälfte aller jurassischen Grossräte zusammen und begutachtet Fragen von allgemeiner Be-

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dentung, welche die Beziehungen zwischen dem alten Kantonsteil und dem Jura berühren.

Art. 33, Abs. 4 Bei der Bestellung des Begierungsrates ist auf Vertretung der Minderheit angemessene Bucksicht zu nehmen.

Art. 34, Abs. 3 (betrifft die Wahl des Begierungsrates) Wer im ersten Wahlgange die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen auf sich vereinigt, ist gewählt. Erreichen mehr Kandidaten, als Stellen zu besetzen sind, die absolute Mehrheit, so entscheidet die höhere Stimmenzahl. Kommen im ersten Wahlgang nicht alle Wahlen zustande, so findet ein zweiter, ganz freier Wahlgang statt, und es ist alsdann gewählt, wer die meisten Stimmen erhält.

Art. 33, Abs. 4 Dem Jura sind im Begierungsrat zwei Sitze einzuräumen.

Art. 34, Abs. 3 Im ersten Wahlgang sind diejenigen gewählt, welche die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen auf sich vereinigen, höchstens aber sieben Kandidaten des alten Kantonsteils und zwei des Jura. In einem zweiten, völlig freien Wahlgang gelten, vorbehaltlich der dem Jura zukommenden Sitze, diejenigen mit den höchsten Stimmenzahlen als gewählt.

Diese Verfassungsrevision betrifft die Beziehungen des Staates Bern zu seinem jurassischen Landesteil. Sie hat die Stellung der Bevölkerung dieses Landesteils als Minderheit im Kanton zum Gegenstand. Die Bevision entspringt dem Wunsche, das kulturelle Erbe des Jura zu wahren und dessen Entwicklung zu fördern.

Durch die revidierten Artikel l und 2 wird die jurassische Bevölkerung als besondere Volksgruppe innerhalb des bernischen Staates anerkannt. Der bisherige Artikel l erhält nämlich einen neuen Absatz 2, der im Sinne einer historischen und kulturellen Feststellung besagt, dass der Kanton Bern das Vojk des alten Kantonsteils und dasjenige des Jura umfasst. Ebenso gelangt im neuen Text des Artikels 2 zum Ausdruck, dass sich das Bernervolk aus den beiden Volksgruppen im alten Kantonsteil und im Jura zusammensetzt. Daran, dass die Staatsgewalt auf der Gesamtheit des Volkes beruht, wird nichts geändert.

Staatsrechtlich bleibt das Bernervolk eine Einheit, in der die Einzelnen -- mögen sie der einen oder der andern Volksgruppe angehören -- gleiche Bechte und Pflichten haben.

Artikel 17 regelt das kantonale Sprachenrecht. Schon nach dem bisherigen Text waren die deutsche und die französische Sprache die anerkannten Landes-

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sprachen (Abs. 1). Als Amtssprachen waren sie jedoch einander nicht gleichgestellt, da der bisherige Absatz 2 die deutsche Sprache als die Ursprache der Gesetze und andern allgemeinen Erlasse das Kantons erklärte. Der neue Text des Artikels 17 stellt die Gleichberechtigung der beiden Landessprachen her.

Im neuen Absatz 2 wird das Territorialprinzip für die geschlossenen Sprachgebiete beider Landessprachen verfassungsmässig verankert. Für den zweisprachigen Amtsbezirk Biel behält der neue Absatz 5 eine Sonderregelung durch Dekret des Grossen Eates vor. Staatliche allgemeine Erlasse werden im deutschen Sprachgebiet deutsch, im französischen Sprachgebiet französisch veröffentlicht (neuer Abs. 3). Verfügungen, Beschlüsse und Urteile oberer Behörden ergehen in der Sprache des örtlich zuständigen Amtsbezirks (neuer Abs. 4).

Art. 26, der die Kompetenzen des Grossen Eates umschreibt, wird durch eine neue Ziffer 20 ergänzt. Diese bestimmt, dass der Grosse Eat aus seiner Mitte eine Kommission bestellt, die sich aus gleichviel Abgeordneten des alten Kantonsteils und des Jura zusammensetzt. Die Kommission soll Fragen von allgemeiner Bedeutung vorbehandeln, die die Beziehungen zwischen dem alten Kantonsteil und dem Jura berühren. Diese Einrichtung erscheint als geeignet, Missverständnisse und Unstimmigkeiten zwischen den beiden Landesteilen entweder überhaupt zu vermeiden oder doch bereits im Keime zu bereinigen. In Anbetracht ihrer staatspolitischen Bedeutung wird diese Kommission in der Verfassung selbst vorgesehen.

Gemäss Artikel 33, Absätze 1-3, besteht der Kegierungsrat aus neun vom Volke gewählten Mitgliedern ; für diese Wahlen bildet das ganze Kantonsgebiet einen einzigen Wahlkreis. Der bisherige Absatz 4 bestimmte, bei der Bestellung des Eegierungsrates sei auf Vertretung der Minderheit angemessene Büeksieht zu nehmen. Seit der Einsetzung eines Eegierungsrates von neun Mitgliedern im Jahre 1846 hatte der Jura sozusagen stets zwei Sitze in der Eegierung.

Durch den neuen Absatz 4 wird diese langjährige Übung in der Verfassung in Form einer Minimalgarantie verankert. Gegen eine derartige Begelung ist bundesrechtlich nichts einzuwenden ; wir erinnern daran, dass mehrere Kantonsverfassungen die Zahl der Eegierungsratsmitglieder, die aus derselben Landesgegend gewählt werden dürfen, beschränken. Aus dem
neuen Absatz 4 des Artikels 38 der bernischen Staatsverfassung ergibt sich, dass nicht mehr als sieben Kandidaten des alten Kantonsteils gewählt werden dürfen. Die Abänderung des Artikels 34, Absatz 3, zieht nur die verfahrensmässigen Folgerungen für die Ausführung des Artikels 33, Absatz 4.

Da die in der Volksabstimmung vom 29. Oktober 1950 angenommenen Bestimmungen nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beantragen wir Ihnen, dieser Verfassungsrevision durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

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Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 22. Dezember 1950.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber

750 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der abgeänderten Artikel l, 2, 17, 26, 33 und 34 der Staatsverfassung des Kantons Bern

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Artikel 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 22. Dezember 1950, in Erwägung, dass die abgeänderten Bestimmungen nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst:

Art. l Den in der Volksabstimmung vom 29. Oktober 1950 angenommenen abgeänderten Artikeln l, 2, 17, 26, 33, Absatz 4, und 34, Absatz 3, der Staatsverfassung des Kantons Bern wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Artikel l, 2, 17, 26, 33 und 34 der Staatsverfassung des Kantons Bern (Vom 22. Dezember 1950)

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1950

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28.12.1950

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745-750

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